Inhalt_UM_06-09_Innen 21.09.10 10:23 Seite 32 32 Praxis Schritte, Stimmen, Türenknarren Komponieren im Instrumentalunterricht Matthias Schlothfeldt Komponieren macht Kindern und Jugendlichen Spaß und ist aus musikpädagogischer Perspektive sinnvoll. Die damit verbundenen Chancen können auch im Instrumentalunterricht genutzt werden. Als Einstieg wird hier eine Übung vorgeschlagen. Inhalt_UM_06-09_Innen 21.09.10 10:23 Seite 33 Praxis üben&musizieren 5 10 Ist schon mal eine Schülerin oder ein Schüler in Ihren Unterricht gekommen mit dem Wunsch zu komponieren? Hat sie oder er vielleicht den Beginn eines Instrumentalstücks mitgebracht? Einen melodischen Einfall, ein Textfragment – für einen Popsong vielleicht? Und wurde das Vorhaben im Rahmen Ihres Unterrichts weitergeführt?1 Das wäre ernsthaft zu überlegen, weil man sonst Gefahr läuft, gleich eine ganze Reihe an Chancen zu verpassen. Denn Komponieren kann das Verständnis unterschiedlicher Musik in hohem Maße fördern und das Interesse an anderer Musik, die Neugierde darauf wecken. Die mögliche Bandbreite des Erfindens von Musik ist auch im Instrumentalunterricht unüberschaubar, nicht nur in stilistischer Hinsicht. Improvisation und Komposition können an Werke angebunden werden, die gerade Gegenstand des Unterrichts sind – sei es als Fortsetzung eines Motivs, sei es als umfangreichere Stilübung, sei es gar als Verfassen einer Kadenz für ein Instrumentalkonzert. Man kann von stärker improvisatorischen Übungen ausgehen und zunehmend zum Komponieren übergehen, indem die erfundene Musik erinnert und abgerufen, immer stärker festgelegt und notiert wird. Weil beim Komponieren einmal gefällte Entscheidungen überdacht und verändert werden können,2 schließt das Komponieren ein hohes Maß an Reflexion ein und ist im Unterricht dem Improvisieren gegenüber oft zu bevorzugen. Die folgende Übung3 ist als Einstieg ins Komponieren gedacht – für Schülerinnen und Schüler ebenso wie für Lehrerinnen und Lehrer. Sie sollten die Übung unbedingt mitmachen, vielleicht sogar vorher schon einmal zuhause ausprobieren. Ein Vorteil der Übung ist, dass sie mit allen Instrumenten (auch mit Gesang bzw. der Stimme) und sowohl im Einzel- als auch im Gruppenunterricht durchgeführt werden kann, ja mit Schülerinnen und Schülern fast jeden Alters. Sie kann nicht nur der jeweiligen Unterrichtssituation angepasst, sondern auch mit ohnehin anstehenden Lerninhalten verbunden werden. EINE ÜBUNG Benötigt werden Papier, Stift und eine geräuschlose Uhr mit Sekundenanzeige. Auf das Papier werden eine senkrechte Koordinate gezeichnet und eine waagerechte, die für den Zeitverlauf steht und vorher bereits mit Sekundenangaben versehen werden kann (siehe Abbildung). 1. Eine Minute hören und notieren 60 Sekunden lang wird den Klängen gelauscht, die einen umgeben. Die wahrgenommenen Klänge werden auf dem Papier eingetragen. Vor dem Hören muss entschieden werden, ob das Wahrgenommene während des Hörens oder anschließend aus der Erinnerung aufgeschrieben wird. Letzteres ist erheblich schwieriger. Die Anordnung der nun entstehenden Partitur wird an der senkrechten Koordinate vorgenommen. Wie bei konventionellen Partituren kann die Anordnung der auftretenden Klänge von hoch nach tief bzw. von hell nach dunkel erfolgen oder nach der Richtung, aus der die Klänge kamen. Wenn beides nicht sehr signifikant ist, können die Klänge in der zeitlichen Reihenfolge, in der sie aufgetreten sind, von unten nach oben an der senkrechten Koordinate angeordnet werden. (In der abgebildeten Partitur erfolgt der Einsatz der Klänge dementsprechend von links unten nach rechts oben.) Dadurch, dass die Urheber oder kurze Charakterisierungen der verschiedenen Klänge vor die senkrechte Koordinate gesetzt werden, entsteht bereits eine Anordnung in Stimmen. Die Notation der Klänge sollte vorher an wenigen