Hand in Hand - Werknotizen - Kammerorchester Waidhofen

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Hand in Hand - Werknotizen
„Die Fledermaus“ wurde am 5. April 1874 im Theater an der Wien uraufgeführt. Der
Komponist Johann Strauß Sohn war 49 Jahre alt und erreichte mit dieser genialen Operette
den absoluten Höhepunkt seines Bühnenschaffens. Allein die Ouvertüre überstrahlt mit
ihrem Einfallsreichtum und Angebot an musikantisch zauberhaften Übergängen und ihrer
farbenreichen Instrumentierung alles bisher in diesem Genre vorgestellte. Doch, geschätzt
und geliebt wurde das Werk in Wien erst, nachdem es im selben Jahr in Berlin Erfolge
feierte. Da nützte auch nichts, dass die Prinzipalin des Theater an der Wien, Marie
Geistinger, höchstpersönlich die Partie der Rosalinde übernommen hatte. Das Stück um die
„Rache einer Fledermaus“ spielt übrigens laut literarischer Vorlage in einem Badeort in der
Nähe einer großen Stadt, letztes Drittel des 19. Jahrhunderts.
Zur Zeit der Uraufführung der „Fledermaus“ war Franz Lehár vier Jahre alt, geboren im
damals ungarischen Komorn, heute Komárno in Tschechien. Seine musikalische Komödie in
5 Bildern, „Giuditta“ wurde 60 Jahre später, 1934 in der Wiener Staatsoper uraufgeführt einer der beiden Textdichter, Fritz Beda-Löhner, 1942 in Ausschwitz von den
Nationalsozialisten umgebracht. Das Stück spielt in Südeuropa und Nordafrika um 1930. Die
Protagonistin Giuditta ist eine erotisierende Sängerin, doch der Hauptmann Octavio
entscheidet sich für militärische Pfichten. Deren Liebe und Leidenschaft können sich trotz
herzzerreißender Töne nicht treffen – kein Happy End! In seinem letzten Werk versuchte
Lehár den Schritt von der Operette zur Spieloper. Das trügerisch viel versprechende
Auftrittslied des Octavio „Freunde, das Lebens ist lebenswert“ ist zu einer Tenorhymne
geworden. Die Behandlung des Orchesters erinnert oft an die Dichte und Kolorierung
Giacomo Puccinis. Lehárs melodische Entwicklungskraft berauscht uneingeschränkt.
Der Grazer Operetten-Charmeur Robert Stolz komponierte die Musik für die 1934
uraufgeführte Filmoperette „Frühjahrsparade". Mitte der 1950er-Jahre
kam eine
Neuverflmung des Stückes mit Romy Schneider unter dem Titel „Die Deutschmeister" in die
Kinos. Später entwickelte Robert Stolz daraus eine Bühnenoperette, welche erst 1964 an der
Wiener Volksoper uraufgeführt wurde. Aus der Realität entschwebt das Lied auch als
„Waltzing in the clouds“, 1940 verwendet für den Film „Spring Parade“, was den
Komponisten Robert Stolz eine Oscar-Nominierung einbrachte. Stolz füchtete 1938 über
Zürich und Paris nach New York und kehrte erst 1946 nach Wien zurück, wo er 1952
begonnen hatte unter anderem die Musik für die legendäre Wiener Eisrevue zu
komponieren.
Am 6. August 1862 schrieb Josef Strauß seinem Verleger Carl Haslinger über seine weiteren
Pläne für das russische Pawlowsk in der Nähe von St. Petersburg, wo er für seinen Bruder
Johann, der nichts wie zurück nach Wien wollte, spontan einspringen musste: „Ich schreibe
hier eine Polka Mazur, eine Polka schnell, eine Quadrille und ein Fantasiestückerl mit
seufzendem, schmachtlockigem Cello und schwärmerische gezupften Gattern (=Harfe).“ Der
leichtfüßige Vorwärtsdrang der Schnell-Polka „Vorwärts“ steigt unvermittelt ins Tanzbein,
wobei die feinnervigen Qualitäten des Josef Strauß gewahrt bleiben. Nobel, dezent, leise
wird hier die Richtung gewiesen, als wollte man mit dem eigenen Vergnügen rücksichtsvoll
bloß niemanden wecken.
