WAHNFRIED WAHNFRIED Oper in zwei Akten von Avner Dorman Libretto von Lutz Hübner & Sarah Nemitz Konzeptentwicklung Bernd Feuchtner URAUFFÜHRUNG | AUFTRAGSWERK in der Reihe „Politische Oper“ In deutscher & englischer Sprache mit deutschen & englischen Übertiteln Houston Stewart Chamberlain MATTHIAS WOHLBRECHT Cosima Wagner CHRISTINA NIESSEN Anna Chamberlain, Houstons erste Ehefrau Ks. BARBARA DOBRZANSKA Siegfried „Fidi“ Wagner ERIC JURENAS a. G. / ANDREW WATTS a. G. Winifred Wagner, seine Frau Ks. INA SCHLINGENSIEPEN Eva Chamberlain, Houstons zweite Ehefrau AGNIESZKA TOMASZEWSKA Wagnerdämon Ks. ARMIN KOLARCZYK Der Meisterjünger (Hitler) ELEAZAR RODRIGUEZ Hermann Levi RENATUS MESZAR Der Kaiser JACO VENTER Bakunin Ks. KONSTANTIN GORNY Isolde Wagner IRINA SIMMES a. G. Daniela & Blandine, Cosimas Töchter aus erster Ehe* CHRISTINA MOHARI, SIMONA HABICH Clement Harris* WITALIJ KÜHNE / MARKUS SCHMIDT Richard Wagner * ISMAELE LONGO MAIKE ETZOLD / CAMELIA TARLEA, ULRIKE GRUBER / Passanten** SUSANNE SCHELLIN, DORU CEPREAGA / ARNO DEPARADE, MANUEL OSWALD / HARRIE VAN DER PLAS Wagnerianer ** EUI KYUNG KIM / MASAMI SATO, DAGMAR LANDMANN / JULIA MAZUR, URSULA HAMM KELLER / UTA HOFFMANN, Ks. JOHANNES EIDLOTH / VOLKER HANISCH, ALEXANDER HUCK / WOLFRAM KROHN * Statisterie ** Badischer Staatsopernchor BADISCHE STAATSKAPELLE BADISCHER STAATSOPERNCHOR STATISTERIE DES STAATSTHEATERS KARLSRUHE Musikalische Leitung Nachdirigat Regie Bühne Kostüm Video Licht Chor Dramaturgie Theaterpädagogik JUSTIN BROWN DOMINIC LIMBURG KEITH WARNER TILO STEFFENS JULIA MÜER MANUEL KOLIP STEFAN WOINKE ULRICH WAGNER RAPHAEL RÖSLER SARAH MODESS PREMIERE 28.1.17 GROSSES HAUS Aufführungsdauer ca. 2 ¾ Stunden, eine Pause Aufführungsrechte G. Schirmer / Edition Wilhelm Hansen, vertreten durch Bosworth Music GmbH / The Music Sales Group Die Gestaltung der Blumengarten-Dekoration im 2. Akt geht zurück auf den Bühnenbildentwurf zur Bayreuther Uraufführung des Parsifal von Max und Gotthold Brückner: Klingsors Zauberschloss, 2. Aufzug, Szenenmodell 74 x 92 x 130 cm, Bayreuth 1882, Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln. 1 Regieassistenz & Abendspielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische Assistenz & Einstudierung RAINER ARMBRUST a. G., PAUL HARRIS, DOMINIC LIMBURG, ALISON LUZ Studienleitung STEVEN MOORE Mitarbeit Choreinstudierung MARIUS ZACHMANN Bewegungscoach HÉLÈNE VERRY Bühnenbildassistenz SOOJIN OH Kostümassistenz STEPHANIE GAISSERT Einrichtung Übertitel RAPHAEL RÖSLER Soufflage EVELYN WALLPRECHT Inspizienz EVA VON BÜLOW-SCHUCH Leitung der Statisterie OLIVER REICHENBACHER Regiehospitanz KATHARINA KASTENING Kostümhospitanz ORPHA BONK Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühneninspektor RUDOLF BILFINGER Bühne EKHARD SCHEU Leiter der Beleuchtungsabteilung STEFAN WOINKE Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton / Video HUBERT BUBSER, JAN PALLMER Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ Malsaalvorstand GIUSEPPE VIVA Leiter der Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/-in Herren PETRA ANNETTE SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN WÖRNER, ANNETTE GROPP Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER Schuhmacherei THOMAS MAHLER, NICOLE EYSSELE, VALENTIN KAUFMANN Modisterei DIANA FERRARA, BRITTA HILDEBRANDT Kostümbearbeitung ANDREA MEINKÖHN Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske SABINE BOTT, MELISSA DÖBERL, LAURA FELDMANN, FREIA KAUFMANN, NIKLAS KLEIBER, MARION KLEINBUB, JUTTA KRANTZ, MELANIE LANGENSTEIN, CAROLIN MASKE, SONJA MECKLENBROICH, JESSICA MOLNAR, PETRA MÜLLER, INKEN NAGEL, SOTIRIOS NOUTSOS, KERSTIN WIESELER WIR DANKEN dem Richard-Wagner-Verband Karlsruhe e. V. für die Unterstützung der Uraufführungsproduktion und der Privatbrauerei Hoepfner GmbH für die Unterstützung der Premierenfeier. Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind. DAS ERBE IST IN GUTEN HANDEN. 2 Ks. Armin Kolarczyk, Staatsopernchor 3 FAMILIENDÄMMERUNG ZUM INHALT 1. AKT 1. Szene Houston Stewart Chamberlain und seine Frau Anna beim Picknick: Sie fangen Insekten, töten und konservieren sie. 2. Szene Anna nimmt ihren Mann vor dem Spott der Passanten in Schutz und beruhigt ihn. 3. Szene Chamberlain möchte Deutscher werden. 4. Szene Chamberlain beobachtet aus der Distanz Wagner und seine Frau Cosima. Er lernt die Gemeinschaft der Wagnerianer kennen – ein Erweckungserlebnis. Er möchte Teil dieser Gemeinschaft sein. 5. Szene Wagners Begräbnis. Chamberlain bietet sich der Witwe Cosima als Stütze und Erlöser an. 4 6. Szene Chamberlain verkündet der Öffentlichkeit seine Rassentheorie. Hermann Levi argumentiert dagegen. 7. Szene Chamberlain trifft den Kaiser, der seine Schrift Grundlagen des XIX. Jahrhunderts bewundert. Er erklärt Chamberlain zum Deutschen. 8. Szene Cosima nimmt Chamberlain, der über seine erfolgreiche Konversion zum Germanen staunt, in den Wagner-Clan auf. Chamberlain verlässt Anna. 9. Szene Cosima erteilt Chamberlain den Auftrag, über Wagners Erbe zu wachen. 10. Szene Wagner erscheint als Dämon und steigert sich mit Bakunin in einen anarchistischen Zerstörungsrausch hinein. Chamberlain vernichtet zusammen mit der Familie Wagner ausgewählte Schriften Wagners und heiratet Eva, die Tochter des Komponisten. 2. AKT 1. Szene Fidi trauert im Garten um seinen lange verstorbenen Geliebten Clement Harris. Auf seinen Schultern liegt die Last des zukünftigen Familienoberhauptes und Leiters der Festspiele. 2. Szene Chamberlain erinnert Fidi an seine Pflichten als des Meisters Sohn und Nachfolger. 3. Szene Familienstreit im Hause Wahnfried. Isolde, die auf ihre Abstammung von Richard Wagner beharrt, wird für unzurechnungsfähig erklärt und verstoßen. 4. Szene Die Wagner-Familie empört sich über negative Presseberichte. Chamberlain fordert Fidi auf, sich eine Frau zu suchen und zu heiraten. 5. Szene Chamberlain hört Stimmen in seinem Kopf, die ihn verspotten. 6. Szene Chamberlain und der Geist Hermann Levis diskutieren über das Verhältnis von Judentum und Kunst. 7. Szene Der Wagnerdämon verstört Chamberlain. 8. Szene Nach anfänglicher Weltkriegseuphorie und der Niederlage der Deutschen erleidet Chamberlain einen Zusammenbruch. 9. Szene Nach dem Ersten Weltkrieg sind die Einnahmequellen der Wagners versiegt. Sie machen die in ihren Augen judenverseuchte und verkommene Republik dafür verantwortlich. 10. Szene Ein Meisterjünger klopft an die Tür von Wahnfried. Die Familie erkennt in ihm den Erlöser und nimmt ihn auf. 11. Szene Der Wagnerdämon rechnet mit dem kranken Chamberlain ab. EINE WELT HAT WAGNER ERTRAUMT. WIR BRAUCHEN EINEN PETRUS, SIE WIRKLICHKEIT WERDEN ZU LASSEN. 