Als das Marketing nach Österreich kam Sein Arbeitszimmer an der Universität hat er bereits vor zwölf Jah Ernest Kulhavy im Unruhestand – anders lässt sich sein umtriebiges Am 24. Dezember feiert Österreichs Marketing-Pionier seinen 85. 1976. Das Institutsteam an der Johannes Kepler Universität Linz (vorne Ernest Kulhavy). 70 Gentleman. Wo immer der elegant gekleidete und stets vergnügt wirkende Gentleman auftaucht, wird er sofort von zahlreichen Menschen erkannt und begrüßt. Politiker, Unternehmer, Manager, Diplomaten, ehemalige Studenten und Bekannte umringen schule für Welthandel in Wien, der erste ihn. Er ist fünffacher Ehrendoktor, Träger ­berufliche Erfahrungen in einem Export-/­ unzähliger Auszeichnungen, Mitglied und Import-Unternehmen sammelte. Da er sein Funktionär in vielen Clubs und VereinigunStudium mit dem Doktorat abschließen gen, begnadeter Netzwerker, ein Charmeur und Herr vom alten Schlag. Man begeht kei- ­wollte, schlug er nach zwei Jahren die ­wissenschaftliche Laufbahn ein, wurde nen Kardinalfehler, Ernest Kulhavy als ös­Assistent, Oberassistent und Dozent. Er disterreichischen „Marketing-Papst“ zu apostsertierte („Exportförderung durch innervolksrophieren. Denn er steht einer großen Gemeinde vor, die seine Management-Philo- wirtschaftliche Verbandswirtschaften und Wirtschaftskammern“), studierte ein Jahr am sophie teilt, lebt und weiter verbreitet. Ableger der John Hopkins Universität in BoJüngere Semester werden sich nur logna (1956/57), erhielt eine Fellowship bei schwer vorstellen können, dass es einmal Verkäufermärkte gegeben hat, auf denen die der UNO und anschließend eine Anstellung bei der EFTA (European Free Trade AssociatiNachfrage weit größer als das Angebot war. on) in Genf. 1963 wurde er an die TechniAls typisches Beispiel kann der Möbelhansche Universität Berlin berufen – als Profesdel der Nachkriegszeit angeführt werden: sor für „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre So gut wie jeder Verkäufer hatte damals Erund Betriebswirtschaft des Handels“. Dort folg, sofern er nur ­einen Bestellblock halten setzte seine wissenschaftliche Auseinanderkonnte und des Schreibens mächtig war. setzung mit Marketing ein, und alsbald wollDie Kunden mussten mit der vorhandenen te er ein Institut für Marketing und ManageWare vorlieb nehmen und die verlangten ment gründen – es wäre das erste im Preise akzeptieren, geduldig warteten sie deutschsprachigen Raum gewesen. monatelang, bis die bestellten Möbel angefertigt und zugestellt wurden. Diese – aus Ära der Marktorientierung Sicht der Unternehmen – paradiesischen Kulhavy war der Paradigmenwechsel in der Zustände hielten nicht ewig, und schon in Wirtschaft mit den neuen Realitäten der den Fünfzigerjahren ­entstanden die ersten Käufermärkte nicht verborgen geblieben. Käufermärkte. Allmählich setzte eine Ära des Wettbewerbs ein, die Machtverhältnisse „Die Führung einer Unternehmung war ohne verschoben sich zu Gunsten der Konsumen- Marktorientierung nicht mehr denkbar“, erinnert er sich. Aus den USA war das Marketen, die es nunmehr zu umwerben galt. ting nach Europa gekommen und hatte Ernest Kulhavy war in den besagten Fünflängst in den internationalen Konzernen zigerjahren ein junger Absolvent der HochEingang gefunden – nicht jedoch in der deutschen Betriebswirtschaftslehre, ins­ besonders der Absatzwirtschaftslehre. ­Kulhavy legte sechs Namensvorschläge für ein neues Institut in Berlin vor, in fünf davon war der Begriff „Marketing“ enthalten. Sein erster Assistent, der spätere Konsumentenforscher Werner Kroeber-Riel, ­erstellte eine „Gedankensammlung“ zur ­Untermauerung des Antrags. Bestseller 11|12 2010 ren geräumt, seither befindet sich Dasein nur schwer beschreiben. Geburtstag. Text von Hansjörg Wachta privat (3) 2002. Bei einer der vielen ­Wanderungen am Reichraminger Bach im ­Nationalpark Kalkalpen. zeitgemäßes Marketingverständnis führte. Der Akademische Senat in Berlin zeigte sich vom amerikanischen