Aufgaben, Verantwortung und Zielsetzungen der Islamischen

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Vortrag Mannheimer Institut
08.02.2015 ZMD e.V.
Hamza Wördemann
Aufgaben, Verantwortung und Zielsetzungen
der Islamischen Glaubensgemeinschaften
in den Arbeitsfeldern der Seelsorge in
Deutschland
1. WARUM Islamische Seelsorge
Ich möchte mich mit diesem Vortrag nicht nur an die Fachleute und Experten wenden,
sondern auch an die Laien, an die Skeptiker und Kritiker, denen wir immer
wieder begegnen werden.
Deshalb fange ich zunächst einmal bei NULL an.
Brauchen wir überhaupt eine Seelsorge für Muslime ?
Im Arabischen und im Türkischen gibt es den Begriff „Seelsorge“ überhaupt nicht.
Deshalb war ich auch nicht verwundert, als mich vor kurzem der Botschafter eines
arabischen Landes fragte:
WARUM BRAUCHEN MUSLIME ÜBERHAUPT SEELSORGE WIR HABEN DOCH DEN KORAN
Manchmal denke ich nach einem Flugzeugabsturz
Ist es wirklich hilfreich wenn die Medien tagelang und stundenlang alle Details zum
Unglück beleuchten und verzweifelt versuchen, die Gründe und Fehler für dieses
schreckliche Ereignis zu suchen ?
Wäre es nicht viel besser, Trost und Ruhe spendende Koran Suren auszustrahlen und in
Ruhe zu trauern ?
Der Koran bietet eine praktische Handlungsanweisung für das Leben und das Sterben somit war der Einwand des Botschafters
Wozu brauchen wir Seelsorge - wir haben doch den Koran - durchaus berechtigt.
Dabei ist aber ein entscheidender Punkt zu beachten:
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In Deutschland ist die Islamische Infrastruktur, die beim Lesen, Verstehen und
Umsetzen des Korans hilft, nur sehr schwach - zumindest im Vergleich zu
Islamischen Ländern.
Als Islamische Länder möchte ich solche Länder bezeichnen, in der die Mehrheit der
Menschen Muslime sind.
Dort gibt es überall Moscheen.
Seelsorge wird durch Imame und Großfamilien und der Gesellschaft direkt oder indirekt
übernommen.
Probleme wie Depressionen, Einsamkeit sind seltener, weil die Menschen in einer
Gemeinschaft leben.
Allerdings gibt es auch hier nachteilige Entwicklungen, weil die Globalisierung, die
Individualisierung und die Monetarisierung - der Drang nach Geld - die sozialen Strukturen
zunehmend verändert.
Wenn in Deutschland ein Muslim alleine im Krankenhaus liegt, ist es wichtig wenn er
neben dem Koran Menschen hat, die ihm Hilfe und Halt geben.
Somit ist die Frage also nicht, OB wir eine Islamische Seelsorge in Deutschland
brauchen, sondern WIE diese Seelsorge ausgestaltet werden soll und WER diese
Seelsorge übernehmen kann.
Bevor ich auf das WIE und das WER eingehe, müssen wir noch einige Klärungen zum
Begriff der „Seele“ vornehmen:
Im altbiblischen Kontext gibt es den Begriff der „Seele“ überhaupt nicht.
In der hebräischen Bibel finden sich keine Inhalte über eine „Seele“, die unabhängig vom
menschlich, lebendigen Körper existiert. Im rabbinischen und mittelalterlichen Judentum
bilden Seele und Körper während des Lebens und nach der Auferstehung eine Einheit.
Was das für die jüdische Seelsorge konkret bedeutet, hat der Rabbiner Dr. Max
Dienemann wie folgt zusammen gefasst:
„Seelsorge ist nicht die Sorge für das Heil der Seele in einer theologischen Färbung dieses
Wortes, sondern die Sorge für den jüdischen Menschen in allen Bezirken seines Lebens
(…) Das Seelische und Leibliche stehen in einer unauflöslichen Verbindung“ (zit. nach
Homolka 2012, S. 38).