5 6 Matthias Wohlbrecht, Ks. Johannes Eidloth, Staatsopernchor, Statisterie 7 KEINE RANDNOTIZ! ZUM WERK Jeder, der wie ich in Israel geboren wird oder dort aufwächst, hat eine besondere Beziehung zu Deutschland. In meinem Fall kommt hinzu, dass ein Großteil meiner Vorfahren aus Deutschland stammt und in den 20er und 30er Jahren nach Israel bzw. ins damalige Palästina gezogen, teilweise sogar geflohen ist: meine Großeltern väterlicherseits aus Berlin und Leipzig und mein Großvater mütterlicherseits aus Frankfurt. Mein Elternhaus war stark von der deutschen Kultur geprägt, um nicht zu sagen durchdrungen von deutscher Musik und Literatur. Darüber hinaus habe ich mich als Musiker und Komponist, insbesondere während meiner Ausbildung, intensiv mit den Werken der großen deutschen Komponisten beschäftigt – ein Einfluss, der bis heute anhält. Immer wieder kam ich in diesem Zusammenhang an einen Punkt, an dem ich mich fragte, wie es möglich ist, dass diese Kultur, zu der ich eine solche Nähe und Verbundenheit verspürte und immer noch verspüre, die gleiche Kultur ist, die den Nationalsozialismus hervorgebracht hat und die versucht hat, alle Juden der Welt zu vernichten. Dieser Widerspruch nagte jahrelang an mir. 8 In der Recherchephase und während der engen Zusammenarbeit mit den Librettisten Lutz Hübner und Sarah Nemitz sowie mit Generalmusikdirektor Justin Brown, der von den Anfängen und ersten konzeptionellen Weichenstellungen bis hin zu letzten musikalischen Änderungen eingebunden war, habe ich vieles gelernt: über Houston Stewart Chamberlain, über das Leben von Richard Wagner, seine Familie und ihre Familienvilla Wahnfried, und über die Geschichte der Bayreuther Festspiele. Während dieser Arbeit erkannte ich, dass unser Opernstoff nicht nur die oben aufgeworfenen Fragen berührt, sondern auch grundlegende Fragen über die Ursprünge des modernen Rassismus. Wir tauchten tiefer und tiefer in Chamberlains Biografie und in die Welt von Wahnfried ein, und nach einer gewissen Zeit sah ich auch eine gewisse Dringlichkeit, diese Oper – meine erste – zu komponieren. Wahnfried erkundet in Text, Musik und Szene einen unbekannten Teil unserer Geschichte, reagiert darauf mit den Mitteln der Kunst und sorgt hoffentlich auch dafür, dass Chamberlain und seine unrühmliche Rolle nicht in Vergessenheit geraten. Unser Protagonist, der gebürtige Brite Chamberlain, ist in vielerlei Hinsicht eine widersprüchliche Figur. Wir lernen ihn zunächst als Ausländer und gescheiterten Naturwissenschaftler kennen, der von der Öffentlichkeit verspottet wird. Dabei lässt uns das Libretto in sein Innerstes blicken. Einerseits erleben wir ihn im Umgang mit seiner ersten Frau Anna als harten und gefühlskalten Menschen, andererseits erregt er in seiner erbärmlichen Schwäche fast unser Mitleid. Dann verfolgen wir, wie aus dem Gefühllosen der Unmensch wird, der Rassist, der mit seinen Texten und Reden die Massen verführt. Unsere Oper stellt Chamberlain und sein Leben auf eine große Bühne, ruft ihn in unser Bewusstsein zurück und zeigt den immensen Einfluss, den er mit seinen Theoriekonstrukten auf Gesellschaft und Politik seiner Zeit hatte. Nur zwei untote Figuren stellen einen Kontrapunkt zu der sich ausbreitenden nationalistischen Kulturideologie dar, die Chamberlain etabliert: Hermann Levi und der Wagnerdämon, die ihn verfolgen, zur Rede stellen, sein Wirken kritisch hinterfragen und ihn in eine Krise stürzen. In diesen Momenten erleben wir einen Chamberlain, der zweifelt, weil er weiß, was er tut und dass es falsch ist. Doch seine Gier nach Macht und Einfluss, sein krankhafter Antisemitismus verdrängen seinen Zweifel und führen ihn seinem Ende zu, gezeichnet von zahlreichen körperlichen und psychischen Gebrechen. Der Text beschreibt Chamberlain und die Wagner-Familie auf fantastische, groteske und bisweilen absurde Weise. Ich habe