Begriff nicht son- „Die behördlich dekretierte Namensgebung war (und ist) amateurhaft“, ärgerte sich derlich angetan, immerhin kam ein lebhafter fachlicher Diskurs in Gang. Kulhavy war ­Kulhavy und stellte fest, dass die stürmische Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre als federführend, knüpfte Kontakte zur deutschen Industrie, wurde Beirat der angesehe- eigenständige Wissenschaft im 20. Jahrhundert an der Ministerialbürokratie offensichtnen Fachzeitschrift „Absatzwirtschaft“ lich vorbeigegangen war. Er selbst wollte (Handelsblatt-Verlag Düsseldorf), hielt VorMarketing als Konzeption der Unternehträge (unter anderem vor der Vereinigung mensführung und als Führungsphilosophie Deutscher Marketing- und Verkaufsleiterdes Managements am Anfang des unternehclubs in Essen) und wiederholte seine Formerischen Entscheidungsprozesses verstanderung nach einem eigenen Institut. Mit den sehen: „Die Zeit war reif für die VeranSchmunzeln erinnert er sich an den Prorekkerung des Marketings in der universitären tor Ulrich Gundlach, der einmal meinte, Forschung und Lehre, war reif für die Entsteman müsse den Bären erst erlegen, bevor hung der Marketingwissenschaft.“ man sein Fell verteilen könne. Kulhavys Kulhavy hatte ab dem Wintersemester Antwort glich einem Plädoyer für Marktorientierung: „Falsch. Man muß zuerst wissen, 1967/68 den Ausdruck „Absatzwirtschaft“ aufgegeben und nur noch die Bezeichnung ob überhaupt jemand das Fell will.“ „Marketing“ verwendet. In seinen Lehrveranstaltungen setzte er eine Grafik ein, die das Erstmals „Marketing“ komplexe Marketingsystem darstellte und 1966 ereilte den österreichischen Professor ­eine überaus moderne, ganzheitliche Sichtein „Ruf“ aus der Heimat: Auf Initiative seiweise erkennen ließ. Er berücksichtigte im nes Wiener Kollegen Josef Koblinger wurde Umfeld des Unternehmens auch Ethik und ihm die Errichtung eines Instituts für InterMoral, Natur und Ökologie, Kunst und Ästhenationales Marketing an der Johannes Keptik. Und er verwies sogar auf den Einfluss der ler Universität Linz ermöglicht – ohne Religion mit einem konkreten Beispiel: „Eine Schwierigkeiten, wie er rückblickend anmerkt. Stolz weist er darauf hin, dass es das kleine Firma stellte Wanduhren für Bauernstuben mit aufgemalten Blumen und Kirchen erste im deutschsprachigen Raum war, das die Bezeichnung „Marketing“ in seinem Na- her und wollte diese auch nach Saudiarabien exportieren. Das war erst möglich, als die men trug. Die Freude darüber währte indes Kreuze der Kirchen entfernt wurden.“ nicht lange, da 1970 im Zuge der Universitätsreform eine Umbenennung in „Institut Primat des Verkaufs für Handel, Absatz und Marketing“ erfolgte Von den fünf Instrumenten des Marketing – trotz heftiger Proteste des Institutsvorstan(Leistung, Entgelt, Kommunikation, Distribudes und dessen massiver Unterstützung tion und Verkauf) hob Kulhavy stets den durch die oberösterreichische Industrie. ­Verkauf besonders hervor. „In Holland entDer Widerstand gegen den neuen Namen mag heute vielleicht übertrieben er1970. Kulhavy scheinen, doch entsprang er der bemit Studenten grifflichen Exaktheit des Wissenschaftim Seminarraum des Instituts lers, der einen steten Kampf für ein in Linz. Bestseller 11|12 2010 deckte ich einmal eine alte Ansichtskarte“, erzählt er. „Sie zeigte zwei Viehhändler, die gerade eine Kaufvereinbarung getroffen hatten und diese mit einem Handschlag besiegelten. Das Foto habe ich vergrößern lassen und in meinem Zimmer aufgehängt.“ Der Professor nahm es sogar in den Hörsaal mit – als einprägsames Symbolbild für das Primat des Verkaufs: „Wofür betreiben wir Marketing? Damit es zum Verkaufsabschluss kommt – dafür wird das ganze Theater gemacht. Das ist eine Kernaussage in meinem System: Alle Marketingmaßnahmen haben letztlich den Zweck, im Verkauf zu münden.“ In Linz wirkte Kulhavy 22 Jahre lang. Er realisierte viele Ideen, die heute zum Standardrepertoire von Universitäten gehören: „Mir ging es immer darum, die Wissenschaft aus dem Glaskasten zu holen und mit der Praxis zu verbinden.