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Aus jüdischer Sicht besteht folgender Unterschied zwischen jüdischer und christlicher
Seele:
„Der christliche Priester gilt als Mittler der Seele zu Gott, der Rabbiner ist Führer zu der
göttlichen Lehre. So liegt eigentliche Seelsorge schon im Amte des christlichen Priesters
begründet, während alles Rabbinertum seine Autorität aus seinem Wissen um die Dinge
der göttlichen Lehre schöpft“ (Ulrich Steuer, Heidelberger Rabbiner, zit. nach Homolka
2012, S. 41).
Aus diesem Wissen leiten jüdische Seelsorger die Forderung ab, den Menschen bei der
Umsetzung der religiösen Gebote zu helfen und eine gottgefällige Umgebung zu schaffen.
Damit gibt es noch mehr Parallelen zwischen dem jüdischen Verständnis von Seelsorge
und dem Islamischen Verständnis von Seelsorgen, ohne dabei die Vielzahl der
Gemeinsamkeiten zwischen allen drei Religionen außer Acht zu lassen.
In der Islamischen Seelenlehre stellt die Seele
* das Gewissen,
* den in den Körper eingehauchten Geist,
* das verführbare Ego,
* die sterbliche Entität dar, die während des Schlafes nicht im Körper anwesend ist.
Nach der sufischen Lehre erlangt die Seele Zufriedenheit, Liebe und Gotteserkenntnis,
wenn sie frei von triebhaftem Verlangen, Egoismus und materieller Anhaftung wird.
Körper und Seele sind voneinander abhängig, ohne dass die Art der Abhängig bekannt ist
(vgl. Sia Talaat: Die Seelenlehre des Koran, 1929).
Der Koran soll mit dem Körper und der Seele empfangen werden; genauer mit dem
Gesicht, dem Gehör und dem Herz.
Aus diesem Grunde ist es von großer Bedeutung, den Koran nicht nur alleine und im
stillen zu lesen, sondern in der Gemeinschaft laut und melodiös zu rezitieren.
Fassen wir also zusammen:
Bei der Islamischen Seelsorge wird nicht der „Seele“ alleine geholfen.
Es besteht ein ganzheitliches Verständnis, dass dem ganzen Menschen dadurch geholfen
wird, dass er die helfenden Regeln des Islam und des Koran umsetzt und damit seine
Probleme reduziert.
Deshalb kann Islamische Seelsorge auch nur von Muslimen übernommen werden.
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2. WER kann Islamische Seelsorge leisten ?
Nachdem wir eben besprochen haben, dass in modernen Gesellschaftsstrukturen Familie,
Großfamilie und Gesellschaft nicht mehr alleinige Träger einer ganzheitlichen Seelsorge
sind, müssen wir uns nun Gedanken darüber machen, wie eine institutionalisierte
Islamische Seelsorge als Ergänzung zur familiären und gesellschaftlichen Seelsorge
aussehen kann.
Beginnen wir mit dem WER.
Beginnen wir mit dem Imam.
Der Imam ist und bleibt der wichtigste Ansprechpartner für die Seelsorge seiner
Gemeindemitglieder und aller Moscheebesucher.
Seine Seelsorge ist aber nicht mit dem Aufgabenbereich eines christlichen Pfarrers
vergleichbar, der vielfältige direkte und indirekte Aufgaben für Religion und Seelsorge
übernimmt.
Der Imam kümmert sich um die täglichen Gebete, die Freitagspredigt vor der Gemeinde,
die religiöse Unterweisung von Kindern und Jugendlichen, den Unterricht des Arabischen
als Sprache des Korans und um dessen klangvolle Rezitation.
Der Koran und das Gebet haben im Islam eine besonders hohe Bedeutung. Deshalb muss
sich der Imam auf diese Kernaufgaben konzentrieren.
Im Koran und im Gebet kann und soll der Muslim seinen Trost und Seelenfrieden finden.
Im Koran gibt es eine Vielzahl praktischer Lebensregeln und Anregungen, die - wenn man
sie auch umsetzt - Probleme verhindern und lösen helfen.
Deshalb soll und darf die Aufgabenbereich eines Imams nicht beliebig ausgeweitet und
überfrachtet werden.
Die Haupt-Träger Islamischer Seelsorge - der Imam, die Gemeinschaft und die
Familie müssen durch Menschen unterstützt werden, die sich für Islamische
Seelsorge eignen und dafür qualifiziert sind oder qualifiziert wurden.