versucht für die Welt von Wahnfried eine entsprechende musikalische Sprache zu finden, eine Sprache voller Verzerrungen und Dissonanzen. Gleichzeitig enthält die Komposition Elemente von Märschen, die die Handlung mit einem nervösen, militärischen Fundament unterlegen, sie mit Spannung aufladen und auf die düsteren und gar nicht komischen historischen Ereignisse verweisen, die hinter der Groteske stehen. In diesen teilweise abschreckend wirkenden Rahmen sind Elemente von Zirkusmusik sowie eingängige und mitreißende Melodien und Rhythmen als Kontrast eingebettet. Von den Sängern wurde mir berichtet, wie sie des Öfteren mit schmissigen Ohrwürmern aus den Proben kamen. Und sie berichteten auch, wie sie sich, nachdem sie eine Melodie einige Male vor sich hingesummt oder -gepfiffen hatten, bewusst wurden, um was es hier eigentlich geht, und wie erschrocken sie darüber waren. Mein Ziel war es, an bestimmten Stellen mit musikalischen Mitteln zu verführen und auf diese Weise nicht nur die Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema anzuregen, sondern auch über die eigene Verführbarkeit nachzudenken. Ich wurde häufig gefragt, ob meine Oper auch Musik von Wagner enthält. In der formalen Konzeption habe ich mich ganz bewusst von den Musikdramen Richard Wagners abgesetzt. Im Gegensatz zu seinen durchkomponierten Gesamtkunstwerken, die das Publikum in eine andere Welt entführen, habe ich für jede Szene einen klaren Schluss geschrieben. Das Publikum hat hier in einem kurzen Moment der Pause die Gelegenheit, sich zu fragen, was die teilweise sehr grotesken Vorgänge auf der Bühne mit der wahren Historie und unserer heutigen Welt zu tun haben. Doch um auf die Frage zurückzukommen: Es gibt sie tatsächlich, die Zitate und Anspielungen, an manchen Stellen sogar sehr explizit, an anderen etwas versteckter. Mit der Verwendung von Wagner-Motiven, die 9 grotesk, manchmal bis zur Lächerlichkeit verfremdet sind, möchte ich mich keineswegs über sein Werk lustig machen. Sie dienen vielmehr dazu, diese besondere Welt von Wahnfried, in der Wagner nur als Projektionsfläche oder als Dämon vorkommt, musikalisch zu charakterisieren. Denn, um was geht es eigentlich? Um den Komponisten Wagner, der in den ersten Szenen stirbt und betrauert wird? Nein, es geht um seine Nachfolger, um Wagnerianer, um Leute, die zu wissen glauben, wer Wagner war, und die sich als rechtmäßige Nachlassverwalter sehen. Unsere Oper berührt diese dunklen Punkte unserer Geschichte und beleuchtet eine weit verbreitete Ideologie, die großes Leid über Millionen von Menschen gebracht hat. Mir persönlich fällt es nicht leicht, mich mit so schweren und schwierigen Themen, wie Antisemitismus oder Holocaust zu beschäftigen. Einfacher geht es mit Humor – und das Wahnfried-Libretto ist voll davon und zwar voll mit sehr schwarzem Humor. Die Ironie des Textes hat mir den Zugang erleichtert und meine Hemmungen verdrängt, die eine mögliche Beschäftigung mit diesem Thema verhindern. Die Musik folgt dem schwarzen Humor des Textes und soll anregen, über die Figuren und Vorgänge auf der Bühne zu lachen, nicht unentwegt, doch von Zeit zu Zeit. In der jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Wahnfried-Thema wurde mir klar, dass es in unserer Oper nicht nur um die Entstehung des Nationalsozialismus oder um historische Ideen geht, die Chamberlain vor über 100 Jahren entwickelt und veröffentlicht hat. Wahnfried behandelt auch keine rein deutsch-jüdische Tragödie. Das Gedankengut, das uns im Text