Alessandra Staderini: Fascisti a Roma. Il Partito

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Amedeo Osti Guerrazzi: Rezension von: Alessandra Staderini:
Fascisti a Roma. Il Partito nazionale fascista nella capitale
(1921-1943), Rom: Carocci editore 2014, in sehepunkte 14 (2014),
Nr. 9 [15.09.2014],
URL:http://www.sehepunkte.de/2014/09/25418.html
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sehepunkte 14 (2014), Nr. 9
Alessandra Staderini: Fascisti a Roma
Das Fehlen einer Geschichte der faschistischen Partei in Rom ist
zweifellos eine der größten Blindstellen der italienischen
Historiographie. Die letzte Monographie zum Thema geht auf den Mai
1943 zurück, als in der Ewigen Stadt noch Mussolini regierte. Dabei
handelt es sich um die "Cronache del fascismo romano" aus der Feder
von Domenico Mario Leva - eine Chronik, die noch heute als Steinbruch
für die Geschichte der faschistischen Bewegung und Partei in Rom
dienen kann, aber selbstverständlich alles andere als ein verlässliches
Referenzwerk ist. In den letzten Jahren sind immerhin einige
Zeitschriftenaufsätze und Spezialstudien erschienen. 2004 brachte die
Zeitschrift "Roma moderna e contemporanea" ein von Lidia Piccioni
herausgegebenes Themenheft zur Geschichte Roms im Zweiten Weltkrieg
heraus, und zwei Jahre später veröffentlichte Paola Salvatori ihre
Untersuchung über die römische Stadtregierung in der faschistischen
Zeit. Aber eine Gesamtdarstellung über die Geschichte des Partito
Nazionale Fascista (PNF) in Rom fehlte bisher.
Die Tatsache, dass die Geschichte des PNF in der italienischen
Hauptstadt, die ansonsten Gegenstand zahlloser Bücher geworden ist,
bisher kaum das Interesse der Historiker gefunden hat, ist tatsächlich
merkwürdig. Vielleicht liegt es daran, dass Rom keine bekannte
faschistische Führungsfigur hervorgebracht hat - anders als Cremona mit
Roberto Farinacci oder Bologna mit Dino Grandi - und so weniger
interessant erschien als andere Städte. Der einzige römische Faschist,
dessen Bedeutung nicht zu unterschätzen ist, hieß Giuseppe Bottai, der
freilich nur in den ersten Jahren für den römischen PNF von Bedeutung
war, ehe er zu höchsten Ämtern und Würden aufstieg und die lokale
Bühne verließ. Dennoch ist die symbolische Bedeutung Roms für den
Mythos der romanità und der imperialen Idee für den italienischen
Faschismus kaum zu überschätzen, so dass man an Alessandra Staderinis
Buch nicht vorbeigehen kann, wenn man sich mit dem Faschismus in
Rom, ja mit der Geschichte des PNF in Italien beschäftigt.
Das Buch orientiert sich vorwiegend an der Chronologie: Die ersten
beiden Kapitel beschäftigen sich mit den schwierigen Anfängen der
Bewegung in Rom, die von heftigen inneren Auseinandersetzungen
begleitet war - Auseinandersetzungen, die auf die Schwierigkeit
verwiesen, die verschiedenen Strömungen im frühen Faschismus auf
einen Nenner zu bringen. Unter den Faschisten der italienischen
Hauptstadt fanden sich sowohl Republikaner, die diffusen Ideen linker
Provenienz anhingen, als auch rechtsradikale Nationalisten, die der Erste
Weltkrieg radikalisiert hatte. Die Schwäche der römischen Faschisten
hatte aber auch andere Gründe wie chronische finanzielle Schwäche und
geringe Mitgliederzahlen. Überdies waren der Entwicklung des
gewalttätigen Squadrismo in Rom engere Grenzen gesetzt als in der
Provinz, da die Sicherheitsorgane hier ein besonders wachsames Auge
auf alle subversiven Organisationen hatten und zugleich militante Teile
der Arbeiterbewegung in der Lage waren, den Schwarzhemden
entgegenzutreten.
Nach dem sogenannten Marsch auf Rom und der Machtübernahme
Mussolinis brachen die Spannungen in der faschistischen Partei der
Hauptstadt offen auf, was nicht zuletzt an der Konkurrenz der
verschiedenen Führungsfiguren lag. Die Auseinandersetzungen zwischen
Gino Calza Bini, einem Squadristen der ersten Stunde, der nichts für die
Idee einer Normalisierung der Verhältnisse nach der Machtübernahme
übrig hatte, und Giuseppe Bottai, der davon überzeugt war, die
faschistische Partei müsse sich sozusagen konstitutionalisieren und der
Gewalt als Mittel der Politik abschwören, lösten eine schwere Krise aus.
Wie anderswo lag der Schlüssel zur Überwindung dieser Krise auch in
Rom darin, dass die revolutionären Faschisten beiseite geschoben
wurden, während Vertreter des gemäßigten Flügels in
Führungspositionen aufrückten.
Nachdem die Autorin über eine weitere kritische Phase in der Geschichte
des römischen PNF nach dem Mord an dem sozialistischen
Spitzenpolitiker Giacomo Matteotti 1924 berichtet hat, handelt sie die
weiteren Ereignisse chronologisch ab und orientiert sich dabei an den
Veränderungen in der Führung der römischen Parteiorganisation.
Alessandra Staderini stellt hier vor allem die Arbeit der Parteisekretäre
in den Mittelpunkt, denen es darum ging, die Gesellschaft der Ewigen
Stadt durch den Ausbau der Partei und ihrer angeschlossenen
Organisationen (Jugend- und Studentenverbände, Stadtteilgruppen usw.)
zu kontrollieren. Damit war die römische Sektion des PNF aber nichts
anders als eine Partei "im Dienst des Totalitarismus", wie Staderini
schreibt, und dies zeigte sich vor allem bei der Mobilisierung der
Bevölkerung vor dem Eintritt Italiens in den Zweiten Weltkrieg.
Alessandra Staderinis Untersuchung trägt einerseits dazu bei, eine
schmerzliche Lücke in der italienischen Historiographie zu schließen.
Andererseits bleiben viele Fragen offen, und das liegt nicht zuletzt daran,
dass sich die Autorin vor allem auf die Auswertung der faschistischen
Presse stützt. Wo hatte der Faschismus in Rom in der Bewegungsphase
seine soziale Basis? Wie gestaltete sich das Verhältnis von Repression
und Konsens in einer Partei, die "im Dienst des Totalitarismus" stand?
Wie war es um die Beziehungen zwischen der Partei und den
Organisationen des korporativen Staates bestellt? Und schließlich:
Welches Gewicht kam Mussolini zu, wenn es um wichtige
Entscheidungen im römischen PNF ging? Alles in allem präsentiert
Alessandra Staderini ein minutiös recherchiertes Buch, das seine Stärken
in der Rekonstruktion der Parteiorganisation hat, aber sicher nicht das
letzte Wort zu Geschichte und Struktur des PNF in der italienischen
Hauptstadt ist.
Aus dem Italienischen übersetzt von Thomas Schlemmer.
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