freilegen Ein Africaner als Legat von Oberpannonien: Lucius Septimius Severus wurde 193 n. Chr. in Carnuntum von seinen Legionen zum römischen Kaiser ausgerufen. Die sogenannte Palastruine von Carnuntum (im Modell unterhalb) war Markthalle und öffentliches Bad zugleich - ganz nach dem Vorbild der Heimatstadt des Kaisers errichtet; rechts unten sein Triumphbogen in der ehemaligen antiken Hafenstadt östlich von Tripolis (heute UNESCO-Weltkulturerbe). Out of Africa Die Erkenntnisse der Ausgräber in Carnuntum sind eindeutig: An der Donau wurde das System der Soldatenkaiser erstmals erprobt, ein Africaner wurde hier Imperator und eine africanische Stadt zum Vorbild für Carnuntum. Wer war dieser Mann? Von Helga Sedlmayer Carnuntum ist die Stadt eines africani­ schen Kaisers. So verwegen diese Feststel­ lung klingen mag, im späten 2. Jahr­ hundert n. Chr. entspricht sie der Realität. Carnuntum ist zu diesem Zeitpunkt Haupt­ stadt der Provinz Oberpannonien und Sitz des Statthalters Roms. Dieser heißt Lucius Septimius Severus und kommt im Laufe einer gehobenen Beamtenkarriere aus ­seiner Heimatstadt Leptis Magna-Lebda (heute Libyen) in der Provinz Africa im Jahr 191 n. Chr. als höchster Repräsentant Roms nach Carnuntum. Und hier wird er vom pannonischen Heer zum Kaiser über das römische Reich ausgerufen. Septimius Severus, Begründer der severischen Dynas­ tie des römischen Kaiserhauses, verteidigt diesen Ruf erfolgreich gegen Rivalen und manifestiert seine Dankbarkeit in der „glückhaften“ Siedlung Carnuntum. Der Manifestation dieses kaiserlichen Willensakts sind die Archäologen und ­Archäologinnen des Österreichischen Ar­ chäologischen Instituts Wien, unterstützt durch den FWF-Fonds zur Wissenschaft­ lichen Forschung, auf der Spur. Die seit dem Jahr 2003 erfolgte Bearbeitung von 16.000 Fundstücken aus Altgrabungen des 20. Jahrhunderts in der sogenannten Palast­ruine erbrachte gemeinsam mit bau­ typologischen Untersuchungen die fun­ dierten Erkenntnisse: n Nur ein Kaiser, nämlich der „africa­ nische“ Septimius Severus, konnte den riesigen Gebäudekomplex im Zentrum der Zivilstadt Carnuntum in Auftrag gegeben haben; 18 morgen 3/09 Andreae, Römische Kunst. Verlag Herder die Datierung der Funde weist den Baubeginn eindeutig an das Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr.; n das Bauprogramm ist geprägt von Gebäudetypen, die in der römischen ­Provinz Africa ihren Ursprung haben. Tatsächlich handelt es sich bei der soge­ nannte Palastruine um zwei durchkompo­ nierte städtebauliche Elemente, die ihre Analogie in der Heimatstadt des Kaisers Septimius Severus – in Leptis Magna – haben; n unmittelbar nördlich des Forums, des politischen Zentrums der Stadt, wer­ den Markthallen als Zentrum des Handels eingerichtet; n nördlich dieser Markthallen gibt es eine öffentliche Therme, die dem Modell der unter der severischen Dynastie ent­ wickelten „Kaiserthermen“ entspricht. Die Dimensionen sind in Carnuntum zwar kleiner als in der africanischen Me­ tropole (die 100.000 Einwohner aufgewie­ sen haben dürfte und daher auch größer als Rom war). Aber die Idee hinter dem Baukonzept ist klar: Carnuntum sollte sich ein Beispiel an der Heimatstadt des Impe­ rators nehmen – und tat dies auch. n Blutige Machtspiele. Wer aber war nun Septimius Severus? Tatsache ist, dass im Verständnis der Österreicher die römische Geschichte bei Marc Aurel beginnt – und vielfach endet. Dabei waren die Römer bereits zwei Jahrhunderte zuvor – nämlich noch vor Christi Geburt – bis zur Donau vorgesto­ ßen. Im Jahre 8 n. Chr. wurde Pannonien römische Provinz und die bereits vorhan­ dene Ansiedlung Carnuntum ausgebaut und befestigt. Zwischen den Jahren 64 und 99 n. Chr. entstanden weitere römi­ sche Kastelle in Vindobona-Wien, Zeisel­ mauer, Zwentendorf, Tulln und Mautern; der Donaulimes wurde ausgebaut – und Carnuntum wuchs am schnellsten. 161 starb in Rom Kaiser Antoninus Pius und übertrug – wie es üblich war – seinem talentierten, belesenen und tole­ ranten Adoptivsohn Marc Aurel die Macht. Das System der Adoption hatte durch mehr als ein Jahrhundert dem antiken Großreich Stabilität nach innen und ­außen gesichert. Den Philosophenkaiser und Stoiker Marc Aurel zog es jedenfalls ungewollt vom Tiber an die Donau, denn die unru­ higen Völkerschaften jenseits der Donau (im heutigen Weinviertel und östlich da­ von) revoltierten. Wie der viel bewunderte Kaiser lebte, wissen wir kaum, seine „Selbstbetrachtungen“ hat er jedenfalls hier an der Donau niedergeschrieben. Ob er (im Jahr 180) tatsächlich in Vin­ dobona oder anderswo starb, ist