Strategisches Management für Fitnessstudios Frank Daumann, Robin Heinze, Benedikt Römmelt (Hrsg.) AUSGABE 3/2012 | THEMENHEFT www.sport-und-management.de Impressum Herausgeber Prof. Dr. Frank Daumann Robin Heinze Benedikt Römmelt Chefredakteur/ Robin Heinze Editor-in-Chief E-Mail: [email protected] Tel.: 0176 420 96 443 Layout/ Design Robin Heinze Verlag/ Publisher Sciamus GmbH Ascher Str. 5 D- 95028 Hof E- Mail: [email protected] Erscheinungsweise Die Zeitschrift Sciamus – Sport und Management erscheint vierteljährlich; die Themenhefte erscheinen in unregelmäßigen Abständen. Für Autoren/ Wenn Sie Interesse an der Veröffentlichung eines eigenen Anzeigen Beitrages haben oder eine Anzeige schalten möchten, können Sie über die folgende Adresse Kontakt mit uns aufnehmen: Sciamus GmbH Ascher Str. 5 D- 95028 Hof - Redaktion E-Mail: [email protected] ISSN 1869-8247 Ausgabe 3/2012 | Themenheft © 2010 - 2012 Sciamus GmbH, Hof Copyright Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Der Nachdruck sowie die Übersetzung und andere Verwertungen sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion und des Verlages unter Angabe der Quellen gestattet. Elektronische www.sport-und-management.de Volltexte Inhaltsverzeichnis Frank Daumann, Robin Heinze & Benedikt Römmelt Strategisches Management für Fitnessstudios …............................ 1 Niels Gronau Die Entwicklung kommerzieller Fitnessanbieter in Deutschland ....................................................................................... 10 Eckhard Enders Motive zum Fitnesssport aus sportpsychologischer Perspektive ............................................................................................. 19 Robin Heinze & Benedikt Römmelt Kundensegmentierung im Fitnessstudio ...................................... 33 Ralf Kriegel Kundenbindung in Fitnessanlagen ................................................. 50 Frank Daumann & Lev Esipovich Markenaufbau – Der Weg zum Erfolg ............................................ 63 Thomas Rieger Differenzierung durch Qualität – Ansätze zur Entwicklung eines ganzheitlichen Qualitätskonzepts für gesundheitsorientierte Fitnessstudios ........................................................................ 71 Andreas Haderthauer Wettbewerb um Vertriebskanäle ..................................................... 83 1 Strategisches Management für Fitnessstudios Frank Daumann, Robin Heinze & Benedikt Römmelt Strategisches Management für Fitnessstudios Der Markt privater Sportanbieter hat gerade in den letzten Jahren eine dynamische Entwicklung erfahren. Zunächst als Randphänomen belächelt, später als Modewelle unterschätzt, ist er heute zu einem wichtigen Anbieter für Sport, zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor und auch zu einer ernst zu nehmenden Alternative für das Vereinsangebot geworden.1 Dieses Themenheft behandelt ausgewählte strategische Themen für das Management in Fitnessstudios, die im Folgenden eingeordnet werden. Der erste Beitrag von Niels Gronau vollzieht die Entwicklungen bis zur heutigen Struktur des Fitnessmarktes anhand wesentlicher Eckpunkte nach und wagt einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen. Das Wachstum des Fitnesssports wurde durch Veränderungen der Präferenzen vorangetrieben. Anstelle von Wettkampf und Leistung traten Motive wie Gesundheit, Fitness, Spaß, Entspannung und Wohlbefinden.2 Im Beitrag von Eckard Enders werden die Hauptmotive der Fitnesstreibenden systematisch aufgearbeitet und aus Sicht der Sportpsychologie Hinweise abgeleitet, wie die unterschiedlichen Beweggründe gezielt angesprochen werden können. Über die Jahre hinweg hat sich auch das gesellschaftliche Bild des Fitnesssports gewandelt. Körperliche Fitness ist heute Ausdruck einer aktiven, gesundheitsorientierten und körperbewussten Lebensweise.3 Das Fitnessstudio spricht daher vom Jugendlichen über den Manager zum Senioren unterschiedliche Gesellschafts1 Dietrich, Heinemann & Schubert, 1990, 7 2 Dilger, 2008, 358 3 DIFG, 2010, 6 SCIAMUS – Sport und Management schichten an. Der Wandel der Fitnessbranche über die Jahre hinweg betrifft aber nicht nur die Motive der Sporttreibenden und ihr Image, sondern auch die Struktur innerhalb des Marktes für Fitnessdienstleistungen. Durch die Etablierung unterschiedlicher Preis-Leistungs-Angebote (Discount-, Medium- und Premium-Anlagen) sind drei strategische Gruppen entstanden, die mit jeweils eigenen Konzepten den Markt bearbeiten. Innerhalb dieser strategischen Gruppen 4 ist meist der Wettbewerb stärker ausgeprägt. Zwischen den Gruppen unterscheiden sich allerdings die strategischen Gesetzmäßigkeiten sowie die Erfolgsfaktoren, obwohl alle Unternehmen in der gleichen Branche tätig sind.5 Abbildung 1 zeigt dazu die Einordnung der strategischen Gruppen in der Fitnessbranche nach der Breite des Angebots und dem Preisniveau. Dabei zeigen sich drei dominante Gruppen: Discounter, Medium- und Premium-Anlagen. Daneben existieren Nischenkonzepte wie z.B. Kieser Training oder Mrs. Sporty, aber auch vereinseigene Studios. Diese Positionierung ist aber nicht statisch. Die Dynamik innerhalb der Branche zeigt sich in den folgenden Tendenzen: (1) Die Medium-Anlagen senken ihre Preise und lassen sich dadurch auf einen Preiskampf mit den DiscountAnbietern ein. (2) Die Medium-Anlagen erweitern ihr Angebot, um sich so im Premium-Segment zu etablieren. 4 Eine strategische Gruppe besteht aus den Unternehmen einer Branche, die ähnliche Strategien verfolgen oder mit ähnlichen Ressourcen ausgestattet sind. Diese Ansicht entspricht der neueren Industrieökonomie, die nicht mehr von einer homogenen Branchenstruktur ausgeht, sondern die relevanten Unterschiede zwischen den Unternehmen beachtet. 5 Bausch, 2005, 201 f. Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 2 Abb. 1: Strategische Gruppen in der Fitnessbranche (eigene Darstellung) (3) Durch die aktuelle Erweiterung des Produktangebots der Discountanbieter um Fitnesskurse, drängen sie die Medium-Anlagen zunehmend in einen Preiskampf. (4) Der Anteil der Discount-Anlagen, die auf ein reduziertes Angebot zu einem günstigen Preis setzen, steigt. (5) Es etablieren sich Nischenanbieter, die ein sehr spezialisiertes Angebot für eine enge Zielgruppe anbieten. Die strategischen Gesetzmäßigkeiten innerhalb einer Branche werden einerseits von der Anzahl und Größe der Wettbewerbsvorteile und andererseits von der Phase im Branchenlebenszyklus bestimmt. Abhängig von Anzahl und Größe möglicher Wettbewerbsvorteile hat Oetinger vier charakteristische Geschäftstypen mit SCIAMUS – Sport und Management ihren unterschiedlichen Erfolgsbedingungen voneinander abgegrenzt (vgl. Abbildung 2).6 Der Wettbewerb innerhalb der Fitnessbranche entspricht dem Fragmentierungsgeschäft. Vorteile beruhen durch zahlreiche Trainingsangebote zwar auf vielfältigen Möglichkeiten der Differenzierung, der Abstand zu anderen Wettbewerbern ist aber über die Branche hinweg gesehen eher gering. Dies ist einerseits bedingt durch angebotsseitig weitgehend angeglichene Leistungen und andererseits nachfrageseitig durch weitgehend einheitliche Nachfragergruppen trotz vorhandener Bedürfnisunterschiede. Der Schlüssel zum Erfolg in einem solchen Wettbewerbsumfeld ist eine Kombination aus Leistungsdifferenzierung und der Konzentration auf spezifische Kunden6 Oetinger, 1983, 44 ff. Themenheft 3 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 2: Geschäftstypen nach Anzahl und Größe möglicher Wettbewerbsvorteile (nach Oetinger, 1983) gruppen/Marktsegmente.7 Der DSSV leitet auf Grund einer Verbraucheranalyse aus dem Jahr 2005 drei Konsumententypen ab, auf die sich Fitnessstudios konzentrieren können: sportlich/ offen/ gesundheitsbewusste; konsum-/ imageorientierte; gewichtsorientierte.8 In ihrem Beitrag zur Markt- und Kundensegmentierung stellen Robin Heinze und Benedikt Römmelt differenziertere Kundengruppen vor und leiten daraus praktische Hinweise für eine Erfolg versprechende Positionierung im Fitnessmarkt ab. Der zweite Bestimmungsfaktor der strategischen Gesetzmäßigkeiten innerhalb einer Branche ist die Phase im Branchenlebenszyklus. Sie bestimmt, abhängig vom veränderten Branchenkontext, die korrespondierenden Erfolgsfaktoren. In Tabelle 1 sind die allgemeinen Charakteristika der vier Zyklusphasen zusammengefasst. Eine Betrachtung der Entwicklungen innerhalb der Fitnessbranche zeigt, dass sich die Fitnesswirtschaft am Übergang von der Wachstumsphase in die Reifephase befindet. Bei den Entwicklungen der Fitnessanlagen und auch der Mitgliederzahlen ist zwar über die Jahre bis heute ein Anstieg zu erkennen, jedoch zeigt die Kurve auch einen deutlichen Knick nach dem ersten Höhepunkt im Jahr 2001. Hier hat die Wirtschaftskrise zu einer Bereinigung des Marktes geführt. Der Branche ist es aber unter anderem durch eine starke Ausrichtung auf Gesundheit gelungen, den Abwärtstrend zu stoppen. Vergleicht man dazu die Entwicklung der Marktdurchdringung, so konnte Deutschland seine Rate im Zeitraum 2000 (6 %) – 2008 (7,2 %) lediglich um 1,2 Prozentpunkte steigern. Großbritannien erreichte im gleichen Zeitraum eine Steigerung um 6 Prozentpunkte.9 7 Oetinger, 1983, 44 ff.; vgl. auch Bausch, 2006, 203 ff. 8 DSSV, 2005 9 Je nach Angabe lag die Marktdurchdringung im Jahr 2001 zwischen 5,58% und 6,6%. Die Werte für das Jahr 2008 differieren dagegen kaum. Für Großbritannien ermittelt Deloitte (2002, 10) für SCIAMUS – Sport und Management Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 4 Tab. 1: Branchenlebenszyklus und Veränderung der Wettbewerbsbedingungen (vgl. Grant, 2008, 271; Bausch, 2006, 207) das Jahr 2000 eine Marktdurchdringung von 5,9%. Nach Angabe von Deloitte (2009, 37) liegt sie 2008 bei 11,9%. SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 5 Die kaum steigende Anzahl der Fitnessanlagen im Markt zeigt, dass das Wachstum der Branche hauptsächlich von der Auslastung bzw. Ausweitung schon bestehender Kapazitäten getrieben ist. Auch wenn Deutschland im Vergleich mit anderen europäischen Staaten noch Potential aufweisen mag, führt die steigende Marktdurchdringung immer mehr zu einem Massenmarkt, wie er für die Reifephase typisch ist. Bei der Anbieterdichte liegt Deutschland nach Großbritannien europaweit schon heute auf Platz 2.10 Auch das Vordringen der Ketten- und Franchisesysteme in den vergangenen Jahren deutet einen Übergang in die Reifephase der Branche an. Zwar haben die unabhängigen Fitnessanlagen immer noch den größten Marktanteil, aber die Ketten- und Franchisestudios bauen ihre Position stetig aus. Ihr Anteil an der Gesamtanlagenzahl stieg von 9,8% im Jahr 2005 auf 13,61 % im Jahr 2009. 11 Diese Entwicklung spiegelt die höhere Effizienz, eine bessere Marketing- und Angebotspolitik sowie eine aggressivere Preis- und Konzeptgestaltung wider, die diesen Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschafft. Ebenso wie kosteneffiziente Betriebsgrößen und der Verdrängungswettbewerb, sind auch die heute schon sehr gut über die Angebote der Fitnessindustrie informierten Kunden ein Kennzeichen der Reifephase. Ein Blick auf den Wettbewerb der Branche zeigt, dass die Intensität sehr hoch ist. Die Betreiber der Studios stehen vor der Wahl, entweder ihre Unternehmen mit Qualität u.a. im Sinne von Qualifikation, Fachkompetenz, Betreuungs- und Erlebnischarakter aufzuladen und so gut zahlende Premiumkunden zu gewinnen. Oder sie setzen 10 Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V., 2010, 2 11 DSSV, 2009, 8; Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V., 2007, 14 SCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios auf günstige Preise und positionieren sich eindeutig als Billiganbieter. Diese Positionierung ist aber schwierig, da hier die Margen immer geringer ausfallen, oft das Potenzial des Marktes nicht mehr ausreicht und der Wettbewerb ruinös wird. Ruinöse Preiskämpfe fallen dabei hauptsächlich zu Lasten der unabhängigen Studios, da diese keine Skaleneffekte nutzen können. Der Preis ist gerade bei den Fitnessstudios des Medium-Segments kein geeignetes Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb. Denn obwohl Discountanbieter auf dem Vormarsch sind und kontinuierlich Marktanteile gewinnen, bedeutet das Einlassen auf die sich ständig weiter abwärts drehende Preisspirale für die unabhängigen Anlagen längerfristig den sicheren Ruin.12 Um sich im harten Wettbewerb abzuheben, müssen die Studios Alleinstellungsmerkmale aufbauen. Dazu zählt vor allem ein erweitertes Angebot an Wellnessleistungen wie Massagen, Saunabetrieb oder Kosmetik und die Kooperation mit Ärzten, Physiotherapeuten oder Krankenkassen in Richtung Gesundheitsprävention. Den Studiobesuchern bietet sich dadurch die Möglichkeit, die Motive körperliche Fitness, Gesundheitsvorsorge und Entspannung unter einem Dach sinnvoll miteinander zu verbinden. In den Fitnessanlagen trägt außerdem gut ausgebildetes Personal, das eine verbesserte Trainingsbetreuung ermöglicht, ebenfalls zur Wettbewerbsdifferenzierung bei. Gleiches gilt für das Angebot einer Kinderbetreuung.13 Der Schwerpunkt der strategischen und operativen Maßnahmen liegt seit Jahren bei vielen Fitnessanbietern auf der Neukundengewinnung. Die zunehmende Sättigung des Marktes macht es allerdings stärker erforderlich, die Bestandskunden durch gezielte Strategien an das eigene 12 Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V., 2007, 14 ff. 13 Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V., 2007, 15 Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 6 Tab. 2: Positionierung ausgewählter Fitnessanbieter nach ihren Slogans (Quelle: verändert nach Deloitte, 2011, 2) Fitnessstudio zu binden. Ein systematisches Management der Beziehungen zum Kunden ist dafür eine unerlässliche Voraussetzung. Ralf Kriegel stellt dazu in seinem Beitrag Erfolgsfaktoren der Kundenbindung vor und zeigt die Bedeutung und praktischen Möglichkeiten des Einsatzes im Fitnessstudio auf. Für eine erfolgreiche Positionierung im Markt gewinnt neben der Kundenbindung auch das Thema Markenführung einen immer größeren Stellenwert und bildet gerade in der Reifephase einen Schlüsselfaktor für den Erfolg. So macht schon der Slogan eines Fitnessunternehmens dessen grundsätzliche Positionierung der Marke deutlich und verrät viel über die Ausrichtung auf eine Zielgruppe. Tabelle 2 zeigt die Positionierung ausgewählter Anbieter der Fitnessbranche. Der Beitrag von Frank Daumann und Lev Esipovich zeigt in diesem Zusammenhang die Determinanten einer starken Marke und die Möglichkeiten der DiffeSCIAMUS – Sport und Management renzierung und Positionierung im Wettbewerb durch gezieltes Markenmanagement im Fitnessstudio auf. Nicht nur eine starke Marke, sondern auch Zertifizierungen wie das „TÜV-Fitness Siegel" für gesundheitsorientierte Studios können Wettbewerbsvorteile generieren. Mit der Einhaltung von einheitlichen Qualitätsmaßstäben soll erreicht werden, dass Fitnesstreibende leichter Zuschüsse von Krankenkassen zu ihren Studiobeiträgen erhalten. Neben der Prüfung der Gerätschaften in den Studios muss ein ganzer Katalog von Anforderungen erfüllt werden, um das begehrte „TÜV-Fitness Siegel" für ein Jahr zu erhalten. So etwa bezüglich Beratung, Qualität der Betreuung, Ausbildung der Trainer, Räumlichkeiten, Hygiene, Sicherheit und Kundenverträge.14 Thomas Rieger greift dazu in seinem Beitrag die Thematik des Qualitätsmanage14 Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V., 2007, 16 Themenheft 7 Strategisches Management für Fitnessstudios ments in Fitnessstudios auf. Dabei stellt er Aspekte eines Qualitätskonzepts vor, um so über den Faktor Qualität ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen, das die Kunden durch Preisprämien im Vergleich zu den Discountern honorieren. Zuletzt wird aus Tabelle 1 auch ersichtlich, dass der Wettbewerb um Vertriebskanäle schon in der Wachstumsphase an Bedeutung gewonnen hat. In einem engen Zusammenhang damit steht die geschickte Positionierung und die Aussage der Werbekampagnen oder auch das Empfehlungsmarketing. So wird gerade in der Zeit nach Weihnachten verstärkt mit der Möglichkeit zum Abtrainieren der angefutterten Pfunde oder vor Beginn der Sommersaison mit der perfekten Bikinifigur geworben. Daher wird in einem abschließenden Beitrag von Andreas Haderthauer dargestellt, welches die wichtigsten Maßnahmen für einen erfolgreichen Vertrieb im Fitnessstudio sind, wie man Vertriebskanäle erschließt und diese sinnvoll nutzt sowie Werbekampagnen möglichst profitabel einsetzt. Zu den Autoren Prof. Dr. Frank Daumann Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Sportwissenschaft Lehrstuhl für Sportökonomie Seidelstr. 20 07749 Jena Telefon: 03641/9-45641 E-Mail: [email protected] Frank Daumann ist Inhaber des Lehrstuhls für Sportökonomie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und wissenschaftlicher Leiter des MBAStudiengangs Sportmanagement. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Sportökonomie und die Gesundheitsökonomie. Im Bereich der Sportökonomie setzt sich Frank Daumann insbesondere mit der Analyse einzelner Sportmärkte, Fragen des Dopings, dem Qualitätsmanagement in Sportorganisationen sowie der Vermarktung des Sports auseinander. SCIAMUS – Sport und Management Robin Heinze Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Sportwissenschaft Lehrstuhl für Sportökonomie Seidelstr. 20 07749 Jena Telefon: 03641/9-45677 E-Mail: [email protected] Robin Heinze ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sportökonomie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Chefredakteur der onlineFachzeitschrift Sciamus – Sport und Management. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich bei seiner Forschung mit Management im Fitnesssport, Ökonomie und Management von Sport und Gesundheit sowie der Internationalisierung von Sport und Sportarten. Benedikt Römmelt Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Sportwissenschaft Lehrstuhl für Sportökonomie Seidelstr. 20 07749 Jena Telefon: 03641/9-45703 E-Mail: [email protected] Benedikt Römmelt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sportökonomie des Instituts für Sportwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Anwendung strategischer Analyseinstrumente auf Sportmärkte sowie das Qualitätsmanagement von Sportverbänden. Benedikt Römmelt ist zudem Geschäftsführer der Sciamus Gesellschaft für Beratung und Weiterbildung mbH. Literatur Bausch, A. (2006). Branchen- und Wettbewerbsanalyse im strategischen Management. In: Hahn, D., Taylor, B. (2006): Strategische Unternehmensplanung – Strategische Unternehmensführung. Berlin et. al.: Springer. Deloitte (2011). Der Fitnessmarkt – Newsletter 1/2011. Düsseldorf: Deloitte Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V. (2007). BranchenReport 2007 - FitThemenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 8 nesscenter, Solarien. Berlin: Deutscher Sparkassen Verlag GmbH. Dietrich, K., Heinemann, K. & Schubert, M. (1990). Kommerzielle Sportanbieter. Schorndorf: Hofmann. DIFG (2009). WHITE PAPER 2009. Düsseldorf: DIFG e.V. DIFG (2010). Fitnessbranche wird wichtiger Pfeiler im Gesundheitssystem. In: DIFG e.V. (Hrsg.). WHITE PAPER 2010 (S. 6-11). Düsseldorf: DIFG e.V. Dilger, E. (2008). Die Fitnessbewegung in Deutschland. Schorndorf: Hofmann. DSSV (2004). Branchendaten der Fitness-/ Wellness-/ Racket-Anlagen in Deutschland. Hamburg: DSSV e.V. DSSV (2005). DSSV Verbraucheranalyse 2005. Hamburg: DSSV e.V. DSSV (2006). Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2006. Hamburg: DSSV e.V. DSSV (2009). Eckdaten 2009 der deutschen Fitness-Wirtschaft. Hamburg: DSSV e.V. Grant, R. M. (2008). Contemporary Strategy Analysis – Conzepts, Techniques, Applications. Malden et. al.: Blackwell Publishing. Oetinger, B. v. (1983). Wandel in den Unternehmensstrategien der 80er Jahre. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Sonderheft 15, S. 42-51. Statistisches Bundesamt (2010). STATISTISCHES JAHRBUCH 2010 für die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 9 SCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 10 Niels Gronau Die Entwicklung kommerzieller Fitnessanbieter in Deutschland Abstract Journalisten sprechen in ihrer Berichterstattung von der Fitnesswirtschaft immer wieder gerne von den „Muckibuden“, die nach wie vor von einer Vielzahl der Kunden genutzt würden. Sie beziehen sich dabei auf die Ergebnisse von Marktstudien1 nach der knapp 50% aller rund 7,6 Millionen Fitnessstudiomitglieder in als Einzelbetrieben geführten, unabhängigen Unternehmen trainieren, die unter diesem Pseudonym zusammengefasst werden. Anlass für diese negative Einschätzung ist die Tatsache, dass die Kettenbetriebe, also Anbieter mit drei und mehr Studios 2, im Vergleich zu den vorgenannten kleineren Institutionen in ihrer Gesamtheit in den vergangenen Jahren deutlich stärker gewachsen sind. Doch lässt sich allein aus dem Umstand des verlorenen Marktanteils direkt auf das eventuell nicht mehr zeitgemäße Angebot dieser Anbietergruppe schließen? Lassen sich die Leistungen, die immerhin noch von etwa 3,8 Millionen Mitgliedern für die Verfolgung ihrer individuellen Fitnessund Gesundheitsziele genutzt werden, unter diesem offensichtlich negativ besetzten Begriff der „Muckibude“ subsumieren? Zur Beantwortung dieser grundsätzlichen Frage zur Struktur des deutschen Fitnessmarktes soll im Folgenden die Entwicklung des Fitnessmarktes von seinen Anfängen bis zur heutigen Zeit dargestellt und auch ein kurzer Ausblick auf zukünftige Entwicklungen aufgezeigt werden. Den Schwerpunkt stellt dabei das moderne Fitnesszeitalter dar, wobei auch 1 DSSV-Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2012 2 Als Kettenbetreiber wird ein Betrieb mit mindestens drei Anlagen und mehr als 5.000 Mitglieder bezeichnet. SCIAMUS – Sport und Management ein kurzer Blick auf die Anfänge der Sport- und Fitnessbewegung geworfen werden soll, um damit den notwendigen Rahmen zu schaffen.3 Frühe Anfänge Der Beginn des organisierten Sports in Deutschland wird im Allgemeinen „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn zugerechnet, der um 1810 in Berlin erstmals öffentlich turnen ließ, mit der Absicht, eine körperlich fitte Bürgerwehr zu schaffen, um in den Kampf um das von Napoleon besetzte Preußen einzugreifen. Die ersten Sportvereine nach heutiger Anschauung entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts, mangels institutioneller Alternativen damals noch oft mit einer stark politischen Motivation. Dies war zugleich der Grund für die Schaffung der ersten kommerziellen Betreiber, denn nachdem sowohl die Jahnschen Turnerzusammenschlüsse als auch die frühen Vereine aufgrund ihrer politischen Ausrichtung größtenteils verboten worden waren, bildeten sich ab ca. 1820 in einigen Städten die ersten gewerblichen Anstalten, die dem dortigen Bürgertum die Möglichkeiten zur Ausübung des eigentlichen Fitnesssports boten. Die Idee der gemeinschaftsorientierten Turn- und Sportvereine wurde von deutschen Emigranten auch in die Vereinigten Staaten exportiert, wo Mitte des 19. Jahrhunderts in Großstädten wie New York, Boston oder Philadelphia erste „Turnvereins“ entstanden. Diese standen dort in 3 Für eine ausführliche Betrachtung der Historie kommerzieller Fitnessanbieter sei auch auf den Aufsatz „Zwischen Beruf und Berufung. Zur Geschichte der kommerziellen Fitnessanbieter“ von Wedemeyer-Kolwe verwiesen, der den Zeitraum von den Anfängen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts intensiver beleuchtet. Themenheft 11 Konkurrenz zu den „Clubs“ nach englischem Vorbild, die einen eher statusbezogenen und kommerzielleren Charakter hatten sowie die Einrichtungen der YMCA, der Young Men´s Christian Association, die ebenfalls Mitte des 19. Jahrhunderts beginnend Fitnesseinrichtungen zur Förderung eines gesunden Körpers und Geistes unterhielten und heute in den Vereinigten Staaten einen der größten Anbieter darstellen. Abb. 1: Schule für Leibesübungen des Edmond Desbonnet (L'école de culture physique d'Edmond Desbonnet, Plein Nord, Nr. 55, 1979, S. 15) Eine deutliche Stärkung erfuhr die sportliche Bewegung um 1900 durch die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen nach denen sich immer mehr soziale Schichten sportlich betätigten. Während sich jedoch Arbeiter und Kleinbürgertum eher in die klassischen Turnvereine begaben, wurden die gehobenen Schichten, entsprechend ihres stärker individualistisch geprägten Wertesystems, Mitglied bei einem der gewerblichen Anbieter. Deren Anlagen hatten zu dieser Zeit Ausstattung und Service betreffend schon SCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios sehr viel mit den Studios der heutigen Art gemeinsam. Sie verfügten über vergleichbare Öffnungszeiten, ein relativ breites Angebot an Geräten und waren in der Beschäftigung von Masseuren und teilweise auch Ärzten neben den eigentlichen Übungsleitern bereits vielen heutigen Einrichtungen voraus. Auch die aus der Gegenwart bekannte Bildung von Zusammenschlüssen von Fitnessbetrieben zu größeren Ketten ist kein rein neuzeitliches Phänomen. So betrieb beispielsweise der französische Gelehrte Edmond Desbonnet bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs eine Vielzahl an Anlagen. Weitere vermeintlich moderne Erscheinungen wie ein Überangebot an Fitnessbroschüren sowie die Existenz einer Fülle an Bildungsträgern mit den unterschiedlichsten Kursangeboten wurden bereits einmal in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts festgestellt. Ein erfolgreicher Vertreter der Fitnessratgeber des frühen 20. Jahrhunderts war das Werk „My Sysrem“ des Dänen J.P. Müller, welches ein 15 minütiges, tägliches Training propagierte. Einer seiner bekanntesten Anhänger war der Schriftsteller Franz Kafka. Mit dem Ausbruch und den Folgen des Zweiten Weltkrieges erfuhr der Sport in Deutschland eine wesentliche Zäsur. Davon abgesehen, dass sich der größte Teil der Bevölkerung die kostenintensiveren kommerziellen Anbieter in den Folgejahren nicht mehr leisten konnte, hatte sich zudem ein neues Bedürfnis nach Gemeinschaft entwickelt, das die Menschen in Deutschland eher in die Sportvereine trieb. Im Vergleich zu den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts konnten die kommerzielle Anbieter auch aufgrund der fortschreitenden Angleichung der sozialen und kulturellen Schichten nun nicht mehr als Statussymbol herhalten. Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 12 nur die Nachfrage einer kleinen Gruppe an Fitnessorientierten. Für die große Mehrheit der Deutschen stand Gesundheit und körperliche Fitness nicht mehr im Fokus des Wertehorizontes. Viel mehr war es bei den Zeitgenossen sogar erwünscht, nach der entbehrungsreichen Zeit, den wirtschaftlichen Erfolg auch in der eigenen Körperfülle zur Schau stellen zu können. Erst mit den 70er Jahren erfolgte eine langsame Rückbesinnung auf die Bedeutung eines gesunden Körpers und eine Wiedererstarkung des Strebens nach persönlicher Individualität. Moderne Zeiten Abb. 2: Das Buch nach dem selbst Kafka „müllerte“ (J.P. Müller, My System, 1904) In diesem Einschnitt unterscheidet sich der deutsche Sport- und Fitnessmarkt von dem heutigen „Leitmarkt“ der Fitnessindustrie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Während sich die dortige Entwicklung, wie die frühzeitige Diversifikation der Angebote oder die Entstehung verschiedener Betriebsstrukturen, kontinuierlich fortsetzen konnte, wurde der Markt für professionelle Fitnessanbieter in Deutschland deutlich zurückgeworfen. Diese zeitliche Differenz hat sich bis heute aufgrund der modernen Kommunikationswege und insbesondere der regelmäßig stattfindenden internationalen Messen zwar wieder deutlich angenähert, besteht aber in einigen Bereichen noch immer fort. In den durch das deutsche Wirtschaftswunder geprägten 50er und 60er Jahren erfuhren gewerbliche Fitnessangebote SCIAMUS – Sport und Management Die 70er Jahre werden insbesondere im amerikanischen Bereich auch als Beginn der modernen Fitnessindustrie bezeichnet. Grund dafür ist unter anderem die Entwicklung von neuen, nutzungsfreundlicheren Geräten für die Studios durch den Einsatz von variablen Gewichten oder dem ersten stationären Fahrradergometer. Auch belegte die wissenschaftliche Forschung weiterhin den positiven gesundheitsfördernden Effekt regelmäßigen Fitnesstrainings auf den menschlichen Organismus. Einen noch größeren Schub erhielt die aufstrebende Fitnessindustrie jedoch durch zwei Idole, mit denen sich die Menschen identifizieren konnten und die damit großen Einfluss auf die weitere Entwicklung hatten. Arnold Schwarzenegger, der bereits in den Jahrzehnten zuvor erfolgreich bei verschiedenen Bodybuildingmeisterschaften war, erlangte in den 70ern durch eine Reihe von Filmen weltweite Bekanntheit und gilt noch heute als eine der prägenden Persönlichkeiten der Fitnessszene. Wenige Jahre später verhalf Jane Fonda Anfang der 80er Jahre mit der Veröffentlichung ihrer Aerobicvideos einer ganzen Sportart zum endgültigen Durchbruch. Mit Frauen konnte eine neue Zielgruppe für die Fitnessstudios gewonnen und zugleich der Grundstein für moderne KurThemenheft 13 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 3: Mitgliederentwicklung im deutschen Fitnessmarkt (Datenerhebungen zur Eckdatenstudie des DSSV 1989 bis 2011) ssysteme gelegt werden. Die weiblichen Kunden fühlten sich damals insbesondere durch den neuen tänzerischen Aspekt, aber auch das gemeinschaftliche Erleben des Trainings angesprochen, welches im Gegensatz zu dem eher individualistisch geprägten Gerätetraining stand. Ein weiterer wichtiger Trend dieses Jahrzehnts war zudem die steigende Nachfrage nach ausdauerorientiertem Training. Nicht nur die Teilnehmerzahlen bei Volksläufen, sondern auch das Training an speziellen Geräten, die von neu in den Markt eintretenden Geräteherstellern geliefert wurden, erfreuten sich in dieser Zeit immer größerer Beliebtheit. Die sich verschiebende Nachfragesituation führte auch zu einer langsamen Anpassung des Angebotes. Nachdem bereits in den 70er Jahren erste Racketclubs in Deutschland gegründet wurden, die das Training an den Geräten mit Rückschlagsportarten wie Tennis oder Squash verbanden, integrierten die Betreiber nun auch größere Räumlichkeiten für Kursangebote und veränderten ihr Geräteangebot. Es entstanden die ersten Großanlagen, die eine umfangreichere Angebotsbreite umfassten, teilweise SchwimmeinSCIAMUS – Sport und Management richtungen unterhielten und oftmals ein eher gehobenes Publikum ansprachen. So fand der heutige Betreiber von sechs Premium-Anlagen in Hamburg, Kiel und Berlin, MeridianSpa, bereits 1984 seinen Ursprung in Hamburg. Die in Deutschland einsetzende Diversifizierung des Fitnessangebotes blieb jedoch noch hinter der Entwicklung in den Vereinigten Staaten zurück. Neben der Eröffnung von exklusiven High-End Anlagen entstand dort in der gleichen Zeit mit „24h Fitness“ der erste „Discount-“Anbieter, der erstmals Fitnesstraining zu deutlich günstigeren Preisen anbot. Doch auch die Fokussierung allein auf das weibliche Geschlecht feierte in diesen Jahren mit der Gründung der ersten reinen Frauenstudios Premiere. Ein weiterer Bereich zur Generierung von Umsätzen mit bestehenden Mitgliedern und Argumente für die Gewinnung neuer Kunden war die in den 90er Jahren aufkommende Einbindung von Club basierten Spa-Anwendungen. Mit diesen im allgemeinen Wellnesstrend immer stärker nachgefragten Leistungen reagierten die Anbieter auf den Wunsch vieler Kunden, Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios das Streben nach Fitness und Attraktivität mit einem entsprechenden Wohlbefinden verbinden zu können. Damit stand nicht mehr allein das Ergebnis eines Trainings im Vordergrund, sondern auch der Aufenthalt an sich. Verstärkt wurde diesem Trend durch entsprechende Entwicklungen im „Programming“, der Gestaltung und der Inhalte des Kursprogramms, Rechnung getragen. Insbesondere von den im Durchschnitt älter werdenden Mitgliedern wurden vermehrt sanftere Aktivitäten wie Yoga und Pilates nachgefragt. Obwohl Pilates bereits in den 1920er Jahren von dem nach New York ausgewanderten deutschen Joseph Pilates erfunden worden war, erzielte es seinen Durchbruch erst durch den neuen Wellnesstrend und die vielfache Aufnahme in die Kursprogramme der Studios. Eine Entwicklung im Bereich der Anlagenorganisation, die in Deutschland erst Mitte der 90er Jahre einsetzte, war die Entstehung von größeren Fitnessketten. In den USA waren bereits seit 1950 einzelne Studios zu größeren Unternehmen zusammengeschlossen worden. Durch Betreiber wie „Gold´s Gym“, „Bally Fitness“ oder „24h Fitness“ wurde die Konsolidierung der Angebotsstruktur jenseits des Atlantiks weiter vorangetrieben. Im Dezember 1999 vereinten die zehn größten Anbieter in Deutschland gerade einmal 330.000 Tausend Mitglieder4 (ein Marktanteil von 7,7%), 12 Jahre später sind es Ende 2011 bereits über zwei Millionen bzw. mehr als ein Viertel des gesamten Marktes. Das 21. Jahrhundert Die Entwicklung dieser damals bereits entstandenen und noch neu hinzugekommenen Fitnessketten prägte den Fitnessmarkt in Deutschland in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts. Teilweise finanziert durch externe Kapitalgeber wie Private Equity Gesellschaften gewann diese Betriebsform sukzessive Marktan4 Deloitte, 2001, 6 SCIAMUS – Sport und Management 14 teile von den als Einzelstudios geführten Unternehmen. Zum Ende des Jahres 2011 vereinigten Betreiber mit mehr als drei Studios bereits 43,2% der 7,6 Millionen Mitglieder, obwohl sie nur 27,3% der Anlagen betrieben5. Zu erklären ist diese Diskrepanz zwischen dem Anteil bei Mitgliedern und Studios durch die im Durchschnitt deutlich größeren Einrichtungen der Kettenbetreiber. Die Betreiber der größeren Einheiten machten sich bei Ihrer Expansion eine Reihe von Vorteilen gegenüber den als Einzelbetrieben geführten Studios zu Nutze. Die Investitionskraft für neue Geräte, Einrichtungen und nicht zuletzt auch neue Clubs ist in der Regel deutlich stärker als bei den rein inhabergeführten Kleinbetrieben. Auch die Aufwendungen für Marketing und Werbung haben eine größere Bedeutung, was zumeist eine stärkere Wahrnehmung zur Folge hat. So ist der Betreiber „McFit“ seit 2007 mit der bis dato größten Marketingkampagne eines Fitnessanbieters in den Medien präsent. Diese beinhaltet unter anderem TVWerbung, Event-Sponsoring, den Einsatz von Testimonials oder die Herausgabe eines eigenen Fitnessmagazins. Nicht zuletzt verfügen die größeren Unternehmen über die Möglichkeit stärkere Managementkapazitäten vorzuhalten, die für die erfolgreiche Unternehmenssteuerung notwendig sind. Den am deutlichsten wahrnehmbaren Trend des noch jungen 21. Jahrhunderts stellt die Entwicklung des Discountsegmentes in der Fitnessindustrie dar. Getrieben insbesondere von der „McFit GmbH“, mit rund 1.000.0006 Mitgliedschaften der Marktführer in Deutschland, hat sich dort ein neuer Bereich gebildet, in dem mittlerweile eine Vielzahl von Anbietern das Leistungsangebot im Wesentlichen auf die Bereitstellung von Ausdauer- und Kraftgeräten fokussiert hat und in der Regel deut5 DSSV-Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2012 6 Gronau & Titze, 2012, 2 Themenheft 15 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 4: Mitgliederverteilung nach Segmenten (Deloitte, 2009-2012) lich weniger als € 20,- pro Monat an Mit gliedsbeiträgen berechnet werden. Es ist für die Zukunft jedoch nicht davon auszugehen, dass sich dieses Wachstum dauerhaft unvermindert fortsetzen wird. Vielmehr wird sich Discountfitness mit einem gewissen Marktanteil etablieren, andere Anbieter aber damit dauerhaft zwingen sich selbst über ihre Leistungen zu definieren, da sie den Wettbewerb kaum über den Preis gewinnen können. Dass auch die Positionierung am entgegengesetzten Rand des Angebotsspektrums erfolgreich sein kann, beweisen eine Reihe von Betreibern, die sich durch eine umfangreiche, exklusive Angebotspalette auszeichnen und aufgrund ihres Angebots monatliche Mitgliedsbeiträge von teilweise mehr als € 100,- verlangen können. Insgesamt hat das Premiumsegment in den vergangen Jahren seinen Marktanteil behaupten und sogar leicht ausbauen können, sodass die Gewinne der Discountanbieter insbesondere zu Lasten des wenig differenzierten Mediumsegmentes gehen. Das nach wie vor bei manch einem vorhandene negative Image der Fitnessstudios im Allgemeinen und die als EinzelbeSCIAMUS – Sport und Management triebe geführten im Speziellen, mag zum Teil auch in der unzureichenden öffentlichen Darstellung begründet sein. Während die größeren Fitnessketten die Ressourcen besitzen sich eigenständig zu vermarkten, sind die kleinen Betreiber auf eine geschlossene, übergeordnete Vertretung ihrer Interessen angewiesen. Ein positives Beispiel dieser Art stellt die amerikanische IHRSA (International Health Racquet and Sportsclub Association) dar, die als die wesentliche Institution in den Vereinigten Staaten gilt und nicht zuletzt nach ihrer strategischen Neuausrichtung in den 90ern die wirtschaftliche Entwicklung der Industrie maßgeblich unterstützt hat. Dabei haben die „kleinen“ Anbieter gerade im Umgang mit ihren Mitgliedern oft einen entscheidenden Vorteil gegenüber den größeren Fitnessketten. Durch ihren größeren Standortbezug und den engeren Kontakt der Geschäftsführung, die in vielen Fällen identisch mit dem Inhaber des Studios ist, zu den Mitgliedern weisen Einzelbetriebe häufig eine geringere Fluktuationsrate7 auf, als dies 7 Die Fluktuationsrate ist definiert durch das Verhältnis der Anzahl der Kündigungen in einem Zeitraum zu dem durchschnittlichen MitgliederThemenheft Strategisches Management für Fitnessstudios bei Betreibern mit mehreren Studios der Fall ist. Diese höhere Kundenbindung ermöglicht dem Betreiber eine größere Planungssicherheit und mindert die teureren Investitionen in die Akquisition von neuen Mitgliedern. Denn die wenigsten Mitglieder kündigen aufgrund einer direkten Unzufriedenheit mit ihrem Club, sondern in den allermeisten Fällen, weil sie die Angebote nicht regelmäßig oder gar nicht mehr genutzt haben. Während eine hohe Fluktuation in einem stark wachsenden Markt noch relativ bequem durch die Gewinnung neuer Marktteilnehmer ausgeglichen werden kann, gestaltet sich dieses in einem langsamer wachsenden oder gar stagnierenden Markt deutlich schwieriger. Ziel muss es daher für alle Anbieter sein, durch geeignete Customer-Relationship-Maßnahmen den Kunden von Beginn an möglichst intensiv an seinen Club zu binden. Der Trend in den USA der vergangenen Jahre hat bereits gezeigt, dass sich die Häufigkeit der Studiobesuche pro Mitglied über die Jahre deutlich erhöht hat. Dabei stellt die Generation 55+ häufig die aktivsten Mitglieder. In einem Markt, in dem insbesondere in den größeren Städten wie New York oder Chicago mittlerweile eine Sättigung an Fitnessangeboten besteht, sind die Clubs dazu übergegangen, die bestehenden Mitglieder stärker „auszunutzen“ und nicht nur durch eine Erhöhung der Besuchsfrequenz, sondern auch durch den stärkeren Verkauf von Zusatzangeboten die Erlöse pro bestehendem Mitglied zu erhöhen. Dem kommt entgegen, dass sich die Kundenstruktur dieser verhältnismäßig jungen, internationalen Branche in den wenigen Jahrzehnten ihres Bestehens insgesamt deutlich verändert hat. War sie in den Zeiten der klassischen Bodybuildingstudios noch nahezu ausschließlich von männlichen Aktiven im Alter von 18 bis 34 mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen geprägt, hat sich dieses Bild bis bestand SCIAMUS – Sport und Management 16 heute stark gewandelt. Angezogen insbesondere von Kursangeboten, Ausdauergeräten und Wellnesseinrichtungen stellen Frauen heute im Durchschnitt die Hälfte der Mitglieder. Das Alter der Mitglieder ist aufgrund der Ausrichtung des Angebots auf eher gesundheitsbezogene Ziele angestiegen und dürfte zumeist zwischen 35 und 45 liegen. Mit der Veränderung der Zielgruppen sind die Kunden heute im Allgemeinen deutlich wohlhabender als dies noch vor 20 bis 30 Jahren der Fall war. Ausblick Der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) Refit Kamberovic geht in seiner Prognose davon aus, dass die Zahl der Fitnessstudiomitglieder bis zum Jahr 2017 auf 10 Mio. steigen wird8. Dies käme einem Wachstum um 2,4 Mio. Kunden im Vergleich zum Stand Ende 2011 und einem Anteil an der Gesamtbevölkerung (bei angenommener, unveränderter Einwohnerzahl) von etwa 12% gleich. Die Erwartungen der Industrievertreter an die zukünftige Mitgliederentwicklung scheinen also auch nach einem durchschnittlichen, jährlichen Wachstum von mehr als fünf Prozent in den vergangenen fünf Jahren weiter auf Wachstum zu stehen. Die Vorzeichen für eine weiterhin positive Marktentwicklung sind jedoch tatsächlich als positiv einzuschätzen. Auf der Nachfrageseite tritt neben den unveränderten Wunsch „einfach nur gut auszusehen“ das wachsende Bewusstsein für die Notwendigkeit der eigenen Gesundheitsvorsorge durch Sport und Bewegung. Die Angebotsseite wird zudem immer vielseitiger und erschließt mit neuen Leistungsformen auch neue Zielgruppen, die bislang noch wenig oder gar nicht vom Fitnessmarkt angesprochen wurden. Das zunehmende Bewusstsein und die 8 Kamberovic;, 2012 Themenheft 17 Bereitschaft der Menschen aktive Prävention für Ihre eigene Gesundheit zu leisten ist eine gute Grundlage für die zukünftige Entwicklung der Branche. Dabei bieten kooperative Ansätze zwischen dem Fitness- bzw. Wellnessmarkt und Dienstleistern des ersten Gesundheitsmarktes, wie Krankenhäuser oder Ärzte, gute Möglichkeiten diese steigende Nachfrage zu bedienen. Auch hybride Anbieter, die beide Ansätze in einer Organisation vereinen, werden weiter an Bedeutung gewinnen. Da die fehlende oder zumindest unzureichend zu nennende Finanzierung der Ausgaben des präventiven Trainings durch die Krankenversicherungen bislang wenig Motivation zur Aufnahme einer regelmäßigen körperlichen Ertüchtigung leisten konnte, stellt dies eine der zusätzlichen Chancen des Fitnessmarktes dar. Dazu sollte es gelingen, einheitliche, übersichtliche und vor allem tatsächlich Anreiz stiftende Incentivierungssysteme zwischen Versicherungen und der Fitnesswirtschaft zu schaffen. Wesentliche Voraussetzungen dafür wären eine stärkere Wahrnehmung und vor allem Unterstützung von Seiten des Staates, wie es in anderen Ländern der Fall ist, in denen die Fitnessindustrie als Dienstleister für die Gesundheit der Menschen stärker anerkannt ist. Mit einer fortschreitenden Verlagerung hin zu gesundheitsorientierten Leistungen werden zunehmend auch ältere Altersgruppen erschlossen, die bislang noch weniger im Fokus der Industrie waren. Aktuell haben sich viele Anbieter noch immer nicht von einer oftmals zu engen Zielgruppenorientierung mit den Attributen „jung und schön“ gelöst. Spezielle Angebote für neue und insbesondere ältere Zielgruppen werden noch nicht überall konsequent umgesetzt und erbringen damit in der Regel auch nicht den gewünschten Erfolg. Angebote, die von dem Trend der älter werdenden Kunden mit dem Wunsch nach körperlichem und geistigem Ausgleich besonders profitieSCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios ren werden, sind Programme mit dem Fokus auf Pilates, Yoga und ähnlichen Inhalten. Entweder als Teil des Kursangebotes in einem „normalen“ Studio oder auch als reines „Body&Mind-Studio“, mit ausschließlichen Angeboten dieser Art, wie sie in der jüngeren Vergangenheit bereits vereinzelt entstanden sind. Das Konzept der Konzentration auf ein Nischenangebot, oftmals realisiert in einem Mikrostudio, bietet gute Chancen nicht nur lokal gesehen näher an den Kunden heranzukommen. Mit Anlagengrößen von oftmals weniger als 200qm können Zirkeltrainingskonzepte oder EMS-Trainingsformen auch in vergleichsweise kleinen Einzugsgebieten existieren und finden auch wesentlich leichter geeignete Flächen. Die Fokussierung auf eine definierte, homogene Zielgruppe wie Frauen ab 35 bei Anbietern wie „Mrs.Sporty“ bietet zudem die Möglichkeit der stärkeren Ausrichtung auf die spezifischen Bedürfnisse ihrer Kunden und damit die Abgrenzung von anderen Angeboten im Markt. Eine Möglichkeit, die bislang erst von wenigen Anlagen genutzt wird, ist die Einbeziehung von Kindern in das reguläre Angebotsprogramm. Über eine reine Kinderbetreuung hinaus, werden Kinder als volle Mitglieder behandelt und es kann eine stärkere Bindung der Eltern an ihren Club erreicht werden. Dass auch Anbieter erfolgreich sein können, die sich ausschließlich auf Kinder konzentrieren, belegen zahlreiche Betreiber auf internationalen Märkten. Getrieben durch eine immer weitere zunehmende Unsportlichkeit sowie Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen bei einer zugleich größer werdenden Vereinsmüdigkeit, könnten ähnliche Konzepte in den nächsten Jahren auch auf dem deutschen Markt erfolgreich sein. Ein Umsatzträger, der in Deutschland noch vergleichsweise wenig ausgeschöpft wird, ist das Personal Training. Während in anderen Ländern die durch dieses zusätzThemenheft Strategisches Management für Fitnessstudios liche Angebot erwirtschafteten Einnahmen bereits seit Jahren eine bedeutende Rolle am Gesamtumsatz der Betreiber spielen, hat die Entwicklung zum Verkauf von entgeltlichen Trainerstunden über das normale Trainingsangebot hinaus in Deutschland erst vor kurzer Zeit begonnen. Es zeichnet sich ab, dass die Potentiale dieses Angebots noch nicht ausgeschöpft sind und sich durch eine erfolgreiche Integration in das Leistungsangebot eines Studios der erzielbare Beitrag noch steigern lässt. Auch in der Entwicklung von Personal Training-Gyms, also rein auf die Durchführung von Einzel- oder Kleingruppentraining ausgelegte Studios, ist eine Möglichkeit der weiteren Diversifizierung des Marktes zu sehen. Einen weiteren Bereich mit Wachstumspotential stellt eine stärkere, sinnvolle Integration von Day-Spa Elementen in das Leistungsangebot dar, um damit von der weiterhin stark wachsenden Nachfrage nach Wellnesseinrichtungen im Allgemeinen partizipieren zu können. Clubs schaffen die Symbiose zwischen einem eher zielorientierten „Fit werden“ oder „Gut aussehen“ und einem „sich wohl fühlen“ bereits im Rahmen des Clubbesuchs und steigern einen Mehrwert für das Mitglied. Zusätzlich unterstützt wird diese Entwicklung durch einen steigenden Anteil an älteren Menschen in der Bevölkerung, die damit auch eine immer größere Bedeutung für kommerzielle Fitnessanbieter haben wird. Dass Trends auch in der Fitnesswirtschaft immer wieder kommen, belegt die aktuelle (Rück-)besinnung hin zum funktionellen Training. Wie schon die eingangs erwähnten Gründerväter der modernen Fitnessangebote mit dem eigenen Körpergewicht und entsprechenden Hilfsmitteln wie kleinen Gewichten oder Seilen gearbeitet haben, erfolgt nun unter dem Begriff „functional Fitness“ die Wiederbelebung und Ausstattung mit allerlei „erforderlichem“ Equipment auf diese ursprüngliche Trainingsform. SCIAMUS – Sport und Management 18 Auch Einzelbetriebe werden in der Zukunft in der Fitnessindustrie erfolgreich sein können. Auch wenn eine Organisation mit mehreren Standorten aus betriebswirtschaftlicher Sicht grundsätzlich Vorteile gegenüber dem Betrieb einzelner Studios aufweist, stellt dieses nicht das alleinige Erfolgskriterium dar. Vielmehr wird es zukünftig noch entscheidender werden, das eigene Leistungsportfolio an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen und in einem sich immer weiter entwickelnden Markt eine konsequente Positionierung einzunehmen. Gegenüber den reinen Discountanbietern kann eine allein auf den Preis ausgerichtete Vermarktungsstrategie mittelfristig nicht erfolgreich sein. Es kommt im Wesentlichen darauf an Inhalte und dabei vor allem die Dienstleistungskomponente des individuellen Angebotes zu transportieren und sich damit von dem reinen Geräteangebot der Discounter, aber auch dem oftmals als anonym wahrgenommenen Angebot der Kettenbetreiber abzugrenzen. Die guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft müssen von den handelnden Akteuren und dabei insbesondere von den Anbietern – ob Ketten- oder Einzelbetrieb – selbst angegangen werden. Die Chancen, die sich in einem im Wandel befindlichen Umfeld ergeben, gilt es aktiv zu nutzen und die Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Vielleicht gelingt es den Fitnessanbietern in Deutschland sich durch eine konsequente Positionierung, eine professionelle Vermarktung und nicht zuletzt eine konsequente Selbstwahrnehmung als Dienstleister für ihre Kunden, zukünftig einmal endgültig von dem Image der „Muckibude um die Ecke“ zu befreien. Literatur Deloitte (2001). Der deutsche Fitness- und Wellnessmarkt, Newsletter, München. Deloitte (2012). Studien zum Fitnessmarkt 2009-2012, München. Dilger, E. (2008). Die Fitnessbewegung in Themenheft 19 Deutschland. Schorndorf: Hofmann. DSSV (2012). Datenerhebungen zur Eckdatenstudie 1989 bis 2012, Hamburg. DSSV (2012). Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2012, Hamburg. Gronau, N. & Titze, G. (2012). Wer ist wirklich fit?. 2. Aufl., Mannheim (Zugriff am 22.06.2012 unter: http://www.edelhelfer.eu/fileadmin/content/studien/edelhelfer-Studie_2012-04_wer-ist-wirklichfit.pdf). Kamberovic, R. (2012). Präsentation der DSSV-Eckdatenstudie. Köln, 27.03.2012. Müller, J. P. (1904). My System. Kopenhagen. Wedemeyer-Kolwe, B. (2003). Zwischen „Beruf“ und „Berufung“. Zur Geschichte der kommerziellen Fitnessanbieter. In A. Schwab & R. Trachsel (Hrsg.), Fitness: Schönheit kommt von aussen, Zürich: Palma3. Strategisches Management für Fitnessstudios Zum Autor Niels Gronau Edelhelfer GmbH Lenaustraße 9, 68167 Mannheim Tel: +49 (0)621/1788 5727 E-Mail: [email protected] www.edelhelfer.eu Niels Gronau ist Geschäftsführer der edelhelfer GmbH, die ihre Kunden aus der Sport- und Freizeitindustrie in der Analogie des Edelhelfers im Radsport auf den jeweiligen Etappen der Unternehmensentwicklung unterstützt. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und verschiedenen Stationen in der Praxis, hat er damit sein sportökonomisches Interesse zum Beruf gemacht und bringt dieses auch als Autor und Referent in unterschiedliche Fragestellungen der Branche ein. Eckhard Enders Motive zum Fitnesssport aus sportpsychologischer Perspektive Abstract Einleitung Erkenntnisse aus Untersuchungen zu Motiven können helfen, einerseits die besonderen Wünsche der Sportler in der Gestaltung der Angebote entsprechend zu berücksichtigen und andererseits deren Vermarktung aufgrund der spezifischeren Zielgruppenorientierung wirkungsvoller umzusetzen. Dies gilt in gleicher Weise für den Sport wie auch für den Fitnesssport. Der vorliegende Artikel leistet für den Bereich des Fitnesssports einen motivbezogenen Orientierungsrahmen. Er vermag aber auch zu zeigen, dass Motive hinsichtlich ihrer Bedeutung im Wandel der Zeit gewissen Veränderungen unterliegen können und weist somit auf die nachhaltige Analyse von Motiven hin. Das Wissen um Motive im sportbezogenem Kontext besitzt einen hohen Stellenwert in verschiedenen Wissenschaftsbereichen des Sports. Zum einen lassen sich ökonomische Interessen zu Motiven als Ansatzpunkte für Steuerungsprozesse in Fitnessstudios herausstellen. Zum anderen können aus trainingswissenschaftlicher Perspektive unterschiedliche Motivausprägungen im Sinne einer Unter- bzw. Übermotivierung für die Leistungsentwicklung mit ausschlaggebend sein. Psychologisch sind die inneren Beweggründe der Handlung von Bedeutung, auch im Vergleich zu anderen Handlungen. Allem voran stellt sich im wahrsten Sinne des Wortes die Frage nach den Beweggründen (lat. motus = Bewegung, Antrieb). SCIAMUS – Sport und Management Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios Grundlegend wird die Ausrichtung sportlicher Aktivitäten von Motiven bestimmt1, so auch das Betreiben von Fitnesssport. Ihnen unterliegen die Prozesse der Verwirklichung bestimmter Ziele oder Aufgaben, die Dauerhaftigkeit der individuellen Bindung und die Intensität der Mobilisierung psychischer und physischer Leistungsvoraussetzungen. Individuen besitzen verschiedene Motive mit unterschiedlicher Ausprägung, die in Abhängigkeit eines Situationsanreizes die Handlungssteuerung beeinflussen. Die motivationale Prägung beginnt bereits im Kindes- und Jugendalter. Darauf aufbauend verfestigen sich die Motive zunehmend und bleiben relativ stabil. Sie wirken als Antrieb des Verhaltens und verleihen der Aktivität eine bestimmte Intensität und Richtung2. Diese Eigenschaften lassen speziell die Motive des Fitnesssports zum idealen Ansatzpunkt für vielerlei Steuerungsprozesse im Fitnessstudio werden. Eine Orientierung an den Motiven des Kunden stellt eine Grundvoraussetzung einerseits der individuellen Trainingsgestaltung, andererseits aber auch der gezielten Produktgestaltung oder dem Zielgruppenmarketing dar. Die Motive der Fitnesssporttreibenden wurden in den vergangenen Jahren immer wieder zum Gegenstand von Untersuchungen, sodass mittlerweile ein ausgeprägtes Bild existierender Beweggründe für den Fitnesssport vorzuliegen scheint. Doch auch wenn der motivationalen Orientierung des Individuums eine relative Stabilität zuerkannt wird, bleibt ein Wechsel z.B. aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen oder persönlicher Gegebenheiten vorbehalten. Darüber hinaus sind in zeitlich größeren Abständen oder bei variierenden Schwerpunktlegungen der Studien ebenso variierende Motivlagen nicht auszuschließen, die neben gesellschaftlichen Aspekten z.B. auch mit Trend1 vgl. Ilg, 1991, 108 2 vgl. Enders, 2007, 6 SCIAMUS – Sport und Management 20 entwicklungen der Industrie begründbar sein können. Bereits der historische Rückblick auf den Fitnesssport bzw. seiner ursprünglichen Form deutet verschiedene Beweggründe an. Seine Entwicklung reicht zurück bis ins 18. Jahrhundert und beinhaltete bereits damals das Training an Geräten zur Aktivierung des Körpers. Allerdings war diese Art der sportlichen Betätigung nur einer kleinen Minderheit vorbehalten. Im Zeitraum um die Jahrhundertwende entstanden in Schweden bereits die ersten kommerziellen Trainingsstudios, in denen gegen einen Monatsbeitrag und unter fachkundiger Anleitung vorwiegend männliche Körper durch Hantel-Training gestärkt wurden. Das oberste Ziel bestand damals in der Entwicklung von Muskelkraft. In Deutschland eröffnete das erste kommerziell geführte Kraftstudio im Jahr 1902 in Alsleben an der Saale unter Leitung des Ringertrainers Theodor Siebert. Fitnesssport im damaligen Sinne war ein Mittel zur ergänzenden Kräftigung über das Sportartentraining hinaus. Der Trend eines neueren Muskeltrainings, das Bodybuilding, entwickelte sich in Deutschland erst 20 Jahre nach seiner Entstehung in den USA, in denen erste Anfänge bereits um das Jahr 1930 deutlich wurden. Im späteren Ausrichten von Bodybuilding-Meisterschaften und der Verherrlichung des Körpers lassen sich neben Kraftaspekten auch leistungsbezogene und ästhetische Tendenzen als weitere Motivlagen erkennen.3 Aktuell ist der Trend zum Fitnesssport nach zwischenzeitlich wiederkehrenden Rezessionen ungebrochen. Die Angaben des DSSV4 für die Anlagen-, Mitgliederund Umsatzentwicklung verweisen auf steigende Zahlen. Angesichts dessen bleibt die Frage bestehen, warum sich all diese Menschen mit Fitnesssport „quälen“. Diesem Aspekt nachgehend 3 vgl. Zarotis, 1999, 35 4 vgl. DSSV, 2010 Themenheft 21 Strategisches Management für Fitnessstudios Tab. 1: Rangfolge der mit dem Sporttreiben verbundenen Erwartungen nach Organisationsformen (Quelle: vgl. Mrazek, 1988, 198) wurden spezielle Motive zum Fitnesssport analysiert. Hierzu liegen zahlreiche aussagekräftige Studien vor.5 Aus deren differenzierten Gegenüberstellung lässt sich ein eindrucksvoller Überblick zu stärkeren Motiven bzw. Motivfaktoren zum Fitnesssport gewinnen. Empirischer Erkenntnisstand zu Motiven im Fitnesssport Aus Studien zu Motiven des allgemeinen Sporttreibens ist entnehmbar, dass Aspekte der körperlichen Fitness als Motive integriert waren und sich bereits dort von höherer Bedeutung für die Teilnahme an sportlichen Aktivitäten erwiesen. Einzelne Untersuchungen beinhalteten dagegen insbesondere die intensivere Erforschung spezieller Motive zum Fitnesssport, die im Folgenden näher betrachtet werden. Analyse von Motiven bei Kunden verschiedener Sportanbieter Eine umfangreiche Analyse zu Motiven im Fitnesssport an 1.041 Sportlerinnen und Sportlern war zum einen auf die Erforschung der positiven Wirkungen des 5 vgl. Mrazek, 1988; Petry, 1990; Zarotis, 1999; Trunz-Carlisi, 2003; Enders, 2007 SCIAMUS – Sport und Management Sporttreibens, zum anderen aber auch auf die Analyse der Erwartungen der Sporttreibenden gerichtet.6 Hierbei wurden Sportler verschiedener Organisationskonzepte wie Sportvereine, Volkshochschulen/Bildungswerken und Fitnessstudios einbezogen, um einen vergleichenden Überblick über die Motivausprägungen zu ermöglichen. Aus dieser Befragung ging deutlich hervor, dass vordergründige Erwartungen an das Sporttreiben in der Erhöhung des Wohlbefindens, in der Steigerung der Fitness und in der Figurstraffung bestanden. In der gezielten Analyse nach einzelnen Sportorganisationen verdeutlichten sich dagegen aufschlussreiche Ergebnisse bezüglich spezieller Motive zum Besuch von Fitnessstudios, die sich von denen