Beispielen besprochen und geübt werden. Sie kann und wird sicher Konventionen musikalischer Notation aufnehmen. Vor allem ist darauf zu achten, dass das Notationsniveau einheitlich ist, also z. B. nicht bei einem Ereignis eine Lautstärkeanweisung zu finden ist, bei einem anderen aber nicht. Für die verschiedenen Klänge und ihre Eigenschaften, die benannt werden sollten, werden verschiedene Symbole gewählt oder erfunden. Partitur nach 60 Sekunden hören In unserer Partitur sind für geräuschhaftere Klänge Kreuze, Quadrate und Dreiecke als Notenköpfe gewählt worden. Die Länge der Klangereignisse ist in der Abbildung anhand der verschiedenen Fähnchen und Artikulationszeichen sowie im Fall des Liegetons (Heizung) anhand des Längsstrichs erkennbar. Außerdem bieten sich leere und ausgefüllte Notenköpfe zur Unterscheidung von Klangdauern an. Einige Ereignisse wurden auch in der Notation durch Balken zu Gruppen zusammengefasst, die rhythmisch periodisch (Schritte) oder aperiodisch sind (weit entfernte, aber laute Stimmen). Auch dynamische Anweisungen können jetzt bereits notiert werden. Um das Wahrgenommene hinsichtlich der Lautstärke angemessen zu notieren, genügt in der Regel p für leise und f für laut, eventuell pp und ff für noch leiser bzw. lauter und Crescendo- und Decrescendo-Gabeln für lauter bzw. leiser werden. (Natürlich kann noch weiter differenziert werden. In unserer Partitur ist sogar jede Stimme durch eine eigene Lautstärkeangabe gekennzeichnet.) 2. Instrumentieren In der ersten Partitur wurden Umweltklänge notiert. Sie bildet die Grundlage für das Musikstück, das nun entstehen soll. In der vorliegenden Form ist die Partitur kaum aufführbar. Sie wird nun uminstrumentiert, und zwar möglichst für das eigene Instrument. Gegebenenfalls kann auch an einem Stück für mehrere Instrumente und/oder Stimmen (das ist vor allem im Gruppenunterricht denkbar) oder für Geräte gearbeitet werden, die einen umgeben bzw. die sich im Unterrichtsraum 33 Inhalt_UM_06-09_Innen 21.09.10 10:23 Seite 34 34 Praxis befinden. Wenn für mehrere Instrumente geschrieben werden soll, kann die Anordnung der Klänge in Stimmen aus der ersten Partitur übernommen werden. Es sollte aber die Verteilung auf die Ausführenden berücksichtigt werden. In jedem Fall, also auch bei dem vorgeschlagenen instrumentalen Solostück, müssen nun die Klänge, die die ursprünglich wahrgenommenen ersetzen sollen, gesucht und ausprobiert werden. 3. Gestalten bilden Bei der Arbeit an der zweiten Partitur sollen musikalische Gestalten gebildet werden. Deren Charakter soll sich wieder möglichst genau in der Notation ausdrücken. Notationsversuche sollten auf einem weiteren Blatt geübt werden. Nehmen wir als Beispiel die Schritte in der Abbildung und fragen nach möglichen Umsetzungen für ein Streichinstrument: Soll es sich um zwei Töne handeln, die alternierend und extrem kurz gespielt werden? Oder werden sie gezupft? Oder wird an zwei verschiedenen Stellen des Instruments geklopft? 4. Form Die erheblich differenzierter notierten Gestalten werden nun in der zweiten Partitur neu angeordnet. Es soll eine sinnvoll erscheinende, wahrnehmbare Gliederung bzw. ein erkennbarer Verlauf entstehen. (Ob es bei einer Minute Dauer bleibt oder das Stück erheblich länger oder kürzer wird, kann später ebenfalls überlegt werden.) Zum Formen sind einige Hinweise nötig. Hier können folgende Fragen gestellt werden: Welche Gestalten sollen vorkommen? Das Material der Komposition sollte begrenzt sein. Vielleicht kann das Repertoire an Gestalten noch weiter reduziert werden. Wie soll das Stück anfangen? Welchen Verlauf soll es nehmen? Wie soll es enden? Außerdem kann überlegt werden, ob es eine Entwicklung geben soll und an welcher Stelle diese ihr Ziel oder ihren Höhepunkt hat. Sollen Gestalten wiederholt werden? Wo und wie oft? Vielleicht können