begegnet – Hass, Rassismus und Intoleranz – sind leider immer noch am Werk und beschäftigen uns heute in unterschiedlichen Kontexten und Erscheinungsformen weltweit. Deswegen hat diese Geschichte so eine Aktualität und Brisanz, und deswegen ist es auch so wichtig, dass wir sie erzählen. Avner Dorman (Übersetzung aus dem Englischen von Raphael Rösler) WIR SIND DIE WAGNERS. ODER WAREN WIR ES NUR? 10 Christina Niessen, Andrew Watts 11 12 Agnieszka Tomaszewska, Matthias Wohlbrecht, Irina Simmes, Statisterie 13 HOUSTON, WIR HABEN EIN PROBLEM NOTIZEN ZU WAHNFRIED 1 Die Idee zur Oper Wahnfried entstand 2012. Da waren Flüchtlingsströme noch kein Thema, die AfD war eine Partei besorgter Professoren, die gerne ihre D-Mark wiederhaben wollten, die Regierungen der Türkei, Polens und Ungarns zeigten keine oder nur geringe Verhaltensauffälligkeiten und der Terror kam von al-Qaida, die angesichts der Brutalität des IS in der Rückschau wie ein wildgewordenes Mädchenpensionat wirkt. Die griechische Finanzkrise bestimmte die Schlagzeilen – auch eines der Probleme, die man von heute aus betrachtet gern wieder auf Platz eins der Liste hätte. Denn die politische Gesamtwetterlage hat sich massiv verändert und das Gespenstische daran ist, dass viele Theorien Houston Stewart Chamberlains plötzlich Teil des politischen Diskurses sind. Wenn Erdogan vom „schlechten Blut“ deutsch-türkischer Parlamentarier spricht, Kaczyński in Polen und Orbán in Ungarn, dort auch getrieben von der antisemitischen Jobbik-Partei, ihr 14 Volk vor den Fremden schützen wollen und die AfD das „Völkische“ rehabilitieren will, dann sind Rassenlehre, Volksgemeinschaft und der totalitäre Staatsbegriff Chamberlains wieder salonfähig – wobei dieser Salon sich inzwischen im Internet befindet und keine Gästeliste benötigt. „Rasse ist die Grundlage von Identität“, propagiert die amerikanische Alt-Right-Bewegung und damit einher geht die monströse Ideologie der Überlegenheit der weißen Rasse, formerly known as Arier, die Idee des ethnisch reinen Staates und die Ablehnung liberaler Demokratie inklusive Minderheitenschutz. Er ist wieder da. Er war nie ganz weg, aber er hat die muffigen Hinterzimmer der Verschwörungstheoretiker und Paranoiker verlassen. Er ist nicht mehr der Spinner vom Müllhaufen der Geschichte, sondern der Populist, der Präsidentenberater und der pöbelnde Staatsmann. 2 Man sollte mit vorschnellen historischen Analogien vorsichtig sein, aber es gibt Mechanismen, die wiederkehren. Totalitäre Bewegungen werden von oben geplant und von unten getragen. Ausgeheckt werden die faschistischen Ideologien in der Upperclass und zu dieser gehörte der völkische Philosoph und Admiralssohn Chamberlain. Wer zu den Abgehängten, den Wutbürgern, den Ausgegrenzten und Globalisierungsverlieren spricht, ihre Wut schürt und lenkt, hat meistens nicht das Problem, seine Miete nicht bezahlen zu können. Und wenn ein begabter Volkstribun von unten kommt, dann finden sich Eliten, die ihn finanzieren und aufbauen. Die feine Münchener Gesellschaft hat Hitler in den Zwanzigern gefördert, Ruhrindustrielle und Zeitungsmagnaten seinen Aufstieg unterstützt. Das ideologische Rüstzeug lieferte Chamberlain, der Bayreuther Meisterdenker, der Hitler als seinen Jünger begrüßte, zusammen mit der Familie Wagner, die später seine Ersatzfamilie wurde, wo der Führer der gute Onkel Wolf sein konnte. Natürlich kann der Populismus nur mit der Wutgrütze arbeiten die ‚unten‘ brodelt und dort ist der Patriotismus immer schon der Stolz derer gewesen, die sonst nichts haben, worauf sie stolz sein können. Chamberlain ist das Kunststück gelungen, den dumpfen Waldund Wiesenpatriotismus (Der Evergreen: „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.