Bilder im frühen Islam II

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Volker Popp
Bildliche Darstellungen aus der Frühzeit des Islam (II)
Eine Münze im Namen des islami-schen Eroberers von Syrien, Khalid ibn al-Walid mit
der Darstellung des Agnus Dei (Lamm Gottes)
Eine Kupfermünze in traditioneller Deutung
Der französische Orientalist Frederic De Saulcy erwarb 1869 in Jerusalem eine Kupfermünze, welche er als
Prägung des islamisch-arabischen Feldherrn Khalid ibn al-Walid 1871 publizierte.[1]
Khalid ibn al-Walid ist, nach der Tradition der Muslime, einer der bedeutendsten Feldkommandeure, die noch
unter dem Prophe-ten selbst gefochten hatten. Im Jahr 8 des islamischen Kalenders, ca. 630, nahm er
angeblich an der Eroberung Mekkas teil. Der Prophet selbst soll ihn mit der delika-ten Aufgabe der Zerstörung
des Idols des heidnischen Götzen al-‘Uzza betraut haben. Im Jahr 13 des islamischen Kalenders war er
Oberbefehlshaber in Syrien. Der Kalif ‘Umar entließ ihn bald darauf. Bis zu sei-nem im Jahr 21 des
islamischen Kalenders in Hims erfolgten Tod kämpfte er im Nor-den Syriens gegen die Byzantiner. So wird
berichtet.[2]
2 S. dazu auch den Artikel zu diesem islamischen Heros von Patricia Crone in The Enzyclo -paedia of Islam.
Auf der Vorderseite der von De Saulcy in Jerusalem erworbenen Münze ist eine stehende Herrscherfigur,
frontal dargestellt, zu sehen. In der Rechten hält der Herr-scher ein Langkreuz, in der Linken den Kreuzglobus.
Links von der Herrscherge-stalt befindet sich auf einem Podest in Form eines T ein Lamm, dargestellt in Seitenansicht.
Eine neue Deutung des Münzbildes
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Es handelt sich hier in Wirklichkeit um eine Darstellung des Agnus Dei, des Lamm Gottes. „Das Lamm ist
relativ selten in der frühchristlichen Kunst der Provinzen des Ostreiches. Beispiele: Lamm im Medaillon im
Scheitel der Apsiswand der Marienkir-che des Katharinenklosters auf dem Sinai, zwischen zwei Victorien mit
Kreuzstäben und zwei Medaillons mit Johannes dem Täufer und Maria (Mitte des 6. Jh.); Lamm im
Schnittpunkt der beiden Balken des Justinuskreuzes im Vatikan (565-578). Die Darstellung des Lammes war
im Übrigen zugunsten des Christusbildes durch den Kanon 82 der Trullanischen Synode (691) verboten, und
dieses Verbot, das aber nicht immer eingehalten wurde, ... erklärt zum Teil die Seltenheit der Darstellung des
Agnus Dei in den byzantinischen Ländern. Als Attribut des Täufers ist das Lamm in einem Rundbild seit der
Mitte des 6. Jh. belegt.“[3]
Nachrichten über die arabo-byzantinische Münzstätte in Tiberias am See
Genezareth
Auf der Vorderseite der Münze, rechts, im Feld, befindet sich eine Inschrift in griechi-schen kapitalen
Buchstaben (hier in La-teinbuchstaben wiedergegeben): „TIBEIIA“, laut De Saulcys Lesung. Es soll sich hier
um Tiberias am See Genezareth handeln.[4]
Tiberias am See Genezareth ist als Münz-stätte bekannt, zu dieser Zeit allerdings allein durch Prägungen von
sog. „Arabo-byzantinischen Münzen“[5] .