signalartige Gestalten an Stellen gesetzt werden, an denen sie die Teile markieren, aus denen die Form besteht. Bei der Abfolge der Gestalten sollte beachtet werden, wie sie aufeinander folgen. Zwischen ihnen kann eine Pause gesetzt sein. Sie können unmittelbar aneinander anschließen. Sie können überlappen oder überblen- det werden, indem ein Ereignis ausgeblendet und das folgende eingeblendet wird. Wenn ein Ereignis auf ein anderes reagiert, bietet es sich an, das mit Hilfe von Pfeilen darzustellen. Im Fall unseres geplanten Stücks für Streichinstrument stellt sich die Frage, ob es eines weiteren Instruments (oder der Stimme) zur Wiedergabe des Orgelpunkts (Heizung) bedarf oder ob z. B. ein Liegeton durch andere Ereignisse unterbrochen wird. 5. Analysieren Um sich Rechenschaft über das Komponierte abzulegen und es so einer drohenden Unverbindlichkeit zu entreißen, sollte man einige Fragen an das Stück stellen: Wie viele Teile hat das Stück? Wie viele verschiedene Elemente oder Gestalten gibt es? Wie oft treten sie auf? Gibt es benennbare Beziehungen zwischen den wiederkehrenden oder unterschiedlichen Gestalten, zwischen den Formteilen? Können die Beziehungen noch deutlicher hervortreten? Damit sind nur einige Hinweise gegeben, weil die reflektierenden Fragestellungen von der konkreten Partitur abhängen. In der Regel drängen sich analytische Fragen aber förmlich auf. Sollte im Fall unseres Stücks für Streichinstrument aus dem Pfeifen der Heizung ein hoher Liegeton geworden sein und die Schritte mit gezupften Tönen umgesetzt werden, stellt sich die Frage, wie sich die Töne zueinander verhalten. Bietet sich ein Weg an, die Tonhöhen zu organisieren? Zeichnet sich gar eine Art Systematik ab? Anschließend an die Analyse kann die Partitur einer weiteren Überarbeitung unterzogen werden. 6. Aufführen Zum Schluss sollte das Ergebnis uraufgeführt werden. (Zur Koordination sind gegebenenfalls eine Uhr oder ein Dirigent hilfreich. Zu überlegen wäre auch, ob die Aufführung aufgenommen und noch einmal angehört werden soll.) Vielleicht geschieht dies zunächst im Rahmen des Unterrichts. Es sollte aber auch über eine öffentliche Aufführung z. B. im Rahmen eines Schülervorspiels nachgedacht werden. Dann kann das Stück auch von jemand anderem als der Komponistin bzw. dem Komponisten gespielt werden. Mit dem Proben sind nämlich oft bemerkenswerte Lerneffekte verbunden.4 Beim Einstudieren der Partitur wird sich herausstellen, wie präzise die Notation ist und ob die Komposition überhaupt aufführbar ist. SINN DER ÜBUNG Die unerschöpfflichen Qvellen der Erfindungen trifft man allenthalben in einem ieden, auch in dem geringsten Dinge an, und sind gar nicht zu zehlen; wiewol doch bald gemercket wird, ob einer ihr achtet, sie suchet und findet. (Johann Mattheson)5 Dadurch, dass in der Übung Alltagsklänge in Instrumentalklänge transformiert werden, ist vielleicht der Eindruck entstanden, dass sie als Einführung in neue Musik konzipiert ist. So kann sie, muss sie aber nicht zwangsläufig verwendet werden. Die erste Partitur, die entsteht, ist (wie jede Notation von Klang) eine Grafik. Sie kann (wie jede Grafik) auf vielfältige Weise interpretiert werden: als Entwurf eines kurzen Orchestersatzes, als Verlauf einer abendfüllenden Techno-Darbietung – oder eben als instrumentales Solostück. Dieses Stück kann durchaus tonal sein, es könnte sich um einen traditionellen Klaviersatz handeln oder einfach um eine Melodie. Im Gegensatz zu jeder anderen Grafik, die hätte hinzugezogen werden können, ist diese mit klanglichen Erfahrungen gefüllt bzw. mit musikalischen Vorstellungen behaftet. Bei der weiteren Arbeit ist die Entfernung von den ursprünglich gehörten Klängen und deren Verlauf geradezu ein kompositorischer Parameter. (Werden z. B. die Schritte möglichst klanggetreu imitiert oder entsteht daraus