Diese Menschen müssen ausgebildet sein oder ausgebildet werden.
Wenn sie bereits ausgebildet sind, benötigen sie darüber hinaus Fortbildung,
Weiterbildung und Supervision.
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3. WIE kann Islamische Seelsorge durch die
Standardisierung der Ausbildung unterstützt
werden ?
Kommen wir nun zum WIE:
Die Differenzierung zwischen Menschen,
* die sich für Islamische Seelsorge eignen
* die dafür qualifiziert sind
* die dafür qualifiziert wurden
habe ich nicht ohne Grund gewählt.
Wir alle wissen, dass es bei der Sozialarbeit, bei der Seelsorge, beim Ehrenamt in
besonderem Maße auf die Individualität des Helfers, des sich Helfenden, den
persönlichen Beziehungen und den individuellen Umständen ankommt.
Das Thema meines Vortrages ist ja nicht
„Professionelle Hilfe für Menschen mit psychischen und psychosozialen Krisen durch
Psychologen, Psychotherapeuten und Psychater“.
In diesem Zusammenhang möchte ich kurz den „Ratgeber für Muslime bei psychischen
und psychosozialen Krisen“ empfehlen, den unser Zentralratsmitglied Dr. Ibrahim Rüschoff
gemeinsam mit Malik Laabdaallaoui beschrieben hat. Unsere Mitgliedsorganisation
„Islamische Arbeitsgemeinschaft für Sozial- und Erziehungsberufe e.V.“ leistet schon seit
Jahrzehnten wertvolle Arbeit bei der Seelsorge und der professionellen Psychotherapie.
Es geht stattdessen um die Standardisierung der Ausbildung von Seelsorgern, die zum
großen Teil nebenberuflich und ehrenamtlich arbeiten.
Wir alle wissen, was die Ziele dieser Fachtagung sind:
Das „WIE“ soll durch die Standardisierung der Ausbildung unterstützt werden.
Wir wünschen uns einen einheitlichen, hohen Standard und eine Professionalisierung.
Wenn der Ausbildungsträger A wertvolle Ausbildungsinhalte hat, die der Ausbildungsträger
B übersehen hat, dann ist das für den Hilfesuchenden C nicht gut.
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Aber:
Es gibt auch genug Kritiker, die - mit gutem Grunde - bei dem Begriff Standardisierung und
Zertifizierung - Bedenken haben.
Papier ist geduldig.
Wie gut eine Organisation arbeitet, hängt von den Menschen ab, die für diese
Organisation tätig sind.
Zertifizierungen sind nicht dann besonders gut, wenn sie besonders viele Aktenordner
füllen, sondern wenn sie einfach, klar und umsetzbar sind und von den Menschen auch
gelebt werden.
Standardisierungen sind nur dann zu empfehlen, wenn sie Raum für Individualität lassen
und Rücksicht auf bestehende Strukturen immer dann nehmen, wenn sie nützlich sind und
sich bewährt haben.
Bei der Standardisierung der Ausbildungsinhalte stellt sich dieses Problem weniger.
Dazu komme ich später noch.
Schwieriger wird es aber bei Standards, die sich mit den Personen der Seelsorger
befassen:
Ich zitiere jetzt aus dem Konzept des Mannheimer Institutes für eine Arbeitstagung zur
Standardisierung der Ausbildungsgänge und Organisationen der Islamischen Seelsorge in
Regionen der Bundesrepublik vom 29.12.2012:
Punkt 4 der Rahmensetzung für die Arbeitstagung:
„Festlegung eines Standards, nach dem AusbildungsteilnehmerInnen nach Werbung in
allen relevanten muslimischen Gruppierungen in einem Bewerbungs- und
Auswahlverfahren für die Seelsorgetätigkeit ausgewählt werden“
oder Punkt 7:
„Diskussion und Festlegung der Standards zur Auswahl und Ausbildung von regionalen
Ausbildungsleitern der Verbände und zum Transfer in die Bundesländer bzw. Regionen
nach Bedarfslagen“
Wir suchen keine Buchhalter oder Zahnärzte, sondern Seelsorger.