“ Es wurden Studienreisen mit Hörern und Assistenten in viele Länder Europas, ja sogar in die USA unternommen. Praktiker hielten Vorträge, und Studenten besuchten Betriebe. Das überzeugende Argument des Professors: „Ein angehender Arzt gehört als Student ans Krankenbett, und ein BWL-Student muß in die Betriebe gehen.“ In Linz wurden aktive Lehrmethoden wie Planspiele, Fallstudien und betriebliche Projektstudien forciert ­sowie praxisrelevante Diplomarbeiten vergeben. Die ersten Fallstudien kaufte Kulhavy persönlich in Harvard ein. Im Dezember 1976 gründete er in Zusammenarbeit mit der Landesinnung des wirtschaftlichen Werbewesens und der werbetreibenden Wirtschaft Oberösterreichs das Marketing Forum Linz, das zwei Jahre später in Marketing Club Linz umbenannt wurde. Ab 1983 fand ein jährlicher Kongress (unter dem Namen Marketing Forum Linz) statt: Erstklassige Referenten handelten aktuelle Themen vor 400 bis 450 Teilnehmern ab. 71 Erfolgreiche Studenten Zu Kulhavys bekanntesten Studenten gehörten Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, Ludwig Scharinger (Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich) oder Rudolf Trauner jun. (Präsident der Wirtschaftskammer Oberösterreich). Scharinger ist mittlerweile selbst Lektor und Förderer der Johannes Kepler Universität, Trauner betreibt unter anderem den Universitätsverlag, der laufend Forschungsergebnisse aus drei Fakultäten publiziert und auch Kulhavys Standard-Werk „Internationales Marketing“ verlegte. Bei Seminaren und Vorträgen des Marketing-Professors konnte man stets erfolgreiche Unternehmer und Manager antreffen, was Kulhavy einmal dazu bewog, einen Teilnehmer anzusprechen: „Warum kommen Sie überhaupt hierher? Sie könnten den ­Vortrag doch an meiner Stelle halten.“ Der Manager gab zu, 90 Prozent des Gehörten 2006. Aufnahme von Ernest Kulhavy in die Hall of Fame des Direct Marke­ ting Ver­bandes ­Österreich (DMVÖ) im Rahmen einer Fest­veranstaltung. Gleichzeitig wurde ihm die Ehren­ mitgliedschaft ­beurkundet. 72 1990. Als Rektor der Johannes Kepler Universität. zu kennen. „aber sieben Prozent erfahre ich von anderen Teilnehmern, und drei Prozent sind neu für mich,“ sagt er. „Auf diese ­Nasenlänge Vorsprung kommt es mir an.“ Als die Wirtschaftsuniversität Wien den Ansturm von Studenten der Studienrichtung Handelswissenschaften kaum mehr bewältigen konnte, setzte Kulhavy die Einrichtung dieser Studienrichtung auch in Linz durch. Bereits im Herbst 1981 hatte er einen ­Exportlehrgang für Praktiker gegründet. Fremde Länder und Sprachen weckten schon immer sein Interesse, weshalb er 1982 eine sechswöchige Weltreise unternahm. Sie führte ihn von Indien nach Südostasien und Australien. In jeder der elf besuchten Städte blieb Kullhavy vier Tage, traf die dortigen Botschafter und Handelsdelegierten, suchte Universitäten und Nieder­ lassungen österreichischer Firmen auf. Der Netzwerker lief zur Höchstform auf. ­Kulhavy organisierte unter anderem die erste Sommeruniversität (1990), an der bereits 40 osteuropäische Studenten und Assistenten teilnahmen, Besuche und Gegenbesuche, ­Bücherspenden sowie Sponsoren für Diplomarbeiten. Heute kann die Johannes Kepler Universität Linz auf elf Partnerschaftsverträge mit Universitäten in Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei verweisen. Burgtheater-Deutsch Kulhavy selbst war wie sein Vater stets österreichischer Staatsbürger, wenngleich sein Name häufig als ungarisch interpretiert wird. „Die Übersetzung lautet angeblich ‚aus den Schneebergen kommend‘“, amüsiert sich der Professor, der 1925 im schlesischen Oderberg geboren wurde, „das war eine politische Wetterecke, mal deutsch, mal polnisch, mal tschechisch.