der anderen Einrichtungen zum Teil abhoben. Als dominant erwies sich hierbei der Aspekt der Figurstraffung, gefolgt von der Attraktivitätssteigerung zum anderen Geschlecht und der athletischen Gestaltung der Figur. Den Sporttreibenden in Vereinen sowie Volkshochschulen war dagegen die Steigerung des Wohlbefindens vordergründig, gefolgt von der Verbesserung der eigenen Fitness. Die Vereinssportler erwarteten auf Rang 3 eine 6 vgl. Mrazek, 1988 Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 22 Abb. 1: Motive für den Besuch eines Fitness-Studios („1=nicht zutreffend“ bis „5=stark zutreffend“; Signifikanzniveau: 5%=*, 0.1%=**) (Quelle: vgl. Petry, 1990, 121 f.) verbesserte Körperbeherrschung und die Kursbesucher der Volkshochschulen den Abbau von Stress. Bezogen auf die Rangfolge der Motive ist weiter interessant, dass die athletische Formung des Körpers und die Steigerung der Kraft bei den Vereins- und VHS-Sportlern außerhalb der vorderen 5 Ränge zu finden waren und sich somit deren höhere Bedeutung für die Fitnesssportler herausstellte. Insofern kristallisierten sich vordergründig Motive mit starkem ästhetischem Bezug bei den Fitnesssportlern im Gegensatz zu anderen Sportlern heraus. Im Vergleich der Gruppen waren Motive mit einer fitnesssporttypischen Orientierung, z.B. die Steigerung der Fitness, am stärksten bei den Sportlern in Fitnessstudios ausgeprägt. Auch mit weiteren Aspekten, u.a. der Steigerung der Kraft, der athletischen Formung des Körpers und der Straffung der Figur, verknüpften die Fitnesssportler größere Erwartungen gegenüber den anderen Befragten. Somit SCIAMUS – Sport und Management verdeutlichten die Ergebnisse dieser Untersuchung spezifische Motivationslagen von Sportlern in Fitnessanlagen im Vergleich zu Sportlern anderer Einrichtungen. Die Tabelle 1 gibt Rangfolgen der mit dem Sporttreiben verbundenen Erwartungen in Bezug auf verschiedene Organisationsformen wieder. Analyse von Motiven im geschlechtsbezogenem Kontext Eine weitere Analyse zum Sporttreiben in Fitnessstudios berücksichtigte verstärkt geschlechtsspezifische Wahrnehmungen der Motivation.7 Dieser Untersuchung lag eine Stichprobe von 551 Personen zugrunde. Neben varianzanalytischen Untersuchungen zu Motiven bestand ein weiteres vordergründiges Interesse in der Aufdeckung von Motivfaktoren, die mittels exploratorischer Faktorenanalyse ermit7 vgl. Petry, 1990 Themenheft 23 Strategisches Management für Fitnessstudios Tab. 2: Darstellung der Motiv- und Motiv-Faktoren-Rangfolgen (nach Geschlecht) (Quelle: vgl. Petry, 1990, 121 f.) telt wurden. Die Ergebnisse ließen die Annahme einer 3-Faktoren-Lösung zu, die im Einzelnen in die Bereiche „Gesundheit“ (Item 1-4), „Ausgeglichenheit“ (Item 5-8) und „Figurformung“ (Item 9 und 10) differenziert. Die Bewertungen der Motive durch die Männer und Frauen werden in der Abbildung 1 wiedergegeben. Die geschlechterbezogene Differenzierung der Motive im Fitnesssport gab bei den männlichen Fitnesssportlern vordergründig die Verbesserung der eignen Fitness zu erkennen. Weiterhin waren die Erhöhung des körperlichen Wohlbefindens und der Beitrag für die Gesundheit als stärker zutreffende Motive anzusehen. Seitens der Frauen wurde eine ähnliche Motivation deutlich (vgl. Tabelle 2). Somit wurde generell die höhere Bedeutung des Faktors „Gesundheit“ für die männlichen und weiblichen Fitnesssportler herausgestellt. Im Vergleich der männlichen und weiblichen Untersuchungsgruppe äußerte sich der größte Motivationsunterschied in der Verringerung bzw. im Halten des Gewichts. Die Frauen zeigten sich in diesem Aspekt deutlich stärker motiviert gegenüber den Männern. Auch die Formung der Figur war den Frauen signifikant wichtiger, sodass generell der Fähigkeitskomplex der „Figurformung“ für weibliche Fitnesssportinteressierte eine höhere Bedeutung einnahm. Aufgrund der faktoriellen Analyse ließ sich die Dominanz des Motivkomplexes der „Gesundheit“ herausstellen. Motive mit psycho-sozialem Charakter, wie das Treffen von Bekannten oder Stressabbau, waren dagegen von geringerer Bedeutsamkeit. Auch ästhetische Aspekte, gebündelt im Faktor „Figurformung“, erreichten eine geringere Wertigkeit gegenüber den gesundheitsbezogenen Aspekten. Hierin lassen sich tendenzielle Unterschiede zu den Ergebnissen der vorangegangenen Studie8 erkennen, bei denen Aspekte der Ästhetik des Körpers dominantere Motive darstellten. Die Zeitschrift „Fit For Fun“ veranlasste im Jahr 2003 in Zusammenarbeit mit dem Kölner Institut für Prävention und Nachsorge eine Untersuchung zur Ermittlung von Wünschen und der Wirklichkeit in Fitnessstudios. Ein Teilaspekt lag auf der Suche nach den Hauptgründen für den Besuch eines Fitnessstudios. Den Ergebnissen in der Abbildung 2 ist zu entnehmen, dass die häufigsten Nennungen der männlichen und weiblichen Befragten auf die Verbesserung der allgemeinen Fitness bezogen waren und diese als Hauptgrund für den Besuch eines Fitnessstudios galt. Bei den männlichen Fitnesssportlern folgte auf dem 2. Rang der körperliche Ausgleich zum Alltag und zum Beruf und auf dem 3. Rang das Figur8 vgl. Mrazek, 1988 SCIAMUS – Sport und Management Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 24 Abb. 2: Hauptgründe für den Besuch eines Fitnessstudios bei Männern und Frauen (Angaben in %) (Quelle: vgl. Trunz-Carlisi, 2003) training. Bei den Frauen belegten die weiteren Ränge das Figurtraining und der körperliche Ausgleich zum Alltag bzw. Beruf (vgl. Tabelle 3). Nebenbei bemerkt waren Flirtmotive von beiden Gruppen am wenigsten genannt worden. Auch das Motiv, im Fitnessstudio nette Leute kennenzulernen, war relativ schwach ausgeprägt, sodass Motive mit sozialem Bezug insgesamt von geringer Bedeutung waren. Ebenso rangierte der Wunsch nach Bodybuilding, der eine frühere Hauptmotivation und Sinnrichtung des Fitnesssports darstellte, weiter hinten auf dem vorletzten Platz. Analyse von Motiven im geschlechtsund altersbezogenem Kontext In einer der größten bisher veröffentlichten Untersuchung zu Motiven im Fitnesssport im deutschsprachigen Raum lag der Fokus auf dem Einfluss verschiedener sozio-demographischer Faktoren, vor allem auf dem Geschlecht und dem Alter. 9 Hierbei wurden 3.248 Personen im Rahmen der Eingangsbefragung gesundheits- Tab. 3: Darstellung der Motiv-Rangfolgen (nach Geschlecht) (Quelle: vgl. Trunz-Carlisi, 2003) 9 vgl. Zarotis, 1999 SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 25 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 3: Häufigkeitsverteilung der Motive bei Männern und Frauen (prozentuale Angaben) (Quelle: vgl. Zarotis, 1999, 85 ff.) bezogener Fitnessclubs einbezogen. Ein Ziel der Untersuchung war die Ermittlung von Motivkomplexen auf der Grundlage von faktorenbezogenen Analysen. Einzelne Motive ließen jedoch keine eindeutige Zuordnung zu einem Faktor erkennen, sodass eine Motivstruktur bevorzugt wurde, die sich an Erkenntnissen bisheriger theoretischer und empirischer Darstellungen orientierte. Insofern wurde eine Motivstruktur mit den 7 Faktoren „Fitness/Gesundheit“ (Item 1-3), „Aussehen“ (Item 4-6), „Psychisches Erleben“ (Item 7, 8), „Kognitive Dimension“ (Item 9, 10), „Soziale Dimension“ (Item 11, 12), „Leistung“ (Item 13) und „Motorische SCIAMUS – Sport und Management Dimension“ (Item 14, 15) erwogen. Aus der Perspektive der Gesamtstichprobe wurde am häufigsten die Verbesserung der körperlichen Fitness deutlich, gefolgt von der Gewichtsreduktion und dem Ausgleich von beruflichem Stress. Auch andere Motive wie Gesundheit, Spaß, Wohlbefinden, Aussehen oder Ausgleich von Stress überlagerten das klassische Motiv der Leistung bzw. Wettkampf, welches in anderen Bereichen des Sports dominiert. In der Abbildung 3 sind die Einzelmotive nach ihrer Häufigkeit bei den Männern und Frauen dargestellt. Für eine zielgruppenbezogene Berücksichtigung von Motiven ergaben sich interessante Ergebnisse aus der vergleiThemenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 26 Tab. 4: Darstellung der Motiv-Rangfolgen (nach Geschlecht) (Quelle: vgl. Zarotis, 1999, 98 ff.) chenden Betrachtung von Männern und Frauen. Zu den Top-3-Motiven der weiblichen Befragten zählte die Verbesserung der körperlichen Fitness, gefolgt vom speziellen Figurtraining und der Gewichtsreduktion. Den Männern schien ebenso die Verbesserung der körperlichen Fitness am wichtigsten zu sein. Bei ihnen folgten auf den weiteren Rängen der Muskelaufbau und der Ausgleich zum beruflichen Stress. Somit lässt sich schlussfolgern, dass dem Motivkomplex „Fitness/Gesundheit“ u.a. aufgrund der häufigsten Nennung des Motivs der Verbesserung der Fitness bei Männern und Frauen gleichermaßen eine sehr hohe Bedeutung beigemessen und bei der Angebotsgestaltung berücksichtigt wer- den muss. Darüber hinaus waren auch Motive in Verbindung mit der äußeren Erscheinung maßgeblich für die Aktivität im Fitnessstudio (vgl. Tabelle 4). Auch aus den altersbezogenen Darstellungen der wichtigeren Motive (vgl. Talelle 5) gingen verschiedene Bedeutsamkeiten hervor. Bei den Frauen aller Altersgruppen war die Verbesserung der körperlichen Fitness vordergründig. Während bei den unter 25-Jährigen, den 25-34-Jährigen und 35-44-Jährigen das spezielle Figurtraining und die Gewichtsreduktion folgten, deutete sich bei den Frauen im Alter von über 45 Jahren im Hervortreten des Motivbündels „Psychisches Erleben“ ein Paradigmenwechsel an. Das spezielle Tab. 5: Darstellung der Motiv-Rangfolgen (nach Alter und Geschlecht) (Quelle: vgl. Zarotis, 1999, 106 ff.) SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 27 Strategisches Management für Fitnessstudios Tab. 6: Darstellung der Motiv- und Motiv-Faktoren-Rangfolgen (nach Geschlecht) (Quelle: vgl. Enders, 2007, 98) Figurtraining als Motiv des Faktors „Aussehen“ trat stattdessen zurück. In allen Altersgruppen der Männer wurde die Verbesserung der körperlichen Fitness am häufigsten genannt. Im Altersvergleich der Männer kommt zum Ausdruck, dass in den beiden mittleren Phasen dem Abbau von Stress eine stärkere Bedeutung beigemessen wurde und in den beiden älteren Gruppen das psychische Erleben in Form des entspannten Trainings eine stärker vordergründige Position einnahm gegenüber den vorherigen Altersphasen. Die Ergebnisse einer aktuelleren Untersuchung10 geben zu erkennen, dass männliche und weibliche Fitnesssportler partiell über ähnlich ausgeprägte Motive verfügen (vgl. Tabelle 6). In beiden Gruppen belegten sowohl der Beitrag für die Gesundheit als auch die Erhöhung des Wohlbefindens die vorderen beiden Ränge. Die Erhöhung der körperlichen Leistungsfähigkeit nahm bei den Männern den 3. Rang und bei den Frauen den 5. Rang ein. Auf den Rängen 2 und 3 folgten bei den Frauen die Erhöhung des Wohlbefindens und die Stärkung des Kreislaufs. Neben rangfolgebezogenen Ähnlichkeiten der beiden vorderen Motive wurden aber auch geschlechtsspezifische Unterschiede in der Bewertung einzelner Motive deutlich. Während die Ergebnisse der Männer und Frauen in den Aspekten 10 vgl. Enders, 2007 SCIAMUS – Sport und Management des Wohlbefindens und der Gesundheit Ähnlichkeiten aufwiesen, beide belegten die vorderen Ränge, unterschieden sich die nachfolgenden Motive. Den männlichen Fitnesssportlern waren demzufolge Kraftaspekte, wie der Aufbau von Muskelmasse und die Erhöhung der Kraft wichtiger. Bei den Frauen stand der figurbezogene Aspekt, insbesondere das Straffen der Figur, im weiteren Fokus. Bei diesen Aspekten waren hochsignifikante Unterschiede zu verzeichnen. Die Vielfalt der Motive zum Fitnesssport wurde mittels einer faktorbezogenen Analyse zu Motivgruppen gebündelt. Hieraus ergab sich eine Motivstruktur, die sich aus den Faktoren „Körperpräsentation“, „Stärkung der körperlichen Leistungsfähigkeit“, „Stressregulation und Körperformung“, „Kontakt mit Freunden“, „Freude an schönen Bewegungen“ und „Aufbau von Kraft und Athletik“ zusammensetzt. Deren Bedeutung bei männlichen und weiblichen Fitnesssportlern wird in der Abbildung 4 ausgedrückt. In der Gesamtgruppe waren die Faktoren „Stressregulation und Körperformung“, „Aufbau von Kraft und Athletik“ und „Stärkung körperlicher Leistungsfähigkeit“ in der Folge vorrangig. Als interessant erwies sich auch eine altersbezogene Betrachtung der Motivkomplexe, die unterschiedliche Bedeutsamkeiten in den Altersphasen erkennen Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 28 Abb. 4: Geschlechtsbezogener Vergleich motivationaler Faktoren im Fitness-Sport („1=nicht wichtig“ bis „6=sehr wichtig“, *signifikanter Unterschied) ließ (vgl. Abbildung 5). Als wesentliche Erkenntnisse werden in den Gruppen mit zunehmendem Alter ein zunehmendes Interesse an der Stärkung der körperlichen Leistungsfähigkeit und eine abnehmende Bedeutung von Aspek- ten der Kraft und Athletik deutlich. Motive der Stressregulation und Körperformung verlieren bei den über 45-Jährigen im Vergleich zu den jüngeren Altersgruppen ebenso an Bedeutung. Abb. 5: Altersgruppenbezogener Vergleich motivationaler Faktoren im Fitness-Sport („1=nicht wichtig“ bis „6=sehr wichtig“, *signifikanter Unterschied) SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 29 Strategisches Management für Fitnessstudios Gegenüberstellende Darstellung von Motiven im Sport und Fitnesssport In einer abschließenden Betrachtung lassen sich verschiedene Motive für die Teilnahme am Fitnesssport feststellen, die sich teilweise auch in Untersuchungen zu Motiven in anderen sportlichen Bereichen widerspiegeln. Grundlegend können im Sport allgemein die Motive von Teilnehmern verschiedener Sportangebote deutlich voneinander abweichen. Für den Laufsport wurde die Herstellung des seelischen Gleichgewichts als wichtigstes Ziel erkannt.11 In einer Untersuchung zu Erwartungen in Verbindung mit sportlichen Aktivitäten wurde die Erhöhung des körperlichen Wohlbefindens als wichtigstes Motiv deutlich.12 An anderer Stelle wurde bei verschiedenen Freizeitsportlern die Erhaltung der körperlichen Fitness als herausragendes Motiv festgestellt.13 Das Gesundheitsmotiv zeigte sich bei Kunden kommerzieller Sportanbieter sowie bei Vereinsmitgliedern als dominant.14 Es war Bestandteil des faktorbezogenen Aspekts der Körpergestaltung. Auf diesen Aspekt hatten insbesondere Fitnessstudios als kommerzielle Anbieter ihr Angebot ausgerichtet. Andere kommerzielle Anbieter wie Tanz-, Sport- oder Gymnastikstudios hoben dagegen das psychische Erleben und Körpererfahrung in ihren Angeboten hervor. Auch in einer anderen Untersuchung erfuhr das Gesundheitsmotiv eine zentrale Bedeutung.15 Bei sportlichen Aktivitäten allgemein ließen sich vordergründig auch die Motive des Spaßes und der Freude an Bewegungen identifizieren.16 ben zusammenfassen. Sie deuten partielle Ähnlichkeiten zu Motiven im Fitnesssport an. Einer Studie aus dem Jahr 1988 zufolge galt im Fitnessbereich neben der Figurstraffung und der Erhöhung des Wohlbefindens auch die athletische Formung des Körpers als wichtigere Motive der Sportler.17 In einer weiteren Studie war die Verbesserung der Fitness das dominanteste Motiv und zeichnete sich sowohl für Männer als auch für Frauen gleichermaßen ab.18 Auch knapp 10 Jahre19 später hielt sich dieser Aspekt auf Rang 1 und bestätigte seine Position in einer weiteren Studie20. Weitere wichtigere Motive waren in den Aspekten der Gesundheit und des Wohlbefindens zu finden sowie in den Motiven der Figurformung allgemein, die sich verstärkt bei Männern u.a. in der Kräftigung und im Aufbau von Muskeln und bei den Frauen in der Figurformung und Gewichtreduktion wiederfanden. In detaillierteren Analysen wurden die Beweggründe stärker unter Beachtung des Geschlechts und Alters bei Aktiven im Fitnesssport21 sowie weiter in kommerziellen Fitnessstudios und Sportvereinen22 berücksichtigt. Fazit und sportpsychologische Diskussion zu Motiven Die Ergebnisse der einzelnen Studien zu verschiedenen sportlichen Angeboten lassen sich u.a. durch die Motivkomplexe Fitness/Gesundheit und psychisches Erle- Motive im Fitnesssport erweisen sich als vielgestaltig und abhängig von Untersuchungsgruppen. In vergangenen Studien standen zunächst figurbezogene Motive und später die Verbesserung der Fitness an vorderer Stelle. In der aktuellsten der gezeigten Befragungen deutet sich diesbezüglich ein weiterer Trendwechsel an. Die körperliche Fitness ist zwar nach wie vor eines der wichtigeren Motive im Fitnesssport, es wurde jedoch von Aspekten des Wohlbefindens und der Gesundheit 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 vgl. Weber, 1982 vgl. Mrazek, 1988 vgl. Mickler & Moser, 1988 vgl. Dietrich et al., 1990 vgl. Denk und Pache, 1999 vgl. Gabler, 2002 SCIAMUS – Sport und Management vgl. Mrazek, 1988 vgl. Petry, 1990 vgl. Trunz-Carlisi, 2003 vgl. Zarotis, 1999 vgl. Zarotis, 1999; Enders, 2007 vgl. Mrazek, 1988; Enders, 2009 Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 30 überholt. Aus diesem Rückblick wird begleitend zum psychologischen Interesse auch aus ökonomischer Hinsicht der Bedarf wiederholender Analysen motivationaler Orientierungen deutlich. Als spannend erweist sich die Diskussion, was sich aus psychologischer Perspektive hinter den Motiven und Motivfaktoren genau verbirgt. Wie die Studien mehrheitlich zeigen konnten, existieren beispielsweise Einzelmotive im Sinne der Steigerung der (körperlichen) Fitness. Dem gegenüber sind weiteren Analysen zufolge aber auch ganze Motivfaktoren zur Verbesserung der Fitness präsent, die durch eine Mehrzahl einzelner Motive begründet werden. Fitness bzw. fit werden ist als Einzelmotiv sowie als Motivfaktor ein vielschichtiger Begriff, der sich für eine konkrete Gestaltung von Übungsangeboten noch als zu unpräzise darstellt und weiter hinterfragt werden muss. Vor diesem Hintergrund bieten Motivfaktoren, auch wenn sie aufgrund der Zusammenfassung einzelner Motive eher allgemeinen Charakters sind, gerade durch ihre Zusammensetzung eine nähere Darstellung dessen, was unter dem Fitnessmotiv subsummiert wird. Beispielsweise werden darunter Motive der allgemeinen Verbesserung der körperlichen (physischen) Fitness, des ausdauerbetonten Herz-Kreislauftrainings und der positiven Beeinflussung körperlicher Beschwerden verstanden.23 Nach lexikalischem Verständnis werden unter körperlicher Fitness individuelle Voraussetzungen zur Durchführung von Freizeitaktivitäten, für Gesundheit, zur Verhinderung der Entstehung von Bewegungsmangelerkrankungen und zur Bewältigung von Notfallreaktionen aufgefasst.24 Um einzelne Motive besser bei der Angebotsgestaltung bzw. bei der Trainingsbetreuung berücksichtigen zu können, sollten unterstützend die ursächlichen Beweggründe bzw. individuelle Vorausset- zungen in Erfahrung gebracht werden. Die motivationale Phase ist aus psychologischer Betrachtung u.a. an eine Handlungsergebniserwartung gebunden25, d.h. es liegt zunächst ein spezifischer Zustand vor, welcher mit einem bestimmten Motiv verbunden wird, dessen Befriedigung durch die Ergreifung spezifischer Maßnahmen erwartet wird (im vorliegenden Zusammenhang fitnesssportbezogene Maßnahmen). Insofern erweist sich bei der Berücksichtigung des speziellen Motivs der Fitness auch eine aktuelle Bedarfsanalyse der Person als sinnvoll, z.B. über die Erfassung von Parametern wie BMI, Fettwerte, Ausdauerleistungsfähigkeit, Beweglichkeit etc., um durch einen gezielten Einsatz der gewählten Maßnahme den individuellen Handlungsergebniserwartungen bestmöglich gerecht werden zu können. Untersuchungen zu Motiven im Fitnesssport bieten einen guten Überblick über deren Ausprägung bzw. ihre Bedeutung. Sie spiegeln allgemein wider, warum sich dem Fitnesssport zugewandt wurde und lassen somit die Unterscheidung verschiedener Fitnessmotive in unterschiedlichen Personengruppen zu. Zur weiteren gezielten Betreuung verschiedener Personengruppen würden sich Ergebnisse clusterbezogener Analysen unter Einbezug anthropogener Faktoren zur spezifischen Zielgruppenkennzeichnung als hilfreich erweisen. Diese liegen bereits ansatzweise vor26 und werden in einem gesonderten Beitrag dieses Themenheftes präsentiert. 23 vgl. Zarotis, 1999, 85 24 vgl. Kent, 1996, 221 25 vgl. Reuter & Schwarzer, 2009, 40 26 vgl. Heinze, 2010 SCIAMUS – Sport und Management Literatur DSSV (2010). Neue Eckdatenstudie der Fitnesswirtschaft. Fitness Management International, 2, 32-40. Enders, E. (2007). Motivationale und selbstkonzeptbezogene Aspekte im Fitness-Sport. Hamburg: Kovač. Enders, E. (2009). Motivationale Aspekte Themenheft 31 bei Fitness-Sportlern in vereinsgebundenen und kommerziellen Fitnesseinrichtungen. In M. Krüger, N. Neuber, M. Brach & K. Reinhart (Hrsg.), Bildungspotenziale im Sport (S. 360). Hamburg: Cwalina. Gabler, H. (2002). Motive im Sport. Motivationspsychologische Analysen und empirische Studien. Schorndorf: Hofmann. Heinze, R. (2010). Kundensegmentierung – Eine empirische Analyse der Kundenstruktur in Fitnessstudios. Unveröffentlichte Wissenschaftliche Hausarbeit. Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ilg, H. (1991). Motivation und Emotion in der sportlichen Tätigkeit. In P. Kunath & H. Schel-lenberger (Hrsg.), Tätigkeitsorientierte Sportpsychologie (S. 108134). Frankfurt: Deutsch. Kent, M. (1996). Wörterbuch Sport und Sportmedizin. Wiesbaden: Limpert. Mickler, W. & Moser, T. (1988). Warum Fitness-Studios attraktiv sind. In N. Schulz & H. All-mer (Hrsg.), Fitness-Studios. Anspruch und Wirklichkeit (S. 204-218). St. Augustin: Academia. Mrazek, J. (1988). Fitness-Studio und Sportverein als konkurrierende Modelle. In N. Schulz & H. Allmer (Hrsg.), Fitness-Studios. Anspruch und Wirklichkeit (S. 189-203). St. Augustin: Richarz. Petry, K. (1990). Fitness-Studios in geschlechtsspezifischer Wahrnehmung. In H.G. Ilker & M. Ramme (Hrsg.), Fitness-Studio im Verein (S. 118-138). Hamburg: Czwalina. Reuter, T. & Schwarzer, R. (2009). Verhalten und Gesundheit. In J. Bengel & M. Jerusalem (Hrsg.), Handbuch der Gesundheitspsychologie und Medizinischen Psychologie (S. 34-45). Göttingen: Hogrefe. Trunz-Carlisi, E. (2003). Deutschlands größter Studiotest. Fit For Fun, 2, 54-57. Weber, A. (1982). Laufen - Motive und Wirkung. Sportwissenschaft, 2, 174-184. Zarotis, G.F. (1999). Ziel Fitness-Club. Motive im Fitness-Sport. Aachen: Meyer & Meyer. SCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios Zum Autor Dr. Eckard Enders Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Sportwissenschaft Seidelstraße 20 07743 Jena Tel: (03641)945695 E-Mail: [email protected] Dr. phil. Eckhard Enders ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sportpsychologie/Sportmotorik des Instituts für Sportwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Mit der Promotion zum Thema „Motivationale und selbstkonzeptbezogene Aspekte im Fitness-Sport“ lenkte er sein sportpsychologisches Interesse auf die eigene sportliche Aktivität, in der er nebenbei auch als Trainer tätig ist. Seine Forschungsschwerpunkte sind neben der Unterscheidung von Motivtypen in verschiedenen Bereichen des Sports auch auf kognitive, volitionale und kohäsionsbezogene Aspekte im Freizeit- und Leistungssport gerichtet. Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios SCIAMUS – Sport und Management 32 Themenheft 33 Strategisches Management für Fitnessstudios Robin Heinze & Benedikt Römmelt Kundensegmentierung im Fitnessstudio Abstract derbestand zu halten.3 Nur wenige Mitglieder von kommerziellen Fitnessanlagen sehen sich diesen auf lange Sicht verbunden. Die Fitnessbranche reagiert darauf mit einem erheblichen Ressourceneinsatz in die Kundenneugewinnung. Dies verkennt aber, dass die Gewinnung neuer Kunden teurer ist, als die Bindung bestehender Kunden und vernachlässigt auch die positiven Wirkungen, die von treuen Kunden ausgehen. Einer der Schlüssel zu einer wirksamen Kundenbindung ist die Konzentration auf spezifische Kundengruppen/Marktsegmente. Der Beitrag stellt dazu differenzierte Kundengruppen von Fitnessstudios dar und leitet daraus praktische Hinweise für eine Erfolg versprechende Positionierung im Fitnessmarkt ab. Die Vernachlässigung einer nachhaltigen Bindung der Kunden verkennt, dass die Gewinnung neuer Kunden teurer ist als bestehende Kunden zu halten.4 Langanhaltende Beziehungen der Kunden zum Unternehmen können den Gewinn enorm steigern. Entsprechend ihrer Bedürfnisse angesprochen, erzeugen Kunden zunehmenden Gewinn je länger sie dem Unternehmen treu sind.5 Kundenuntreue dagegen hat einen stark negativen Einfluss auf den finanziellen Erfolg dienstleistungsorientierter Unternehmen wie Fitnessstudios. 1. Problemstellung Der Fitnessmarkt hat im letzten Jahrzehnt einen starken Boom erlebt. Allerdings liegt der Schwerpunkt der strategischen und operativen Maßnahmen bei vielen Anbietern der Fitnessbranche auf der Gewinnung neuer Mitglieder. Fitnessstudios haben sich stets darauf beschränkt, Mitgliedschaften zu verkaufen, ohne sich jedoch nach Abschluss des Vertrages ausreichend um seine Kunden zu kümmern. Dadurch plagt sich die Fitnessindustrie seit Jahren mit teilweise extremen Fluktuationsraten. In der Spitze kündigen innerhalb eines Jahres mehr als die Hälfte der Mitglieder eines Studios.1 Bereits seit längerem ist bekannt, dass sich lediglich relativ wenige Mitglieder kommerziellen Sportanbietern auf lange Sicht verbunden fühlen2. Das führt zu einem hohen Einsatz von Ressourcen für die Neubindung von Kunden, allein um den erreichten Mitglie1 Deloitte, 2009, 1f. 2 Dietrich, Heinemann, Schubert, 1990, 56 SCIAMUS – Sport und Management Zum systematischen Management der Kundenbeziehungen im Fitnesssektor gehören vielfältige Maßnahmen, die von der Erstellung der Werbeanzeigen bis hin zur Rückgewinnung bereits ausgetretener Kunden reichen. Im Zentrum steht jedoch die Bindung vorhandener Mitglieder. Ein zufriedener Kunde fühlt sich dem Unternehmen verbunden und ist eher bereit, seinen Vertrag zu verlängern oder denkt gar nicht erst über eine Kündigung nach. Weiterhin nutzen loyale Kunden auch andere Angebote des Unternehmens. So können Fitnessstudios ihre Zusatzleistungen besser verkaufen. Außerdem empfehlen zufriedene und eng gebundene Kunden ihr Fitnessstudio eher an Freunde und Bekannte weiter. Somit werden gleichzeitig Neukunden geworben, da die Empfehlung durch nahestehende Personen eine der häufigsten Informationsquellen und bedeutender Entscheidungsfaktor bei der Wahl eines Fitnessstudios ist.6 Etwa 53% der Fitnessstudiokunden werden durch Freunde, 3 Deloitte, 2009, 1f. 4 vgl. beispielsweise: Kotler, Keller, Bliemel, 2007, 59 ff.; Meffert, Burmann, Kirchgeorg, 2008, 860 ff. 5 Reichheld & Sasser, 1990, 105f. 6 Deloitte, 2009, 2 Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 34 Abb. 1: Impulse für die Wahl des Fitnessstudios (Quelle: INNOFACT, 2008, 15) Bekannte und Verwandte auf das jeweilige Angebot aufmerksam gemacht.7 Abbildung 1 zeigt dazu die wesentlichen Impulse, die bei der Wahl des Fitnessstudios eine Rolle spielen. Damit werden Bestandskunden zu wichtigen Botschaftern für Fitnessstudios und schaffen so einen zusätzlichen Wert für das Unternehmen. Der existierende Kundenstamm stellt also in doppelter Weise Kapital für das Studio dar: Durch den eigenen Umsatz, der direkt ergebniswirksam wird und als Multiplikator, der wirksame und kostengünstige Reputations- und Neukundengewinne verspricht.8 Gerade bei einer bereits bestehenden Beziehung kann der Kunde erwarten, dass das Fitnessstudio aus den bisherigen Kontakten mit den Kunden gelernt hat und die Bedürfnisse seiner Mitglieder kennt. Doch auch eine unprofessionell durchgeführte Kundenneugewinnungsaktion kann fatale Folgen haben, denn wenn der erste Eindruck durch ein uninteressantes Angebot die Kundenwünsche verfehlt, ist dies nur sehr schwer wieder zu korrigieren.9 Vor diesem Hintergrund stellt der Beitrag 7 Dietrich, Heinemann & Schubert, 1990, 54; INNOFACT, 2008, 15 8 Riesenbeck, 2010, 203 f. 9 Padberg, 2009, 20 SCIAMUS – Sport und Management typische Kundengruppen von Fitnessstudios anhand ihrer kennzeichnenden Merkmale vor. 2. Kundensegmentierung als Ausgangspunkt für eine gezielte Kundenorientierung Ziel der Kundenorientierung ist es, die Maßnahmen des Unternehmens direkt an den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden auszurichten. „Kundenorientierung ist die umfassende, kontinuierliche Ermittlung und Analyse der Kundenerwartungen sowie deren interne und externe Umsetzung in unternehmerische Leistungen sowie Interaktionen mit dem Ziel, langfristig stabile und ökonomisch vorteilhafte Kundenbeziehungen zu etablieren.“10 Durch Kundenorientierung gelingt eine langfristige Bindung des Kunden an das Unternehmen. Darüber hinaus können gezielte Maßnahmen zur Kunden-NeuGewinnung und Kunden-Wieder-Gewinnung abgeleitet werden, um so einen festen Kundenstamm aufzubauen. 