eine Trillerfigur?) Von einigen Schülerinnen und Schülern, mit denen ich diese Übung gemeinsam durchgeführt habe, erfuhr ich, dass sie noch Tage danach Umweltklänge anders, bewusster wahrgenommen haben als vorher.6 Das ist mit der Übung zwar auch intendiert, steht aber nicht im Vordergrund. Sie ist zum Verfolgen verschiedener Lernziele geeignet und bietet die Möglichkeit, sich mit wichtigen Aspekten nicht nur neuerer Kompositionsweisen, sondern von Musik überhaupt zu beschäftigen, nämlich mit Eigenschaften von Klang, unterschiedlichen Spieltechniken, Notationsformen, unterschiedlichen Formen von Zeitgestaltung, dem Gebrauch musikalischer Mittel, deren Funktion im musikalischen Kontext und daraus möglicherweise resultierenden Bedeutungen bzw. möglichen Bedeutungszuweisungen, Komponieren als „Folge revidierbarer Einzelentscheidungen“ und deren Tragweite. Inhalt_UM_06-09_Innen 21.09.10 10:23 Seite 35 Praxis üben&musizieren 5 10 Im günstigen Fall wird der Horizont hinsichtlich dessen erweitert, was als Musik ästhetische Geltung erlangen kann. Es bieten sich sicher Anschlussmöglichkeiten zu anderer Musik, die bereits Gegenstand des Unterrichts ist oder werden kann. In der Übung sind viele Bereiche musikpädagogischer Unterrichtsfächer und -methoden vereint: Die Wahrnehmung von Klängen und ihren Eigenschaften als Einstieg ist dem Bereich der Gehörbildung zuzuordnen. Wenn die Notation der Klänge im Anschluss an das Hören erfolgt, wird außerdem das Erinnern von Klang geübt. Dem Einstieg folgt eine Einführung in die Notenschrift, sogar in das Lesen von Partituren. Dabei kann von der bekannten, konventionellen musikalischen Notation ausgegangen werden, um zur Notation von Ungewöhnlichem vorzudringen. Oder es werden gerade umgekehrt geeignete Notationsformen für die gehörten Klänge gesucht, mit deren Hilfe die konventionelle Notation erläutert wird. Mit der Beantwortung der Frage, wie sich die zu bildenden Gestalten und wie sich Einzelelemente und Ganzes zueinander verhalten, wird auf elementare Weise Formenlehre betrieben. An diesem Punkt setzt die kompositorische Tätigkeit im engeren Sinne ein: In eigenverantwortlichem Handeln soll eine musikalische Form gebildet werden. Hier werden auch diverse – je nach der weiteren Entwicklung verschiedene – Aspekte musikalischer Satzlehre gestreift. Mit der anschließenden Analyse soll sich die Schülerin oder der Schüler Rechenschaft ablegen über die bisherigen Arbeitsschritte und deren Ergebnisse. Die Komposition soll auf diese Weise an Verbindlichkeit gewinnen und das mehrfache Überarbeiten kann sich zugunsten ihrer ästhetischen Geltung auswirken.7 Es ist kein Zufall, dass die genannten Lerninhalte, Methoden und Disziplinen der Musiktheorie zuzurechnen sind. Dass musiktheoretische Inhalte Gegenstand des Instrumentalunterrichts sind, ist nicht nur unvermeidbar, sondern sehr zu wünschen, um das Musikverständnis der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Allerdings ist es keineswegs selbstverständlich, dass musiktheoretische Inhalte als solche erkannt und mit geeigneten Methoden (einschließlich Improvisation und Komposition) unterrichtet werden.8 Um Studierende auf solch eine Unterrichtspraxis vorzubereiten, besteht im Studium der Instrumentalpädagogik an der Folkwang Universität der Künste in Essen das Unterrichts- angebot in Didaktik der Musiktheorie. Dort werden auch Instrumentalschulen auf musiktheoretische Inhalte und entsprechende Unterrichtsvorschläge durchgesehen – aus musiktheoretischer bzw. theoriedidaktischer Perspektive meist mit ernüchterndem Ergebnis. Und es wird erörtert, zu welchem Zeitpunkt welche musiktheoretischen Inhalte auf welche Weise unterrichtet werden können und sollten und welche Rolle Improvisieren und Komponieren dabei spielen können. Sicher kann von der hier vorgestellten Übung aus das Komponieren im Instrumentalunterricht eine Fortsetzung finden. Hier stand keine kompositorische Intention am Beginn des Arbeitsprozesses, sondern sie entstand im Verlauf der Arbeit. Vielleicht wird als nächstes Musik nach einem Bild oder nach bzw. zu einem Gedicht oder einem anderen Text erfunden? Im günstigen Fall kommt die Schülerin oder der Schüler nun mit einer eigenen Idee (oder gar mit einer eigenen Vorstellung von Komponieren) in den Unterricht. 