“ Mit dieser Herkunft erklärt Kulhavy auch sein perfekt artikuliertes Deutsch, das eines BurgtheaterMimen würdig wäre: „Ich musste siebenmal Eingeschifft das Gymnasium wechseln, aber nicht, weil Das größte Vergnügen bereitete Kulhavy ich ein so schlechter Schüler gewesen wäre, freilich eine mehrwöchige Kreuzfahrt von dabei hat sich meine Sprache abgeschliffen.“ San Francisco bis nach Alaska. Eines Tages Kulhavys Ehefrau Emilie, mit der er belernte er den Schweizer Direktor einer reits 58 Jahre lang verheiratet ist, stammt Kreuzfahrtflotte kennen. Dieser sollte einen aus Linz. Sie war Studienkollegin an der Vortrag halten und erbat sich vom Marketing-Professor entsprechenden Input. Kulha- Hochschule für Welthandel in Wien, und er lernte sie nach einer Vorlesung in der Eisenvy bedauerte, vom Kreuzfahrtgeschäft zu bahn kennen. Das Ehepaar hat drei Töchter wenig zu verstehen, worauf er sofort eingeladen wurde, einschlägige Marktstudien auf und acht Enkelkinder. „Die Namen habe ich mir gemerkt, die Geburtstage nicht mehr“, hoher See anzustellen. Seine Marktbeoblacht der angehende Jubilar, dessen geistige achtung gipfelte in dem Satz „Ein Schiff ist Frische erstaunen lässt. Er benützt das wie eine Stadt“. Es sollte nicht bei dieser ei­Internet zum Recherchieren und für die nen Kreuzfahrt bleiben. In Hongkong lernte E-Mail-Korrespondenz, demnächst will er Kulhavy 1990 den österreichischen Reeder und Milliardär Helmut Sohmen kennen, der sich auch noch ein Smartphone zulegen: ihn als Beirat in die Sohmen-Stiftung holte. „Ich möchte mitreden können“. Das wache Weltoffenheit und Weitsicht kennzeichne- Interesse an aktuellen Entwicklungen hindert ihn nicht daran, die Kostbarkeit jedes ten seit jeher den polyglotten UniversitätsTages, Monats und Jahres zu erkennen. lehrer, der 1989 auch das Amt des Rektors ­Seine ­Briefe beschließt er neuerdings mit übernahm. Kaum hatten sich die Grenzen Osteuropas geöffnet, knüpfte er sofort ­engste dem Satz „Tempus fugit – Die Zeit eilt“. Kontakte zu den Universitäten der Nachbar- Die ­große Bestseller-Familie und der Autor ­dieser ­Zeilen entbieten die herzlichsten länder. Er betrachtet dies nicht nur als bilGlückwünsche daher ebenfalls in Latein: dungs-und staatspolitische Verpflichtung, Ad multos annos! sondern auch als historische Aufgabe. Bestseller 11|12 2010 privat (2) Unterstützt wurde der Professor von wissenschaftlichen Mitarbeitern (Assistenten) wie Günter Schweiger (heute emeritierter Professor der Wirtschaftsuniversität Wien), Hans Jörg Schelling (Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger), Hannes Foullon-Matzenauer (langjähriger Geschäftsführer der Kölner Werbeagentur WESTAG), Gerhard Stürmer und Helmut Ramsauer (Ramsauer & Stürmer Consulting), Alfred Schweiger (langjähriger Marketingchef von Umdasch/Doka Schalungstechnik), Manfred Salzinger (bereits verstorben), Hans Mühlbacher (heute Universitätsprofessor in Innsbruck) oder Dietrich Kropfberger (Universitätsprofessor in Klagenfurt). Vor fünf Jahren, als Ernest Kulhavy seinen 80. Geburtstag feierte, kamen 28 seiner 32 ehemaligen Assistenten aus dem In- und Ausland angereist – das sagt sehr viel über die Verbundenheit des Teams mit seinem Lehrer aus. Das damalige Geschenk der akademischen Gratulantenschar für den Jubilar: ­eine komplette Homepage. Weggefährten Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik, WU-Wien , Raiffeisenlandesbank oÖ, Hauptverband der österr. Sozialversicherungsträger Gastkommentare. Dkfm. Heinz Pechek Geschäftsführer des Bundesverbandes Material­ wirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich Dr. Hans Jörg Schelling Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger Mit Prof. Ernest Kulhavy verbinde ich nur beste Erinnerungen: Ich war zwar niemals sein Schüler, da ich an der Hochschule für Welthandel in Wien studierte, doch kam es im ­Zuge meiner Zeit beim ÖPWZ und bei der Veranstaltung des Marketingtages wiederholt zur Zusammenarbeit. Für mich ist Professor Kulhavy der Pionier des Marketings in Österreich, er hat stets die Verbindung zur Praxis gesehen, ist weltoffen, positiv und vergnügt. Er steht