“) zu einem hypertrophen arischen Rassestolz zu veredeln. Das Blut ist ausschlaggebend und damit ist jeder, der deutsches Blut hat, automatisch Träger der besten Anlagen, geboren um zu herrschen, jeder ab Werk ein Übermensch. Es geht nicht um Traditionen, Sprache, Kulturtechniken und Bürgersinn, denn das würde ja bedeuten, dass jeder Teil der Nation werden kann. Nein, das Blut entscheidet und wem dieser besondere Saft nicht durch die Adern fließt, bleibt sein Leben lang Jude oder Türke, Araber, Afrikaner ... und kann jederzeit ausgeschlossen werden. Diese Idee ist nicht originär von Chamberlain (sondern vom französischen Grafen Gobineau), aber er hat sie in seinen vielgelesenen Die Grundlagen des XIX. Jahrhunderts so zwingend formuliert und vor allem pseudowissenschaftlich aufgebrezelt, dass sie auch für das Bürgertum und den Kaiser akzeptabel klangen. Eine Theorie, die jede menschliche Wahlfreiheit leugnet und in ihrer Einfachheit und Brutalität von jedem verstanden werden konnte. Formuliert von einem hochgebildeten Mann, unterstützt von hochgebildeten Menschen, wie z. B. Cosima Wagner, und bejubelt von den akademischen Kreisen. Das konnte nur funktionieren, weil die wilhelminische Zeit ein nationales Phantasma brauchte, ein Narrativ, das dem lange zersplitterten und frisch vereinigten Deutschland eine Geschichte und damit ein Zusammengehörigkeitsgefühl gab (und einen wohlfeilen Gegner: den Juden). Nach 1918 abgelöst von der Dolchstoßlegende, an der auch Chamberlain mitgeschrieben hat, um im Verborgenen – mit tätiger Hilfe Wahnfrieds – in den Zwanzigern zu wachsen, um ab 1933 endgültig durchzustarten. Das besondere Volk, die besondere Rasse, beneidet von der ganzen Welt, von Feinden umstellt. Momentan ist dieses Phantasma auf Welttournee und feiert überall Erfolge. Ein paar Begriffe werden ersetzt, weil sie zu belastet sind, die Outfits wechseln, aber es bleibt der gute alte Sound, der in die Beine geht – Tanz den Mussolini – und die Faust ballt. Slipper von Tod’s statt Todesrunen, der nette Nazi von nebenan, der Kreide frisst und nur geifert, wenn die Lügenpresse den Saal verlassen hat. Neuer Wein in alten Schläuchen, eine perfide Vernebelungstaktik – aber an ihren Fans sollt ihr sie erkennen. 15 3 Es war kein Zufall, dass Chamberlain nach Bayreuth ging, es war eine perfekte Liaison. Da war die Heilige Familie, die ein Sprachrohr brauchte, und wer war besser geeignet als der Vertraute des Kaisers, der Modephilosoph und Wagnerverehrer, der hier eine lange gesuchte Heimat fand und Spezialist für die Säuberung des Wagnerbildes war. Aus dem widersprüchlichen, sprunghaften und zu radikalen Thesen neigenden Wagner wurde ein blitzblanker deutscher Held, nach der guten alten Handwerkerregel: Was nicht passt, wird passend gemacht – und es passte. Was vom Revolutionär und Visionär Wagner übrig blieb, war eine wuchtige Gründerzeitkommode, altdeutsche Eiche, in der jeder etwas zur moralischen Erbauung der arischen Seele finden konnte. (Ein Verfahren, das Chamberlain auch in seinen Biografien über Goethe und Kant erfolgreich anwandte.) So wurde Wagners Musik zum Soundtrack der erwachenden Nation schon im Kaiserreich, in der die Emotionalisierung der Politik ihren ersten Probelauf hatte, bevor Hitler sie perfektionierte. Der