1 - Pressezentrum Nachrichtenredaktion Meldung Nr. Datum

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Pressezentrum Nachrichtenredaktion
Meldung Nr.
041
Datum:
15. Mai 2012
Stichworte:
Musik/Theater
Veranstaltung:
Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der
Sonne. Ekklesiastische Aktion von Bernd Alois Zimmermann.
Ort:
Nationaltheater Mannheim, Opernhaus, Am Goetheplatz, 20-22 Uhr
Programm Seite:
316
Ergreifende Aktion auf der Opernbühne
Fünf Tage vor seinem Selbstmord vollendet der Komponist Bernd Alois Zimmermann sein
Werk. Sein Titel stammt aus dem Buch Kohelet des Alten Testaments, das eines der
düstersten der Bibel ist. „Ich wandte mich um und sah an alles Unrecht, das geschah unter
der Sonne“ heißt die Komposition mit dem Untertitel „ekklesiastische Aktion“. Im Mannheimer
Nationaltheater wird am Freitag also eine „kirchliche Aktion“ aufgeführt.
Zimmermann komponierte das Stück 1970 im Auftrag der Stadt Kiel anlässlich der
Olympischen Spiele 1972. Sein Freund Hans Zender dirigierte die Uraufführung. Das Werk
für zwei Sprecher, Bass-Solo und Orchester ist ein extrem expressives und intensives Stück,
das Spannung und Betroffenheit hervorruft. Die Sprecher springen im Verlauf der
„ekklesiastischen Aktion“ in die Luft, begleiten Wörter mit Boxhieben und schreien gegen
Ende die Wörter „Reichtum“, „Selbstvernichtung“ und „sich gegenseitig ausrotten“
durcheinander, dabei schlägt das Schlagzeug laut Partitur-Anweisung auf beliebige
Schlaginstrumente ein. Am Schluss setzen sich beide Sprecher und der Dirigent im
„Meditationssitz“ auf den Boden; der Dirigent hält seine Hände schirmend vor sein Gesicht.
Der Sänger singt den biblischen Klageruf aus Kohelet „Wehe dem, der allein ist“, dem er
gestoßene, gequälte, gepresste Laute des Schreckens, der Verlassenheit und der
menschlichen Erbärmlichkeit hinzufügt.
Die Texte für das Stück hat der Katholik Zimmermann dem vierten Kapitel des Buches
Kohelet in der lutherischen Übersetzung entnommen. Diese verknüpfte er mit Textteilen aus
Fjodor Dostojewskis Roman „ Die Brüder Karamasow“, in denen der Großinquisitor den
wiedergeborenen Jesus gefangen nimmt. Zimmermann legte großen Wert auf die
Textverständlichkeit. Deshalb setzt er lang ausgehaltene Klänge oder nur wenige
Instrumente als Begleitung ein. So beginnt der erste Sprecher seinen Text laut Partitur „gut
skandierend, flammend“ und mit unbewegter Körperhaltung zu sprechen. Erst ab „Ich
schwöre Dir, der Mensch ist schwächer und niedriger als Du gedacht hast“, beginnen die
Sprecher, sich aus der Starre zu lösen und ihren Text „mitzuspielen“.
Der etwa 35-minütigen Komposition liegt eine Reihe aller Intervalle zugrunde, die zu
dissonanten Klängen führt. In den letzten sieben Takten zitiert Zimmermann den Bach-
Verantwortlich: Theodor Bolzenius
Leitung Nachrichtenredaktion: Christoph Arens
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Choral mit dem Text „Es ist genug: Herr, wenn es dir gefällt, so spanne mich doch aus“, den
auch Alban Berg in seinem letzten Werk, dem Violinkonzert, zitiert.
Zimmermann hat sein Autograph mit Bleistift geschrieben; die Spuren häufigen Radierens
verweisen auf das Ringen um den endgültigen Ausdruck seines letzten Werkes. Zu
Zimmermanns bekanntesten Werken zählt seine Oper Die Soldaten (1958-1960).
Die ekklesiastische Aktion wird am Freitagabend zweimal aufgeführt. Zwischen den
Aufführungen gibt es eine Podiumsdiskussion mit Christoph Ogiermann (Komponist,
Instrumentalist), Prof. Dr. Thomas Schipperges (Historische Musikwissenschaft, Hochschule
für Musik und Darstellende Kunst Mannheim), Prof. Dr. Magnus Striet
(Fundamentaltheologie, Universität Freiburg) und Prof. Dr. Oliver Korte (Musiktheorie,
Musikhochschule Lübeck, Komponist). Die Diskussion moderiert Michael Struck-Schloen,
der u.a. für WDR3 arbeitet. Darin geht es um Zimmermann, das Religiöse und das Werk des
Komponisten.
Es spielt das Nationaltheaterorchester unter der Leitung von Alois Seidelmeier mit Thomas
Jesatko (Bass), Tim Egloff und Franz Mazura (Sprecher).
Programmänderung: Prof. Dörte Schmidt und Wolfgang Rihm, Heinz Holliger nehmen an der
Diskussion nicht teil.
Verantwortlich: Theodor Bolzenius
Leitung Nachrichtenredaktion: Christoph Arens
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