stets mit beiden Beinen am Boden der Wirklichkeit und zeichnet sich durch grenzenlose Bescheidenheit aus. Natürlich wüsste ich auch eine lustige Episode, die ist aber nicht medientauglich … Professor Kulhavy war immer visionär und für Neues aufgeschlossen, noch heute mit 85 korrespondiert er per E-Mail ­regelmäßig mit mir. Er hat Methoden eingeführt, die heute selbstverständlich sind, aber damals revolutionär waren: ­Gespräche mit der Praxis, Seminare zu Zukunftsthemen mit Mobil Oil unter aktiver Mitgestaltung und Mitbeteiligung der Studenten, das Fallstudiencenter „Aus der Praxis für die Praxis“ etc. Er hat seine Mitarbeiter stets gefördert, ihnen aber gleichzeitig große Spielräume mit Eigenverantwortung überlassen. Er war ein Meister des Fundraisings: Was heute von den Unis in Bezug auf Drittmittel gefordert wird, hat er aktiv gelebt und realisiert, er ist so etwas wie die Verkörperung des Marketings. Er betrieb das, was man heute Networking nennt. Als gesellschaftliches Großereignis rief er das „Marketing-Gschnas“ ins Leben, mit den ­Erlösen wurden die jährlichen Studienreisen finanziert. Er stand persönlich beim Eingang, selbstverständlich maskiert, und achtete darauf, dass nur Geladene eingelassen wurden – ohne Maske schon gar nicht. Bei den Mobil-Seminaren gab es im Winter immer ein Skirennen. Um auch als absoluter Antisportler eine Chance auf einen Pokal zu haben, wurde eine Klasse „Generaldirektoren und Professoren“ mit zwei Teilnehmern ins Leben gerufen: So stand jedes Jahr ein Pokal (zumindest für den Zweiten) in seinem Büro. Er hat viel Sinn für Humor: Zu seinem 60er drehten wir ihm eine ZiB nach, die sich ausschliesslich um ihn drehte (inklusive Wetterbericht). Natürlich wurde er dabei auch von uns produzierenden Assistenten ein wenig auf die Schaufel genommen. Darüber hat er wirklich herzhaft gelacht, sich riesig gefreut und Kopien dieser ­Innovation (TV-Kassette anstelle von Festschrift) an Freunde und Bekannte verschickt. Dr. Günter Schweiger emeritierter Universitätsprofessor für ­Werbewissenschaft und Marktforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien Ich hatte die Ehre, der erste angestellte Mitarbeiter von Prof. Kulhavy am Institut in Linz gewesen zu sein. Gemeinsam können wir auf 14 Habilitierte verweisen, von denen viele als Professoren in drei Erdteilen tätig sind. Kulhavys Lehrer an der Hochschule für Welthandel war Professor Oberparleiter, der sich bereits nach dem ersten Weltkrieg mit Marketing beschäftigt hatte. Ernest Kulhavy trieb die Internationalisierung der Universität voran, sein Motto lautete: „Die Welt hört nicht am Rhein auf“. Studienreisen und Betriebsbesichtigungen führten in viele Länder, etwa zu Patek Philippe in Genf, zu einer Reederei in Amsterdam oder zu Nestle in Vevey. Kulhavys große Stärke war das Networking, er zeigte gesellschaftliche Präsenz und war in kürzester Zeit überall bekannt. Seinen Mitarbeitern legte er mindestens drei Mitgliedschaften in Vereinen nahe – tolerant und liberal, wie er ist, hat er es aber nie zur Bedingung gemacht. Legendär waren die Gschnasfeste, die in Linz als gesellschaftliches Ereignis galten. Tage vorher sah unser Institut wie eine LogistikZentrale aus, wegen der Lagerung von Bier, Wein und Sekt blieb oft nur ein einziges Zimmer zum Arbeiten frei. Kulhavy wandert gern, liebt das Eislaufen – und Schiffe: Als Angehöriger des 25er-Jahrgangs wurde er zur Marine eingezogen und diente auf dem Kreuzer „Emden“. Bestseller 11|12 2010 Dr. Ludwig Scharinger Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich Als ehemaliger Schüler bin ich em. Univ.Prof. Dr. Ernest Kulhavy heute noch sehr dankbar. Er war mir Vorbild und Motivator und hat uns Studenten den Zugang zu einem zukunftsorientierten Marketing ermöglicht, das das gesamte Unternehmen zu erfassen und auf den Markt auszurichten hat. Ernest Kulhavy ging es immer um die Menschen und die Emotionen der Menschen und nicht so sehr um die coolen Typen. 73