10 Bruhn, 1999, 10 Themenheft 35 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 2: Einsatzmöglichkeiten der Kundensegmentierung (Quelle: eigene Darstellung) Abbildung 2 illustriert die Einsatzmöglichkeiten der Kundensegmentierung. „Kundensegmentierung umfasst aufbauend auf kundenindividuellen Informationen die Aufteilung der vorhandenen Kunden in homogene Gruppen und deren gezielte Bearbeitung mit Hilfe segmentspezifischer Maßnahmen.“11 Im Sinne einer entscheidungsorientierten Sichtweise geht es bei der Segmentierung nicht nur um die Segmentbildung, sondern auch um die Bearbeitung der Segmente, also die Segmentauswahl und die operativen Aspekte der Maßnahmengestaltung.12 Nach Kotler und Bliemel wird dieses schrittweise Vorgehen auch als STP-Marketing (segmenting, targeting, 11 Freter, 2008, 55 12 Freter & Hohl, 2010, 190 SCIAMUS – Sport und Management positioning) bezeichnet.13 Die an den speziellen Bedürfnissen und Wünschen der Kunden ausgerichtete Bearbeitung der homogenen Gruppen (Segmente) führt über die Optimierung der Angebote zu mehr Kundenzufriedenheit, stärkt die Bindung des Kunden an das Unternehmen und erhöht so dessen Wert. Kundenzufriedenheit ist die positive Bewertung sämtlicher Erfahrungen eines Kunden mit einem Anbieter.14 Kundenbindung ist das loyale Verhalten eines Kunden gegenüber einem Anbieter. Sie besteht aus zwei Dimensionen: Dem bisheri13 Kotler & Bliemel 2001, 415 14 Homburg & Giering, 1999, 178 Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios gen Verhalten (Kaufverhalten, Weiterempfehlung) und der Verhaltensabsicht (Wiederkaufabsicht, Zusatzkaufabsicht, Weiterempfehlungsabsicht).15 36 bezeichnet und untergliedert sich in drei Teilschritte19: 1. Segmentbildung (segmenting) 2. Segmentauswahl (targeting) 3. Segmentbearbeitung (positioning) Kundenwert ist der vom Anbieter wahrgenommene und bewertete Beitrag eines Kunden zur Erreichung seiner monetären und nichtmonetären Ziele, also das ökonomische Maß für die Bedeutung des Kunden.16 Der aufgebaute Kundenstamm stellt für den Unternehmer in doppelter Weise Kapital dar: Durch den eigenen Umsatz, der direkt ergebniswirksam wird und als Multiplikator, der wirksame und kostengünstige Reputations- und Neukundengewinne verspricht.17 Über die Bindung der vorhandenen Kunden hinaus können durch segmentspezifische Angebote Kunden gezielt neu- oder wieder-gewonnen werden. Diese spezialisierte Ausrichtung führt dazu, dass die Wünsche und Bedürfnisse der potentiellen Kunden individueller als bei der Konkurrenz befriedigt werden können. 3. Kundensegmentierung Im Unterschied zur Marktsegemtierung, die die Aufteilung des (heterogenen) Gesamtmarktes für ein Produkt, also alle Kunden und potentielle Kunden, in (homogene) Teilmärkte (Segmente) und deren spezifische Bearbeitung darstellt, meint die Kundensegmentierung die Aufteilung der vorhandenen Kunden. Sie stellt eine wichtige Größe zur Planung, Steuerung und Kontrolle von Marketingentscheidungen dar.18 Nach Kotler und Bliemel wird die Kundensegmentierung auch als STP-Marketing 15 16 17 18 Homburg & Giering, 1999, 178 f. Freter, 2008, 55 Riesenbeck, 2010, 203 f. Freter & Hohl, 2010, 180; Freter, 2008, 55 SCIAMUS – Sport und Management 3.1 Segmentbildung Zunächst wird im Rahmen der Marktsegmentierung zwischen Fitnessinteressierten und bereits Fitnesstreibenden unterschieden (vgl. Abbildung 3). Für eine Betrachtung des eigenen Fitnessstudios werden anschließend die Fitnesstreibenden in vorhandene Kunden (IstKunden) und Soll-Kunden, die die Dienstleistungen bei Wettbewerbern beziehen, unterschieden.20 Im letzten Schritt werden bekannte Ist-Kunden zu möglichst homogenen Gruppen zusammengefasst, um einerseits eine einheitliche Segmentbearbeitung und andererseits eine effiziente Differenzierung zu ermöglichen.21 Die folgenden Ausführungen beziehen sich jeweils auf die Gesamtheit der Fitnesstreibenden in Deutschland. Sie sind aber analog auch auf jedes einzelne Fitnessstudio anwendbar. Abbildung 3 zeigt schematisch das Ergebnis der Markt- und Kundensegmentierung für Fitnessinteressierte. Die Marktsegmentierung grenzt zunächst einmal die schon Fitnesstreibenden von den lediglich Fitnessinteressierten ab. Im Ergebnis der Kundensegmentierung I werden die Fitnesstreibenden in Nutzer (7,6 Mio.) und Nicht-Nutzer von Fitnessstudios unterschieden. Erstere lassen sich dann wiederum in Segmente unterteilen, um Angebote und Marketingstrategien gezielt darauf abzustimmen. Segmente können entweder nach demografischen Faktoren (Alter, Einkommen, Geschlecht, …) oder nach der Präferenz19 Kotler & Bliemel 2001, 415 20 Freter & Hohl, 2010, 181 21 Freter & Hohl, 2010, 182 Themenheft 37 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 3: Ergebnis der Kundensegmentierung (Quelle: in Anlehnung an Freter & Hohl, 2010, 181) struktur im Markt gebildet werden.22 3.2 Segmentauswahl Im Anschluss an die Segmentbildung findet eine Bewertung und Auswahl der Segmente nach deren Attraktivität statt. Ausgehend von der Unternehmensposition im Vergleich zu Hauptwettbewerbern hinsichtlich der aus Käufersicht relevanten Beurteilungskriterien werden in diesem Schritt Ansatzpunkte zur Differenzierung bzw. Umpositionierung des bestehenden Fitnessangebots abgeleitet oder Positionierungslücken identifiziert.23 Bei der Bewertung der Kundensegmente muss das Fitnessstudio drei Aspekte beachten:24 1. Größe und Wachstum der Segmente 2. strukturelle Attraktivität der Segmente (z.B. Deckungsbeitrag, crossselling-Potential, durchschnittliche Bindungsdauer, …) 3. Zielsetzung und Ressourcen des Unternehmens 22 Kotler & Bliemel, 2001, 427 23 Meffert & Bruhn, 2009, 125 24 Kotler & Bliemel, 2001, 452 f. SCIAMUS – Sport und Management Nach der Bewertung der verschiedenen Kundensegmente muss das Fitnessstudio nun entscheiden, welche und wie viele Segmente es ansprechen möchte.25 Bei den strategischen Überlegungen stellt sich auch die Frage, ob einige Segmente überhaupt bearbeitet werden sollen. Ausgehend vom Wert bzw. Potential des Kunden für das Fitnessstudio ergeben sich fünf verschiedene strategische Optionen:26 1. Aussonderung unattraktiver Kunden, 2. Bindung attraktiver Kunden, 3. Entwicklung von Kunden mit hohem Potential, 4. Rückgewinnung Kunden, abgewanderter 5. Nicht-Bearbeitung von Kunden. 3.3 Segmentbearbeitung Ziel der Segmentbearbeitung ist es, das Leistungsangebot des Fitnessstudios so zu gestalten, dass die von den Kunden wahrgenommenen Eigenschaften mit den von ihnen gewünschten Soll-Eigenschaften in Übereinstimmung gebracht werden.27 Dazu müssen die Bearbeitungsrichtung 25 Kotler & Bliemel, 2001, 453 26 Freter & Hohl, 2010, 191 27 Meffert & Bruhn, 2009, 125 Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 38 Abb. 4: Kundenbearbeitungsstrategien (Quelle: Freter & Hohl, 2010, 193) und die Bearbeitungsintensität für die Segmente festgelegt werden. Dabei sind die eigenen Kunden anders zu behandeln als die Soll-Kunden (aus Sicht des einzelnen Fitnessstudios). Letztere müssen noch von der Leistungsfähigkeit des Anbieters überzeugt werden und brauchen Argumente, welche die Kaufunsicherheit ausräumen. Ist-Kunden dagegen kennen die Leistungen des Fitnessstudios und erfordern daher Argumente zur Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung, um sie nicht an die Konkurrenz zu verlieren.28 Beim Einsatz einer Bearbeitungsstrategie lassen sich grundsätzlich die vier in Abbildung 4 dargestellten Strategien unterscheiden. Die Kundensegmentierung stellt dabei auf ein individualisiertes Marketing (auch als Segment-Marketing bezeichnet) ab. Individualisiertes Marketing beschreibt die Anpassung der Marketinginstrumente an spezielle Kundensegmente.29 Ein Fitnessstudio, das Segment-Marketing betreibt, hat Unterschiede zwischen den Kundengruppen erkannt und richtet seine Maßnahmen nach dem, was die Mitglieder eines Segments gemeinsam haben. Sie sollen durch höheren Produktnutzen, besseren Kundendienst oder zielgenauere Kommunikation an das Unternehmen gebunden werden.30 „Dieses Vorgehen empfiehlt sich immer dann, wenn eine vollständige Differenzierung nicht mög28 Freter & Hohl, 2010, 190 29 Freter & Hohl, 2010, 194 30 Kotler, Keller & Bliemel, 2007, 358 f. SCIAMUS – Sport und Management lich oder sinnvoll ist“.31 Bei den Fitnessstudios betrifft dies vor allem die Angebotsgestaltung (Trainingsgeräte, Kursangebote, …) und die Kommunikation nach außen. Aber gerade beim Kundenkontakt im Studio direkt ist es unerlässlich, jeden individuell zu betreuen (Trainingsplangestaltung, Korrekturen bei der Übungsausführung, …). Die strategische Positionierung des jeweiligen Fitnessstudios erfolgt dann in drei Schritten:32 1. Analyse der IST-Positionierung durch Platzierung des eigenen sowie der Konkurrenz-Fitness-Studios hinsichtlich der vorhandenen Angebote. 2. Vergleich der IST-Position mit der angestrebten SOLL-Position. 3. Ableitung notwendiger Veränderungen des Fitnessangebots. 4. Typische Kundengruppen im Fitnessstudio Die Darstellung der folgenden Kundengruppen basiert auf einer Befragung von 621 Fitnessstudiokunden, die im Zeitraum von vom 20.04.2010 bis zum 31.07.2010 durchgeführt wurde. Die Befragten besuchten zum überwiegenden Teil Studios aus dem Medium-Segment. Lediglich 5% der Kunden nutzen eine Discount-Anlage. Nutzer von Premium-Anlagen waren nicht unter den Befragten. Der 31 Freter & Hohl, 2010, 194 32 Anlehnung an Meffert & Bruhn, 2009, 125 f. Themenheft 39 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 5: Motive und Angebotsnutzung in den einzelnen Clustern (eigene Darstellung) Anteil der männlichen Teilnehmer betrug 54% (weiblich 46%). Die Altersverteilung gestaltete sich wie folgt: £ 29 Jahre (33%); 30 – 49 Jahre (36%) und ³ 50 Jahre (31%). Sowohl Alters-, als auch Geschlechterverteilung entsprechen der in den DeloitteStudien33 gefundenen Verteilung der Fitnessstudiokunden. Die Daten der insgesamt 621 befragten Fitness-Studio-Besucher wurden zunächst nach Faktoren in der Motivstruktur und hinsichtlich der Angebotsnutzung untersucht. Bei den Motiven wurden sechs und bei den Angeboten sieben Faktoren extrahiert. Dabei hat sich gezeigt, dass nicht alle Merkmale exklusiv einem einzigen Faktor zugeordnet werden können. Die Faktorwerte wurden dann gemeinsam einer Clusterzentrenanalyse unterzogen. Auf Basis der Teststatistiken (Fehlerquadratsumme) erwies sich eine Einteilung in fünf Cluster als die statistisch beste Lösung. 4.1 Strukturelle Zusammenhänge und Unterschiede der Cluster Gemäß den Ergebnissen der Clusteranalyse ergab sich die Zuordnung der Besucher von Fitnessstudios zu fünf Gruppen. Abbildung 6 zeigt die Kundenanteile der einzelnen Cluster. Es fällt auf, dass der Familientyp im Vergleich zu allen anderen Gruppen nur einen recht kleinen Anteil ausmacht. Abb. 6: Kundenanteil pro Cluster (eigene Darstellung) 33 Vgl. Deloitte, 2010, 14, 16 SCIAMUS – Sport und Management Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios Einen ersten groben Überblick über die Zusammenhänge und Unterschiede der einzelnen Cluster liefert Abbildung 5. Die Abbildung kann auf Grund der Reduktion nur einen groben Überblick bieten, aber es werden die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich. Die Zuordnung ergibt sich auf Grund der relativen Unterschiede zwischen den Gruppen. Über die absoluten Werte wird in der Beschreibung der einzelnen Cluster eine Aussage getroffen. Die rot eingefärbten Bereiche zeigen entweder Motive, die die Kunden nur sehr wenig motivieren oder Angebote, die nur sehr selten genutzt werden. Grüne Bereiche deuten hohe Motivation oder intensive Nutzung an. 40 Die „Kursangebotsfixierten“ nutzen Trainingsgeräte signifikant am seltensten. Mit Blick auf die Angebotsnutzung zeigt sich, dass die meisten der Zusatzangebote nur selten genutzt werden. Gerade Angebote zum Faktor Wellness spielen für alle Gruppen eine untergeordnete Rolle. Und auch die kostenpflichtigen Zusatzleistungen wie Getränke und Snacks werden kaum nachgefragt. In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Cluster anhand ihrer einzelnen Merkmale beschrieben, um so ein detailliertes Bild der Nutzer zu zeichnen. Betrachtet man zunächst die Motivkomplexe, so fällt auf, dass „Gesundheit“ ein übergeordnetes Motiv darstellt. Für nahezu alle Gruppen haben gesundheitliche Aspekte eine hohe Bedeutung. Lediglich bei den „Hantel-Jungs“ ergibt sich ein signifikanter Unterschied zu allen anderen Clustern. Ebenso stellt der Ausgleich ein übergreifendes Motiv dar. Zwischen den Gruppen gibt es diesbezüglich keine besonders kennzeichnenden Unterschiede. Alle Cluster werden lediglich etwas durch Motive wie „Stressabbau“, „Ausgleich zum Alltag“, „Zeit für sich selbst haben“ beeinflusst. Weiterhin kann man feststellen, dass die „Individualisten“ und die „Fitnesseltern“ hinsichtlich der Motivstruktur und den genutzten Angeboten sehr ähnlich sind. Allerdings ist, im Gegensatz zu den „Individualisten“, der Singleanteil bei den „Fitnesseltern“ sehr gering und die meisten dieser Kunden haben Kinder. Dadurch erklärt sich auch der deutliche Wunsch nach Kinderbetreuung in dieser Gruppe. Die Gewichtsreduzierer werden stark dadurch angetrieben, abnehmen zu wollen, was sich auch in der Angebotsnutzung widerspiegelt. Diese Gruppe nutzt signifikant am häufigsten die Ausdauergeräte. SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 41 Strategisches Management für Fitnessstudios 4.2 Hantel-Jungs Die Kunden in diesem Segment sind überwiegend männlichen Geschlechts im Alter von 16 bis 29 Jahren. Der Single-Anteil ist mit 67% hoch und nur ein geringer Anteil hat schon Kinder. Auf Grund des jungen Alters sind die „Hantel-Jungs“ überwiegend noch in Ausbildung bzw. studieren oder sind angestellt. Die „Hantel-Jungs“ trainieren etwa zwölfmal im Monat für jeweils 80 min. pro Trainingseinheit. Mit einer Trainingserfahrung von durchschnittlich drei Jahren gehören sie zu den Anfängern im Fitnessbereich. Immerhin 22% dieser Gruppe trainiert zusätzlich in einem Verein und 40% gaben an, auch zu Hause Fitnesstraining zu betreiben. 20% dieser Fitnessstudiobesucher nutzen eine Discount-Anlage. Für ihre sportlichen Aktivitäten geben die „Hantel-Jungs“ 60 bis 70 Euro pro Monat aus. Motiviert werden die Kunden dieser Gruppe hauptsächlich durch den Faktor „Aussehen“. Muskelaufbau und eine attraktivere Figur haben einen sehr hohen Stellenwert. Im Vergleich zu den anderen Segmenten spielt der Gesundheitsaspekt eine signifikant geringere Rolle. Zum Training nutzen diese Kunden hauptsächlich Kurz- und Langhanteln und auch Kraftmaschinen werden sehr oft einbezogen. Signifikant zu allen anderen Segmenten nutzen die „Hantel-Jungs“ Ausdauergeräte und sonstige Zusatzangebote wie Wellness oder Getränke und Speisen fast gar nicht und auch die Beratung durch einen Trainer wird nur selten in Anspruch genommen. Abb. 7: Profil: Hantel-Jungs (eigene Darstellung) SCIAMUS – Sport und Management Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 42 4.3 Individualisten In diesem Segment überwiegt der Anteil der männlichen Fitnessstudiobesucher mit 64%. Die dominante Altersgruppe sind die Middle Ager zwischen 30 und 49 Jahren. Etwas mehr als die Hälfte der Kunden sind in einer Partnerschaft, haben aber überwiegend noch keine Kinder und gehen einer beruflichen Tätigkeit nach. Die „Individualisten“ trainieren durchschnittlich 12 mal pro Monat für jeweils 90 min. pro Trainingseinheit Ihre Trainingserfahrung liegt zwischen fünf und acht Jahren. 16% dieser Kunden trainiert zusätzlich noch im Verein und 37% gaben an, auch zu Hause Fitnesstraining zu betreiben. Für ihre sportlichen Aktivitäten geben die Individualisten monatlich zwischen 70 und 120 Euro aus. Im Vordergrund stehen in diesem Segment neben gesundheitlichen vor allem soziale Motive. Im Vergleich zu allen anderen Clustern spielen Aspekte wie „soziale Kontakte knüpfen und pflegen“, „sich präsentieren“ oder auch der Vergleich mit anderen eine signifikant größere Rolle. Darüber hinaus streben diese Kunden auch stark nach einer attraktiveren Figur und dem damit – gerade für die männlichen Kunden dieser Gruppe – verbundenen Muskelaufbau. Von den Fitnessstudioangeboten nutzt dieses Segment sowohl die Ausdauergeräte und Kraftmaschinen als auch Kurzund Langhanteln. Signifikant zu den anderen Gruppen spielt für diese Besucher persönliche Betreuung durch den Trainer eine große Rolle und sie sind auch für Personal-Training offen. Abb. 8: Profil: Individualisten (eigene Darstellung) SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 43 Strategisches Management für Fitnessstudios 4.4 Fitnesseltern Dieses Segment wird mit 62% weiblichem Anteil von Frauen mittleren Alters dominiert. 68% der Kund(inn)en sind im Alter zwischen 30 und 49 Jahren. Mit 83% ist der überwiegende Teil dieser Fitnessstudiobesucher mit einem Partner zusammen und mehr als die Hälfte haben bereits Kinder. Obwohl mehr als 70% dieser Gruppe einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, geben sie im Schnitt nur etwa 52 Euro pro Monat für ihre sportlichen Aktivitäten aus. Der Anteil an Rentnern beträgt in dieser Gruppe lediglich zwei Prozent. Fitnesseltern trainieren achtmal pro Monat für jeweils etwa 75 min. Die Trainingserfahrung liegt zwischen fünf und sieben Jahren. Neben dem Fitnessstudio treiben 21% noch Vereinssport und 26% gaben an, auch zu Hause Fitnesstraining zu betreiben. Von den Motiven her ähnelt dieses Cluster sehr den „Individualisten“. So spielen auch hier gesundheitliche Aspekte eine große Rolle. Allerdings liegt der weitere Schwerpunkt nicht so stark auf der sozialen Interaktion, als vielmehr auf dem „Ausgleich“. Zum Training nutzen diese Kund(inn)en sehr oft die Ausdauergeräte und Kraftmaschinen, aber auch der Kursbereich wird häufig gewählt. Hierbei werden ähnliche Werte wie bei den „Kursangebotsfixierten“ erreicht. Während des Trainings legen die Kund(inn)en aus diesem Segment Wert auf eine persönliche Betreuung durch den Trainer. Im Gegensatz zu den „Individualisten“ besteht bei diesen Fitnessstudiobesuchern allerdings kein Bedarf für Personal-Training. Abb. 9: Profil: Fitnesseltern (eigene Darstellung) SCIAMUS – Sport und Management Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 44 4.5 Gewichtsreduzierer Die „Gewichtsreduzierer“ sind von der Geschlechterverteilung eine sehr homogene Gruppe. Der Anteil an Kunden, die mit einem Partner zusammenleben ist mit 71% verhältnismäßig hoch, aber die meisten in diesem Segment haben keine Kinder. Das Durchschnittsalter in dieser Gruppe liegt bei 44 Jahren. 38% der Kunden sind älter als 50 und auch bei den 30 bis 49-jährigen sind 69% über 40 Jahre alt. Das monatliche Budget für sportliche Aktivitäten liegt zwischen 60 und 90 Euro. Die geringe Trainingserfahrung von durchschnittlich 3 bis 6 Jahren deutet darauf hin, dass es sich in dieser Gruppe um Späteinsteiger in den Fitness-Sport handelt. Im Mittel trainieren diese Kunden achtmal pro Monat für etwa 90 min. pro Trainingseinheit. Lediglich etwa 14% der „Gewichtsreduzierer“ trainieren zusätzlich noch im Verein und rund 31% gaben an, auch zu Hause Fitnesssport zu betreiben. Neben gesundheitlichen Aspekten werden die Kunden aus diesem Segment hauptsächlich durch den Faktor „abnehmen/Gewichtsreduktion“ und eine damit verbundene attraktivere Figur motiviert. Soziale Kontakte und Leistungsorientierung spielen nur eine untergeordnete Rolle. Bei der Angebotsnutzung stehen im Vergleich zu den anderen Gruppen signifikant die Ausdauergeräte im Vordergrund und auch das maschinengestützte Training wird sehr oft genutzt. Sonstige Zusatzangebote werden in diesem Segment nicht nachgefragt und auch die Beratung durch einen Trainer wird nur selten in Anspruch genommen. Abb. 10: Profil: Gewichtsreduzierer (eigene Darstellung) SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 45 Strategisches Management für Fitnessstudios 4.6 Kursangebotsfixierte In diesem weiblich dominierten Segment leben 78% der Kunden mit einem Partner zusammen und etwa ebenso viele sind nicht an Kinder gebunden. Mit 21% ist der Anteil an Rentnern in dieser Gruppe am höchsten und die über 50-jährigen machen den Hauptanteil bei der Altersgruppe aus. Monatlich geben diese Kunden im Durchschnitt zwischen 60 und 90 Euro für Sport aus. Mit sieben - zehn Jahren haben diese Fitnessstudiobesucher die meiste Trainingserfahrung. Sie trainieren etwa achtmal pro Monat für ca. 60 min. pro Trainingseinheit. Damit wird die geringste Trainingszeit unter allen Segmenten erreicht. 19% aus dieser Gruppe trainiert zusätzlich noch in einem Verein und 31% gaben an, auch zu Hause etwas für ihre Fitness zu tun. Bei den Motiven steht der Gesundheitsfaktor an erster Stelle. Alle anderen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Gleiches gilt für die Angebotsnutzung. Die „Kursangebotsfixierte“ besuchen vorwiegend Kurse und gesundheitsorientierte Angebote. Darüber hinaus werden nur noch die Ausdauergeräte und selten kostenfreie Wellnessangebote genutzt. Abb. 11: Profil: Kursangebotsfíxierte (eigene Darstellung) SCIAMUS – Sport und Management Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 5. Implikationen für die Praxis Fitness-Studio-Betreiber, die Kunden langfristig an sich binden wollen, stehen vor der Aufgabe, ihre Fitness-Anlage erfolgreich im Markt zu platzieren. Die vorgestellten Segment-Profile können nun dazu genutzt werden, sich strategisch optimal auszurichten. 5.1 Segmentauswahl Nach der Segmentierung steht die Entscheidung darüber, welche Segmente bearbeitet werden sollen. Dazu ist es zunächst erforderlich, die IST-Positionierung des eigenen sowie relevanter Konkurrenzfitnessstudios hinsichtlich der Angebotsstruktur und der Zielgruppen zu analysieren.34 Befindet sich im Einzugsgebiet des eigenen Fitnessstudios z. B. eine Discount-Anlage ist die Wahl des Kundensegments „Hantel-Jungs“ für MediumAnlagen nicht zu empfehlen. Man würde in direkte Konkurrenz mit dem Discounter treten und sich in einen Preiskampf verwickeln. Neben der Konkurrenzstruktur spielen aber auch die Größe und das Wachstum, die strukturelle Attraktivität der Segmente sowie die Zielsetzung und Ressourcen des Unternehmens eine Rolle.35 Wie aus Abbildung 5 erkennbar ist, handelt es sich beim „Fitnesseltern“ mit sieben Prozent Marktanteil um das kleinste Segment. Die separate Bearbeitung dieser Gruppe lohnt sich daher nur in Regionen, in denen Familien mit Kindern und beruflicher Einbindung einen hohen Anteil an der Bevölkerung haben. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, empfiehlt es sich, zusätzlich strukturell ähnliche Segmente mit zu bearbeiten. Für das Segment der „Fitnesseltern“ besteht hier die Gemeinsamkeiten mit den „Individualisten“ und den „Kursangebotsfixierten“. 34 Meffert & Bruhn, 2009, 125 f. 35 Kotler & Bliemel, 2001, 452 f. SCIAMUS – Sport und Management 46 Zur Beurteilung der Attraktivität einzelner Segmente kann auch der zugehörige Deckungsbeitrag herangezogen werden. In den Segment-Profilen ist jeweils das Budget angegeben, das die Kunden monatlich für Sport ausgeben. Allerdings wird nicht der gesamte Betrag für die Mitgliedschaft im Fitnessstudio ausgegeben. Bei den „Hantel-Jungs“ z. B. sind 40% zusätzlich auch im Verein sportlich aktiv. Damit entfällt ein Teil des Sportbudgets auf Vereinsbeiträge und eventuelle Ausrüstungen. Ähnliches gilt für die „Individualisten“. Allerdings ist hier die Spanne mit 70 bis 120 Euro deutlich größer, sodass hier durch den Verkauf von Zusatzprodukten zusätzliche Erlöse möglich sind. Das Segment der „Fitnesseltern“ bietet mit etwa 50 Euro für Sportausgaben pro Monat das geringste Umsatz- und Cross-Selling-Potential. Auch die zur Verfügung stehenden Unternehmensressourcen beeinflussen die Auswahl der zu bearbeitenden Segmente. Gerade große Unternehmen vermeiden häufig kleinere Kundengruppen, da sich die Bearbeitung auf Grund des geringeren Umsatzvolumens nicht lohnt. Umgekehrt ist mit großen Segmenten ein höherer Ressourceneinsatz verbunden. Neben dem eigentlichen Marktanteil der einzelnen Segmente ist auch die Angebotsnutzung zu bedenken. Die „Hantel-Jungs“ z.B. bevorzugen Kurz- und Langhanteln sowie Kraftmaschinen. Ein darauf ausgerichtetes Fitnessstudio muss für Ausdauergeräte und Zusatzangebote keine hohen Investitionen einplanen. Dagegen erfordern die „Individualisten“ für die individuellere Betreuung einen hohen Personalbestand und eine vielfältige Ausstattung mit Geräten. Auch die „Kursangebotsfixierten“ erfordern einen höheren Personaleinsatz, da jeder Trainer nur eine gewisse Anzahl an Kunden pro Kurs betreuen kann. Durch die Begrenzung der Teilnehmer in Gesundheitskursen, die von der Krankenkasse anerkannt werden sollen, verstärkt sich dieser Effekt zusätzlich. Themenheft 47 Zum Schluss entscheidet noch das Wachstumspotential über die Attraktivität der Segmente. Angesichts des Trends einer immer dicker und älter werdenden Gesellschaft dürften die „Gewichtsreduzierer“ und die „Kursangebotsfixierten“ die Cluster mit dem höchsten Potential sein. Bei letzteren liegt der Anteil an Rentnern mit 21% am höchsten. Am Ende dieser Überlegungen steht die Auswahl derjenigen Segmente, die in Zukunft bearbeitet werden sollen. Ein Vergleich der IST-Position mit der angestrebten SOLL-Position ermöglicht es, gezielt Maßnahmen für deren Bearbeitung abzuleiten. 5.2 Segmentbearbeitung Ist die Auswahl der zu bearbeitenden Segmente getroffen, muss nun die entsprechende Bearbeitungsstrategie entwickelt werden. Die Ausführungen zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Cluster hat gezeigt, dass jede Gruppe ihre Eigenheiten, sowohl in der Motivstruktur als auch bei der Angebotsnutzung, aufweist. Vergegenwärtigt man sich diese Besonderheiten, so lassen sich daraus gezielte Handlungsstrategien ableiten, die letztlich über die Befriedigung der speziellen Bedürfnisse zu einer stärkeren Bindung des Kunden an das Fitnessstudio führen. Diese Besonderheiten müssen in der Angebotsgestaltung sowie in den Marketingmaßnahmen berücksichtigt werden. Die „Hantel-Jungs“ z. B. haben hinsichtlich der Trainingsgeräte recht spartanische Anforderungen und sonstige Zusatzangebote werden nicht nachgefragt. Die aktuell wachsende Zahl an Discount-Studios erfüllt ziemlich genau diese Anforderungen. Wollen Medium-Studios diese Kundengruppe an sich binden, besteht über die Modularisierung36 ein Weg, den 36 Bei der Modularisierung wird den Kunden durch abgegrenzte Bereiche und spezielle SCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios „Hantel-Jungs“ ein zugeschnittenes Angebot bereitzustellen. Möchte sich ein Fitnessstudiobetreiber mit seinen Angeboten auf eine oder wenige Gruppen spezialisieren, bieten die einzelnen Profile hilfreiche Informationen. So ist für die „Individualisten“ ein größerer Betreuungsaufwand nötig, was einen umfangreicheren Personalbestand erfordert. Dafür können in dieser Gruppe aber auch höhere Beiträge erzielt werden. Die „Fitnesseltern“ erfordern lediglich ein kleines, familiär angelegtes Studio, das auf ein umfangreiches Hantelsortiment verzichten kann und ausgewählte Kurse nach den Wünschen der Kunden anbietet. Hier besteht auch eine gute Möglichkeit, durch umfangreichere Kursangebote und einen relativ kleinen Gerätepark zusätzlich die „Kursangebotsfixierten“ anzusprechen. Diese fragen grundsätzlich Kursangebote nach, die gesundheitliche Aspekte in den Vordergrund stellen. Abhängig von der tatsächlichen Besucherstruktur besteht auch die Möglichkeit, einen Schwerpunkt entweder auf fitnessorientierte Kurse wie Aerobic und TaeBo oder auf präventive Kurse wie Rückenschule und „Fit im Alter“ zu legen. Möchte man die „Gewichtsreduzierer“ gezielt werben, wird dies am ehesten durch eine reiche Ausstattung mit Ausdauergeräten und der klaren Botschaft einer schlankeren Figur möglich sein. Auch empfiehlt sich evtl. die Integration einer Ernährungsberatung, wie es bei den Mrs. Sporty- oder Moves-Studios der Fall ist. Diese Studie zeigt, dass die Analyse der Kundenmotive hilfreiche Ansatzpunkte strategischer und operativer Art für das Marketing, insbesondere Produktgestaltung und Werbemaßnahmen, liefert. Zugangsregelungen ermöglicht, den Umfang ihrer genutzten Angebote selbst zu bestimmen, was sich dann natürlich auch im monatlichen Beitrag niederschlägt. Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios Zu den Autoren Robin Heinze Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Sportwissenschaft Lehrstuhl für Sportökonomie Seidelstr. 20 07749 Jena Telefon: 03641/9-45677 E-Mail: [email protected] Robin Heinze ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sportökonomie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Chefredakteur der onlineFachzeitschrift Sciamus – Sport und Management. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich bei seiner Forschung mit Management im Fitnesssport, Ökonomie und Management von Sport und Gesundheit sowie der Internationalisierung von Sport und Sportarten. Benedikt Römmelt Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Sportwissenschaft Lehrstuhl für Sportökonomie Seidelstr. 20 07749 Jena Telefon: 03641/9-45703 E-Mail: [email protected] Benedikt Römmelt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sportökonomie des Instituts für Sportwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Anwendung strategischer Analyseinstrumente auf Sportmärkte sowie das Qualitätsmanagement von Sportverbänden. Benedikt Römmelt ist zudem Geschäftsführer der Sciamus Gesellschaft für Beratung und Weiterbildung mbH. Literatur Bruhn, M. (1999): Kundenorientierung – Bausteine eines exzellenten Unternehmens. München: Beck. Deloitte (2009): Der Fitnessmarkt. Newsletter 4/2009. Düsseldorf: Deloitte & Touche GmbH. Dietrich, K., Heinemann, K. & Schubert, M. (1990): Kommerzielle Sportanbieter. Schorndorf: Hofmann. Freter, H. & Hohl, N. (2010): Kundensegmentierung im Kundenbeziehungsmanagement. In: Georgi, D. & Hadwich, K. (Hrsg.). Management von KundenbezieSCIAMUS – Sport und Management 48 hungen (pp. 179-199). Wiesbaden: Gabler. Freter, H. (2008): Markt- und Kundensegmentierung. Stuttgart: Kohlhammer. Homburg, C. & Giering, A. (1999): Der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. In: Die Betriebswirtschaft, 59/1999, 174-195. 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Um diesen Markt zu erschließen, gehört es zur gängigen Praxis, einen Großteil der Ressourcen dem Vertrieb und all den dazugehörigen verkaufsfördernden Mechanismen zuzuteilen und somit den Schwerpunkt der betriebsinternen Energie auf die Kundenakquise zu legen. Dadurch wird aber oftmals die eigentliche Werterhaltung, nämlich eine nachhaltige Bindung der Kunden, vernachlässigt. Dies drückt sich nicht zuletzt in den zum Teil sehr unterschiedlich ausfallenden Kündigungs- und Fluktuationsquoten aus, mit denen sich Fitnessanlagen konfrontiert sehen. Der folgende Beitrag legt daher den Fokus der Betrachtungen auf Erfolgsfaktoren der Kundenbindung und zeigt die Bedeutung und praktischen Möglichkeiten im Fitnessstudio auf. Einleitung Laut aktueller Studien1 verzeichnet die Fitnessbranche einen stetig steigenden Zuspruch durch Kunden. Erstmalig engagieren sich mit über 7 Millionen Mitgliedern sogar mehr Menschen im Fitnesssport als im Fußball, obwohl hier angemerkt werden muss, dass dieser Vergleich einige offene und noch zu klärende Fragen bereithält. Dies liegt mitunter zum einen an den in Deutschland sicherlich einzigartigen Organisationsstrukturen des Sports, der Vereine und Verbände, in denen klassische Sportarten wie der Fußball organisiert sind und an der fehlenden Berücksichtigung des vereinsorganisierten Fitnesssports. Zum anderen bleibt zu klären, inwieweit die verwendete Reaktionsquote oder auch Penetrationsrate2 tat1 Vgl. Deloitte 2012, S. 6 2 Prozentanteil der Mitglieder in Fitness- und SCIAMUS – Sport und Management sächlich potenzielle Zielgruppen wiederspiegelt. Während Vereine meist keine für die Statistik nennenswerten Regeln zur Alterseinschränkung bereithalten, haben die Betreiber und Verantwortlichen der Fitnessbranche diesbezüglich sehr unterschiedliche Auffassungen. In aller Regel dürfen Kinder und Jugendliche frühestens ab dem vollendeten 16. Lebensjahr Mitglied eines Fitnessstudios werden. Insofern bleibt eine beträchtliche sportaffine Population unberücksichtigt, sieht man zusätzlich von all den „unorganisierten Sportlern“ ab, die meist in Eigenregie aktiv sind und unregistriert bleiben. International betrachtet lassen sich noch weitere Schwierigkeiten in Bezug auf Branchenkennzahlen identifizieren, worauf an dieser Stelle lediglich verwiesen wird3. Nach aktueller Definition der Reaktionsquote sind in Deutschland knapp 9 %, europaweit ca. 11 % der Bevölkerung 4 registrierte Fitnesssportler. Hierbei ist nicht das tatsächliche Sportverhalten oder Fitnessengagement gemeint, sondern es sind lediglich jene durch die Betreiber selbst „gemeldeten“ zahlenden Mitglieder erfasst. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind so genannte Mega-Trends, welche maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung von Sport- und Freizeitanlagen haben. Ein solcher Trend ist der allgemeine Strukturwandel im Sport, der durch die sich ändernde demografische Entwicklung, durch stetig steigende Kosten innerhalb des Gesundheitssystems und durch stetig steigende Ansprüche der Sportkonsumenten gekennzeichnet ist. Für die Fitnessbranche relevant sind zudem auf den Konsummarkt drängende technische und Wellnessanlagen bezogen auf die Gesamtpopulation 3 Vgl. Rutgers, 2012, S. 16 ff. 4 Vgl. Deloitte 2012; S. 23 sowie Rutgers, 2012, S. 22 Themenheft 51 Strategisches Management für Fitnessstudios elektronische Entwicklungen wie bspw. Spielekonsolen, aber auch sich verändernde und zunehmend differenziertere Angebotsstrukturen und Positionierungsstrategien sowohl der kommerziellen als auch der nicht-kommerziellen Sportanbieter. der Interpretation von Nenner und Zähler, zum anderen sehr unterschiedliche vertragliche Bindungsmodalitäten praktiziert werden6. Die eigens berechneten Quoten der Fitnessanbieter reichen hierbei von unter 15 % bis über 50 %. Glücklicherweise verändert sich das Image der Fitnessbranche. Fitnessanlagen sind salonfähig geworden und werden zunehmend bei einer breiten Bevölkerungsschicht als ernstzunehmendes Sport-, Gesundheits- und Freizeitangebot wahrgenommen. Trotz dieser positiven Einschätzung, die es empirisch quer- und längsschnittlich zu untersuchen gilt, bleibt die Vermutung im Raum stehen, dass die aktuelle für die Branche relevante Population faktisch nur die oben genannten fitnessaffinen 9 % der deutschen Bevölkerung umfasst. Um den Markt gänzlich zu erschließen, gehört es deshalb immer noch zur gängigen Praxis, einen Großteil der Ressourcen dem Vertrieb und all den dazugehörigen verkaufsfördernden Mechanismen zuzuteilen und somit den Schwerpunkt der betriebsinternen Energie auf Kundenakquise zu legen. Mitunter aufgrund hoher Akquisekosten wird leider dadurch oftmals die eigentliche Werterhaltung, nämlich eine nachhaltige Bindung des Kunden vernachlässigt. Dies drückt sich nicht zuletzt in den zum Teil sehr unterschiedlich ausfallenden Kündigungs- und Fluktuationsquoten aus, mit denen sich Fitnessanlagen konfrontiert sehen. Eine gängige, wenn auch kritische Berechnungsform der Fluktuationsquote setzt über einen 12-monatigen Zyklus hinweg die absolute kumulierte Anzahl aller wirksamen Kündigungen mit der durchschnittlichen Mitgliederzahl in Beziehung5. Jedoch lassen sich auch diese Kennzahlen innerhalb der Branche nur schwer folgerichtig einordnen, vergleichen und als Leistungsindex verwenden, da zum einen oftmals keine Einigkeit in Theoriegeleitete Aspekte der Kundenbindung 5 Vgl. Deloitte, 2008, S. 16 sowie Middelkamp/ Steenbergen, 2012, S. 129 SCIAMUS – Sport und Management Kundenbindung, dessen Management und erfolgversprechende Maßnahmen können in der Praxis nur nachhaltig funktionieren, wenn man über ein paar wesentliche theoretische Annahmen und Postulate Einigung erzielt. Kundenbindung Kundenbindung wird per definitionem als „…die Stabilisierung und Ausweitung der Kunde-Anbieter-Beziehung…“ beschrieben und „…umfasst sämtliche Maßnahmen eines Dienstleistungsunternehmens, die darauf abzielen, sowohl die tatsächlichen Verhaltensweisen als auch die zukünftigen Verhaltensabsichten des Kunden gegenüber dem Anbieter positiv zu gestalten.“7 Die Einflussnahme auf tatsächliches und beabsichtigtes Kundenverhalten lässt sich durch verschiedene Formen der Kundenbindung realisieren. In diesem Kontext, und für den Dienstleistungssektor Fitness relevant, können die faktische, d.h. vertragliche Bindung, die ökonomische und emotionale Bindung genannt werden.8 Eine vertragliche Bindung erfolgt hierbei durch Mitgliedschaftslaufzeiten und ökonomische Bindungsformen zielen darauf ab, im Preiskampf günstiger zu sein als der Wettbewerb. Unter Nachhaltigkeitsaspekten scheint eine emotionale Kundenbindung offensichtlich eine herausragende Stellung einzunehmen, zumal hiermit Konstrukte wie Kundenzufriedenheit, Loyalität, Vertrauen, Weiterempfehlung und Tole6 Vgl. ebd. 7 Vgl. Meffert/Bruhn, 2009, S. 101 8 Vgl. Bruhn, 2007, S. 126 Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 52 Abb. 1: Kundenbeziehungszyklus (Quelle: vgl. Bruhn, 2007, S. 117) ranz seitens des Kunden gegenüber dem Anbieter verbunden sind. Chronologisch betrachtet lassen sich Kunden und deren Verhältnis zum Anbieter in einem Kundenbeziehungszyklus darstellen9 (vgl. Abbildung 1). Wie deutlich wird, sind die einzelnen Stadien - Neukundengewinnung inkl. aller damit verbundenen Maßnahmen des aktiven und passiven Verkaufs; - Kundenbindung inkl. aller Maßnahmen, Kunden vor allem emotional zu überzeugen und somit eine stabile Beziehung zwischen Kunden und Anbieter herzustellen; ren Verlauf maßgeblich ist an dieser Stelle, wie die Beziehung zum Kunden begonnen wird. Menschliche Urteils-„fehler“ wie der Primacy/Recency-Effekt10, wie man dieses Phänomen in der Wahrnehmungspsychologie nennt, wirken nämlich auch während des ersten Kontakts zwischen Kunden und Fitnessanbieter bzw. beeinflussen die Wahrnehmung der gesamten Branche. Wirkungsvolle Mechanismen des Aufbaus einer stabilen Kundenbeziehung können im weiteren Verlauf dazu beitragen, den Beginn einer Abwendung vom Anbieter zu verzögern oder ggf. auch ganz zu vermeiden. unmittelbar aneinander gekoppelt und können nur im Gesamtkontext betrachtet werden. So beginnt bereits während der Akquise von Kunden, spätestens am sogenannten POS (point of sale) eine faktische Bindung. Entscheidend und für den weite- Indikatoren für erfolgreiche Kundenbindung lassen sich schließlich anhand des tatsächlichen Kundenverhaltens aber auch anhand der Verhaltensabsichten erkennen. Tatsächliches Kundenverhalten äußert sich in Fitnessclubs durch Fortführung der Mitgliedschaft oder auch durch Erneuerung eines Fitness-Abos und lässt sich an der Erneuerungsrate bzw. Fluktuationsrate bemessen. Darüber hinaus sind wesentliche Indikatoren das sogenannte Cross-Buying, Weiterempfehlungsquoten und letztlich auch die Akzeptanz von Preis- und Beitragserhöhungen. Zufriedene Mitglieder sind demnach toleranter gegenüber Preisveränderungen und zei- 9 Vgl. ebd., S. 117 10 Vgl. Hackfort/Regös/Schlattmann, 2005, S. 95 - Kundenrückgewinnung inkl. aller Maßnahmen, die Abwendung der Kunden vom Anbieter zu vermeiden, die Zuwendung und Überzeugung zu reanimieren und somit eine endgültige Abwanderung bzw. Kündigung abzuwenden SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 53 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 2: Intentionsbildung und -realisierung gen eine messbare Bereitschaft, ihren Club Freunden, Bekannten und auch Fremden zu empfehlen. Motive für ein Fitness-Engagement Wie beschrieben, beginnt Kundenbindung bereits während des ersten Kontakts zwischen Kunden und Anbieter. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein solcher Kontakt zustande kommt, ist ein grundlegendes Interesse des Kunden, Fitnesssport zu treiben, sich dementsprechend an einen Fitnessanbieter zu binden sowie die Bereitschaft, entsprechende damit verbundene Aufwendungen zu leisten. Dieses grundlegende Interesse „an etwas“ lässt sich im Kontext mit der Intentionalität menschlichen Handelns herleiten11. Abbildung 2 zeigt übersichtsartig die Phasen der Intentionsbildung und -realisierung. Wünsche, Absichten und Vorsätze lassen sich unweigerlich mit Beweggründen und Motiven zum Sporttreiben in Verbindung bringen. Es existiert eine Vielzahl an möglichen Motiven, sich dem Sport zuzuwenden12. Im Grunde genommen lassen sie sich unter physischen Aspekten (wie Gesundheit, körperliche Fitness, Prävention, Rehabilitation u.a.), sozialen Aspekten (wie Kontakte knüpfen, mit Freunden und in der Gemeinschaft Sport treiben 11 Vgl. Kriegel, 2004, S. 36 12 Vgl. Baart de la Faille-Deutekom/Middelkamp, 2012, S. 116 ff. SCIAMUS – Sport und Management u.a.) sowie unter psychischen Aspekten (wie Stressabbau, Entspannung, Ausgleich u.a.) zusammenfassen. Außerdem ist festzuhalten, dass zwischen Zuwendungs-, Fortführungs- und Abwendungsmotiven unterschieden werden kann13. So kann es passieren, dass sich ursprüngliche Beweggründe, sich für eine Fitnessmitgliedschaft zu entscheiden, im Laufe der Zeit ändern, ja sogar völlig in den Hintergrund treten und dafür andere Motive oder ein Komplex an Motiven das Handeln bestimmen. Spaß und Freude ist hierbei sicherlich eine hauptsächliche Antriebsfeder, ergibt sich jedoch aus der Summe intrinsischer und extrinsischer Motivatoren und ist daher als Globalmotiv zu kennzeichnen. Die Motive von Kunden seriös und ernsthaft zu ermitteln, sie zu kennen und einordnen zu können und entsprechende persönliche Handlungs- und Fitnessempfehlungen abzugeben, ist ein wesentlicher Aspekt der Kundenbindung und beeinflusst insbesondere zu Beginn einer Kundenbeziehung den weiteren Beziehungsverlauf. Kundenzufriedenheit Es ist unstrittig, dass sich nur zufriedene Kunden auch tatsächlich an einen Fitnessanbieter binden. Während einige Fitnessanbieter gänzlich darauf verzichten, sich mit der Zufriedenheit ihrer Kunden auseinanderzusetzen, unternehmen andere 13 Vgl. Hackfort, 2001, S. 211 ff. Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios Anbieter, teils durchaus erfolgreich, den Versuch, systematisch ihre Kunden und Mitglieder zu befragen. Abgesehen davon, dass dabei Grundlagen empirischer Befragungsmethoden beachtet werden sollten, fällt es einigen Fitnessanbietern schwer, die gewonnenen Daten auswerten und interpretieren zu können. Insbesondere die Herleitung sinnvoller Handlungsmaßnahmen aus den Befragungsergebnissen können jedoch dazu beitragen, nachhaltig die Zufriedenheit und somit die Bindungsbereitschaft der Kunden zu beeinflussen. Abbildung 3 zeigt in Anlehnung an Bruhn14 in vereinfachter Darstellung eines so genannten C/D-Paradigmas (Confirmation/Disconfirmation-Paradigma) die Zusammenhänge zwischen Kundenerwartungen, Kundenwahrnehmung und jeweiligen „Zufriedenheitsgraden“. Abb. 3: Konstrukt der Kundenzufriedenheit (Quelle: in Anlehnung an Bruhn, 2007, S. 116) 54 Hierbei geht es nicht um die einzelnen Instrumente, die zur Kundenzufriedenheit führen, sondern vielmehr darum, dass Kunden grundsätzlich mit einer dargebotenen und entsprechend auch wahrgenommen Leistung zufrieden sind, die Erwartungen also mindestens erfüllt, bestenfalls übererfüllt werden. Aus dieser Perspektive betrachtet ist Kundenzufriedenheit somit ein Ergebnis verschiedener umfangreicher Verarbeitungsprozesse. Wie aus der Abbildung zu erkennen ist und wie es sicherlich auch jeder durch Selbstbeobachtung erfahren kann, nehmen Kunden stets eine gewisse Erwartungshaltung ein, bevor sie eine Dienstleistung in Anspruch nehmen. Am Fitnesssport interessierte Menschen, die sich erstmalig dazu entschlossen haben, Mitglied in einem Fitnessclub zu werden, betreten die Einrichtung mit besonderen Erwartungen und Einstellungen. Diese Einstellungen sind unter anderem durch das Image der Branche und des Clubs im speziellen geprägt, werden aber auch beeinflusst durch antizipierte Situationen innerhalb einer jeweils unbekannten und oftmals auch beängstigenden Umgebung. In solchen Situationen können Mitarbeiter von Fitnessclubs durch ausgeprägte soziale Fähigkeiten und der Kompetenz das „Eis zu brechen“, vorherrschende Zweifel, Bedenken oder Vorurteile eingrenzen und das beabsichtigte Leistungsspektrum authentisch präsentieren. Im Anschluss an die eben in Kurzform dargestellte Situation nimmt der Kunde einen Vergleich zwischen den ursprünglichen Erwartungen einerseits und der empfundenen Wahrnehmung der Leistung andererseits vor und ist letztlich begeistert, zufrieden oder unzufrieden. Dieses Zusammenspiel lässt sich generell sowohl auf aktuelle Einzelsituationen (z. B. eine Beratungsstunde), aber auch auf langandauernde Umstände (z. B. eine bereits seit längerer Zeit bestehende Mitgliedschaft) übertragen. 14 Vgl. Bruhn, 2007, S. 116 SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 55 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 4: Kano-Modell zur Kundenzufriedenheit (Quelle: Bruhn, 2008, S. 44 ff.) Im Zusammenhang mit dem Konstrukt der Kundenzufriedenheit (siehe Abb. 3) lassen sich weiterführende Erklärungsmodelle anführen. So formulierten Parasuraman, Zeithaml und Berry (1986)15 durch empirische Analysen so genannte GAPs, mit Hilfe derer die Interaktionsbeziehungen und potenziellen Konfliktfelder zwischen Kunden und Dienstleister identifiziert wurden. Daraus resultierte ein Diskrepanz-Modell (GAP-Modell) der Dienstleistungsqualität, auf das an dieser Stelle verwiesen wird16. Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung lässt sich mit Hilfe des Kano-Modells zur Kundenzufriedenheit17 darstellen. In Ergänzung zu den oben genannten Faktoren und Zusammenhängen geht es stets um die Erwartungen der Kunden einerseits und um den Erfüllungsgrad seitens des Dienstleistungsanbieters anderer15 Vgl. Bruhn, 2008, S. 91 ff. 16 Ebd., S. 89 ff. 17 Ebd., S. 44 ff. SCIAMUS – Sport und Management seits. Entscheidend sind hierbei die Anforderungsdimensionen des Kunden. So kann man zwischen Grundforderungen, Leistungsforderungen und Begeisterungsanforderungen unterscheiden. Grund- oder auch Basisforderungen („Muss-Anforderungen“) werden als Selbstverständlichkeit gefordert, die durch Kunden in keinem nennenswerten Umfang honoriert oder gar als besonderes Dienstleistungsmerkmal wahrgenommen werden. Während die Erfüllung vorausgesetzt wird, führt die Nichterfüllung zur Unzufriedenheit. Für Fitnessclubs können als Grundforderungen Hygiene, Sauberkeit, Funktionalität und Funktionsfähigkeit von Trainingsgeräten formuliert werden. Leistungsforderungen („Soll-Anforderungen“) hingegen sind explizit vom Kunden geäußerte Erwartungen an die propagierte Dienstleistung. Ein Fitnessanbieter, der mit individuellen Beratungs- und Betreuungsleistungen wirbt, wird dementThemenheft Strategisches Management für Fitnessstudios sprechend auch an der Abrufbarkeit und Verfügbarkeit dieser Leistungen gemessen. Begeisterungsanforderungen („KannAnforderungen“) schließlich sind jene Leistungskriterien, mit denen Kunden in aller Regel nicht rechnen und somit auch nicht automatisch als Dienstleistung erwarten. Die Erfüllung von Leistungsanforderungen führt bei Kunden zu einer überproportional hohen Wahrnehmung der gesamten Qualität, eine Nichterfüllung wirkt sich hingegen nicht aus. Beispiele hierfür sind die namentliche Nennung von Mitgliedern durch Mitarbeiter, die Beschenkung der Mitglieder an speziellen Tagen (Valentinstag) oder auch ausgewählte und besonders inzenierte Kundenevents. Bringt man diese drei Arten der Anforderungen bzw. Kundenerwartungen in einen zeitlichen Kontext, ergeben sich entsprechende Herausforderungen an den Dienstleistungsanbieter. Der Grund liegt darin, dass im Laufe der Zeit und einer kontinuierlichen Bereitstellung der Kundenforderungen die Erwartungen an die Dienstleistung wachsen. Mehrmals dargebotene Begeisterungsleistungen werden nämlich irgendwann als „normal“ und selbstverständlich betrachtet und somit vorausgesetzt. Diese Veränderung des Erwartungsniveaus zeigt Homburg18 und verwendet hierfür die sechs Typologisierungen der Zufriedenheit (progressive Zufriedenheit/Unzufriedenheit, stabile Zufriedenheit/Unzufriedenheit und resignative Zufriedenheit/Unzufriedenheit). Erfolgsfaktoren der Kundenbindung Die Frage, welche Faktoren unmittelbar dazu beitragen, Kunden zufrieden zu stellen und dadurch zu einer wirkungsvollen und nachhaltigen Kundenbindung beitragen, lässt sich pauschal nicht klären. Je nach wissenschaftstheoretischer Perspek18 Vgl. Homburg, 2008, S. 29 SCIAMUS – Sport und Management 56 tive findet sich eine Vielzahl an Erklärungsansätzen. Aus Autorensicht lassen sich Faktoren, die für eine generalisierte und nachhaltige Kundenbindung verantwortlich gemacht werden können und somit gleichsam auch kritische Faktoren sind, aus dem handlungstheoretischen Ansatz ableiten19. Ausgehend davon, dass menschliche Handlungen immer intentional sind, ergeben sich Handlungssituationen stets aus einem Beziehungsgefüge bestimmter Grundkomponenten. Diese Komponenten, die eine Handlung erst ermöglichen, sind die handelnden Personen an sich, die Umwelt, in der sich die Personen bewegen sowie Aufgaben, die sich aus dem reinen Person-Umwelt-Bezug ergeben. Abb. 5: Grundkomponenten einer Handlungssituation Menschliche Handlungen, und zu denen gehören auch aus der Mikroperspektive alle erdenklichen Tätigkeiten, Aktionen, Interaktionen usw. (Handlungsebene), aber auch bereichsspezifische Handlungen aus der Makroperspektive, die sich innerhalb verschiedener (Lebens-)Umstände wie Arbeitssituation, Freizeitsituation usw. (Tätigkeitsebene) erfassen lassen, werden also durch die drei Grundkomponenten bestimmt und definiert. Da Handlungen stets subjektiven Charakter haben, lassen sich die drei 19 Vgl. Nitsch/Hackfort, 1981; Hackfort, 1986; Hackfort/Munzert/Seiler, 2000; Nitsch, 2004 Themenheft 57 Strategisches Management für Fitnessstudios Tab. 1: subjektive Situationsdefinitionen genannten Handlungskomponenten in subjektive Situationsdefinitionen klassifizieren. Solche subjektiven Situationsdefinitionen20 zeigt Tabelle 1. Deutlich wird, dass die Komponenten aller Handlungen sowohl aus der Fähigkeitsals auch aus der Wertigkeitsperspektive subjektiv betrachtet, bewertet und verfolgt bzw. realisiert werden. Es geht also darum, dass Subjekte (Personen), die sich innerhalb einer Umgebung (Umwelt) aufhalten und dementsprechend immer eine Aufgabe erledigen [selbst, wenn man nichts unternimmt, handelt man], diese Situation nach dem Muster bewerten und einschätzen; a) Kompetenz/Können: „Kann ich das?, „Sind die örtlichen Gegebenheiten angemessen?“, „Schaffe ich die Aufgabe?“ und b) Valenz/“Wollen“: „Bin ich bereit dazu?“, „Sind die örtlichen Gegebenheiten reizvoll?“, „Ist die Aufgabe reizvoll?“. Vor diesem theoretischen Hintergrund lassen sich also drei Faktoren markieren, die als Schlüssel oder Stellschrauben für eine erfolgreiche Kundenbindung identifiziert werden können21. Es sind demnach immer die handelnden Personen eines Fitnessclubs, die mit ihrem Engagement, ihren Fähigkeiten und ihrer Bereitschaft für eine positive Kundenbeziehung sor20 Vgl. Nitsch/Hackfort, 1981; Hackfort, 1986; Nitsch, 2004 21 Vgl. Middelkamp/Steenbergen, 2012, S. 133 SCIAMUS – Sport und Management gen. Ergänzend sind es die räumlichen Gegebenheiten oder auch physical facilities, die Atmosphäre, das oft zitierte „look & feel“, die Hygiene, der Zustand sanitärer Anlagen, die Aufteilung der Trainingsgeräte, Lichtkonzepte usw., die für ein hohes Maß an Wohlbefinden der Kunden sorgen. Aus einer anderen Perspektive sind obendrein Standortparameter (Mikro- und Makrostandort), wie Anbindung, Erreichbarkeit, Umgebung und Parkmöglichkeiten zu nennen. Schlussendlich sind es die Angebote, sowohl aus qualitativer als auch aus quantitativer Sicht, welche das Ausmaß der Zufriedenheit und damit auch den Grad der Kundenbindung bestimmen. Hierzu zählen sowohl klassische Kräftigungs- und Ausdauerangebote, Kurse und Wellness, aber auch spezielle und/oder exklusive Formen des Trainings wie Personal Training, Training mit Sondergruppen, zielgruppenspezifische Trainingsangebote uvm. Kunden gleichen, wie oben bereits erläutert, erwartete und wahrgenommene Leistungen fortwährend ab. Wie ebenfalls beschrieben, bemisst sich daran auch eine gewisse Preisakzeptanz und -toleranz. Eine große Herausforderung für Fitnessclubs ist es also, stets an den genannten Erfolgsfaktoren zu arbeiten und somit nachhaltig Kunden von dem Angebot und der dargebotenen Leistungen zu überzeugen. Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 58 Kundenbindungsmanagement (CRM) Das Management von Kundenbindung (CRM) orientiert sich klassischerweise an den Werkzeugen und Instrumenten, die auch in anderen Bereichen des Managements zur Anwendung kommen. Es ist die systematische Planung, Durchführung, Kontrolle und Anpassung sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Maßnahmen mit dem Ziel, dass die Kunden auch zukünftig treu bleiben und ihre emotionale Verbundenheit weiter ausgebaut werden kann. Hierzu gehört im Wesentlichen • Stammkundenorientierung • Ein tatsächlich gelebter und praktizierter Managementprozess • Kundenbindungsmanagement allen Geschäftsebenen • Nachhaltigkeit, Zukunftsorientierung und Kontinuität auf Als entscheidend hat sich herausgestellt, dass sich Geschäftsleitungen und Verantwortliche in Fitnessanlagen selbst zu einem Management der Kundenbindung bekennen müssen und es, ähnlich wie auch für Qualitätsmanagement-Systeme zutreffend, als ein Führungsinstrument erkannt und gelebt wird. Management bedeutet hierbei, an den Erfolgsfaktoren (Personen, Umgebung/Umwelt, Angebote) systematisch und nicht zufällig zu arbeiten und sie stets nach dem Prinzip des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) zu optimieren. Ein wesentlicher Mechanismus zur Gewährleistung dieser Systematik besteht in dem System selbst. Was sich in Unternehmen der Produktion seit Jahrzehnten längst etabliert hat und im Laufe der Zeit auch in Dienstleistungsbereichen zur Anwendung kommt, sind prozessorientierte Arbeitsweisen. Insbesondere für die Fitnessbranche und den zukünftigen Chancen, aber auch den großen Herausforderungen scheint eine Etablierung des prozessge- leiteten Arbeitens inklusive damit verbundener Kennzahlensysteme, hier im Speziellen für ein Kundenbindungsmanagement, von großer Bedeutung zu sein. Praxisrelevante Maßnahmen Kundenbindung zur Nachdem wesentliche theoretische Kernaspekte zur Kundenzufriedenheit und Kundenbindung erläutert wurden, geht es nun darum, wesentliche praxisrelevante Möglichkeiten zum Kundenbindungsmanagement aufzuzeigen. Entscheidend für ein effektives und kundenorientiertes Bindungsmanagement ist zunächst die Kenntnis darüber, wer eigentlich die Kunden sind, was die Bedürfnisse sind und welche Erwartungen sie an den Fitnessclub stellen. Wie oben bereits angedeutet lassen sich nämlich hier gegebenenfalls verschiedene Diskrepanzen zwischen Kunden und Fitnessanbieter identifizieren (Gap-Modell). Zur Kenntnis einer tatsächliche Erwartung und Zufriedenheit gelangt man durch Messmethoden zur Dienstleistungsqualität, die sich durch eine Vielzahl an unterschiedlichen Ansätzen abbilden lassen22. Ein solcher Ansatz ist z. B. die Servqual-Methode, deren Name sich aus Service und Qualität zusammensetzt. Hieraus gingen mittels empirischer Vorgehensweise und im Kontext mit der Formulierung des Gap-Modells (siehe oben) durch Parasuraman, Zeithaml und Berry (1986) insgesamt fünf Qualitätsdimensionen hervor. • Tangibles Umfeld, wozu sowohl das äußere Erscheinungsbild als auch der Zustand der Räumlichkeiten und des Personals zu zählen ist. • Zuverlässigkeit als Fähigkeit, versprochene Leistungen auch erfüllen zu können. • Reaktionsfähigkeit, was Bereitschaft 22 Vgl. Bruhn, 2008, S. 129ff. SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 59 Strategisches Management für Fitnessstudios und Geschwindigkeit beschreibt, die Kundenwünsche zu erfüllen. • Leistungskompetenz als Merkmal der grundsätzlichen Fähigkeit, insbesondere der Mitarbeiter • Einfühlungsvermögen als Bereitschaft und Fähigkeit, Kundenwünsche zu erfassen und zu erfüllen (vgl. Situationsdefinitionen). Unabhängig davon, mit welchen Messmethoden die Ausprägung solcher Qualitätsdimensionen ermittelt wird, ist offenkundig, dass die oben beschriebenen Erfolgsfaktoren Personen/Personal/Mitarbeiter, die Umwelt/Umgebung/räumliche Gegebenheiten und die Aufgabe/die Angebote jene Stellschrauben darstellen, mit Hilfe derer Qualität maßgeblich beeinflusst werden kann. Letztendlich geht es darum, Erwartungen der Kunden mindestens zu erfüllen (Kundenzufriedenheit), besser noch über zu erfüllen (Kundenbegeisterung) und keinesfalls zu enttäuschen (Kundenunzufriedenheit). Die Fokussierung auf diese Faktoren ermöglicht es demnach, Grundforderungen der Kunden zu gewährleisten und zu garantieren, Leistungsforderungen zu erfüllen und regelmäßig durch außergewöhnliche Maßnahmen zu begeistern. Faktor Personen/Personal/Mitarbeiter Dienstleistungen ist es zu Eigen, dass sie durch Mitarbeiter erbracht werden. Dementsprechend müssen auch die zur Erbringung der geforderten Qualitätsstandards notwendigen Kompetenzen und Valenzen vorhanden sein. Mitarbeiter sollten also Fähigkeiten und Anlagen besitzen, um von Kunden erwartete Dienstleistungen in vollem Umfang erbringen zu können. Es geht aber, wie bereits geschildert, nicht nur um die Fähigkeiten, sondern auch um die Bereitschaft und den Willen, diese Fähigkeiten täglich im Cluballtag auch abzurufen. Folgender Anforderungskatalog für Mitarbeiter ist erfolgSCIAMUS – Sport und Management versprechend: Fachkompetenz: • Fachliche Qualifikationen die zur Ausübung notwendig sind, wie z. B. Trainerqualifikationen • Gewisses Maß an Allgemeinbildung • ggf. Berufserfahrung Sozialkompetenz: • Fähigkeit zur Rücksichtnahme • Einfühlungsvermögen • Kommunikations-, Kontakt- und Teamfähigkeit • Kritik- und Konfliktfähigkeit • (Fremd-)Motivationsfähigkeit Personale Kompetenz: • Fähigkeit zur Selbsteinschätzung und -reflexion • Spezifische Ausprägungen der elementaren Persönlichkeitseigenschaften der Bereiche emotionale Stabilität, Extraversion, Kreativität, Verträglichkeit und Gewissenshaftigkeit • Toleranz • Selbständigkeit • (Selbst-)Motivation Methodenkompetenz: • Techniken und Methoden, die zur Anwendung der fachlichen Fähigkeiten notwendig sind (z. B. Umgang mit speziellen Testgeräten oder Computersystemen) • Ausdrucksfähigkeit in Wort, aber auch in Schrift Spezifische Kompetenz: • Entscheidungsfähigkeit • Führungskompetenz (vorrangig für Führungskräfte) „Knigge“: • Umgangsformen • Auftreten Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios • Erscheinungsbild Aktivierungskompetenz: • Umsetzungs- und Realisierungsfähigkeit Solche Anforderungen an Mitarbeiter müssen sowohl im Rahmen der Personalauswahl als auch innerhalb von regelmäßigen Personalentwicklungsprogrammen geprüft, geschult und weiterentwickelt werden. Hierdurch werden nicht nur Fähigkeiten der Mitarbeiter kontinuierlich verbessert, sondern dies wirkt sich im ganz erheblichen Maße auch positiv auf die Zufriedenheit des Personals aus. Wie bekannt ist und getreu dem Philosophen Aurelius Augustus (354 – 430 n. Chr.)23, beeinflusst die Zufriedenheit von Mitarbeitern unmittelbar die Zufriedenheit der Kunden. Darüber hinaus sind Maßnahmen des internen Marketings sinnvoll, um den Mitarbeitern einen deutlichen Mehrwert der Mitarbeiterschaft zu offerieren. Wesentlicher Bestandteil einer effektiven Kundenbindung ist an dieser Stelle auch die Schaffung, Pflege und Moderation von Community-Programmen. Hierbei geht es darum, Mitarbeiter als „personifizierte Unternehmensgesichter“ und Kunden zusammenzubringen und somit sowohl einen inter- als auch intra-kommunikativen Austausch zu ermöglichen. Kunden können somit Teil der Gemeinschaft im Sinne eines Wir-Gefühls werden und die notwendige Emotionalität entwickeln. Faktor Umwelt/Umgebung/räumliche Gegebenheiten Die räumlichen Bedingungen und Gegebenheiten lassen sich nur schwer beeinflussen, zumindest lässt sich dies für den Standort an sich und die unmittelbare Umgebung (Mikro- und Makrostandort) behaupten. Hier kann man als Fitnessclub jedoch Maßnahmen ergreifen, indem Kunden über aktuelle Verbindungen öffentli23 „Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen.“ SCIAMUS – Sport und Management 60 cher Verkehrsmittel informiert werden. Weiter kann es sinnvoll sein, Fahrgemeinschaften zu fördern und zu initiieren. Die Nutzbarkeit vorhandener Parkplätze sollte zudem gewährleistet sein, indem z. B. gegen Parknomaden vorgegangen wird. Betrachtet man die räumlichen Bedingungen aus der Mikroperspektive als „physical facilities“, so lassen sich eindeutige Maßnahmen nennen, um positiv auf die Zufriedenheit von Kunden einzuwirken. Wie bereits oben erwähnt, gehört Hygiene und Sauberkeit nicht, wie oft angenommen, zu besonderen und nennenswerten Merkmalen einer Fitnessanlage. Wer hat schon einmal im Leistungskatalog einer Werbebroschüre den Claim „gut gereinigter Fitnessclub“ gelesen? Hygiene und Sauberkeit ist als Selbstverständlichkeit zu gewährleisten, die durch Kunden nur selten ausdrücklich honoriert wird. Eine entsprechend gut organisierte und effektive Reinigung, sichtbare Reinigungskontrollen und Vermerke sind deshalb Möglichkeiten, auf Kundenbindung positiv einzuwirken. Weiterhin lässt sich die Atmosphäre, Temperatur und Beleuchtung aller verfügbaren Räume je nach Nutzungsbestimmung unmittelbar beeinflussen, indem Mitarbeiter stets aufmerksam sind und situationsgerecht reagieren. Faktor Aufgabe/Angebot Betrachtet man das Angebot als einen weiteren Aspekt, der unmittelbar Kundenzufriedenheit beeinflusst, so lassen sich folgende praxisrelevante Maßnahmen festhalten. Wird eine Angebotspalette definiert, so sollte diese regelmäßig auf Akzeptanz der Kunden überprüft und angepasst werden. Wie oben bereits erwähnt, gilt auch hier der Community-Gedanke, der sich realisieren lässt, indem Mitglieder aktiv und systematisch danach befragt werden, inwieweit sowohl angebotene als auch existierende Programme und Produkte er- und gewünscht Themenheft 61 werden. Der Bedarf kundenorientierter und zielgruppenspezifischer Trainingsformen wie bspw. Abnehmkurse, Training für Kinder, so genannte small group – Trainings, Bewegung für und mit Schwangeren uvm. lässt sich leicht ermitteln und einführen, wenn entsprechende Umfragen durchgeführt, ausgewertet und umgesetzt werden. Das „Ohr am Kunden“ betrifft hier sowohl die Quantität als auch die Qualität der Angebote. Prozesse Die in Kurzform beschriebenen Maßnahmen, um die relevanten Erfolgsfaktoren Personen (P), Umgebung (U) und Angebot (A) zur Kundenzufriedenheit positiv zu beeinflussen und somit zur Kundenbindung beizutragen, dürfen nicht dem Zufall überlassen bleiben, sondern müssen systematisch, nachvollziehbar, nachhaltig und gemäß vorgegebener interner Standards arrangiert werden. Diese Systematik lässt sich nur durch prozessorientiertes Arbeiten auf allen Ebenen realisieren. Hierzu sind Managementprozesse genauso notwendig, wie die Beschreibung von Arbeitsabläufen im direkten Umgang mit Kunden. Kundenbindungsmanagement stellt somit eine allumfassende Sichtweise und Unternehmenskultur dar, weshalb es nicht, wie in der Praxis oft angenommen, explizit die Aufgabe einzelner Personen ist. Vielmehr ist Kundenbindung und dessen systematische Planung und Organisation eine Führungsaufgabe, woraus eindeutige, aber dennoch individuell durch Mitarbeiter und Kunden gemeinsam gestaltbare Handlungsanweisungen abgeleitet werden können. Prozessorientierte Arbeitsabläufe tragen demnach indirekt immer wirkungsvoll zum Kundenbindungsmanagement bei. SCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios Schlussbetrachtung Bevor über ein Management von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung nachgedacht wird, muss man sich über verschiedene grundlegende theoretische Aspekte verständigen. Werden diese Aspekte als Paradigmen angenommen, beginnt danach die eigentliche Konstruktion von Maßnahmen, die in der Praxis und im Alltag eines Fitnessclubs zu einer wirksamen Kundenbindung führen. Hierbei ist es zunächst irrelevant, welche technischen Instrumente, Computerprogramme oder CRM-Tools verwendet werden. Sie sollten als unterstützende Werkzeuge eingesetzt werden, um eine Kultur und Unternehmensphilosophie effizient umsetzen zu können. Kundenbindung ist eine Führungsaufgabe und durchdringt die gesamte Architektur clubinterner Abläufe sowie die gesamte Aufbauorganisation. Sie ist nicht nur Aufgabe einzelner Mitarbeiter, die sich diverser vorgegebener Hilfsmittel bedienen. Kundenbindungsmanagement wird erst dann zu einer wesentlichen Fragestellung, wenn es über vertragliche Kundenbindung hinaus geht. Effektiv und nachhaltig ist es, Kunden auf emotionaler Ebene zu überzeugen und zu begeistern. Dies geschieht über Interaktion und Kommunikation. Emotionalität darf hierbei aber keine zufällige Momentaufnahme sein, sondern sollte systematisch erfolgen. Positiv gerichtete Emotionalität kann aber nur erzeugt werden, wenn Mitarbeiter, die täglich direkten Kundenkontakt haben und somit in jedem Augenblick für die Kundenbindung verantwortlich sind, selbst im tiefsten Inneren überzeugt sind. Kurzum lässt sich Kundenbindung managen, wenn man • alle wesentlichen Arbeitsweisen innerhalb des Unternehmens prozessorientiert organisiert • die an der Dienstleistung beteiligten Mitarbeiter gezielt und systeThemenheft Strategisches Management für Fitnessstudios matisch auswählt, weiterbildet und motiviert • Kundenwünsche und -erwartungen kennt und berücksichtigt • Kunden und Mitarbeiter in die Leistungsgestaltung aktiv integriert • Örtliche Gegebenheiten kommuniziert sowie die Räumlichkeiten in erwartetem Zustand bereitstellt • Das Leistungs- und Angebotsspektrum kundenorientiert erstellt und stets anpasst. Zum Autor Prof. Dr. Ralf Kriegel Carl-Spitzweg-Ring 15 82178 Puchheim Tel: 0173-7228952 E-Mail: [email protected] [email protected] Ralf Kriegel studierte Pädagogik und Sportwissenschaften an den Bundeswehruniversitäten Hamburg und München. Er promovierte zum Dr. phil. mit dem Thema: „Eine am Situationskonzept orientierte Sportartenempfehlung – Theorie, methodische Entwicklung und Realisierung im Internet“. Darüber hinaus verfügt er über zahlreiche Qualifikationen: Ausbildung zum QM-Beauftragten (QMB) und zum QM-Auditor (QM-A) bei der TÜV-Akademie GmbH Süddeutschland, Ausbildung zum Sportpsychologen (asp/bdp) durch das Curriculum „Sportpsychologie im Leistungssport“ der Arbeitsgemeinschaft Sportpsychologie (asp) und des Bundes Deutscher Psychologen (bdp) sowie Ausbildung zum Projektleiter bei der TÜV-Akademie GmbH Süddeutschland. Seit 2008 ist er als Professor für Sportmanagement in Teilzeit an der Fachhochschule für angewandtes Management Erding (FhaM) tätig. Seine praktische Erfahrung im Fitnessbereich sammelte er bei body + soul Group AG & Co. KG sowie der Migros Freizeit Deutschland GmbH, Marke ELEMENTS. SCIAMUS – Sport und Management 62 Literatur Bruhn. M. (2007). Kundenorientierung, Bausteine für ein exzellentes Customer Relationship Management (CRM). 3. überarbeitete Auflage. München: dtv-Verlag. Bruhn, M. (2008). Qualitätsmanagement für Dienstleistungen, Grundlagen – Konzepte – Methoden. 7. überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag. Gronau, N. & Ludwig, S. (2012). Der Deutsche Fitnessmarkt – Studie 2012. Düsseldorf: Deloitte. Hackfort, D. (1986). Theorie und Analyse sportbezogener Ängstlichkeit. Ein situationsanalytischer Ansatz. Schorndorf: Hofmann-Verlag. Hackfort, D. (2001). Psychologische Aspekte des Freizeitsports. In: H. Gabler, J.R. Nitsch & R. Singer (Hrsg.), Einführung in die Sportpsychologie. Teil 2: Anwendungsfelder. 2. erweiterte und überarbeitete Auflage (S. 207-236), Schorndorf: Hofmann-Verlag. Hackfort, D., Munzert, J., Seiler, R. (2000). Handlungstheoretische Perspektiven für die Ausarbeitung eines handlungspsychologischen Ansatzes. In: D. Hackfort, J. Munzert & R. Seiler (Hrsg.), Handeln im Sport als handlungstheoretisches Modell (S. 31-46). Heidelberg: Asanger-Verlag. Hackfort, D., Regös, R. & Schlattmann, A. (2004). Effekte beim Handeln. 100 Beispiele aus Sport, Beruf und Alltag. Aachen: Meyer & Meyer-Verlag. Homburg, C. & Stock-Homburg, R. (2008). Theoretische Perspektiven zur Kundenzufriedenheit. In: C. Homburg (Hrsg.) Kundenzufriedenheit, Konzepte – Methoden – Erfahrungen. Reihe: Wissenschaft & Praxis, 7. überarbeitete Auflage (S. 1752). Wiesbaden: Gabler-Verlag. Kriegel, R. (2004). Eine am Situationskonzept orientierte Sportartenempfehlung. Theorie, methodische Entwicklung und Realisierung im Internet. Unveröffentlichte Dissertation. Universität der Bundeswehr München, Neubiberg. Themenheft 63 Meffert, H. & Bruhn. M. (2009). Dienstleistungsmarketing, Grundlagen – Konzepte – Methoden. 6. Vollständig neubearbeitete Auflage. Wiesbaden: Gabler-Verlag. Middelkamp, J. & Steenbergen, J. (2012). Kundenbindung im Fitnessstudio. In: M. Baart de la Faille-Deutekom, J. Middelkamp & J. Steenbergen (Hrsg.), The state of research in the global fitness industry (S. 128-139). Zeist: HDD Group / Kennispraktijk. Nitsch, J.R. (2004). Handlungstheoretische Grundlagen der Sportpsychologie. In: H. Gabler, J.R. Nitsch & R. Singer (Hrsg.), Einführung in die Sportpsychologie. Teil 1: Grundthemen. 4. unveränderte Auflage (S. 43-164), Schorndorf: Hofmann-Verlag. Strategisches Management für Fitnessstudios Nitsch, J.R. & Hackfort, D. (1981). Stress in Schule und Hochschule – Eine handlungspsychologische Funktionsanalyse. In: J.R. Nitsch (Hrsg.), Stress, Theorien, Untersuchungen, Maßnahmen (S. 263311). Bern: Huber-Verlag. Rutgers, H. (2012). Marktumfang und Kennzahlen. In: M. Baart de la FailleDeutekom, J. Middelkamp & J. Steenbergen (Hrsg.), The state of research in the global fitness industry (S. 16-27). Zeist: HDD Group / Kennispraktijk. Frank Daumann & Lev Esipovich Markenaufbau – Der Weg zum Erfolg Abstract Für den Geschäftserfolg ist das Vorhandensein einer starken Marke von hoher Bedeutung. Diese sorgt für eine nachhaltige Sicherung der Wettbewerbsposition, woraus sich eine höhere Rentabilität ergibt und der gesamte Unternehmenswert gesteigert wird. Auch auf dem heutigen Fitnessmarkt wird die Marke immer mehr zum zentralen Erfolgsfaktor für die Anbieter, indem sie für eine Präferenzbildung bei Konsumenten dient und eine Differenzierung von mehr oder weniger homogenen Fitnessdienstleistungen schafft. Dadurch stützt sie entscheidend die Kundenbindung und Kundengewinnung in Fitnessstudios. Aber was ist überhaupt eine Marke? Welche konkreten Funktionen erfüllt sie im Wettbewerb und wie kann eine Marke aufgebaut werden? Der vorliegende Beitrag strebt an, diesen drei Fragen nachzuge- SCIAMUS – Sport und Management hen, indem einige Grundgedanken der Markenbildungstheorie aufgegriffen werden. Dabei werden Besonderheiten des Markenaufbaus bei Fitnessanbietern als Dienstleistungsunternehmen herausgestellt. 1. Was ist eine Marke? In der Fachliteratur finden sich für den Begriff „Marke“ eine Vielzahl von Definitionen, die sich stark voneinander unterscheiden. Eine Analyse des Markenbegriffs ergibt drei Definitionsebenen. Nach dem ursprünglichen Verständnis ist eine Marke (griech. Marka = Zeichen) eine äußere physische Markierung bzw. Kennzeichnung, die auf die Herkunft des Artikels hinweist. Demgemäß stellt eine Marke im Sinne von Markierung einen Namen, Begriff, ein Zeichen, eine spezielle Gestaltungsform oder eine Kombina- Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 64 Abb. 1: Begriff "Marke" (eigene Darstellung) tion aus diesen dar.1 Der Begriff „Marke“ wird auch im Rechtswesen verwendet. Unter einer Marke wird im juristischen Sinne ein gewerbliches Schutzrecht verstanden. Die Marke im Sinne des Schutzrechtes wird im Markengesetz geregelt.2 Die beiden dargelegten Betrachtungsweisen sind rein formaler Natur und greifen zu kurz, wenn man die besondere Wirkung von Marken auf die Wahrnehmung der Konsumenten betrachtet: Durch eine kurze Begegnung mit einfachen Markensymbolen wie einem Apfel oder wenigen Buchstaben wie IBM werden in den Köpfen der Konsumenten gleich konkrete Meinungen und Vorstellungen von der jeweiligen Marke hervorgerufen. Diese schlagen sich in unbewussten und bewussten Wert- und Nutzenassoziationen in Bezug auf die Marke nieder, wodurch das Kaufverhalten entscheidend geprägt wird. Marke als soziales Phänomen stellt einen Signalcode für ein Unternehmen dar, der ein einzigartiges Bündel an Werten verkörpert, das für den Konsumenten sofort wahrnehmbar und wiedererkennbar ist. Nach der Bewertung dieser Werte entsteht dabei beim Konsumenten ein bestimmtes Bild vom Nutzen der jeweiligen Marke. Demgemäß wird ein Fitnessanbieter bzw. sein Name erst dann zur Marke, wenn er in der Psyche des Konsumenten und sons1 Vgl. Esch, 2007, S.18 2 Vgl. ebd., S. 19 SCIAMUS – Sport und Management tigen Bezugsgruppen als ein einzigartiges, wiedererkennbares Set an Werten wahrgenommen wird.3 Den Kern der Marke bilden dabei sachlich-funktionale Werte wie Leistung, Innovation, Garantie usw. Beim Fitnessstudiobesuch können das beispielsweise die hervorragende Kompetenz des Personals und das Training an hochmodernen Fitnessgeräten sein. Daneben steht jede Marke für bestimmte emotionale, ästhetisch-kulturelle und/oder ethische Werte, die über das Produkt bzw. die Dienstleistung hinausgehen. Beispielsweise kann eine Marke Prestige, Status, Echtheit, Freude und andere Werte vermitteln. Zu unterstreichen ist an dieser Stelle, dass aufgrund der zunehmenden Austauschbarkeit von Produkten und der zunehmenden Sättigung der Märkte aktuell vor allem emotionale, ästhetisch-kulturelle oder ethische Werte einer Marke in den Vordergrund treten.4 2. Funktionen von Marken: Marke ist für alle ein Vorteil Eine Marke erfüllt zahlreiche Funktionen, indem sie den Konsumenten die Vorstellung über ein konkretes Bündel an Werten und Nutzenassoziationen vermittelt. So sind Menschen grundsätzlich aus ihrem Bequemlichkeitsstreben heraus dazu geneigt, den Suchaufwand zu reduzieren. 3 In Anlehnung an Börkirchner & Genler, 2005, S.29 4 Vgl. Essig, Soulas der Russel & Bauer, 2010, S.85 Themenheft 65 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 2: Funktionen der Marke aus Sicht des Konsumenten und Anbieters (eigene Darstellung) Marken kommen diesem Streben entgegen, indem sie den Nachfragern sofort bestimmte Informationen, beispielsweise über ein konkretes Fitnessstudio, vermitteln. Dadurch erleichtern sie den Konsumenten die Bewertung und Entscheidungsfindung, was schließlich zur Beschleunigung und Vereinfachung des Kaufentscheidungsprozesses führt (Entlastungsfunktion). Weiterhin schaffen Marken Klarheit in der Angebotsvielfalt und bieten damit für die Nachfrager eine bedeutende Orientierungshilfe, wie beispielsweise bei der Auswahl von Fitnessstudios (Orientierungsfunktion). Darüber hinaus vermitteln Marken durch ihre Bekanntheit, Kompetenz,Werte und Vertrauen (Vertrauensfunktion), indem sie als Garantie für eine bestimmte Qualität empfunden werden, was zur Minderung des subjektiv empfundenen Risikos beiträgt. Schließlich erfüllen Marken einige symbolische Funktionen wie Prestigeverleihung und Identitätsvermittlung (Symbolfunktion).5 im Dienstleistungsbereich (darunter auch bei Fitnesseinrichtungen) noch wichtiger als bei standardisierten Sachgütern.6 Dadurch, dass Marken für den Konsumenten Orientierung und Vertrauen schaffen, erlangen sie eine besondere Bedeutung im Dienstleistungsbereich. Aufgrund der Komplexität des Wertschöpfungsprozesses unterliegen Dienstleistungen einer komplizierteren Qualitätsstandardisierung als Sachgüter, was sich in einem höheren subjektiven Kaufrisiko für den Nachfrager niederschlägt. Aus diesem Grund ist das Schaffen von Vertrauen und Orientierung Durch die dargelegten Funktionen erlangen Marken für den Anbieter einen finanziellen Wert, was zur Steigerung des gesamten Unternehmenswerts führt. Der Markenwert wird dabei als der Barwert aller zukünftigen Einzahlungsüberschüsse definiert, die ursächlich auf die Marke zurückzuführen sind. Diese Einzahlungsüberschüsse ergeben sich dadurch, dass 5 Vgl. Burmann, Meffert & Koers, 2005, S.10ff. SCIAMUS – Sport und Management Die diversen Funktionen einer Marke aus Sicht der Konsumenten bieten dem (Fitness-) Anbieter zahlreiche Chancen. So schafft eine Marke eine Profilierung des Fitnessstudios. Dadurch hebt sich das eigene Leistungsangebot von konkurrierenden Angeboten ab, und Konsumenten können das Fitnessstudio durch besondere Eigenschaften deutlich von anderen Wettbewerbern auf dem Markt unterscheiden (Differenzierungsfunktion). Durch die Zufriedenheit mit einer Marke kann auch eine höhere Kundenbindung erreicht werden (Kundenbindungsfunktion). Weiterhin kann über die generierten Präferenzen und die Kundenbindung unter Umständen auch ein höheres Preisniveau im Wettbewerb durchgesetzt und parallel das Risiko in der Absatzentwicklung reduziert werden (Risikoreduktionsfunktion).7 6 Vgl. Burmann, Schleusener & Weers, 2005, S.415 7 Vgl. Burmann, Meffert & Koers, 2005, S.13f. Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 66 Abb. 3: Zusammenspiel von Markenidentität und Markenimage (Quelle: Burmann & Meffert, 2005, S. 52) Marken in der Lage sind, künftige CashFlows eines Unternehmens zu beschleunigen (z.B. aufgrund des entgegengebrachten Vertrauens reagieren Konsumenten schneller auf Erneuerungen), auszuweiten (z.B. Markentransfer auf neue Produktbereiche) und deren Risiko zu reduzieren (durch eine hohe Markentreue). Daher gelten Marken generell als wichtiges Instrument zur Steigerung der Rentabilität und stellen daher eine langfristige Investition dar.8 (Selbstbild der Marke). Wie externe Zielgruppen die Hinweise der Markenidentität entschlüsseln und übersetzen, wird im Image der Marke abgebildet (Fremdbild der Marke). Unter dem Markenimage ist dabei die Gesamtheit von Gefühlen, Einstellungen, Erfahrungen und Meinungen bewusster und unbewusster Art zu verstehen, die externe Zielgruppen (z.B. Kunden, Lieferanten) mit einer Marke verbinden.9 Bekanntheit ist hier die Grundvoraussetzung dafür, dass ein Markenimage überhaupt entsteht.10 3. Grundlagen des Markenkonstrukts Markenidentität und Markenimage sind eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Wie schon erläutert, stellt die Markenidentität einerseits die Grundlage für das Markenimage dar. Andererseits soll die Markenidentität, um eine erfolgreiche Marke auszubauen den Interessen, Anforderungen und Wünschen der externen Zielgruppen ständig angepasst werden (siehe Abbildung 3). Das zeigt grundsätzlich, dass eine Marke kein statisches Konstrukt ist, sondern sich in einem permanenten Veränderungspro- Das Konstrukt „Marke“ gründet im Wesentlichen auf dem Zusammenspiel zwischen der Markenidentität und dem Markenimage, das zu Vertrauen und Begehrlichkeit auf Seiten der Konsumenten führen soll. Die Markenidentität definiert, wofür eine Marke stehen soll und wird von internen Zielgruppen (z.B. Führungskräfte oder Eigentümer) formuliert und verkörpert strategische Vorstellungen des Unternehmens zur grundsätzlichen inhaltlichen Ausrichtung der Marke 8 Vgl. Esch, Hermann & Sattler, 2011, S.426f. SCIAMUS – Sport und Management 9 Vgl. Essig, Soulas der Russel & Bauer, 2010, S.89 10 Vgl. Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S.10 Themenheft 67 Strategisches Management für Fitnessstudios Abb. 4: Bestandteile der Markenidentität (eigene Abbildung) zess befindet. 11 Der Erfolg einer Marke hängt dabei im Wesentlichen von dem Grad der Übereinstimmung der Markenidentität und des Markenimages ab. Demgemäß besteht das grundlegende Ziel beim Aufbau von Marken darin, eine Markenidentität festzulegen und diese in den Köpfen der Konsumenten so zu verankern, dass der maximale Grad der Übereinstimmung zwischen Identität und Image der Marke erreicht wird. 4. Markenaufbau In diesem Abschnitt wird der Prozess des Aufbaus einer Marke näher erläutert. Dabei wird zunächst auf den strategischen Aufbau und dann auf die operative Umsetzung eingegangen. 4.1 Strategischer Markenaufbau Der Ausgangspunkt beim Aufbau der Marken besteht darin, eine Markenidentität zu entwickeln. Im Rahmen der Markenidentitätsentwicklung ist dabei die Gesamtheit der charakteristischen und wesensprägenden Werte einer Marke aus Sicht der Führung des Unternehmens herauszustellen.12 Bestandteilen. Die Wurzeln der Markenidentität liegen in der regionalen, kulturellen und institutionellen Herkunft der Marke, welche eng mit der Historie des Unternehmens verbunden ist (Markenherkunft). Ein wichtiger Bestandteil der Markenidentität ist das Leistungsversprechen, das die jeweilige Marke einhalten muss, damit sie als verlässlich wahrgenommen wird (Markenleistung). Daneben spiegeln Abbildungen der Wertvorstellungen der internen Zielgruppen wie Eigentümer, Management und Mitarbeiter (Markenwerte) symbolisch-emotionale Werte wider. Zudem wird im Prozess der Identitätsbestimmung der Auftritt der Marke mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften beschrieben, für die sie steht. Das sind Eigenschaften, die auch einem Menschen zugeschrieben werden können wie z.B. attraktiv, modern, dynamisch usw. Ressourcen und organisatorische Fähigkeiten (Markenkompetenz) sowie eine langfristige Entwicklungsrichtung (Markenvision) stellen weitere Bestandteile der Markenidentität dar.13 Den grundlegenden Rahmen für die Entwicklung der Markenidentität bilden dabei die Unternehmensmission und die Unternehmensvision, die der Marke eine glaubwürdige Stellung verleihen sollen.14 Die Markenidentität besteht aus mehreren 11 Vgl. Burmann & Meffert, 2005, S.52 12 Vgl. Sattler & Völckner, 2007, S.53ff. SCIAMUS – Sport und Management 13 Vgl. Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S.5ff. 14 Vgl. Esch, 2007, S.83 Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios Eine langfristige Fixierung der Markenidentität erfolgt durch die Entwicklung einer Markenpositionierungsstrategie. Darunter ist „die strategische Steuerung einer Marke hin zur gewünschten SollImage-Position in Übereinstimmung mit der Markenidentität“15 zu verstehen. Im Prozess der Markenpositionierung sollen konkrete Eigenschaften gewählt werden, die die Markenidentität für die Nachfrager eindeutig reflektieren. Neben der Eindeutigkeit sollen auch solche Positionierungseigenschaften gewählt werden, die der Marke eine einzigartige Position in den Köpfen der Konsumenten verleihen können. Der Erfolg bei der Markenpositionierung hängt im Wesentlichen auch davon ab, inwieweit das Unternehmen, das hinter der Marke steht, glaubwürdig erscheint.16 Wenn ein Kunde beispielsweise im „Fitnessstudio Innovation“ an technisch veralteten Geräten trainieren muss, ist die Glaubwürdigkeit der Marke offenbar nicht gegeben. Schließlich stellt die Attraktivität eines der wichtigsten Grundkriterien für die Entwicklung der Markeneigenschaften dar. Deswegen sollen sich die gewählten Eigenschaften nach den Bedürfnissen der Konsumenten richten. Damit sich die Marke von den Konkurrenten deutlich abhebt, ist es bei dem Festlegen der Positionierungseigenschaften wichtig, die aktuellen und künftigen Positionierungen der Wettbewerber zu berücksichtigen. Nur wenn die zuvor erläuterten Anforderungen an die Positionierungseigenschaften (Eindeutigkeit, Einzigartigkeit, Glaubwürdigkeit, Attraktivität) erfüllt sind, kann die Marke erfolgreich zur Differenzierung beitragen und sich langfristig auf Vertrauen, Sympathie und Loyalität der externen Zielgruppen positiv auswirken. 68 vorteil gegenüber Konkurrenten bieten. 17 So realisieren im aktuellen Fitnessmarkt viele Anbieter die Positionierung hinsichtlich des Preises, indem ein niedrigeres Preisimage in einem billigen Massenmarkt im Discountbereich (z.B. clever fit) und ein hohes Preisimage im teuren Premiummarkt bei Luxusfitnessstudios angestrebt werden. Heutzutage genügen jedoch solche produkteigenschaftsbasierten Positionierungen, wie der Preis oder die Qualität, nicht mehr, um die eigene Marke von der Konkurrenz eindeutig abzugrenzen und dauerhaft positiv in den Köpfen der Konsumenten zu verankern. Eine moderne Marke muss mehr auf die Emotionalität einwirken können, indem sie sinnliche Erlebnisse schafft, die die Gefühls- und Erfahrungswelt der Konsumenten beeinflussen.18 4.2 Operativer Markenaufbau Im Bereich des operativen Markenaufbaus soll die festgelegte Positionierungsstrategie in einem unverwechselbaren, einheitlichen und attraktiven Markenauftritt umgesetzt werden. Dieser umfasst neben der Entwicklung des entsprechenden Markendesigns (Markenlogo, Signets, Slogan) eine zielgerichtete Markenkommunikation und das Verhalten der Mitarbeiter, die als Vermittler der Markenwerte fungieren. Damit der Kunde ein widerspruchsfreies Bild von einer Marke bekommt, sollen alle drei Bereiche miteinander abgestimmt sein und dadurch eine klare Botschaft über die Markenidentität entsprechend der gewählten Positionierungseigenschaften vermitteln. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Marke über längere Zeit in einem gleichartigen Auftritt geführt wird. In der Regel fokussiert man sich bei dem Positionierungsprozess auf wenige relevante Merkmale, die einen Wettbewerbs- Das grundlegende Instrument zum Aufbau einer starken Markenidentität ist die Mar- 15 Bünte, 2006, S.49 16 Vgl. Essig, Soulas der Russel & Bauer, 2010, S.98 17 Vgl. Esch, 2007, S.150 18 Vgl. Essig, Soulas der Russel & Bauer, 2010, S.98 SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 69 kenkommunikation. Das Hauptziel der Markenkommunikation ist es, die Marke bekannt zu machen und die Markenwerte wahrnehmbar sowie lebendig zu vermitteln, was schließlich zur Übereinstimmung des Markenselbstbilds und Markenimages führen soll.19 Markenkommunikation muss unter dem Einbezug der Konsumentenpräferenzen bezüglich der Kommunikationskanäle erfolgen. Beispielsweise erwarten heutige Verbraucher nicht nur mehr Informationen als früher, sondern vor allem Dialog mit der Marke. Aus diesem Grund gewinnt die dialogorientierte und direkte Kommunikation mit den relevanten Zielgruppen immer mehr an Bedeutung. Weiterhin haben solche Kommunikationsinstrumente eine besondere Stellung in der Markenkommunikation, die Erlebnisse schaffen (z.B. Events).20 Einen bedeutenden Beitrag zur Markenkommunikation leistet auch eine wirksame Markierung (Branding) mit symbolhaften optischen, verbalen und auditiven Mitteln. Die Markierung umfasst vor allem die Gestaltung von Markenname, Markenlogo, Slogan und Jingle. Damit die Differenzierung zu Wettbewerbern möglich wird, soll die Markierung für ein einzigartiges und für die Nachfrager attraktives Image sorgen.21 Aufgrund der Immaterialität der von den Fitnessstudios angebotenen Dienstleistungen ist keine direkte Markierung des Produktes möglich. Aufgrund dessen müssen alternative Maßnahmen zum Aufbau der visuellen Markeneindrücke durchgeführt werden. Dazu gehören beispielsweise bei einem Fitnessstudio die (Farb-)Gestaltung von Räumlichkeiten und der Außenfassade, die Kleidung des Studiopersonals, die Markierung der Kundenkarten usw. Auch die Mitarbeiter präsentieren durch 19 Vgl. Weber, 2010, S.53 20 Vgl. Burmann, Meffert & Feddersen, 2007, S.19 21 Vgl. Esch, 2007, S.205 SCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios ihr Verhalten gegenüber den Kunden die Marke nach außen und schaffen dadurch bestimmte Markenerlebnisse. Besonders bei Dienstleistungsanbietern stellen die Mitarbeiter einen höchstbedeutenden Faktor für die erfolgreiche Markenkommunikation dar, weil sie in der Regel in einer ständigen Interaktion mit dem Kunden stehen. Um die Botschaft der Marke entsprechend nach außen tragen zu können, müssen alle Mitarbeiter die Markenidentität verstanden und verinnerlicht haben. Unter diesen Gesichtspunkten sollen ein markenorientiertes Personalmanagement und eine nach innen gerichtete Kommunikation erfolgen.22 5. Markenüberwachung Nachdem eine Marke aufgebaut wurde, muss beachtet werden, dass es zahlreiche Gefahren gibt, die einer Marke drohen. Grundsätzlich wird zwischen internen und externen Gefahren unterschieden, die zum Vertrauensverlust seitens der Konsumenten führen können. Die internen Gefahren resultieren grundsätzlich aus Fehlentscheidungen bzw. Fehleinschätzungen des Managements. So können beispielsweise ständige Re-Positionierungen, kaum vorhandene Differenzierungsmerkmale im Kommunikationswettbewerb, fehlende Abstimmung der Markenkommunikationsinstrumente oder fehlende laufende Anpassung der Marke an die Wettbewerbsverhältnisse und Kundenbedürfnisse einen massiven Imageschaden zur Folge haben. Externe Bedrohungen umfassen vor allem den Bereich des Markenmissbrauchs (z.B. Markenpiraterie, Markenausbeutung oder Imageschädigung seitens der Konkurrenz).23 Aufgrund der vielen Gefahren für die Marke muss diese ständig gepflegt und überwacht werden. Dafür ist es wichtig, ein wirksames Controlling und Risikomanagement für Marken im Unternehmen zu 22 Vgl. Burmann, Schleusener & Weers, 2005, S.421 23 Vgl. Schiller, 2005 Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 70 integrieren. Um gegen externe Bedrohungen vorzugehen, muss für die Marke (z.B. für Logo, Slogan, Farbkombination usw.) ein rechtlicher Schutz erlangt werden.24 Lev Esipovich Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Sportwissenschaft Lehrstuhl für Sportökonomie Seidelstr. 20 07749 Jena Telefon: 03641/9-45635 6. Fazit Der Aufbau und die Pflege einer Marke stellt eine komplexe Aufgabe dar, die nicht nur ein gewisses Budget, sondern auch Geduld, Kontinuität und herausragende Marketingfähigkeiten benötigt. Dennoch hat die Wichtigkeit einer starken Marke auf den gesättigten Märkten für die Wettbewerbsfähigkeit enorm zugenommen. So kann die Marke auch mittelständischen Fitnessstudiobetreibern helfen, sich im Wettbewerb mit übermächtig erscheinenden Fitnessstudioketten erfolgreich zu behaupten. Dabei sind die in diesem Artikel dargelegten Grundmechanismen zum Markenaufbau für kleine und mittelständische Fitnessstudios sowie für große Ketten gleich. Jedoch ist es aufgrund der Komplexität des Markenaufbauprozesses durchaus empfehlenswert, den Markenaufbau unter Mitwirkung von Marketingexperten durchführen zu lassen. Zu den Autoren Prof. Dr. Frank Daumann Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Sportwissenschaft Lehrstuhl für Sportökonomie Seidelstr. 20 07749 Jena Telefon: 03641/9-45641 E-Mail: [email protected] Frank Daumann ist Inhaber des Lehrstuhls für Sportökonomie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und wissenschaftlicher Leiter des MBAStudiengangs Sportmanagement. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Sportökonomie und die Gesundheitsökonomie. Im Bereich der Sportökonomie setzt sich Frank Daumann insbesondere mit der Analyse einzelner Sportmärkte, Fragen des Dopings, dem Qualitätsmanagement in Sportorganisationen sowie der Vermarktung des Sports auseinander. E-Mail: [email protected] Lev Esipovich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sportökonomie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Management in Sportvereinen und Sportverbänden, Fundraising in Sportvereinen und Sportverbänden sowie Customer Relationship Management bei kommerziellen Sportanbietern. Literatur Börkirchner, H. & Genler, H. (2005): Markenmanagement für die Zahnarztpraxis, In H. Börkirchner & S. Nemec (Hrsg.): Die Zahnarztpraxis als Marke – die Qualitäten sichtbar machen (S. 29-39), Köln: DÄV. Bünte, C. (2006). Der Marken-Optimizer: Ein integriertes Modell zur Imageoptimierung einer bestehenden Markenerweiterung unter besonderer Berücksichtigung der Familienmarke am Beispiel NIVEA und NIVEA Beauté. Berlin: Lit. Burmann, C. & Meffert, H. (2005). Theoretisches Grundkonzept der identitätsorientierten Markenführung, In C. Burmann, H. Meffert & M. Koers (Hrsg.): Markenmanagement - Identitätsbasierte Markenführung und praktische Umsetzung (S. 37-72), Wiesbaden: Gabler. Burmann, C., Meffert, H. & Feddersen, C. (2007). Identitätsbasierte Markenführung, In A. Florak, M. Scarabis & E. Primosch (Hrsg.): Psychologie der Markenführung (S. 3-30), München: Vahlen. Burmann, C., Meffert, H. & Koers, M. (2005). Stellenwert und Gegenstand des Markenmanagements, In C. Burmann, H. Meffert & M. Koers (Hrsg.): Markenmanagement - Identitätsbasierte 24 Vgl. Schiller, 2005 SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 71 Markenführung und praktische Umsetzung (S. 4-17), Wiesbaden: Gabler. Burmann, C., Schleusener, M. & Weers, J.-P. (2005). Identitätsorientierte Markenführung bei Dienstleistungen, In C. Burmann, H. Meffert & M. Koers (Hrsg.): Markenmanagement - Identitätsbasierte Markenführung und praktische Umsetzung (S. 411-432), Wiesbaden: Gabler. Esch, F.-R. (2007). Strategie und Technik der Markenführung, München: Vahlen. Esch, F.-R., Hermann, A. & Sattler, H. (2011). Marketing – Eine managementorientierte Einführung, München: Vahlen. Strategisches Management für Fitnessstudios Essig, C., Soulas der Russel, D. & Bauer, D. (2010). Das Image von Produkten, Marken und Unternehmen. Sternenfels: Wissenschaft & Praxis. Sattler, H. & Völckner, F. (2007). Markenpolitik, Stuttgart: Kohlhammer. Schiller, W. (2005). Risiko: Gefahren für die Marke werden unterschätzt (http://www.schiller.de/Gefahren_fuer_die_Marke_werden_unterschaetzt.pdf, Zugriff: 03.03.2012) Weber, M. (2010). Starke Marke: Verbindung von betriebswirtschaftlichen und psychologischen Faktoren als Erfolgsgarant, Hamburg: Disserta. Thomas Rieger Differenzierung durch Qualität – Ansätze zur Entwicklung eines ganzheitlichen Qualitätskonzepts für gesundheitsorientierte Fitnessstudios Abstract Fitnessdienstleistungen sind durch eine hohe Intimität und Kundenfokussierung gekennzeichnet. Die Sicherstellung einer hohen Qualität im Kontext der Leistungserstellung rückt für viele Fitnessstudios in den Mittelpunkt. Das Qualitätsmanagement in Fitnessstudios ist nicht mit dem von Gesundheitsorganisationen wie Krankenhäusern oder anderen medizinischen Dienstleistern gleichzusetzen. Forschungsarbeiten zeigen, dass die Ambition zur Implementierung eines wie auch immer gearteten Qualitätsmanagements sich unweigerlich aus der Notwendigkeit zur Gewinnmaximierung ergibt. Qualitätsaspekte werden also nicht an der Optimierung von gesundheitlichen Parametern der Kunden festgemacht, sondern basieren auf einer marketingbezogenen Interpretation des Qualitätsbegriffs. Inso- SCIAMUS – Sport und Management fern könnten auch nicht primär gesundheitsorientierte Kundenbedürfnisse anschlussfähig werden. 1. Einleitung Der Markt für Fitnessstudios hat das Stadium der Stagnation bereits durchschritten. Zur Erreichung von Konkurrenzfähigkeit und langfristigen Etablierung am Markt benötigen Fitnessstudios nachhaltige Produkt- und Leistungsinnovationen. Demgemäß ist die Fokussierung auf Dienstleistungsqualität zu einem markanten Wettbewerbsfaktor geworden. Die vorliegenden Marktbedingungen rücken Strategien in den Mittelpunkt, die neben der Neukundengewinnung primär die langfristige Bindung von Kunden an das Fitnessstudio in den Vordergrund stellen. Die Dienstleistungsqualität ist ein Kernaspekt für die Erzielung von Kundenzufrie- Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios denheit1. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da über die gezielte Bedienung der Kundenerwartungen Kundenzufriedenheit erzielt werden kann und sich hieraus ein positiver Einfluss auf die Kundenbindung und den ökonomischen Erfolg ergibt.2 Sämtliche Wertschöpfungsprozesse des Fitnessstudios sind uneingeschränkt auf die Erfüllung von Kundenerwartungen auszurichten. In Zeiten kritischen Wettbewerbs können Merkmale von Fitnessdienstleistungen nicht objektiv vom Anbieter sondern müssen subjektiv aus Kundensicht formuliert werden3. Vor diesem Hintergrund kommt dem Bestreben nach einer hohen Dienstleistungsqualität eine große Bedeutung zu. Eine institutionelle Verankerung erfolgt häufig im Rahmen eines Qualitätsmanagements. Basierend auf den zuvor genannten Aspekten ist eine einleitende Auseinandersetzung mit den Qualitätsbestrebungen von Fitnessanbietern sowie den Besonderheiten von Fitnessdienstleistungen sinnvoll. Die qualitätsbezogenen Aktivitäten der Fitnessbranche waren bis heute von dem Ziel dominiert – so wurde es zumindest nach außen kommuniziert – Anschlussmodelle an den stark regulierten ersten Gesundheitsmarkt zu generieren. Sowohl zentrale Branchenvertreter (z.B. Arbeitsgemeinschaft der führenden Fitness- und Sportstudioverbände) als auch der TÜV-Rheinland entwickelten eigene Qualitätszertifizierungen4, die als Anschlussverbindungen zum ersten Gesundheitsmarkt fungieren sollten. Resultat dieser Aktivitäten war eine durchaus als diffus zu bezeichnende Zertifizierungslandschaft in der weder Entscheidungsträger des Gesundheitssystems geschweige denn Endverbraucher 1 2 3 4 Vgl. Crosby, DeVito & Pearson, 2003, S. 18. Vgl. Meffert & Bruhn, 2009, S. 53. Vgl. Simon, 1988, S. 474. Unter Zertifizierung wird in Anlehnung an Meffert & Bruhn (2009, S. 227) „die Durchführung eines umfassenden Qualitätsaudits durch einen unabhängigen Dritten verstanden.“ SCIAMUS – Sport und Management 72 den Überblick behielten5. Nach Einigung der Akteure auf einen gemeinsamen Konsens erfolgte die Zusammenführung des Prae-Fit-Siegels und des TÜV-Rheinland-Fitnesssiegels zu einer einheitlichen Zertifizierung. Seit dem 01. Juli 2009 können sich Fitnessstudios durch den TÜVRheinland mit dem TÜV-Rheinland-PraeFit-Siegel zertifizieren lassen6. Das Qualitätssiegel beinhaltet die Prüfung unterschiedlicher Kriterien wie z.B. Ausbildung des betreuenden Personals, Vertragswesen, Geräteausstattung und Hygiene. Die Prüfkriterien sind durch eine deutliche gesundheitssportliche Orientierung 7 gekennzeichnet. Die Zertifizierung ist jedoch nur ein Bestandteil eines ganzheitlichen Qualitätskonzepts, denn eine mit Kosten verbundene Zertifizierung wird in Studios nur dann dauerhaft Bestand haben, wenn durch sie mehr Kunden gewonnen, Bestandskunden dauerhafter gehalten und die ökonomische Effizienz verbessert werden können als ohne das Qualitätssiegel. Im Fitnessstudio wird der Umgang mit Gesundheit permanent unter den Bedingungen der Gewinnmaximierung reflektiert. Fitnessstudios sind kommerziell und damit ökonomisch orientiert, sie sind keineswegs Gesundheitsorganisationen, die einer differenten Entscheidungslogik folgen. Dieser Umstand dient als primäre Prämisse bei der Entwicklung eines ganzheitlichen Qualitätskonzepts in diesem Artikel. Ziele dieses Beitrags sind, die bisherigen Qualitätsaktivitäten der Fitnessbranche zu beleuchten, theoretische Ansätze vorzustellen und daraus Implikationen für die Implementierung von Qualitätskonzepten in Fitnessstudios abzuleiten. Es geht somit 5 Vgl. hierzu die Studie von Rieger, 2007. 6 Vgl. Prae-Fit, 2009, S. 1. 7 Besonders auffällig in diesem Zusammenhang sind das Prüfkriterium Nr. 6 Gesundheitliche Risikoabklärung sowie der Titel des Arbeitspapiers des TÜV-Rheinland: Kriterien und Arbeitspapiere fur gesundheitsorientierte Fitness-Studios gemaß Prufgrundlage 2 PfG 1217 (vgl. Prüfkatalog des TÜV-Rheinland, 2008). Themenheft 73 um die Entwicklung eines Ansatzes für ein ganzheitliches Qualitätskonzept für gesundheitsorientierte Fitnessstudios unter der Berücksichtigung der organisationalen Entscheidungslogik und den damit einhergehenden Voraussetzungen und Barrieren. Im folgenden Kapitel wird zunächst die Entscheidungslogik von Fitnessstudios untersucht. Diese wirkt sich auf die Bereitschaft zur Implementierung eines Qualitätskonzepts und dessen primäre inhaltliche Orientierung aus. Im Anschluss erfolgt eine Kennzeichnung der wichtigsten Aspekte des Qualitätsmanagements von Fitnessdienstleistungen unter besonderer Berücksichtigung der Besonderheiten im Vergleich zu anderen Dienstleistungsformaten. Darauf aufbauend werden die wichtigsten Elemente zur Initiierung eines Qualitätskonzepts im Fitnessstudio erläutert. Neben der Analyse und Planung wird vor allem auf die Steuerung und die Wirtschaftlichkeit eingegangen. Einen inhaltlichen Anker bildet im Kapitel Steuerung die Auseinandersetzung mit dem Für und Wider von brancheneigenen Zertifizierungsverfahren. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung und Implikationen. 2 Grundlagen zur Entscheidungslogik in Fitnessstudios Die Selbstwahrnehmung der Fitnessbranche ist vielfach geprägt durch eine Orientierung an gesundheitssystemischer Entscheidungslogik. Diese unterscheidet sich jedoch von der tatsächlichen Entscheidungslogik. Fitnessstudios entscheiden nicht im Sinne der Logik des Gesundheitssystems ‚gesund/krank’8, sie sind demnach keine Gesundheitsorganisationen, sondern unterliegen den Bedingungen des Wirtschaftssystems. Fitnessstudios sind kommerzielle Organisationen, die sämtliche Beobachtungen und Entscheidungen an der Prämisse des maximalen 8 Vgl. Luhmann, 1984, S. 602. SCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios Gewinns ausrichten9. Hieraus ergeben sich weitreichende Konsequenzen für den Umgang mit Gesundheit innerhalb der Organisation. Jede gesundheitsbezogene Entscheidung z.B. Zertifizierung des Studios oder die Einstellung eines Physiotherapeuten mit gesundheitssportlicher Zusatzqualifikation wird letztendlich durch die ökonomische Leitorientierung bestimmt. Sind Strategien, Maßnahmen oder andere Interventionen im Sinne der ökonomischen Rationalität nicht anschlussfähig, finden sie keine Berücksichtigung in der Organisation bzw. werden eliminiert.10 Die Entscheidung zur Implementierung bzw. zur organisationalen Auseinandersetzung mit Qualitätsmanagement erfolgt somit nicht primär vor dem Hintergrund einer optimalen Ausrichtung auf gesundheitsorientierte, präventive, therapeutische oder rehabilitative Standards, sondern erfolgt nach der Maxime, ob damit Geld zu verdienen ist oder nicht. Ohne Frage spielen gesundheitssportliche Aspekte bei der Gestaltung von Dienstleistungen eine zentrale Rolle, allerdings sind parallel dazu andere, nicht zwangsläufig gesundheitsorientierte Ansätze anschlussfähig, wenn sie einer ökonomischen Rationalität folgen.11 Die Gestaltung eines ganzheitlichen Qualitätskonzepts von Fitnessstudios kann sich nicht an vergleichbaren Aktivitäten von Gesundheitseinrichtungen12 orientieren. Vielmehr ist eine stete Orientierung am Kunden erforderlich, denn maßgebend für den Unternehmenserfolg und die ökono9 Zur Theorie organisationaler Entscheidungsprämissen vgl. Luhmann, 2011. 10 Vgl. hierzu die von Rieger (2007) durchgeführte Interviewstudie zur Implementierbarkeit eines Qualitätsmanagements der Gesundheitsförderung in Fitnessstudios. 11 Man stelle sich bspw. Kunden vor, die keine gesundheitliche Zielsetzung verfolgen, sondern eher ästhetische oder leistungsorientierte Motive mit dem Fitnesstraining verbinden. 12 Nach § 135a SGBV besteht für Gesundheitseinrichtungen eine Verpflichtung zur Qualitätssicherung. Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios mische Sinnhaftigkeit von Entscheidungen wird immer die Qualitätsbeurteilung der Kunden sein.13 Demgemäß erfolgt in diesem Beitrag eine Konzentration auf Qualitätsmanagementaspekte, die nicht durch gesundheitssystemische Qualitätsstandards geleitet ist. Die kundenorientierte Optimierung der Fitnessdienstleistungserstellung unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Rationalität steht im Vordergrund. 3 Basale Aspekte des Qualitätsmanagements von Fitnessdienstleistungen Die von Fitnessstudios erbrachten personenbezogenen Dienstleistungen weisen einige Besonderheiten auf14, die einen nachhaltigen Einfluss auf die Dienstleistungsqualität und deren Management ausüben. Hierzu zählen: 3.1 Das Intimitätsniveau Die Kernleistung eines Fitnessstudios ist die Kundenbetreuung auf der Gerätefläche. Im Verhältnis von Trainer und Kunde ergeben sich fortlaufend Situationen die durch einen intimen Charakter gekennzeichnet sind. Der Trainer korrigiert die Körperhaltung, berührt zur Fixierung das Gelenk oder die Muskulatur des Kunden. Im Mittelpunkt der erbrachten Leistung stehen die Physis und Gesundheit des Kunden. Dies erzeugt einen Intimitätsgrad, der in dieser Form nur bei medizinischen Leistungen zu finden ist.15 3.2 Die physische Beanspruchung des Kunden Die wichtigsten Motive von Fitnessstudiokunden sind: ‚Etwas für die Gesundheit zu 13 Vgl. Meffert & Bruhn, 2009, S. 95. 14 Zu den allgemeinen Besonderheiten von Dienstleistungen vgl. Meffert & Bruhn, 2009, S. 32-45. 15 Zur Bedeutung von Kundenkontakten bei Dienstleistungen vgl. Zollner, 1995, S. 53. SCIAMUS – Sport und Management 74 tun’ und ‚Das Wohlbefinden steigern’. Des Weiteren spielen körperlich-ästhetische Zielsetzungen eine Rolle.16 Zielsetzungen, die ein regelmäßiges Training und ein gewisses Maß an körperlicher Anstrengung erfordern. Im Dienstleistungsprozess besteht daher die anbieterseitige Herausforderung, die Kunden davon zu überzeugen, dass die Aktivität im Studio alternativlos ist und der damit verbundene finanzielle Aufwand gerechtfertigt ist. Sicher ist eine Erreichung der genannten Zielsetzungen auch durch nahezu kostenfreie Aktivitäten wie bspw. regelmäßiges Laufen oder Heimgymnastik zu erreichen. Die operativen Dienstleistungsersteller (Trainer, Übungsleiter) benötigen demgemäß bestimmte persönliche Kompetenzen wie Überzeugungskraft und Motivationsfähigkeit. 3.3 Die kollektiven Einflüsse Nutzen Kunden die gerätegestützte Trainingsfläche oder nehmen sie an einem Fitnesskurs teil, sind sie im Regelfall von Mittrainierenden umgeben. Fitnessdienstleistungen haben vielfach den Charakter von personenbezogenen Kollektivdienstleistungen17, weil der Interaktionsgrad unter den Mitgliedern sehr hoch ist.18 Die von Kunde A wahrgenommene Dienstleistungsqualität kann sowohl positiv als auch negativ vom Verhalten des Kunden B oder dem Outfit des Kunden C beeinflusst werden. Die Herausforderung für Fitnessdienstleister besteht darin, die ggf. vorliegenden negativen Einflüsse zu minimieren und die positiven Einflüsse zu betonen. In der Marketingliteratur finden sich zahlreiche Ansätze zur Systematisierung von Dimensionen der Dienstleistungsqualität, wobei der Fokus auf einer Differenzierung in Potenzial-, Prozess- und Ergebnisdi16 Vgl. hierzu die Studie von Dietrich, Heinemann & Schubert, 1990. 17 Zu den Charakteristiken personenbezogener Kollektivdienstleistungen vgl. auch Chatrath, 2010, S. 8-21. 18 Vgl. Ko & Pastore, 2004, p. 164. Themenheft 75 mension liegt.19 Die benannten Besonderheiten von Fitnessdienstleistungen spiegeln sich in den drei Dienstleistungsdimensionen wider. Der hohe Grad an Intimität erfordert auf der Ebene der Potenziale, also der sachlichen, organisatorischen und persönlichen Leistungseigenschaften des Fitnessstudios eine Umsetzung, die beim Kunden durch Visualisierung des Immateriellen, z.B. in Form einer einwandfreien Hygiene oder der Dokumentation von Mitarbeiterqualifikationen und Qualitätszertifizierungen Vertrauen aufbaut. Es gilt, durch die Potenziale die kundenseitige Unsicherheit, die sich vor allem aufgrund des individuellen Gesundheitsbezugs ergibt, zu reduzieren. Auf der Ebene der Prozesse sind Intimität, physische Beanspruchung des Kunden und kollektive Einflüsse von vergleichbarer Wichtigkeit. Der Mensch rückt in den Mittelpunkt, sowohl kunden- als auch anbieterseitig. Die Ausgestaltung der sog. ‚Mensch-Mensch-Schnittstelle’20 ist ein wesentlicher Faktor, ob Kunden dauerhaft für privatwirtschaftlich organisierte physische Beanspruchung motiviert und negative Kollektiveinflüsse ausgeblendet werden können. Die Primärkontaktmitarbeiter (Trainer, Übungsleiter etc.) werden zu ganz wesentlichen Bausteinen in einem ganzheitlichen Qualitätskonzept, insbesondere bei der Analyse und Planung der Prozesse.21 Auf der Ebene der Ergebnisse rückt erneut der von Kunden zu leistende finanzielle und physische Aufwand in den Fokus. Die Evaluation von Trainingsfortschritten ist ein elementarer Bestandteil der Qualitätssicherung. Ohne eine stetige Dokumentation des Trainingsfortschritts werden Kunden die Sinnhaftigkeit des Trainingsaufwands in Verbindung mit 19 Diese Differenzierung basiert auf dem Ansatz von Donabedian, 1980. Weitere Ansätze finden sich u.a. bei Berry, 1986; Grönroos 2007; Parasuraman, Zeithaml & Berry, 1985. 20 Hiermit ist die Kontaktsituation zwischen Trainer und Trainierendem gemeint. 21 Donabedian bezeichnete die Prozessqualität als „primary object“ (1980, p. 79). SCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios einem entsprechenden finanziellen Aufwand in Form des Mitgliedsbeitrags hinterfragen. Wesentlicher Zweck eines Qualitätsmanagements von Fitnessdienstleistungen ist die Schaffung und Sicherung der Qualitätsfähigkeit des Fitnessstudios.22 Demgemäß ist eine Systematisierung von Bausteinen vorzunehmen, die sich zu einem ganzheitlichen Qualitätskonzept zusammenfügen23: 1. Analyse der Dienstleistungsqualität, 2. Planung des Qualitätsmanagements, 3. Steuerung des Qualitätsmanagements, 4. Evaluation der Wirtschaftlichkeit des Qualitätsmanagements. Im weiteren Verlauf dieses Beitrags werden die jeweiligen Bausteine mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten vorgestellt. 4 Analyse und Planung der Qualität von Fitnessdienstleistungen Die Grundlage zur Analyse der Dienstleistungsqualität in Fitnessstudios als elementarer Bestandteil eines ganzheitlichen Qualitätskonzepts bilden die in der Managementliteratur ausdifferenzierten Modelle der Dienstleistungsqualität. Eine komplette Darstellung sämtlicher Modelle würde dem Umfang dieses Beitrags nicht gerecht und würde selbst im Ansatz einen zu großen Rahmen einnehmen.24 Zentraler 22 In Anlehnung an Horváth & Urban, 1990, S. 14. 23 Vgl. hierzu den Ansatz von Meffert & Bruhn, 2009, S. 189. 24 Im Wesentlichen sind in diesem Kontext das GAP-Modell von Zeithaml, Berry & Parasuraman, 1988, das dynamische Prozessmodell von Boulding, Kalra, Staelin & Zeithaml, 1993, das Beziehungsqualitätsmodell von Liljander & Strandvik, 1995 und das qualitative Zufriedenheitsmodell von Stauss & Neuhaus, 1997 zu nennen. Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios Querschnitt der Modelle ist die Bedeutung der Erfüllung kundenseitiger Anforderungen durch die anbieterseitige Leistung. Bei Nicht-Erfüllung entstehen qualitätsrelevante Lücken (z.B. GAP-Modell), bei Erfüllung oder Über-Erfüllung der Erwartungen positive, emotionale Zustände (z.B. Zufriedenheit, Begeisterung). Leitendes Ziel eines Qualitätskonzepts für Fitnessstudios muss daher die dauerhafte Erfüllung von Kundenerwartungen sein. Anbieter sollten Kundenerwartungen kennen, wenn sie diese erfüllen wollen. Eine ganz wesentliche Voraussetzung ist somit die Messung von Anforderungen an die Dienstleistungsqualität im Fitnessstudio. Sie ist die Schnittstelle zwischen dem „qualitätsliefernden“ Fitnessstudio und den „qualitätswahrnehmenden“ Trainierenden.25 Welches Verfahren bei der Messung zur Anwendung kommt ist letztendlich von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Folgende Fragen sollten beantwortet werden26: Sind die gemessenen Qualitätskriterien aus Kundensicht relevant für die Kaufentscheidung? Ermöglicht das Messverfahren eine vollständige Erfassung von Qualitätsdimensionen? Sind die Qualitätsbeurteilungen aktuell? Sind die Verbindungen zwischen Messergebnissen und tatsächlichen Qualitätsbeurteilungen eindeutig? Ergeben sich aus den Ergebnissen Anknüpfungspunkte für Qualitätsinterventionen? Rechtfertigen die Ergebnisse den entstandenen Kostenaufwand? Bei der Messung von Anforderungen an die Dienstleistungsqualität sind grundsätzlich zwei Ansätze zu differenzieren: 1. die kundenorientierten Messansätze (z.B. Kundenzufriedenheitsmessungen, Critical-Incident-Technik, Beschwerdeanalyse) und 2. die anbieterorientierten Messansätze.27 Neben den zuvor genann25 Vgl. Hentschel, 1999, S. 294. 26 Vgl. Meffert & Bruhn, 2009, S. 196-197. 27 Eine detaillierte grafische Darstellung der einzelnen Messmethoden liefern Meffert & Bruhn, SCIAMUS – Sport und Management 76 ten Fragen spielen auch die Spezifika einer Dienstleistung eine zentrale Rolle. Bei Fitnessdienstleistungen sind der hohe Grad an Intimität sowie die Relevanz des Kundenkontaktpersonals an der MenschMensch-Schnittstelle von Bedeutung.28 Letztere muss zu einer stärkeren Integration von mitarbeiterbezogenen Messmethoden innerhalb der anbieterorientierten Ansätze führen. Ein anforderungsgerechtes Design von Messansätzen ist hinreichende Bedingung um auf Basis von Untersuchungsergebnissen eine Planung der Dienstleistungsqualität vornehmen zu können. Während die Messung von Dienstleistungsqualität den informationellen Einstieg darstellt, bildet die Planung des Managements von Qualität den Handlungsrahmen in dem die strategische Qualitätsausrichtung des Fitnessanbieters bestimmt wird. Eine vollständige Planung erfordert eine Entscheidung über folgende Aspekte: strategische Qualitätsposition, Qualitätsstrategie, Qualitätsprinzipien und Qualitätsziele des Fitnessstudios.29 Die strategische Qualitätsposition bildet den Ausgangspunkt eines Qualitätsmanagementkonzepts. Es erfolgt eine deutliche Positionierung mit Schwerpunktsetzungen im Vergleich zum Wettbewerb. Entscheidet sich der Fitnessanbieter für eine Fokussierung in den Bereichen Gesundheitssport und Gesundheitsförderung, sind strengere Maßstäbe an ein Qualitätsmanagement anzusetzen, da häufig ein Zugang zum stark regulierten ersten Gesundheitsmarkt angestrebt wird.30 Zur Erreichung der Qualitätsposition sind ent2009, S. 196. 28 Vgl. Kap. 3. 29 In Anlehnung an Meffert & Bruhn, 2009, S. 217. 30 Auf dem Fitnessmarkt lassen sich derzeit Differenzierungsstrategien erkennen. Anbieter unterscheiden sich bewusst vom Gesundheitssport und richten ihr Angebot beispielsweise auf Athletik bzw. den leistungsorientierten Kraftsport aus. Themenheft 77 Strategisches Management für Fitnessstudios sprechende Qualitätsstrategien zu entwickeln, die eine eindeutige Setzung des Anbieters im Markt befördern. Ferner sind Qualitätsleitlinien mit der Aufgabe auszudifferenzieren, die Qualitätsstrategien in der täglichen Arbeit im Fitnessstudio greifbar zu machen. Abbildung 1 veranschaulicht die Formulierung von Qualitätsprinzipien am Beispiel eines gesundheitsorientierten Fitnessstudios. Die Ausrichtung an den gesundheitsbezogenen Bedürfnissen der Kunden steht dabei im Zentrum der unternehmerischen Aktivitäten. Abb. 1: Mögliche Qualitätsleitlinien eines gesundheitsorientierten Fitnessstudios Eine Konkretisierung der genannten Qualitätsleitlinien innerhalb der strategischen Qualitätsplanung erfolgt durch die Festlegung auf lang- und kurzfristige Qualitätsziele durch das Studiomanagement. Aufgrund der starken Ausrichtung am Kunden sind Qualitätsmanagementziele den Marketingzielen unterzuordnen, sie unterteilen sich ihrerseits in sog. marktgerichtete Ziele (z.B. Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Wahrnehmung als Qualitätsanbieter) und unternehmensgerichtete Ziele (z.B. Effizienzsteigerung der Prozesse, Senkung der Qualitätskosten).31 31 Vgl. Bruhn, 2010, S. 233; Weber, 1989, S. 56f. SCIAMUS – Sport und Management Zusammenfassend lassen sich die Aspekte der Analyse und Planung im Qualitätsmanagement von Fitnessdienstleistungen pyramidenartig darstellen (vgl. Abbildung 2). 5 Steuerung der Qualität von Fitnessdienstleistungen Im Anschluss an die Qualitätsplanung, die durchgeführten Maßnahmen (z.B. Einstellung von Trainern mit besonderer Qualifikation) und die Qualitätsprüfung (z.B. Durchführung von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen) erfolgt eine Dokumentation der Qualität im Rahmen der externen und internen Kommunikation32. Ein wichtiger Ansatz in diesem Zusammenhang ist die Steuerung und Hervorhebung von Qualitätsorientierung mittels Zertifizierungen und Prädikaten. Im ersten Gesundheitsmarkt herrscht aufgrund der gesetzlichen Notwendigkeit zur Zertifizierung ein hohes Maß an Erfahrung im Umgang mit Prüfungsprozessen und Prüfungssystemen33. Die kommerzielle Fitnessbranche hat als Teil des zweiten Gesundheitsmarkts dieses Vorgehen in Teilen auf die eigenen Strukturen übertragen. Mit Ende der 90er Jahre hat sich eine rege Aktivität bei der Entwicklung von Zertifizierungsverfahren für Fitnessstudios eingestellt, an der zahlreiche Institutionen beteiligt waren. Mit der Einführung und Verabschiedung eines einheitlichen Prüfungszertifikats unter Organisation des TÜV Rheinland (vgl. Kap. 1) ist es der Branche gelungen, mehr Transparenz in Sachen Qualitätsfitness zu schaffen. Grundsätzlich besteht jedoch keine Not32 Vgl. Bruhn, 2010, S. 359. 33 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind im deutschen Gesundheitssystem die folgenden Zertifizierungsverfahren von Bedeutung: European Foundation for Quality Management (EFQM), Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (KTQ), Europäisches Praxisassessment (EPA), Qualitätsmanagementsystem der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (QEP). Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 78 Abb. 2: Planungspyramide eines Qualitätsmanagements für Fitnessdienstleistungen (Quelle: In Anlehnung an Bruhn, 2010, S. 236) wendigkeit einer Zertifizierung für die Betreiber von Fitnessstudios. Für jeden Anbieter gilt es abzuwägen, ob eine Zertifizierung sinnvoll ist. Leitendes Kriterium für die Sinnhaftigkeit eines derartigen Steuerungsinstruments sind die Ziele des Qualitätsmanagements. Gelingt es, durch die Implementierung eines Zertifikats und der damit verbundenen Modifikationen in den Potenzialen und Prozessen das Hauptziel jeder kommerziellen Sportorganisation, nämlich die Gewinnmaximierung unter besonderer Berücksichtigung kundenbezogener Teilziele (z.B. Zufriedenheit und Bindung), zu erreichen? Leitendes Motiv der Zertifizierung ist somit nicht die Sicherstellung eines qualitätsorientierten Gesundheitssportangebots, sondern der wirtschaftliche Vorteil, der sich durch eine verbesserte Kundenakzeptanz ergibt34. Bei Betrachtung der Inhalte der TÜV Rheinland-Zertifizierung offenbart sich ein hoher Grad an Komplexität. Zur Erfüllung der Anforderungen sind neben den Prüfungsgebühren unter Umständen weitere Investitionen in die apparative Ausstattung, das Personal oder das Dokumentationsmanagement zu leisten, um letztend- lich das Siegel zu erhalten. Aus Sicht einer kommerziellen Organisation sind diese Investitionen nur zu rechtfertigen, sofern Kunden und potenzielle Nachfrager die Zertifizierung kennen, sie mit Qualität assoziieren und ihre Kaufentscheidung darauf basiert. Eine Zertifizierung ist zunächst keine Garantie zur Erhöhung der Mitgliederanzahl oder Steigerung der Kundenzufriedenheit. Vielmehr bedarf es einer dezidierten Marktforschung mit Fokus auf Kundenakzeptanz der Qualitätszertifizierungen, um begründet eine Zertifizierung durchzuführen und zu installieren. Neben den Qualitätsprädikaten lässt sich mit Hilfe anderer Maßnahmen eine Qualitätsorientierung intern dokumentieren. Grundlage ist die Analyse der Qualität von Fitnessdienstleistungen und deren bereits im Kapitel 4 beschriebenen Messmethoden. Ergebnisse von Qualitätsanalysen eignen sich zur internen Veröffentlichung. Anhand von zwei Beispielen soll diese verdeutlicht werden. 1. Direkte Messung der Kundenzufriedenheit mit dem Zwei-Komponenten-Ansatz. 34 Vgl. die Interviewstudie von Rieger, 2007. SCIAMUS – Sport und Management Themenheft 79 Strategisches Management für Fitnessstudios Die auf den Ausprägungen ‚Wichtigkeit’ und ‚Zufriedenheit’ bestimmter Merkmale der Fitnessdienstleistung (z.B. Freundlichkeit der Flächentrainer) basierte Untersuchung ermöglicht eine strukturierte Analyse der vorliegenden Qualität35. Die Ergebnisse sollten den Kunden zugänglich gemacht werden. Die ausschließliche interne bzw. managementbezogene Nutzung der Analyseergebnisse greift zu kurz. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse fördert Transparenz und Glaubwürdigkeit. Die aus Kundenperspektive bemängelten Merkmale, also jene mit geringer Zufriedenheit und hoher Wichtigkeit sind mit entsprechenden Kommentaren seitens des Managements zu versehen, die eine Interventionsabsicht signalisieren. Demgegenüber sind positiv bewertete Merkmale ebenfalls zu kommunizieren. Diese Vorgehensweise lässt sich mit dem Beispiel 2 (Beschwerdemanagement) sinnvoll kombinieren. 2. Beschwerdemanagement blemorientierter Ansatz als pro- Das Aufstellen sog. ‚Kummerkästen’ ist lediglich der finale operative Schritt eines Beschwerdemanagements und kann ohne eine zielorientierte Steuerung zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Folgende Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um einen maximalen Nutzen aus einem Beschwerdemanagement zu ziehen: 1. Information der Kunden über die Möglichkeit zur Beschwerde, 2. Sicherstellung einfacher Zugänge zu Beschwerdekanälen für die Kunden36, 3. Individuelles Beschwerdefeedback für die Kunden37 und 4. 35 Vgl. Hentschel, 1999, S. 300. 36 Vgl. Stauß & Seidel, 2007, S. 116. 37 Sofern keine Anonymität vorliegt. SCIAMUS – Sport und Management Veröffentlichung von Beschwerden mit ergänzenden Kommentaren seitens des Managements. Hier ergeben sich Anschlussofferten zu den Ergebnissen einer direkten Messung der Kundenzufriedenheit oder anderen Messverfahren. Eine kombinierte, interne Veröffentlichung erweitert das Spektrum einer internen Qualitätsdokumentation. 6 Wirtschaftlichkeit eines Qualitätskonzepts im Fitnessstudio Das Entscheidungsverhalten von Fitnessstudiomanagern im Hinblick auf die Implementierung von Qualitätsmanagementsystemen beruht in erster Linie auf der Reflexion des Kosten-Nutzen-Verhältnisses38. Sofern die implementierten Maßnahmen zu einem positiven Saldo führen, ist von einer dauerhaften Fortführung der Qualitätsaktivitäten auszugehen. Dies ist zunächst unabhängig davon, ob sich die ergriffenen Maßnahmen an den Bedingungen eines qualitätsorientierten Gesundheitssports anlehnen. Nutzen definiert sich somit nicht über den gesundheitlichen Nutzen, den die Kunden erfahren, sondern über eine ausschließliche Quantifizierung von Gewinnen oder Verlusten. Bei Betrachtung der Kosten, die sich durch ein Qualitätskonzept ergeben, den sog. qualitätsbezogenen Kosten, sind die folgenden Kategorien zu differenzieren39: 1. Fehlerverhütungskosten Hierunter sind Kosten der Qualitätsplanung und -sicherung zu verstehen. Beispiel im Fitnessstudio: Kosten für die Zertifizierung durch den TÜV Rheinland. 2. Prüfkosten Hierzu zählen Aufwendungen für die Durchführung von Analysen und Kontrol38 Vgl. hierzu die qualitativ-empirische Studie von Rieger, 2007. 39 Vgl. die Ausführungen von Kamiske, 2007. Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios len. Beispiel im Fitnessstudio: Kosten für die Durchführung von Befragungen des Kundenkontaktpersonals wie Trainer und Servicemitarbeiter. 3. Fehlerkosten Treten intern und extern auf. Interne Fehlerkosten ergeben sich aus Situationen und Ereignissen, bevor der Fitnessstudiokunde in den Prozess einbezogen wird. Beispiel im Fitnessstudio: Ein Trainer bemerkt vor der Geräteeinweisung, dass ein für den Termin geplantes Gerät defekt ist. Externe Fehlerkosten entstehen erst nach Beteiligung des Kunden im Prozess. Beispiel: Ein unbemerkt defektes Trainingsgerät führt zum Abbruch eines Personaltrainings, da sich der Kunde verletzt hat. Kosten, die durch das Verfehlen eines kundenseitig geforderten Kundenniveaus entstehen, sind schwer quantifizierbar. Häufig wirken sich Qualitätsdefizite unmittelbar auf den Kunden aus und führen zu einer höheren Fluktuation, die wiederum Erlöseinbußen zur Folge hat. Ein auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtetes Qualitätskonzept stützt sich auf erlössteigernde Nutzenwirkungen. Die Ausrichtung von Maßnahmen zur Qualitätssteigerung sollte sich nicht wie bisher an der Gewinnung neuer Kunden, sondern an dem Erhalt bereits bestehender Kunden orientieren. In diesem Kontext sind vor allem Aspekte der Trainingsbetreuung zu priorisieren, die den Trainingserfolg von Kunden in den Vordergrund rücken40. Die Erreichung von Trainingszielen spielt eine zentrale Rolle für die Kundenbindung im Fitnessstudio. Werden Trainingsziele nicht erreicht, wird es Anbietern dauerhaft schwer fallen ihre Kunden davon zu überzeugen, eine monatlich nicht unbeträchtliche Summe für den Mitgliedsbeitrag zu entrichten. 40 Vgl. Rieger, 2009; 2011, S. 45. SCIAMUS – Sport und Management 80 7 Fazit und Implikationen für die Ausgestaltung eines Qualitätskonzepts in Fitnessstudios Fitnessstudios sind keine Gesundheitsorganisationen. Fitnessstudios sind Unternehmen mit einer streng kommerziellen Orientierung. Ein implementiertes Qualitätskonzept muss sich somit an den Bedingungen der Gewinnerzielung orientieren. Insofern unterscheidet sich das Qualitätsmanagement in Fitnessstudios nicht oder nur geringfügig von dem in anderen wirtschaftlich ausgerichteten Dienstleistungsorganisationen. Durch den hohen Intimitätsgrad kommt dem operativen Betreuungspersonal eine große Bedeutung zu. Sie agieren als wesentliche Schnittstelle zwischen Anbieter und Kunde und müssen bei der Analyse, Planung und Steuerung von Qualität eine entsprechende Berücksichtigung finden. Grundsätzlich ist ein Qualitätskonzept kundenseitig anzusetzen; es muss den Kunden mit seinen individuellen Zielen in den Mittelpunkt stellen. Eine Qualitätszertifizierung als isolierte Steuerungsmaßnahme greift zu kurz, da diese kundenseitig nur bedingt wahrgenommen wird. Vielmehr ist ein ganzheitlicher Prozess anzustoßen, der auf Basis von kunden- und anbieterseitigen Qualitätsanalysen die Planung von Maßnahmen begründet, die die Kernleistung eines Fitnessstudios, nämlich die Trainingsbetreuung, kontinuierlich verbessert. Aus dieser Prozessoptimierung können Ergebnisse, z.B. in Form von Trainingserfolgen, positiv beeinflusst werden. Wesentliche Bestandteile eines Qualitätskonzepts sind zunächst die Formulierung normativer Grundsätze in Form einer Qualitätsphilosophie, die Bestimmung von Zielen und einer strategischen Qualitätsposition, die Analyse des aktuell bestehenden Qualitätsniveaus sowie die Ableitung von Maßnahmen mit anschließender Bewertung. Aus wissenschaftlicher Sicht ergeben sich bei einer weiterführenden Betrachtung interessante Forschungsfragen. So liegen Themenheft 81 Strategisches Management für Fitnessstudios derzeit keine Untersuchungen vor, die sich mit den Qualitätsaktivitäten von Fitnessstudios beschäftigen. In diesem Zusammenhang wäre es interessant zu untersuchen, ob und inwieweit Ansätze zur Messung von Dienstleistungsqualität, also z.B. multiattributive Verfahren oder Beschwerdeverfahren, bereits zum Einsatz kommen. Zum Autor Prof. Dr. Thomas Rieger, MPH BiTS - Business and Information Technology School Fachbereich International Service Industries Reiterweg 26b D - 58636 Iserlohn Telefon: 02371 / 776-546 E-Mail: [email protected] Thomas Rieger ist Professor für Sportmanagement an der Business and Information Technology School - BiTS in Iserlohn. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Sportmarketing, Management von Sportorganisationen, Green Sport Management und Health Care Management. Literatur Berry, L.L. (1986). Big Ideas in Services Marketing. In M. Venkatesan, D.M. Schmalensee & C. Marschall (Eds.). Creativity in Services Marketing. What’s new, What works, What’s Developing (pp. 6-8). Chicago: American Marketing Association. 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Von der Gewinnung neuer Mitglieder hängt im Wesentlichen der wirtschaftliche Erfolg ab und da eine gewisse Fluktuation - auch bei bester Betreuung - nicht verhindert werden kann, nimmt der Verkauf zu Recht eine zentrale Stellung innerhalb eines Fitnessstudios ein. Daher soll im Folgenden dargestellt werden, was die wichtigsten Maßnahmen für einen erfolgreichen Vertrieb im Fitnessstudio sind und wie man Vertriebskanäle optimal nutzen kann. 1. Einleitung Der Verkauf von Mitgliedschaften ist für ein Fitnessstudio einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Dies erscheint bei Fluktuationsraten von 30 bis 40%, teilweise sogar über 50% mehr als verständlich. Denn diese Fluktuationsraten bedeuten gleichzeitig, dass man bis zu mehr als 50% neue Mitgliedschaften pro Jahr verkaufen muss, nur um den aktuellen Mitgliederstand zu halten. Obwohl das Problem bei derart hohen Kündigungsraten wohl weniger im Verkauf liegt, sondern eher an der Motivation und an der Betreuung der Mitglieder, stellt der Verkauf eine der größten Herausforderungen für ein Fitnessunternehmen dar. Denn von der Gewinnung neuer Mitglieder hängt im Wesentlichen der wirtschaftliche Erfolg ab und da eine gewisse Fluktuation - auch bei bester Betreuung - nicht verhindert werden kann, nimmt der Verkauf zu Recht eine zentrale Stellung innerhalb eines Fitnessstudios ein. interessant ist und wie positioniert man sich, um einen möglichst großen Anteil davon zu gewinnen. Im Folgenden soll dargestellt werden, was die wichtigsten Maßnahmen für einen erfolgreichen Vertrieb im Fitnessstudio sind und wie man Vertriebskanäle optimal nutzen kann. 2. Die unterschiedlichen Arten von Vertriebskanälen Die Grundlage einer neuen Mitgliedschaft ist zuallererst ein Interessent, dessen Kontaktdaten generiert werden müssen. Dies kann über unterschiedliche Vertriebskanäle geschehen. Ziel des Verkäufers ist hier, ein sogenanntes Lead zu erhalten. Unter einem Lead versteht man die Kontaktdaten eines Interessenten, den man für sein Fitnessstudio gewinnen möchte. Entscheidend ist, dass für den Verkäufer die Möglichkeit entsteht, Kontakt zu dem Interessenten aufzunehmen. Ideal ist hierfür die Telefonnummer geeignet, da der Kontakt schnell und kostengünstig entsteht. Auch bei einer Mailadresse kann der Verkäufer kostengünstig Kontakt aufnehmen, ist aber auf eine schriftliche Reaktion des Interessenten angewiesen. Eine Postadresse ermöglicht das Zusenden von Werbematerial. Je nach Marketingstrategie ist es aber auch möglich, dass aufgrund der hohen Kosten darauf verzichtet wird und das Lead somit wertlos ist. Bei diesen Leads bzw. den Vertriebskanälen, über die Sie gewonnen werden, gibt es verschiedene Vor- und Nachteile. Im Folgenden werden die einzelnen Vertriebskanäle näher vorgestellt. Die Frage ist nun, woher die Neumitglieder gewonnen werden können. Wo findet man Menschen, für die Fitnesstraining SCIAMUS – Sport und Management Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios 84 2.1.Unterscheidung aktiv – passiv c) Bring a friend Aktiv bedeutet in diesem Zusammenhang mit dem Vertriebskanal, dass der Verkäufer selbst und direkt durch Engagement und Zeitaufwand Anzahl und Qualität der Leads beeinflussen kann. Eine abgewandelte Form des Walk Ins. In diesem Fall ist es aber so, dass der Interessent nicht alleine kommt, sondern von einem Bestandsmitglied des Fitnessstudios zum Training mitgebracht wird. Im Gegensatz dazu ist ein passives Lead dadurch gekennzeichnet, dass der Verkäufer auf ein Reagieren des Interessenten auf Werbung angewiesen ist. Eine Beeinflussung, ob und wann der Interessent zu einem Studio kommt oder das Lead gesammelt wird, ist nicht möglich. d) E-Lead Der Interessent informiert sich im Internet über Fitnessstudios und registriert sich anschließend auf der Homepage. Den Kontakt erhält der Verkäufer per Internet und kontaktiert den Interessenten anschließend telefonisch. 2.2. Die einzelnen Leadquellen 2.2.1. Passive Leads 2.2.2. Aktive Leads a) Der Walk In a) Empfehlungsmarketing Ein „Walk In“, oder im Deutschen Laufkundschaft, ist die wohl klassischste Form eines Interessenten in Fitnessstudios. Er kommt ohne Voranmeldung in das Fitnessstudio und äußert Interesse an Fitnesstraining. Im Empfehlungsmarketing werden die Leads durch den Verkäufer über die eigenen Mitglieder des Fitnessstudios gewonnen. Dies geschieht entweder beim Verkauf einer Mitgliedschaft selbst, dem Point of Sale (POS) oder danach bei Bestandsmitgliedern, After Sale (AS). Die Anzahl kann zwar durch einen höheren oder niedrigeren Aufwand im Marketing und durch die Auswahl der Kommunikationsmedien beeinflusst werden, hängt aber in erster Linie von der Lage des Fitnessstudios und der über lange Zeit aufgebauten Bekanntheit ab. b) Der Call In Verhält sich analog zum Walk In, kontaktiert das Fitnessstudio aber im Voraus per Telefon. In den meisten Fällen informiert sich der Anrufer über Preise. Hier ist entscheidend, dass die Erklärung nicht ausführlich am Telefon stattfindet, sondern der Interessent in das Studio eingeladen wird. Nach der Terminvereinbarung werden die Kontaktdaten, Name und Telefonnummer durch den Verkäufer gesichert, um bei Nichterscheinen nachtelefonieren zu können. SCIAMUS – Sport und Management Am POS fällt es leichter Empfehlungen zu generieren, da das Neumitglied kurz nach Kauf der Mitgliedschaft eine starke emotionale Bindung zu dem Verkäufer aufweist. Somit wird auch klar, dass von einer POS-Empfehlung nur direkt nach Verkauf der Mitgliedschaft gesprochen werden kann. Als AS-Empfehlung sind alle Kontakte zu bezeichnen, die der Verkäufer durch Ansprache der Bestandsmitglieder bekommt. Auch hier gilt wieder, dass der Verkäufer Name und Kontaktdaten generieren muss, um den neuen Interessenten kontaktieren zu können. Eine weitere Form der Empfehlungsgenerierung sind Service Calls, bei denen der Verkäufer die Bestandsmitglieder des Studios nicht auf der Trainingsfläche beim Training anspricht, sondern per Telefon zuhause kontaktiert. In erster Linie dieThemenheft 85 nen diese Service-Anrufe der Abfrage von Kundenzufriedenheit oder der Aktivierung bei Mitgliedern, die längere Zeit nicht mehr im Studio waren. Allerdings kann hier natürlich auch nach Empfehlungen gefragt werden, um zum Beispiel einen neuen Trainingspartner zur höheren Motivation zu gewinnen. b) Promotion Leads, die der Verkäufer oder ein speziell für diese Arbeit angestellter Promoter (meist eine studentische Aushilfskraft) außerhalb des Clubs bei einer PromotionAktion oder einem Event sammelt. Oft werden diese Leads auch über externe Agenturen generiert, die sich darauf spezialisiert haben. c) Firmen-Fitness: Die Kontaktdaten werden auf einem Firmen-Event generiert, zum Beispiel einem Gesundheitstag – oder der Interessent meldet sich aufgrund eines Angebots in seiner Firma. Grundlage hierfür sind Kooperationen, die mit Firmen abgeschlossen werden, bei denen zum Beispiel ein günstigerer Beitrag für Firmenangehörige gewährt wird und im Gegenzug gezielte Werbeaktionen in den Räumen der kooperierenden Firma erlaubt werden. 3. Neue Vertriebskanäle Bis vor wenigen Jahren reichte es aus, wenn sich ein Fitnessstudio zur Leadgenerierung auf Empfehlungsgeschäft, ein bisschen Werbung per Zeitung oder Flyer und das Durchführen von Promotion-Veranstaltungen auf Straßenfesten oder Ähnlichem beschränkte. In der heutigen Zeit jedoch ist dies längst nicht mehr genug. Die Anzahl der Fitnessstudios ist in den letzten Jahren stark gestiegen und der gegenseitige Verdrängungswettbewerb ist hart. Besonders was das Werben von neuen Mitgliedern angeht, ist ein regelSCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios rechter Wettkampf um die Vertriebskanäle entbrannt. Dies macht es erforderlich, alternative Wege zu gehen, um Leads zu generieren und neue Interessenten zu finden. Zu diesen neuen Vertriebskanälen gehören Internetverkaufsportale wie City Deal oder Vente Privée. Aber auch eine Kooperation mit Payback stellt einen möglichen Vorteil für den Kunden dar und kann als Vertriebskanal gewertet werden. Ebenso rücken Kooperationen mit Organisationen wie Medical Fitness Deutschland oder Apotheken in den Fokus von Fitnessstudios. 4. Der ideale Mix für die Vertriebskanäle Es gibt also intern wie extern, aktiv wie passiv Möglichkeiten, Interessenten zu gewinnen. Die große Frage ist, auf welches Pferd man setzten soll. Die passiven Leadquellen kann man zwar mit gezielter Werbung, Investitionen im Internet oder dem Begeistern der eigenen Mitglieder stärken, was aber am Ende im Club ankommt ist nicht genau berechenbar. Insofern empfiehlt es sich immer, den Schwerpunkt auf das aktive Generieren von Leads im Empfehlungsmarketing zu setzen. Der große Vorteil beim Generieren von Empfehlungen sind die geringen Kosten, denn nötig ist nur die gezielte Ansprache der eigenen Mitglieder vor Ort im Studio. Ein weiterer Vorteil ist, dass dies unabhängig von Dritten oder langer Planung jederzeit geschehen kann. Das Empfehlungsmarketing sollte also die Basis eines jeden Vertriebs sein und etwa 50% der neuen Mitglieder sollten diesem Vertriebskanal entstammen. Im nächsten Punkt wird das Empfehlungsmarketing noch einmal etwas näher beleuchtet. Der zweite Stützpfeiler der Leadgewinnung sollte das externe Geschäft sein, Themenheft Strategisches Management für Fitnessstudios sprich die Laufkundschaft, die wegen der Bekanntheit und des guten Rufes das Studio aufsuchen. Entscheidend hierfür ist die Lage des Fitnessstudios. Als optimal haben sich Standorte an vielbefahrenen Straßen oder Innenstadtlagen in Einkaufszentren erwiesen. Diese Laufkundschaft sollte etwa 30% der Neumitglieder bringen. Natürlich kann der Zustrom an Walk Ins und Call Ins über gezielte Werbung erhöht werden. Hier empfiehlt sich ein konstantes und beständiges Marketing mit Wiedererkennungswert. Die übrigen 20% der Neumitglieder richten sich nach der Schwerpunktlegung des Studios. Während hier bis vor 5 Jahren noch Promotion im Hauptfokus stand, hat sich das externe Werben über Promotionteams langsam aber sicher reduziert: Wegen des starken Wettbewerbs lassen sich Qualität und Menge kaum noch in ein gewinnbringendes Verhältnis zu den Kosten setzen. Stattdessen sind FirmenFitness, das Internet und die „neuen Vertriebskanäle“ auf dem Vormarsch. Zudem fangen die Themen soziales Netzwerk und App an, in der Bewerbung von Fitnessstudios eine Rolle zu spielen. 5. Empfehlungsmarketing Schnell, günstig, Empfehlungsmarketing! Im Folgenden werden die drei möglichen Arten POS, AS und Service-Call zur Leadgenerierung noch einmal genauer erläutert. Im Gesamten geht es darum, die Begeisterung des Mitglieds für ein Studio zu nutzen, um neue Mitglieder zu gewinnen. Des Weiteren bietet das Empfehlungsmarketing die Chance, eine optimale Vorselektierung zu nutzen. Menschen neigen dazu, sich mit Ähnlichem zu umgeben. Das bedeutet, mit Menschen, die ähnliche Interessen, ähnliche Ziele, ähnliche Probleme (Übergewicht) und ähnliche Gedanken haben. Ein Kontakt, der die Empfehlung von einem Mitglied ist, wird also zu 90% auch Interesse an einer MitSCIAMUS – Sport und Management 86 gliedschaft haben und die Überzeugung beim Beratungsgespräch fällt sehr viel leichter. Empfehlungen am Point of Sale Es empfiehlt sich, dem neuen Mitglied Gästekarten zu überreichen. Unter Gästekarten versteht man Gutscheine, mit denen der Kunde Freunde und Bekannte einladen kann. Diese Gutscheine ermöglichen es, neue Kontakte zu knüpfen und darüber zusätzliche Mitglieder zu gewinnen. Die Gästekarten sollten aber nie ohne eine Begründung vergeben werden. Gerade wenn der Kunde noch neu im Club ist und noch wenige Mitglieder kennt, hat er ein großes Interesse, Freunde und Bekannte mitzubringen. Das ist die einfachste und kostengünstigste Art, neue Kunden zu gewinnen. Dennoch sollten die Gastkarten eine begrenzte Gültigkeit besitzen und der entsprechende Wert darauf angegeben sein. Bei After-Sale-Empfehlungen, sowohl im Club gesammelt als auch bei sogenannten Service-Anrufen, ist das Entscheidende, wieder eine Bindung zu dem vielleicht schon vor längerer Zeit gewonnenen Mitglied aufzubauen. Idealerweise werden immer fünf Stufen im Lauf eines solchen Gesprächs durchlaufen, damit die Anfrage nach einer Empfehlung nicht zu plump wirkt. Schritt 1: (Erneutes) Vorstellen des Sales-Mitarbeiters. Schritt 2: “Etwas Altes” aufgreifen, um das Verhältnis wieder herzustellen. Schritt 3: “Etwas Neues” vorstellen, zum Beispiel die aktuelle Empfehlungs-Promotion. Schritt 4: Empfehlungen aufnehmen. Schritt 5: Das Mitglied mit einem Moment of Magic zurücklassen. Themenheft 87 6. Die Bedeutung des Internets zur Leadgenerierung Die Wichtigkeit des Internets wächst immer weiter und wird in Zukunft der entscheidende Faktor bei der Bewerbung des Studios sein. Hierbei zählt neben einem professionellen Auftritt auf der Homepage sowohl das Affiliate Marketing als auch eine SEM/SEO Optimierung. Zur Definition: Affiliate Marketing Unter Affiliate Marketing versteht man das Bewerben des Studios über Dritte, die eine Werbung auf Ihrer Internetseite platzieren. Gelangt nun ein Interessent über diesen Link auf die eigene Homepage, fließt dafür Geld. SEM = Search Engine Management Dieses beschreibt das Managen der Ergebnisse, die zum Beispiel auf Google unter einer bestimmten Suche angezeigt werden. Hier ist entscheidend, die bei Suchen nach Fitnessstudios eingegebenen Wörter zu identifizieren und dann das eigene Studio möglichst optimal zu platzieren. SEO= Search Engine Optimisation Hier wird auf Suchportalen nach einem sogenannten Content gesucht. Bedeutet: Je besser die eigene Webseite von Sinn und Inhalt her zu einem Suchbegriff passt, umso höher taucht sie nach einer Suche auf. Nach neuesten Studien wird bei Google nach einer Suche zu 90% eines der ersten vier Ergebnisse gewählt. Wenn man sich nun in Erinnerung ruft, dass 78% bei der Suche nach einem Fitnessstudio auf das Internet und damit auf Suchmaschinen zurückgreifen, wird die Wichtigkeit dieser Punkte mehr als deutlich. SCIAMUS – Sport und Management Strategisches Management für Fitnessstudios 7. Zukünftige Entwicklung Für die Zukunft kann man erwarten, dass sich der Wettkampf weiter verstärkt und einfache Kundengewinnungsmethoden wie Promotion oder das Verteilen von Flyern keinerlei Wirkung mehr zeigen und somit auch keinen Erfolg verursachen. Täglich liegen bis zu 15 Flyer, Beileger und Prospekte in einer Zeitung, so dass diesen keine Beachtung mehr geschenkt wird. Der Werbemarkt und die Vertriebskanäle werden sich also weiter spezialisieren und es werden nur noch die Fitnessstudios Zulauf haben, die innovative, originelle Werbung in neuen Medien oder auf modernen Plattformen machen. So wird auch in der Fitnessbranche der Markt zukünftig von Stichworten wie Virales Marketing, Apps und sozialen Netzwerken dominiert werden. Zum Autor Andreas Haderthauer Fitness First Germany GmbH Hanauer Landstraße 148a 60314 Frankfurt am Main E-Mail: [email protected] Andreas Haderthauer studierte Fitness Ökonomie an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement. Nach dem Studium wechselte er zu Fitness First Germany, wo er als Clubmanager insgesamt 14 Fitness Clubs leitete. Nach einem Jahr als Sales Trainer, in dem er die firmeninterne Vertriebsschulung für alle neuen Vertriebsmitarbeiter abhielt, verantwortet er als National Sales Manager seit Frühjahr 2011 das deutsche Vertriebsergebnis von Fitness First. Sein Fachbereich erstreckt sich von Pricing Management über das managen der unterschiedlichen Vertriebskanäle bis hin zum Standardisieren des Salesprozess. Themenheft