6 Dann sind durch die Übung Alltagserfahrungen in ästhetische Erfahrungen transformiert, um nicht zu sagen: überhöht worden. 7 Wenn die Übung im Gruppenunterricht durchgeführt wird, ist die Verschiedenheit der Ergebnisse, die aus der „gleichen gehörten Minute“ entwickelt werden, geradezu ein Kriterium für das Gelingen der kompositorischen Arbeit. 8 Der Unterricht in Musiktheorie (auch in Improvisation und Komposition) würde durch einen solchen Instrumentalunterricht keineswegs überflüssig. Der Theorielehrer würde dann schlicht die Instrumentallehrerin darin unterstützen (können), das Musikverständnis der Schülerinnen und Schüler aus anderer Perspektive zu fördern. i Buchtipp Matthias Schlothfeldt: Komponieren im Unterricht, Olms, Hildesheim 2009, 334 Seiten, 29,80 Euro 1 Im Fall des Schülers, der einen Popsong schreiben will, dürfte schon das Erfinden und Notieren einer Melodie, die Suche nach geeigneten Akkorden etc. mit beachtlichen Lernerfolgen verbunden sein. Dass dieser Schüler bereits ein Kompositionsvorhaben mitbringt, von dem er sich, wenn sein Unterricht das zulässt, sicher nicht so leicht abbringen lassen wird, ist geradezu ein Idealfall! Zur Unterscheidung von Gestaltungsaufgaben und Kompositionsvorhaben siehe Matthias Schlothfeldt: Komponieren im Unterricht, Hildesheim 2009, S. 110 ff. In diesem Buch wird Komponieren im Rahmen des Musikunterrichts an Schulen thematisiert. Es ist hauptsächlich an Lehrerinnen und Lehrer an Schulen und Hochschulen gerichtet. Allerdings sind darin noch weitere Vorschläge und Tipps zu finden, die sich zumindest auf den Instrumental- und Gesangsunterricht übertragen lassen. 2 Deshalb spreche ich im Vergleich zur Improvisation gelegentlich vom Komponieren als „planbarer Folge revidierbarer Einzelentscheidungen“. 3 Es sei nicht verschwiegen, dass es ähnliche Übungen bereits gibt. Das hat seinen Grund vermutlich darin, dass die Vorgehensweise (Hören und Notieren von Alltagsgeräuschen, eine Minute Dauer etc.) einfach nahe liegt. Vergleichbare Übungen haben György Ligeti und Helmut Lachenmann im Kompositionsunterricht durchgeführt. Vgl. auch die äußerlich ähnlichen, aber mit anderen Zielsetzungen verbundenen Übungen in Diether de la Motte: Wege zum Komponieren, Kassel 1996/ 42004, S. 10 ff.; in Ortwin Nimczik/Wolfgang Rüdiger: Instrumentales Ensemblespiel, Regensburg 1997, S. 19 f. und in Brigitte Bryner-Kronjäger: Querfeldein, Frankfurt am Main 2001, S. 90. Die hier erläuterte Übung wurde zuerst vorgeschlagen in Matthias Schlothfeldt: „Musik schreiben“, in: Klangform-Briefe Nr. 7, Köln 2003, S. 1730. Die von mir mit gegründete und herausgegebene Zeitschrift richtete sich hauptsächlich an musikalische Laien; entsprechend einfach war die Übung gehalten. Sie war außerdem Ausgangspunkt eines Kompositionsprojekts in der Schule, das vorgestellt wird in Schlothfeldt, Komponieren im Unterricht, S. 45 ff. 4 Überhaupt werden die Chancen unterschätzt, die darin liegen, dass Schülerinnen und Schüler für andere komponieren. 5 Der vollkommene Capellmeister, II. Theil, Viertes Capitel, §. 11 (1739). Matthias Schlothfeldt ist Komponist, Gitarrist und Professor für Musiktheorie mit den Schwerpunkten Didaktik, Improvisation und Zeitgenössische Musik an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Im Rahmen dieser Tätigkeit führt er gemeinsam mit Studierenden Kompositionsprojekte an Schulen durch. 35