Hoegner Rezension

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Hoegner
Erinnerungen
Brigitte Seebacher:
"Die bittere Bilanz eines Lebens"
Wilhelm Hoegners Erinnerungen - auch
eine Art Abrechnung
Nr.
15
in
"Die Zeit" vom
7.4.1978
"In dieser Wahl verloren die drei Parteien der Weimarer
Koalition nicht
nur die alte Zweidrittel-Mehrheit, sondern
sogar die einfache Wahrheit, die ihre Vorgänger schon im
Kaiserreich gehabt hatten. Die deutsche demokratische Republik
Zu der genannten Besprechung einige Fakten:
lange vor dem 20.
hatte eine tödliche Wunde erhalten, eine Wunde, die eine
Juli 1932 war in Vereinbarung mit der SPD dem ADGB die Entscheidung
Demokratie in ihrem Wesenskern bedroht: Verlust der Mehrheit für
über d i e Anordnung eines politischen Generalstreiks vorbehalten
ihre
worden. Nach dem Papen-Putsch blieb in den Großbetrieben der
wohl unwiderlegbar hält Dr. Brecht
weiter
Industrie alles ruhig. Ich weiß dies aus eigener Wahrnehmung als
fest:
politischer Journalist auch aus der Industriestadt Augsburg.
versäumt hätten, eine wahre Demokratie zu errichten, solange sie
Empörung und Bestürzung herrschte zwar bei einem Teil des
noch an der Macht waren, i s t besonders unsachlich dann, wenn
ungenügend bewaffneten "Reichs-banners",
er gegen die Sozialdemokraten erhoben wird, da diese in den 13
doch hat auch
" Der Vorwurf, daß die demokratischen Parteien es
Höltermann, der Vorsitzende, sich der Entscheidung des ADGB unter
Jahren vom Frühling 1920 bis zum Frühling 1933 nur etwas über 3
Leipart gebeugt.
Jahre lang in unzusammenhängenden Perioden an der
Wilhelm Hoegner, der die Gefahr des
Nationalsozialismus früher erkannt hatte als manche unter den
Reichsregierung teil hatten, und zwar meistens in Koalitionen
Prominenten seiner Partei, verwechselt die Situation in den
mit antirepublikanischen Parteien, während die in ihrer Mehrheit
Großbetrieben mit der Stimmung im "Reichsbanner" und in der
antirepublikanische "Deutsche Volkspartei" von 1922 an
"Eisernen Front". Die Machtlage war 1932 grundlegend anders als 1920
ununterbrochen bis zum Ende in der Reichsregie-ung vertreten
beim Kapp-Putsch. Über 5 Millionen Arbeitslose wirkton lähmend auf
war, die "Deutschnationalen" sogar dreiein-halb Jahre lang.
die Waltung der noch Beschäftigten. Und die Kommunisten hatten den
Vorwürfe gegen die Sozialdemokraten, daß sie d i e "Regierungsmacht"
Sturz der Preußen-Regierung bejubelt. Ob trotzdem e i n Widerstand
nicht gehörig zur Demokratisierung benutzt hätten, müssen sich im
der Verzweiflung hatte gewagt werden müssen, bleibt angesichts
Reich auf die Zeit von der Revolution bis zu den Wahlen im Juni
starker Argumente für ein Ja und Nein eine offene Frage. Anders
192O beschränken. In Preußen lag die Machtposition für die
zu beurteilen ist sicher die Haltung des ADGB und der Partei nach
Sozialdemokraten günstiger.
dem Erlaß der die verfassungs-gemäßen Grundrechte brechenden
Sozialdemokraten nicht allein in der Regierung. Sie konnten nie
Verordnung zum Schutze von Volk und Staat vom 28.2.1933. Hier wurde
weitergehen
ein vereinbartes Signal nicht gegeben.
als ihre Koalitionspartner, Zentrum und Demokraten . mitzu-gehen bereit
waren. "
Im übrigen ist bei der Beurteilung der SPD in der Weimarer Zeit
auch auf Arnold Precht, den preußischen Ministerialdirektor,
Verfassungsrechtler und nie wankenden Demokraten zu verweisen,
der unter sieben Reichskanzlern Weimarer Ge-schichte tätig
handelnd erlebte. Er schildert ("Aus nächster Nähe"
das Ergebnis der Reichstagswahl vom 6. Juni 192O:
Rd. T, 308/9)
Aber auch in Preußen waren die
Soweit Brecht. Vor all' dies politisch aktiv miterlebt hat, kann
den zu pessimistischen Deutungen für die SPD, die Brigitte
Seebacher der zwar verständlichen, doch auch allzu bitteren Bilanz
Wilhelm Hoegners entnimmt, nur mit starken Vorbehalten folgen.
Josef Felder, München MdR
1932/33, MdB 1957/69
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