Arabo-byzantinische Münzen werden von Walker folgendermaßen definiert: „Der Terminus Arabo-Byzantinisch
wird in die -sem Katalog durchgehend als eine passende
Beschreibung derjenigen Muhammadani-schen Münzen gebraucht (...), welche nach dem Vorbild der
Byzantiner unter den frü-hen Eroberern im ersten Jahrhundert des Islam geprägt wurden.“
Auf der Rückseite einer in Walkers Katalog verzeichneten Münze[6] , findet sich als Um-schrift um die
Wertangabe M (= 40 Num-mia) in kapitalen griechischen Lettern die Münzstättenangabe: „TIBERIADO“. Dies
dürfte als Nachweis für die Existenz dieser Münzstätte während der Herrschaft des byzantinischen Kaisers
Heraklius (610-641) genügen.
Die von De Saulcy publizierte Münze mit der Agnus Dei-Darstellung muss man die-ser Epoche der
Münzprägung zurechnen, denn bald darauf prägte man in Tiberias zweisprachige, bilingue Münzen Griechisch/Arabisch, noch später allein mit a-rabischen Legenden versehene Münzen.
Das Aufkommen des Arabischen als Verwaltungssprache
De Saulcys Münze dürfte um 630 geprägt worden sein, denn bald danach wurde das Griechische als
Verwaltungssprache in Pa-lästina nicht mehr verwandt. Dies hängt zusammen mit dem Aufkommen der Volkssprachen in der Verwaltung des Byzantini-schen Reichs.
Nach 622 wird die neue Heeres- und Ver-waltungsordnung zur Grundlage der by-zantinischen Macht der
folgenden Jahr-hunderte. „Doch nicht nur politisch, auch kulturell bedeutet die Epoche des Heraklei-os für das
Ostreich eine Wendezeit. Es schließt das römische und es beginnt das byzantinische Zeitalter im eigentlichen
Sinne. Die endgültige Gräzisierung und die starke Verkirchlichung des gesamten öf-fentlichen Lebens geben
dem Kaiserreich ein neues Gesicht.“[7]
In der Novelle des Jahres 629 erscheint erstmals der erste griechische Basileus-Titel, anstelle des
lateinischen Imperator. So wie die griechische Volkssprache in Kleinasien das Latein der Amtssprache ablöste, dürfte in den von arabischen Konfö-derierten beherrschten Gebieten Syriens und Palästinas zu dieser
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Zeit die Sprache der neuen, arabischen Machtelite das Griechische nicht nur in den Münzlegenden der
Provinzialprägungen ersetzt haben. Fest-zuhalten ist: Nach 622 war Byzanz nur noch präsent, wo die neue
Heeres- und Verwaltungsordnung funktionierte. Diese wurde südlich von Antiochien aber gar nicht erst
eingeführt. Zudem bedient sich die Verwaltung des Staates der Volksspra-che. In Byzanz verdrängt das
Griechische das Latein des ehemaligen römischen Ge -samtreiches, im hellenisierten Orient tritt das Arabische
die Nachfolge des Griechi-schen an, dessen lokale Vorherrschaft als Verwaltungssprache auf die
Diadochenrei-che der Seleukiden und Ptolemäer, in der Zeit nach Alexander dem Großen, zurück-geht.
Das Syrische findet sich im kirchlichen Be-reich. Ein Beispiel dafür ist der Architrav der Sergiuskirche aus
Sergiopolis (arab. Rusafa), datiert auf 512. Dieser befindet sich in den Musées Royaux d’Art et d’Histoire,
Brüssel[8]. Der Architrav der Ser-giuskirche trägt in griechischer, aramäi-scher und arabischer Schrift die
Worte: „Dies ist ein Heiligtum“. Dabei handelt es sich nach neuesten Forschungsergebnissen um das älteste
erhaltene epigraphische Zeugnis des Arabischen überhaupt.[9]
Die Datierung dieser Münze und der Beginn der Datierung nach dem
arabischen Festkalender und der Hijra-Zählung
Der Datierung dieser Münze auf die Zeit um 630 steht auch nicht entgegen, dass Khalid ibn al-Walid nach der
Tradition im Jahr 13 des islamischen Kalenders seines Postens enthoben wurde. Nach der traditionellen
Synchronisation von islamischen und ale -xandrinischen Kalenderjahren fällt ja zu-fälligerweise das Jahr 1 der
islamischen Zeitrechnung in das Jahr, in dem Byzanz sich aus der Verwaltung des Orients zu-rückzog. Addiert
man 13 Mondjahre nach dem islamischen Kalender zum Zeitpunkt des Abschlusses der Reichsreform, also etwa 12 Sonnenjahre zu 622, dann liegt die Datierung (634) im Zeitrahmen der grie -chischsprachigen
Prägungen der herr-schenden, arabischen Elite in Syrien und Palästina.