unklar. Das größte Problem war jedoch, dass Marc Aurel leider seine Nachfolge weder vor­ sorglich noch klug ordnete. Denn er selbst hatte unter seinen zehn Kindern den leiblichen Sohn namens Commodus zum Nachfolger vorausbe­ stimmt. Und dieser erwies sich bald als Tyrann, der sich mit dem Senat anlegte, mit einer grassierenden Wirtschaftskrise visualisierung: Iris Schmidt und Helga S edlmayer ( ÖAI Wien) nicht fertig wurde – und 192 im Bad er­ drosselt wurde; ähnlich erging es einem Nachfolger des Commodus, der nur drei Monate regierte. Statt freilich zum Adoptionssystem zu­ rückzukehren, ließ man die Sache treiben; und die allmächtige Armee konnte sich darauf berufen, „Ordnung“ machen zu müssen. Ab nun entschieden nämlich die Prätorianer und die mächtigen Führer der großen römischen Armeen, wer Kaiser werden sollte. Die Ausschaltung ziviler ­Institutionen machte aus dem Rom der späteren Kaiserzeit im Grunde eine Art Militärdiktatur. So wurde das Jahr 193 zum Schicksals­ jahr Roms – nachdem zuerst einmal der Kandidat der Prätorianer in die Öffent­ lichkeit getreten war, ein gewisser Didius Julianus; er versprach den Elitesoldaten astronomische Geldgeschenke. Die syri­ schen Legionen wiederum hatten im Pro­ konsul von Africa, Pescennius Niger, ihren eigenen Kandidaten. Das stärkste Gewicht im Machtkampf aber bildeten die neun ­Legionen der Donauarmee. Sie kürten in Carnuntum ihren Legaten von Oberpan­ nonien zum Favoriten und riefen ihn zum Kaiser aus. So machte sich Septimius ­Severus – der Africaner aus Leptis Magna und Legat von Oberpannonien – sogleich auf den Marsch nach Rom, um seine Riva­ len aus dem Feld zu schlagen. Pech nämlich für den Möchtegern-­ Imperator: Die syrischen Legionen ließen sich nicht von ihrem Pescennius Niger ­abbringen … www.galuzzi.it So begann ein blutiger Machtkampf: Die Männer von Septimius Severus waren von Carnuntum aus quer durch Oberita­ lien in Richtung Rom aufgebrochen. In Umbrien kam es zu massiven Übertritten in sein Lager. Zuerst kapitulierten die Prä­ torianer, ihr Kandidat kam ums Leben – was ihre rasche Auflösung beschleunigte; dann öffnete Rom dem ersten Soldaten­ kaiser die Tore und er zog am 9. Juni 193 im Triumph ein. Septimius Severus setzte nun auf den Balkan über und stellte seinen Rivalen am heutigen Bosporus zum Endkampf. Pes­ cennius Niger seinerseits versuchte, zu den notorischen Feinden Roms – zu den Parthern – zu flüchten. Er wurde aber ­erwischt und getötet. Schließlich wurde das Haupt des Pescennius quer durch ­Byzanz getragen, die Stadt selbst teil­weise zerstört und unbotsame Völkerschaften (wie Parther und Ägypter) wurden zur ­Räson gebracht. Aber schon brach im Februar 197 der nächste Aufstand los und Septimius Seve­ rus marschierte – jetzt wieder mit seiner Donauarmee – Richtung Südfrankreich; er siegte wieder und der gute Ruf der pan­ nonischen Legionen wuchs enorm. Schließlich entschloss er sich auch noch, den quer durch Britannien verlau­ fenden Hadrianswall zu erneuern und ­gegen Angriffe der Pikten und Maeten standfest zu machen. 211 sollte er, der ­Africaner aus Tripolitanien, dann auch 64-jährig im kühlen England sterben. 17 Jahre lang hatte er das im Grunde unregierbare Imperium angeführt. Aus sei­ nem Leben wissen wir nur Bruchstück­ haftes. Hatten er und seine engsten Mit­ arbeiter dunkle Haut- und Haarfarbe? ­Jedenfalls war er verheiratet mit der Toch­ ter eines Priesters des kleinasiatischen Gottes Baal, die ihre Klientel nach Rom lotste; der Freundeskreis dürfte „lands­ mannschaftlich“ orientiert gewesen sein. So war der wichtige Prätorianerpräfekt Fulvius Plau­tianus Africaner wie er selbst – und wurde sein Schwiegersohn. Vielseitig sind die administrativen und Rechtsrefomen aus seiner Zeit – vor allem die Constitutio Antonianina, die das rö­ mische Bürgerrecht neu regelte. Seine Ge­ burtsstadt in Africa bevorzugte er trotz seiner Bindungen an Carnuntum ganz ­sicherlich. Viele Stiftungen zeugen dort auch von kultureller Hochblüte. Das unterschied ihn wohl von seinem Nachfolger Caracalla, der seinen eigenen Bruder in den Armen der Mutter umbrin­ gen ließ. Für die Nachwelt hat man Septimius Severus sowohl in Leptis Magna wie in Rom großartige Denkmäler gesetzt: den größten Triumphbogen auf dem Forum Romanum, 21 Meter hoch, 23 Meter breit, unübersehbar die Inschrift: „Senatus Popu­ lusque Romanus danken durch dieses Bauwerk dem Imperator Caesar Septimius Severus für die Rettung des Staates, die Erweiterung der Herrschaft des römischen Volkes sowie für außerordentliche Leis­ tungen in Heimat und Fremde.“ n morgen 3/09 19