„Um Borstenvieh und Schweinespeck“ geht es in Johann Strauß’ Operette „Der
Zigeunerbaron“, uraufgeführt am 24. Oktober 1885 im Theater an der Wien. Die Geschichte
nach „Saff“ von Mór Jókai spielt im Temeser Banat und in Wien, Mitte des 18. Jahrhunderts.
Das Auftrittslied des jungen Emiranten Sándor Barinkay „Als fotter Geist ... Ja das alles auf
Ehr’“ bringt im Refrain schon sehr früh Walzerseeligkeit, wobei Strauß mit dem heiteren und
tief melancholischen Momenten der Operette genial jongliert.
Richard Wagner, der an der Hofoper vergebens versuchte „Tristan und Isolde“ auf die Bühne
zu bringen, nahm natürlich auch Anteil am musikalischen Geschehen der Stadt.
Unvergessen sind seine Worte über Johann Strauß Sohn, den er für den „musikalischsten
Schädel“ hielt, der ihm je unterkommen sei. Auch Starkritiker Eduard Hanslick bemerkte
Strauß’ Popularität in Wien und in der Welt als „geradezu unermesslich“. Der „Kaiserwalzer“
op. 437 geht auf die Eröffnung des Berliner Konzertsaals „Königsbau“ am 19. Oktober 1889
zurück. Der ursprüngliche Titel lautete „Hand in Hand“ und sollte die politische
Verbundenheit des deutschen und österreichischen Herrscherhauses unterstreichen.
Strauß’ Berliner Verlegers Fritz Simrock regte die Umbenennung in „Kaiserwalzer“ an, wohl
um die Sache besser zu verkaufen. Carl Michael Ziehrer besorgte für das Wiener Ronacher
zeitgleich eine Instrumentierung aus dem Klavierauszug, was den Johann Strauß stark
missfel. Die Aufführung der originalen Instrumentierung führte am 24. November desselben
Jahres im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins zu Beifallstürmen.
Die Operette „Wiener Blut“ führt in das Wien zur Zeit des Wiener Kongresses der Jahre
1814/1815, über den man sich schon allein durch die Nennung des Premierministers von
„Reuß-Schleiz-Greiz“ ziemlich lustig gemacht hat. Das Werk wurde nach Strauß Tod am 26.
Oktober 1899 im Wiener Carl-Theater durch den großen wie geschickten Theaterpraktiker
Adolf Müller jun. auf die Bühne gebracht. Das „Wiener Blut, eigner Saft, voller Kraft, voller
Glut“ gilt auch heute der Wienerin als heimliche Hymne. Das Duett im 2. Akt zwischen Graf
und Gräfn folgt dem ursprünglichen Walzer „Wiener Blut“ op. 354 aus dem Jahr 1873. Die
beiden gräfichen Eheleute diskutieren über ihre zwischenmenschlichen Probleme. Nach
einigen Argumenten beider Seiten einigt man sich darauf, dass nur eines Schuld haben kann,
das „Wiener Blut". Lange bevor Falco...
Wohl nicht aus steuerlichen Gründen; aber immerhin (!) widmete Johann Strauss Sohn seine
„Champagner-Polka“ dem österreichischen Finanzminister Carl Freiherr von Bruck.
Entstanden ist sie während der Sommersaison in Pawlowsk bei St. Petersburg aus Gründen
der eigenen Motivation. Der musikalische Scherz mit knallenden Sektkorken erbrachte den
Höhepunkt eines Benefzkonzertes am 12. August 1860.
Mit vierzig Jahren schaffte der Wiener Karl Millöcker sein Meisterstück, die Operette „Der
Bettelstudent“. Sie spielt 1704 in Krakau, unter der Regierung August des Starken, König
von Polen und Kurfürst von Sachsen. Ein Kassenschlager! Zwischen 1896 und 1921 gab es
allein 4940 deutschsprachige Aufführungen der Wiener Meisteroperette. Alexander Girardi
schwärmte über Millöcker: „Er war ein kolossaler Kerl und als Begleiter einfach
unvergleichlich. Er hat jede Nuance, jeden Ton gut gekannt.“ Auch Hans von Bülow erkannte
das Genie: „Millöcker; Sie haben Melodie!“ So darf es nicht verwundern, dass viele Melodien
aus der Operette fast zu Volksliedern wurden, so zum Beispiel die Tenor-Schmeichelei des
Symon Rymanowicz „Ich knüpfte manche zarte Bande“. Bezaubernd und von feiner
musikalischer Machart zeigt sich auch das Duett zwischen Symon und der Sängerin Laura.