Einige Überlegungen zur Histori-zität der großen arabischen Er-oberung
Syriens unter der Lei-tung islamischer Feldkomman-danten nach dem
Tod des Prophe-ten der Araber
Sowohl für De Saulcy wie für Walker ist es ganz selbstverständlich, dass die Münzprä-gung der arabischen
Emire, der frühen Eroberer, sich christlicher Darstellungen bedient. „(...) les mêmes attributs, essen-tiellement
chrétiens (...)“, wie De Saulcy feststellt. Auf die Idee, dass es sich um Prä-gungen autochthoner christlicharabischer Prägeherren handeln könnte, kommen sie nicht.
In einem Nachruf auf den Göttinger Theo-logen und Orientalisten Julius Wellhausen, erschienen 1918, finden
sich Feststellun-gen, die auf Wellhausens Einstellung zu der arabischen Eroberung Syriens Rückschlüs-se
erlauben: „Wellhausen erkannte sofort, entgegen dem landläufigen Urteil, dass der Reichtum der
Überlieferung über die ersten großen Eroberungen ein trügerischer Schein ist, (…) damit verquickten sich die
Gegensätze zwischen den unbändigen, von ihren Raufereien nicht ablassenden Ara-bern der Halbinsel und
ihren durch lange Zugehörigkeit zum römischen Reich und zur christlichen Kirche politisch und mili-tärisch
erzogenen Volksgenossen in Syrien und Mesopotamien; durch eigene Schuld fällt schließlich das glänzende,
ritterliche, freie Arabertum dem sich listig einschlei-chenden, unter iranischem Einfluß stehen-den
Despotismus der Abbasiden zum Op-fer.“[10]
Seit dem Ende des 5. Jh. finden sich christ-lich-arabische Bundesgenossen der Byzan-tiner in der Region. Es
sind die Ghassan. „Angehörigen dieses Stammes begegnet man immer wieder unter den Umayyaden in
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bedeutenden administrativen und mili-tärischen Positionen, wofür sicherlich nicht nur die Lage ihres
Siedlungsgebietes vor den Toren von Damaskus, sondern auch ihre unter den Byzantinern gewon-nene
Erfahrung in diesen Dingen verant-wortlich ist.“[11]
Wie das Wunschdenken europäischer Systematiker zu einer
„Systematischen Geschichte des frühen Islam“ führt
Das von den arabischen Historikern späte-rer Epochen, Zeitgenossen Karls des Gro-ßen und Harun alRaschids, vermittelte Bild einer früh-islamischen Geschichte hat sich allerdings in der Islamwissenschaft derart
verfestigt, dass dem Wunschdenken entgegenstehende Tatsachen als Zeichen einer islamischen Toleranz
gedeutet wer-den. Da der Prophet selbst ohne Umstände im Geschäftsverkehr sassanidische Silber-münzen
mit den Symbolen iranischer Ma-gier und byzantinische Goldmünzen mit der Darstellung des Stufenkreuzes
benutzt haben soll, sollen christliche Darstellungen auf von den islamischen Eroberern gepräg-ten Münzen
zulässig gewesen sein.
