„Wir behandeln Menschen nicht, um Gewinne zu machen“

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Titel
Freigemeinnützige Krankenhäuser
© die Hoffotografen GmbH, Berlin
„Wir behandeln Menschen nicht,
um Gewinne zu machen“
HEALTHCARE MARKETING: Herr Nieper, der Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung hat sich zum
Zweck gegründet, Qualität und Wirtschaftlichkeit der berufsgenossenschaftlichen Kliniken weiter zu verbessern.
Hatten Sie sich diese Aufgabe anfangs leichter vorgestellt?
REINHARD NIEPER: Nein. Wenn man auf sehr hohem Niveau startet, ist es immer schwierig, sich noch zu verbessern.
Die letzten drei bis vier Prozentpunkte heraus zu kitzeln ist
einfach anstrengender, als größere Umstrukturierungen auf
niedrigem Niveau vorzunehmen.
HEALTHCARE MARKETING: Können Sie das Spannungsfeld, in dem Sie sich momentan bewegen, erläutern?
NIEPER: Unsere Kliniken haben ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Das haben sie zu Recht, weil sie tagtäglich medizinische Spitzenleistung erbringen. Meine Aufgabe bestand
daher zunächst darin, mit den Kliniken zu ermitteln, wo
sie Verbesserungspotenziale sehen. Und die meisten waren
überzeugt, dass sich im Verbund vieles besser gestalten lässt.
Nicht, weil sie es vor Ort nicht gut machen könnten, sondern weil die Strukturen gar nicht existieren, die ein Verbund bietet. Das ist der eigentliche Mehrwert, und der steht
nicht im Widerspruch zu den bisher erbrachten Leistungen,
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Healthcare Marketing 10/2013
Reinhard Nieper hat eine schwierige Mission. Als Geschäftsführer des Klinikverbundes der gesetzlichen Unfallversicherungen
(KUV) soll er die bundesweiten 13 Häuser
enger miteinander verzahnen und effizient
aufstellen. Mit dem Leitgedanken „Qualität,
statt Gewinne“ will Nieper auch politisch
ein Zeichen setzen: Mit einer starken Dachmarke will der KUV eine Alternative zu den
privaten Klinik-Konzernen anbieten.
Reinhard Nieper, KUV
sondern ist eine Ergänzung, die wir systematisch gestalten
wollen.
HEALTHCARE MARKETING: Das hört sich nach einem Balanceakt an, den Sie halten müssen!
NIEPER: Ja, denn jede Klinik hat ihre eigene Sicht darüber, was
man besser machen kann als bisher. Da gibt es naturgemäß sehr
unterschiedliche Vorstellungen, wie ein gemeinsames Wirken
aussehen kann. Das ist verständlicherweise gefärbt durch die
jeweilige regionale Perspektive. Diese Meinungsvielfalt auszutarieren und in Synergien umzusetzen, ist die große Herausforderung.
HEALTHCARE MARKETING: Der KUV kann etwa im Einkauf bessere Konditionen erzielen. Welche weiteren Vorteile entstehen im Verbund?
NIEPER: Wir zeichnen uns dadurch aus, dass wir auf einem speziellen Gebiet – der Versorgung von Unfallverletzten – bundesweit auftreten. Wir haben also ein Portfolio, mit dem wir eine
Spitzenstellung an verschiedenen Orten einnehmen. Ein großer
Vorteil wird also sein, umfangreichen Wissenstransfer zwischen
den Häusern sicherstellen zu können. Damit haben wir einen
entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen.
Titel
HEALTHCARE MARKETING: Es geht also in der Spezialisierung weiter, wollen aber gleichzeitig die Rehabilitation ausbauen. Warum?
NIEPER: Das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Wir sind der
einzige Verbund in Deutschland, der Akutmedizin und Rehabilitation aus einer Hand anbietet. In einem ‚normalen‘ Krankenhaus ist es das Unternehmensziel, dass der Patient nur so
lange behandelt wird, bis er nicht mehr behandlungsbedürftig
ist. Verständlicherweise, denn nur dafür wird das Krankenhaus
bezahlt. Im System der gesetzlichen Unfallversicherung geht es
aber darum, den Verletzten wieder vollständig in sein soziales
und berufliches Umfeld einzugliedern. Und dazu gehört neben
der Akutbehandlung eben auch die Rehabilitation. Bei uns gibt
es keine Sektorengrenzen, das unterscheidet den KUV von allen anderen 2.000 Kliniken in Deutschland.
HEALTHCARE MARKETING: Ihre Klientel sind die gesetzlich unfallversicherten Patienten. Sie wollen aber verstärkt
auch Patienten aus dem GKV- und PKV-Markt behandeln. Ist
das der richtige Weg?
NIEPER: Schon heute sind zwei Drittel unserer Patienten
GKV- und PKVVersicherte. Jetzt
kann man fragen,
warum behandeln
wir die überhaupt?