Nach meinen Erfahrungen hängt die Qualität der Arbeit eines Menschen, der im sozialen,
sportlichen oder gesundheitlichen Zusammenhang tätig ist, nur wenig von quantitativ
messbaren Kriterien ab, die sich in Standards zusammenfassen lassen.
Deshalb müssen die Standards, die von den Ausbildungsteilnehmern und
Ausbildungsleitern verlangt werden, möglichst kurz und pragmatisch ausfallen.
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Einerseits sollen sie nicht gute Seelsorger ausschließen, die vielleicht wenige formale
Kriterien erfüllen, dafür aber menschlich hochqualifiziert sind.
Andererseits muss die Übereinstimmung mit vielen formalen Kriterien nicht automatisch
eine hohe Qualifikation bedeuten.
Einer meiner beiden Lieblingsärzte hat überdurchschnittlich lange für sein Studium
gebraucht und sich die Mühen einer Promotion gespart.
Der zweite Aspekt ist die bestehende Situation in Deutschland.
Es gibt ja jetzt schon - al hamduLillah - eine Vielzahl wichtiger Islamischer
Seelsorgeangebote in Deutschland, deren Struktur sehr vielfältig und heterogen ist.
Auf diese bestehende Individualität und Heterogenität soll maximale Rücksicht genommen
werden.
Standardisierungsbemühungen dürfen nicht dazu führen, dass bestehenden
Organisationen, die formale Anforderungen nicht oder nur teilweise erfüllen können, die
Arbeit und die Finanzierung erschwert wird.
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4. Worin besteht die Verantwortung der
Islamischen Religionsgemeinschaften ?
Die Frage nach der Verantwortung für Islamische Seelsorge kann ich schnell
beantworten.
Im Koran steht.
„Die gläubigen Männer und die gläubigen Frauen sind einander Beschützer und
Hilfe“ (9:71).
Ein bekannter Hadith sagt:
„Wer einem Gläubigen eine Sorge von den Sorgen dieser Welt nimmt, dem wird Allah eine
Sorge von den Sorgen des Tages der Auferstehung nehmen. Wer es einem Menschen in
Bedrängnis erleichtert, dem wird Allah in dieser Welt und im Jenseits erleichtern“ (ALNAWAWI, übers. DENFER).
Somit sollen und müssen sich die Islamischen Religionsgemeinschaften um Seelsorge
kümmern.
Kommen wir nun zu den Zielsetzungen:
Bei der Islamischen Seelsorge sind die Inhalte des Islam von besonderer Bedeutung,
weil der Islam in besonderem Maße eine praktische Lebenshilfe anbietet.
Der Koran und die Sunna können den Menschen mit Problemen helfen, ihre Probleme zu
überwinden - wenn diese sie nur umsetzen würden.
Alle Regeln des Korans sind logisch und einfach umsetzbar.
Es mag einige Regeln geben, die dem sogenannten modernen Menschen schwer fallen aber niemand kann ernsthaft bestreiten, dass Werte wie Treue und der Verzicht auf
Drogen den Menschen, Familien und Kindern nutzen und einen logischen Hintergrund
haben.
Die vielfältigen Inhalte des Islam können nur von Islamischen Religionsgemeinschaften
und deren Angehörigen selber vermittelt werden.
Nur Islamische Religionsgemeinschaften haben das Wissen, die Erfahrung und die
Netzwerke, um Fragen zu klären, die sich bei der Islamischen Seelsorge ergeben.
Und nur Islamische Religionsgemeinschaften sind direkter Bestandteil der Umma, der
Islamischen Gemeinschaft. Islamische Seelsorge kann eben nicht - wie bei einem
Wirtschaftsunternehmen - eine mehr oder weniger externe Stabs-Stelle sein. Islamische
Seelsorge muss integrierter Bestandteil der Kette Muslim - Familie Moscheegemeinschaft - Religionsgemeinschaft sein.
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Und - ganz wichtig - nur Islamische Religionsgemeinschaften genießen das Vertrauen und
haben somit die Möglichkeit, Berührungsängste abzubauen.
Deshalb muss die Ausbildung Islamischer Seelsorge durch die Islamischen
Religionsgemeinschaften verantwortet werden.
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5. Was muss bei der Umsetzung beachtet werden ?