Diese Ansicht wird von dem Leiter der For-schungsstelle für Islamische Numismatik an der Universität
Tübingen noch im April 2000 vertreten. Ludger Illisch schreibt in einem von ihm verfassten Auktionskatalog zu
dem dort angebotenen Lot 5649: „Post-hume Khusroprägungen: (hier handelt es sich um Beischläge zu der
Drachmenprä-gung des sassanidischen Herrschers Khus-ro II.) (…) begann der Kalif ‘Abd al-Malik im Jahr 72
A.H. mit der Einrichtung einer Edelmetallmünzstätte in der Reichshaupt-stadt Damaskus den bis zum Jahr 79
A.H. andauernden Prozess der Münzreform, welche am Ende das Grundkonzept islami-scher Münzen des
Mittelalters formulierte. Von 72 bis 74 wurden Drachmen nach sas-sanidischem Vorbild neben Solidi nach
dem Muster des Heraclius geprägt. Beides war im Sinne des Islams statthaft, da doch der Prophet
Muhammad selber derartige Mün-zen anstandslos benutzt hatte.“
Die Gewissheit, welche diese Zeilen spüren lassen, kann man nur mit der Überzeu-gungskraft orientalistischer
Malerei des 19. Jh. vergleichen. So, wie sich Darstellungen historisierender „soap operas“ des ägypti-schen
Staatsfernsehens an den Bildern eu-ropäischer Maler, den Orientalisten, orien-tieren, so wird Muslimen dank
dieser ord -nenden Nachhilfe europäischer „Islamdie -ner“ der Eindruck vermittelt, eine „Edel-metallmünzstätte“
hätte in einer „Reichshauptstadt“ Münzen nach einem „Grund-konzept“ geprägt.
Eine Beschäftigung mit der Zahl 72 hinge-gen könnte dieses Konzept einer Münzre-form auf einen Mythos
reduzieren: Die zah-lenmythologische Komponente der „Münz-reform“ ist dem Tübinger Islamnumismati-ker
gar nicht aufgefallen. Die Zahl 72 kommt auch als angebliche Baudatierung in den Inschriften am Felsendom
in Jeru-salem vor.
Die Tatsache, dass die Muslime anschei-nend kein Konzept für eine islamische Münzprägung hatten, wird
kaschiert mit der Vorstellung eines Prozesses der „Münz-reform“. Das Verfahren von „Versuch und Irrtum“
wird teilweise eingeräumt mit dem Hinweis, dass man anfangs Münztypen der persischen Feueranbeter
prägte. Auch christliches Gold war anfangs genehm. Zum Glück kann man sich, im Sinn einer höheren
Wahrheit, auf den „Sinn des Is-lam“ berufen. Woher man wissen will, wie der Prophet Muhammad zu diesen
Dingen stand, ist nur nachzuvollziehen, wenn man auf die Haushaltsbücher seiner Frau Kha-dija verweisen
könnte oder Einblick in das Hauptbuch des Handelshauses der Prophe-tenfamilie in Mekka hätte. Über die
Ver-wendung des Terminus „Mittelalter“ möch-te man in diesem Zusammenhang gar nicht erst nachdenken
müssen.
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Hier wird das strukturelle Problem deut-lich, unter dem die traditionelle Sicht auf Zeugnisse aus der Zeit des
frühen Islam leidet. Folgt man der traditionellen Auffas-sung, dass der Islam keine Früh- oder gar
Vorgeschichte habe, dann müssen zwangs-läufig alle Hinweise auf eine von der Tradi-tion abweichende
Darstellung oder Praxis umgedeutet werden. Die fehlende Überein-stimmung zwischen Offenbarung und ihrer
Umsetzung im Alltag wird den „Islamdienern“ zur Last gelegt. Es sind dann halt die notwendigerweise
weiterbeschäftigten Christen in der Verwaltung gewesen, die sich Freiheiten in der Umsetzung der Bot-schaft
des Propheten erlaubten. Daher er-innern nicht wenige Geschichtsschreiber des Islam in ihren Darstellungen
an jene späten Vertreter des ptolemäischen Welt-bildes (die Erde steht im Mittelpunkt des Kosmos), die,
angesichts der frühneuzeitli-chen Entdeckungen, immer kompliziertere „Epizyklen“ konstruieren mussten, um
ih-re Lehre von der Erde als Mittelpunkt hal-ten zu können –es waren Komplexitäten, die mit einem Schlag
verschwanden, wenn man sich einmal zum kopernikanischen Model entschloss.