Wir behandeln diese Patienten deshalb, weil wir beispielsweise in der Notaufnahme nicht differenzieren können,
ob es sich um einen Arbeitsunfall oder um einen Freizeitunfall
handelt. Gleichzeitig tragen diese Patienten ganz wesentlich
zur Qualitätssicherung des gesamten Versorgungssystems bei.
Wenn wir nur Unfallverletzte aus unserem Versicherungssystem behandeln würden, hätten wir größere Schwierigkeiten,
das hohe Niveau in allen medizinischen Bereichen permanent
aufrechtzuerhalten.
gen etwa sind nicht neun Kommissionen zusammenzustellen,
sondern es reicht, ein Expertengremium vorzuhalten.
Wir erleben ja gerade, wie sich ein großer privater Anbieter
weitere Marktanteile sichert. Wir sind aber davon überzeugt,
dass gerade das nicht gewinnorientierte Arbeiten im Gesundheitswesen richtig und sinnvoll ist – insbesondere in der Notfallversorgung. Daher sehen wir unsere Aufgabe darin, den
übermächtigen privaten Trägern unsere gemeinnützige Idee
gegenüberzustellen unter Verwendung von modernen Managementmethoden, die kein Privileg der gewinnorientierten Träger
sind.
HEALTHCARE MARKETING: Inwieweit kann eine Dachmarke Sie dabei unterstützen?
NIEPER: Eine Dachmarke ist für die Identifikation der Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen wichtig und notwendig. Für
den Mitarbeiter vor Ort ist es hilfreich zu wissen, dass er sich
in einem starken Verbund befindet.
Ich glaube nicht, dass es zwangsläufig Hauptaufgabe einer
Dachmarke ist, Patienten gezielt zu unseren Häusern zu
führen. Aber mit der Dachmarke können wir einer breiten
Öffentlichkeit unsere
Grundwerte
vermitteln, nämlich
dass wir für Qualität und Spitzenmedizin stehen.
„Bei uns gibt es keine Sektorengrenzen,
das unterscheidet den KUV von allen anderen
2.000 Kliniken in Deutschland.“
HEALTHCARE MARKETING: Können Sie ein Beispiel nennen?
NIEPER: Wir sind in Deutschland führend in der Behandlung
von Querschnitt- und Schwerbrandverletzten – über 60 Prozent der Schwerbrandverletzten werden bei uns behandelt und
über 50 Prozent der Betten für querschnittverletzte Patienten
stehen in unseren Häusern. Dadurch verfügen wir über eine
umfangreiche Expertise auf diesen Gebieten, die durch hohe
Patientenzahlen ermöglicht wird und damit auch durch die
Behandlung von GKV- und PKV-Patienten. Und das nützt am
Ende wiederum unserer Hauptklientel.
HEALTHCARE MARKETING: Sie
nannten schon mehrere Vorteile des
Klinik-Verbundes wie Wissenstransfer
sowie das Einhalten von Qualitätsstandards. Welchen Mehrwert sehen Sie
noch?
NIEPER: Es gibt noch weitere Vorteile:
So wird zum Beispiel nicht mehr an jedem Standort jede Expertise– sei es im
juristischen oder im kaufmännischen
Bereich benötigt. Für Tarifverhandlun-
H E A LT H C A R E
MARKETING: Als Geschäftsführer sind Sie das Gesicht des
Klinikverbundes. Für welche Werte stehen Sie persönlich?
NIEPER: Dass Gesundheitsfürsorge Teil der öffentlichen Daseinsfürsorge bleibt. Ich stehe dafür, dass es keine Sektoren
zwischen den einzelnen Versorgungsbereichen gibt. Und ich
stehe dafür, dass der einzige Verbund in Deutschland noch
stärker wird, der nicht nur ausreichende und zweckmäßige
Leistungen für seine Patienten erbringt, sondern seine Patienten mit allen geeigneten Mitteln versorgt. Ob mir das gelingt, müssen andere beurteilen. Ich glaube fest daran, dass
die Versorgung von Menschen in existenziellen Situationen,
also in Notfällen, eine öffentliche Aufgabe bleiben muss. Dieses Thema lässt sich nicht mit gewinnorientierten Marktmechanismen lösen. Für mich gilt das Motto: Wir behandeln
Menschen in Not, nicht um Gewinne zu generieren, sondern
wir arbeiten wirtschaftlich, damit wir Menschen in Not behandeln können.
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Klinikverbund
der gesetzlichen
Unfallversicherung
arbeitet nach dem Prinzip der Selbstverwaltung. Seine
Träger sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften und
Unfallkassen mit dem Spitzenverband der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Zu ihnen gehören
neun Unfallkliniken, zwei Unfallbehandlungsstellen und zwei Kliniken für Berufserkrankungen. Der KUV beschäftigt 11.400 Mitarbeiter. In 2012 behandelten die Unfallkliniken
eine halbe Million Patienten und erzielten einen Umsatz von 1,09 Milliarden Euro.
F Kontakt: www.k-uv.de
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