Einen ersten großen Erfolg in Wien feierte Franz Lehár mit dem Walzer „Gold und Silber“ op.
79 für eine Redoute der gesellschaftlich einfussreichen Fürstin Pauline von Metternich.
Nach der verspielt lustvollen Einleitung verströmt Lehár eine schier unendliche Melodie.
Darum haben ihn nicht wenige Komponisten beneidet. Richard Strauss ärgerte noch mehr,
dass Lehár besser an den Tantiemen seiner eigenen Werke verdiente als Strauss mit den
seinen. Umso erstaunlicher, dass Lehár für die Berliner Aufführung von „Paganini“ auf die
Tantiemen als auch Richard Tauber auf das Sängerhonorar verzichtete. Nachdem das Werk
in Wien ähnlich wie die „Fledermaus“ mehr oder weniger durchfel, brauchte man den
Erfolg, der sich prompt einstellte. Die Berliner Erstaufführung am 30. Jänner 1926 wurde
zum rauschenden Erfolg. Das Lied der Sängerin Maria Anna Elisa und Fürstin von Lucca und
Piombino „Liebe, du Himmel auf Erden“ ist dem zentralen Hit der Operette „Gern hab’ ich die
Fraun geküsst“ absolut ebenbürtig.
Martin Luther werden die zweifelhaften Worte „Wer nicht liebt Wein, Weib, Gesang, der
bleibt ein Narr sein Leben lang“ zugeschrieben. Sei’s drum. Prof. Franz Mailer,
unermüdlicher Strauß-Forscher aus Waidhofen, schrieb darüber: „Den Walzer ´Wein, Weib
und Gesang` hat Johann Strauss Sohn im Fasching 1869 für den Wiener MännergesangsVerein komponiert. Das Werk hat daher eine in der Chorfassung sehr umfangreiche
Introduktion und gelangt ohne Coda zu einem kraftvoll gesteigerten Abschluss. Die
Uraufführung des Chorwalzers beim Narrenabend am 2. Februar 1869 im Dianasaal erzielte
allergrößten Erfolg: Strauß saß an diesem Abend, als Pilger verkleidet, im Saal und segnete,
sooft die Zuhörer die Wiedergabe durch lebhaften Beifall unterbrachen, mit großer Geste
das Publikum. Chormeister Rudolf Weinwurm und die Mitglieder des Wiener
Männergesangs-Vereins schufen mit dieser Aufführung einen Höhepunkt in der stolzen
Chronik des Vereins. Mit der Aufführung der Konzertfassung des Walzers ließ sich Strauß
sich Zeit. Erst am 16. März 1869 stand ´Wein, Weib und Gesang` auf dem Programm des
großen Promenadenkonzerts des Stauß-Orchesters, das die Brüder Johann, Josef und
Eduard Strauss im Redoutensaal in Pest veranstalteten und abwechselnd leiteten. In Wien
war diese Fassung erst am Ostermontag, dem 29. März 1869, bei einem Promenadenkonzert
in den Blumensälen der Gartenbaugesellschaft zu hören.“
Mit der Operette „Die Csárdásfürstin“ schuf Emmerich Kálmán seinen größten Erfolg,
uraufgeführt am 17. November 1915 im Wiener Johann-Strauß-Theater. Mizzi Günther feiert
als Varietéstar Sylva Varescu Triumphe, während ihre Liebe zu Fürst Edwin einem
Wechselbad der Gefühle unterworfen ist – aber sonst wohl keine Operette... Im Duett
„Tanzen möcht´ich, jauchzen möcht ich“ stehen die Dinge gut. Ein echtes Antidepressivum.
1917 wurde in New York aus der „Csárdásfürstin“ politisch korrekt ein „Riviera Girl“ mit
zahlreichen Einlagestücken aus der Feder von Jerôme Kern.
© Ursula Magnes
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