Ähnlich vereinfachend dürfte die Trennung von Vorstellungen der islamischen heilsge-schichtlichen Theologie
des 9. Jh. auf die profane Geschichtsschreibung des Islam wirken.
Was man sucht, wird auch gefunden!
Wie kommt nun De Saulcy dazu, die in Je-rusalem erworbene Münze mit der Darstel-lung des Agnus Dei dem
berühmten, aber sagenhaften Feldkommandeur Khalid al-Walid zuzuschreiben? De Saulcy bewies ein
erstaunliches Einfühlungsvermögen bei der Lesung der Münzlegende auf der Rückseite der Münze. Die
Abfolge griechischer Groß-buchstaben erfuhr folgende Lesung, hier in lateinischen Buchstaben dargestellt:
„XALED BONLLAN“ führte zu: „XALED BO ZLIMAN“.
Die kunya des Gesuchten war bekannt[12]. Sie ist in der Literatur erwähnt als „Abu Su-laiman“. Der Gesuchte
konnte gefunden werden, indem die Münzlegende als „Kha-lid (A)bu Sliman“ gelesen wurde. Khalid Abu
Sulaiman ist der kunya nach kein an-derer als Khalid ibn al-Walid!
Mit dieser scheinbar einfachen Lösung ei-nes komplexen Problems war ein Vertreter des europäischen
Hochadels noch nicht zufrieden. Der Lösungsvorschlag war wohl nicht hinreichend dekadent. Prinz Phillip von
Sachsen-Coburg schlug in der Revue Numismatique Belge 1893 eine gemischt Lateinisch/Arabische Lesung
vor. Die Le -sung der Buchstabenabfolge sollte: „XALED NOB LLAN“ ergeben. Ein spiegelbildlich
geschriebenes „BON“ wurde dabei als Feh-ler des Stempelschneiders vorausgesetzt. Der Prinz interpretierte
die Buchstaben-folge ganz ritterlich: „KHALED BON(US)AMAN“. Dies soll bedeuten:
„Khalid, mein Guter, bieten den „Aman“ (Sicherheit), also freien Abzug gegen Über-gabe.
Die einfache Lösung findet sich, wenn man ohne Vorbehalte die Münze
betrachtet.
Es gibt eine einfache Lösung. Sie liegt auf der Hand. Die Münze ist keine platte Imita-tion einer byzantinischen
Münze, sondern eine lokale Schöpfung unter Verwendung von eingeführten Versatzstücken. Dies ist ganz und
gar üblich. Auch die Münzen der neuzeitlichen Staaten beinhalten in ihren Münzbildern immer noch
Versatzstücke aus der Antike, wie Adlerdarstellungen, umlaufende Legenden, Büsten, Portraits. So wie
unsere neuzeitlichen Münzbilder keine Neuschöpfungen sind, stellen auch die Münzbilder der Prägungen der
Emire von Tiberias nur ein neues Arrangement von römisch-byzantinischen Versatzstücken dar, ausgeführt in
lokaler, provinzieller Manier. Der Emir mag „XALED“ geheißen haben, die Anordnung des Namens auf der
Rückseite der Münze zeigt an, dass er sich seiner nachgeordneten Stellung bewusst war, dass er dem Kaiser
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zu geben hatte, was dem Kaiser gebührte, den Platz auf der Vorderseite. Dieser Platz auf einer wirklich
islamischen Münze aber stünde dem Glau-bensbekenntnis zu!
Das Fragment „BON“, angeblich eine retro-grade (spiegelverkehrte) Schreibung, kann man ganz schlicht als
„NOB“ lesen. In die-sem Fall ist die spiegelbildliche Schreibung des „B“ tatsächlich nur ein Kunstfehler. Die
Inschrift wäre zu ergänzen zu: „(CO)NOB“.