Man kann bestehende Seelsorge-Konzepte nicht einfach um ein kurzes Zusatz-Modul
„Islam“ anreichern, um so ein neues Gesamtmodul „Islamische Seelsorge“ zu haben.
Das wissen wir alle.
Es gibt aber Skeptiker, die genau solche Bedenken haben und die wir deshalb im Vorfeld
entsprechend überzeugen müssen.
Es ist aber grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn bei der Ausbildung
Islamischer Seelsorger Ressourcen bestehender Strukturen, Netzwerke und Erfahrungen
nicht Islamischer Religionsgemeinschaften genutzt werden.
Denn bei der Seelsorge gibt es viele Aspekte, die religionsübergreifend sind.
Ich möchte in diesem Zusammenhang Dr. Ibrahim Rüschoff aus seinem Kapitel „Brauchen
Muslime muslimische Therapeuten und Beraterinnen“ zitieren:
„Obwohl Therapeuten und Berater ohne fundierte Kenntnisse über den Islam und ohne
Zugang zur Lebenswirklichkeit ihrer muslimischen Patienten für diese eine Art „Notlösung“
bleiben, muss man die Frage, ob diese dennoch einen nichtmuslimischen Therapeuten
aufsuchen können, trotz der diskutierten Bedenken und Einschränkungen mit „ja“
beantworten. Zwei Gründe sind dafür entscheidend:
Ein guter nichtmuslimischer Therapeut kann seine Unkenntnis des Islam leichter
ausgleichen bzw. sich Hilfe suchen als ein schlechter muslimischer Therapeut seine
therapeutischen Defizite.
Ein guter Therapeut wird die Lebenswelt des Klienten immer als dessen eigene
respektieren, auch wenn er sie nicht teilt oder zu Beginn seiner Therapie nicht kennt. Er
wird das Kopftuch einer muslimischen Patientin oder bestimmte islamische
Verhaltensweisen in der Ehe nicht einfach als schädlich oder überflüssig bezeichnen.
Daher können Muslime selbstverständlich auch von nichtmuslimischen Therapeuten
profitieren“.
Ich habe diese Zitate nicht deshalb gewählt, um den Anspruch der Islamischen
Religionsgemeinschaften für die Islamische Seelsorge zu relativieren.
Denn Islamische Seelsorge hat andere Hilfskonzepte als professionelle Psychotherapie.
Die Islamische Seelsorge muss von Islamischen Seelsorger übernommen werden, weil es
- im Gegensatz zur professionellen Psychotherapie - um das seelisch/spirituelle/religiöse
Wohl des Menschen geht und nicht um die Behandlung einer fachärztlich definierbaren
psychiatrischen Krankheit.
Jeder Gläubige sollte ein freundschaftliches und aufgeschlossenes Verhältnis zu den
anderen Gläubigen der abrahamitischen Religionen haben ! Es ist aber ganz natürlich,
dass Vertreter der eigenen Religion das höchste Vertrauen geniessen.
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Ich möchte für ein entspanntes und pragmatisches Miteinander werben.
Es ist darüber hinaus auch möglich, dass heute schon damit beschäftigte Institute und
Organisationen von den Islamischen Religionsgemeinschaften autorisiert werden,
Ausbildungen für Islamische Seelsorge durchzuführen.
Mein persönliches Interesse besteht immer darin, einen möglichst konkreten, sichtbaren
Nutzen zu schaffen.
Wenn die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen hilft, die Zahl der helfenden
Seelsorger zu erhöhen und damit die Zahl der Menschen zu erhöhen, denen geholfen
werden konnte, dann soll das gemacht werden.
Wir müssen dabei nur aufpassen, dass ordentlich und fair zusammengearbeitet wird.
Nehmen wir mal ein praktisches Beispiel:
Im Dezember 2012 hat uns Herr Miess das Konzeptpapier „Ausbildungsmodule
Basisausbildung Islamische Seesorge und Krankenhausseelsorge“ mit der Bitte um
Überprüfung vorgelegt.