Die Vorlage für das Münzbild war u.a. eine byzantinische Goldmünze. Deren Atelier wird auf der Rückseite mit
wenigen Buch-staben, als Münzstättensigle, vermerkt. Hier handelt es sich um einen Teil der
Münzstättenbezeichnung von Konstantino-pel. Goldmünzen aus diesem Atelier tragen zumeist die Abkürzung
„CONOB“, in Klar-schrift: „Constantinopolis Obryzum“, d.h. Konstantinopel, Feingold.[13]
Das Zeugnis dieser Münze ist ein fester Punkt, mit dessen Hilfe man liebgewonne-ne Vorstellungen von der
Frühzeit der is-lamischen Geschichte aushebeln oder er-schüttern kann.
Die Münze ist eine christlich-arabische Prägung aus der Zeit um 630 nicht eine islamische Münze.
Die Person des großen Eroberers Khalid, inwieweit ist sie überhaupt historisch? In welchem Zusammenhang
steht der auf der Münze in griechischer Schrift erwähnte „XALED“ überhaupt mit dem aus den isla-mischen
Quellen des 9. Jh. bekannten Kha-lid ibn al-Walid?
Die islamische Eroberung: Inwieweit ist sie nicht einfach eine Arabisierung, eine Landnahme wandernder
Stämme, die mit dem Islam gar nichts zu tun hatte?
Die seit dem 9. Jh. nachweisbare Tradition einer frühen, „islamischen“ Herrschaft ist wohl eher eine
nachträgliche – und histo-risch falsche – Rückbesinnung auf alte „a-rabische“ Reiche, wie das der Nabatäer,
welches sich zur Zeit Christi von Mekka bis Damaskus erstreckte. Wie wenig Araber Außenseiter zu Zeiten
des Römischen Rei-ches waren, zeigt sich an der arabischen Dynastie römischer Kaiser aus Emesa in Syrien,
deren Protagonist, Elagabal, ara-bisch: ilah hajabal, d.h. der Gott des Burg-berges von Emesa am Orontes,
arabisch Hims war. Dort starb ja auch in späterer Zeit angeblich angeblich der große, fiktive Eroberer Khalid
ibn al-Walid! Den „Schwar-zen Stein“ aus Emesa ließ der Kaiser Ela-gabal in Rom, Mitte des Jahres 219, auf
einem Gespann mitführen.
Die Araber Syriens waren im 7. Jh. christi-anisiert. Angeblich traten viele Stämme nach der Schlacht am
Jarmuk, in der die „frühen Eroberer“ über ein byzantinisches Heer gesiegt haben wollen, zum Islam über, oder
blieben Christen, wie etwa der Stamm der Tanukh in Nordsyrien. Die Berichte über die Schlacht am Jarmuk
als das Jeri-cho der Muslime, später verstanden als Zeichen und Bestätigung für die gottgewoll-te Landnahme
in Palästina.
Die Münze aus Tiberias ist in Wirklichkeit Zeugnis einer christlich-arabischen Herr-schaft am See Genezareth
zu einer Zeit, die erst zwei Jahrhunderte später, von islami-schen Historikern, entgegen den tatsächli-chen
Abläufen zum „Goldenen Zeitalter“ des Islam verklärt wurde.
Literatur:
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De Saulcy, F., LETTRE A M. LE BARON DE SLANE, sur trois monnaies inédites de Khaled-ibn-el-Qualid: …
„Journal Asi-atique“, xviii, Paris (1871), p. 204ff.
E.I.2 (The Encyclopedia of Islam. New Edi-tion, Leiden 1979-) Artikel: „Khalid ibn al-Walid“; „Kunya“
Auktionskatalog 363 der Firma Dr. Busso Peus Nachf., Frankfurt 2000, p. 54, No. 5649 (beschrieben und
kommentiert von Ludger Illisch, Forschungstelle für islami-sche Numismatik an der Universität Tü-bingen)
Walker, John, A Catalogue of the Arab-Byzantine and Post-Reform Umaiyad Coins, London 1956
Morrison, C., Catalogue des Monnaies By-zantines de la Bibliothèque Nationale, Paris 1970
Lexikon des Mittelalters, (11980) 1999, Bd. 1, München und Zürich
Ostrogorsky, Georg, Geschichte des Byzan-tinischen Staates. Zweite Auflage, München 1952
Führer durch die Ausstellung „Ex Oriente“ Isaak und der weiße Elefant / Baghdad-Jerusalem-Aachen / Eine
Reise durch drei Kulturen um 800 und heute, Mainz 2003
Rotter, Gernot, Die Umayyaden und der zweite Bürgerkrieg (680-692), Wiesbaden 1982
Schwartz, Eduard, Julius Wellhausen, Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu
Göttingen. Geschäft-liche Mitteilungen 1918, S. 43-73
© imprimatur September 2004
Heft 3-2004
Volker Popp ist Orientalist (Islamwissenschaft und Turkologie) und ein Kenner der persischen Sprache. Er lebte jahrzehntelang im
Vorderen Orient (Ostanatolien, Teheran, Beirut) und war im Handel mit islamischen Münzen tätig. In der Beschäftigung mit diesen
Münzen eignete er sich beeindruckende numismatische Kenntnisse an.
[1]Journal Asiatique, xviii, pp. 204f.
[2]S. dazu auch den Artikel zu diesem islamischen Heros von Patricia Crone in The Enzyclopaedia of Islam.
[3]W. Dürig, G. Christen, G. Binding, „Agnus Dei“, in: Lexikon des Mittelalters, 1999, Bd. 1, Sp. 214-216.
[4]Henri Lavoix publizierte in seinem „Catalogue des Monnaies Musulmanes de la Bibliotheque Nationale“ 1887 unter No. 38 eine
Variante von de Saulcys Münze. Er glaubte die Münzstät- te Cäsarea lesen zu können. Es handelt sich aber ebenso um eine
Prägung von Tiberias.
[5]S. dazu auch: John Walker, A Catalogue of the Arab-Byzantine and Post- Reform Umaiyad Coins. Published by the Trustee of the
British Museum, London1956, pp. 15-16.
[6]No. 43, p. 15, „said to be Heraclius bearded in centre flanked by his sons Heraclius Constanti-ne and Heraclonas“ (wobei es sich
um Herakli-us handeln soll, welcher als Bärtiger in der Mit- te, flankiert von seinen Söhnen Heraklius Constantinus und Heraklonas
...“).
[7]Georg Ostrogorsky, Geschichte des Byzantini-schen Staates, München 1952, p. 86.
[8]Inventar No.A 1308.
[9]„Ex oriente“ Ausstellungskatalog, Mainz 2002, S. 258 (mit Abbildung des 78x305x18 cm mes-senden Architrav).
[10]Eduard Schwarz, Nachruf Julius Wellhausen, Nachrichten von der königl. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen.
Geschäftliche Mit- teilungen 1918, 62.
[11]Gernot Rotter, Die Umayyaden und der zweite Bürgerkrieg, Wiesbaden 1982, 128.
[12]KUNYA, arabisch, ein Element, welches auf Abstammung, auf den Namen verweist und ge-bildet wird unter Verwendung von
„Abu“ Vater oder „Umm“ Mutter unter Zusatz eines Na- mens. Es handelt sich um einen Ersatznamen, welcher der verbreiteten
Vorstellung primitiver Völker entspricht, den Namen einer Person als Tabu zu erachten und ihn nur unter besonde-ren Umständen
zu gebrauchen. Die kunya war daher der gebräuchlichste Name. Siehe dazu E.I.2 Artikel „kunya“.
[13]Vgl. dazu: Cecile Morrison, Catalogue des monnaies Byzantines de la Bibliothèque Natio-nale, Paris 1970, p. 815.
Postanschrift: imprimatur - nachrichten und kritische meinungen aus der katholischen kirche
Ludwig-Simon-Straße 26; D-54295 Trier
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