Dieser Vorschlag enthält folgende Module:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Basiswissen
Muslimische Patienten im Krankenhaus
Islamische theologische Fundierung
Kommunikation
Seelsorge - Situation und seelsorgerischer Einsatz
Seelsorge - Gespräche
Die psychischen Probleme von Mitraten im Alltag und von Patienten und ihrer
Angehörigen vor und nach einem Krankenhausaufenthalt und
Behandlungsmöglichkeiten
8. Eine Einführung in systematische Zusammenhänge
Vergleichen wir diese Konzeption mit dem österreichischen Vorschlag eines Bachelor Studiengangs „Islamische Seelsorge“. Dort findet sich folgende Struktur:
1. Theologische Grundlagen
2. Einführung in die Islamischen Wissenschaften
3. Theologie der Islamischen Seelsorge
4. Islamische Seelsorge im europäischen Kontext
5. Muslime und Gesellschaft (Religionssoziologie, Religionspsychologie)
6. Muslimische Gemeindearbeit
7. Islamische Lebenspraxis im österreichischen Kontext
8. Methodenlehre für die Seelsorge
9. Seelsorge für Muslime in Österreich (Supervision)
10. Professionsbildung
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Insgesamt gibt es eine hohe Übereinstimmung beider Konzeptionen.
Bei der Reihenfolge der Seminarmodule gibt es Unterschiede, weil das Mannheimer
Institut mit praktischen Inhalten startet, während die österreichische Konzeption mit den
Islamischen Grundlagen beginnt.
Positiv sind mir die österreichischen Module „Muslimische Gemeindearbeit“ und
„Islamische Lebenspraxis im österreichischen Kontext“ aufgefallen, die beim Mannheimer
Institut wenig Raum finden.
Das ergibt sich aber aus den unterschiedlichen Zielsetzungen, weil sich die Konzeption
des Mannheimer Institutes überwiegend an praktische Seelsorger und deren Ausbilder
richtet, während die österreichische Bachelor - Konzeption universitären Anforderungen
genügen möchte.
Ich habe mir diesen Punkt trotzdem herausgegriffen, um daran zu erinnern, dass bei der
Islamischen Seelsorge der ganzheitliche Ansatz besonders wichtig ist.
Die meisten Punkte des Curriculums des Mannheimer Institutes waren wichtig und
religionsübergreifend von universeller Bedeutung:
zum Beispiel:
*
*
*
*
*
*
*
*
*
Behandlung durch gleichgeschlechtliche Ärzte und Pflegepersonal
Schweigepflicht
Umgang mit persönlichen Patientengeschichten
Grundlagen der Kommunikation
eigene Erfahrungen des Seelsorgers mit Tod und Trauer
Belastungsreaktionen in der akuten Trauersituation
Depression als Volkskrankheit
Einführung in systemische Zusammenhänge
Selbstreflexion
Anderer Punkte waren Islamischer Natur und mussten deshalb von der
Religionsgemeinschaft des Zentralrates der Muslime mit Inhalten gefüllt werden.
zum Beispiel:
*
*
*
*
was ist halal, was ist haram - bezogen auf die Behandlung
Islamische theologische Fundierung
Diagnose von unheilbaren Krankheiten
religiöse Vorstellungen zur Begleitung Sterbender
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Somit können wir zusammenfassen:
* einerseits möchten wir zügig Ergebnisse, die Menschen konkret helfen - deshalb
unterstützen wir das Programm des Mannheimer Institutes.
* andererseits müssen wir langfristig Berührungsängste abbauen und Vertrauen erhalten deshalb müssen wir Fehler vermeiden und Verwässerungen verhindern
* drittens brauchen wir materielle Unterstützung beim Ausbau unserer organisatorischen
Strukturen, weil die soziale und psychosoziale Gesundheit der Bevölkerung einen
stabilen Hintergrund benötigt.
Islamische Seelsorge wird benötigt:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
in Moscheegemeinden
in Krankenhäusern
in Gefängnissen
in Altenheimen
in Mutter-Kind-Heimen
in der Bundeswehr
in gemeinnützigen Vereinen, die Bildungs- und Erziehungsberatung für Frauen
anbieten
Das sind viele Aufgabenfelder, die fundierte Strukturen hinter den Seelsorgern verlangen.
Das bedeutet gesellschaftspolitisch: Islamische Seelsorge muss in den Kontext einer
Islamischen Wohlfahrtspflege eingebettet werden, um die notwendige Kraft und Stärke zu
haben.
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