Wagner, den Hitler als Inspiration seiner Staatsinszenierung missbrauchte, war der Wagner, den Chamberlain, Cosima & Co. erfunden hatten. So konnte aus Bayreuth ein Zentrum der reaktionären Kräfte werden, wichtiger Knotenpunkt eines Netzwerks, das gegen die verhasste Republik arbeitete. Das war nur möglich, weil die Festspiele als Reich der ‚reinen Kunst‘ für die alten und neuen Eliten scheinbar exterritoriales Gebiet waren. Die Musik ist die starke 16 Batterie, an der sich die Ideologie auflädt. Wagners Werk ist die Initialzündung, die aus dem orientierungslosen Privatgelehrten Chamberlain einen Schriftsteller und Propagandisten macht. Wagners Musik ist der Botenstoff einer Lehre, die toxische Wirkung hat. 4 Der Historiker Joachim Radkau hat die Zeit um die Jahrhundertwende als das „Zeitalter der Nervosität“ beschrieben, die Beschleunigung des Lebens durch Motorisierung, neue Technologien etc. führt dazu, dass die Gesellschaft ihr Unbehagen und ihre Überforderung in epidemischer Nervenschwäche auslebt, alle sind dünnhäutig, nervös, leicht erregbar ... eine hyperventilierende Gesellschaft, auf die Wagners Musik eine Wirkung hat, die heute nur schwer vorstellbar ist. Es ist die Energie und Hysterie eines Aufbruchs, die unter anderen Umständen linke revolutionäre Energie hätte sein können und es in Teilen der Arbeiterschaft auch war. Für den Großteil des Volkes jedoch war es der Aufbruch in eine nationalistische Zukunft, die zum Jubel der Mobilmachung im August 1914 führt. Was da an Kriegsbegeisterung explodierte, war ein Gebräu, das – nicht nur, aber auch – in Bayreuth zusammengerührt wurde. Chamberlain ist heute vergessen, es wäre zu wünschen, dass seine Lehren es ebenfalls wären. Aber die einfachen und damit falschen Antworten auf komplizierte Probleme halten sich immer am längsten. Lutz Hübner & Sarah Nemitz Ks. Barbara Dobrzanska, Statisterie 17 18 Ks. Armin Kolarczyk 19 ZEIT- TAFEL 1855 Houston Stewart Chamberlain wird am 9. September im südenglischen Southsea bei Portsmouth als jüngstes von vier Kindern in eine Familie hochrangiger Militärs geboren. 1860 Daniela von Bülow wird am 12. Oktober in Berlin als Tochter von Cosima und Hans von Bülow geboren und später von Richard Wagner adoptiert. 1863 Geburt von Blandine von Bülow am 20. März in Berlin, die spätere zweite Stieftochter Richard Wagners. 1865 Geburt von Isolde von Bülow am 10. April in München, der ersten Tochter von Cosima von Bülow und Richard Wagner. 1914 prozessiert Isolde gegen ihre Mutter, die die Vaterschaft von Richard Wagner abstreitet. Sie verliert den Prozess. Uraufführung von Tristan und Isolde am 10. Juni in München unter Hans von Bülow, Wagner-Jünger und Cosimas erster Ehemann. 1866 Am 25. Januar stirbt in Dresden Wagners erste Ehefrau Wilhelmine „Minna“. 1867 Geburt von Eva von Bülow am 17. Februar, der zweiten Tochter von Richard und Cosima in Tribschen. 1868 Trennung von Hans und Cosima von Bülow im Herbst. 1869 Am 6. Juni wird Siegfried als drittes Kind von Richard und Cosima in Tribschen geboren. Er ist der ersehnte Thronfolger, dem sich seine (Halb-)Schwestern unterzuordnen haben. Im April 1883 ruft Cosima ihre Töchter auf: „Lebt nun für Siegfried ... Sorgt für Siegfried, dies mein erstes und letztes; Euer erstes Erwachen am Tage sei für ihn, Euere erste Tätigkeit, Euere schönste Sorge.“ 20 1870 Die Ehe von Cosima und Hans von Bülow wird am 18. Juli geschieden. Cosima erhält das Sorgerecht für die Töchter. Zur Unterstützung des Baus des Festspielhauses gründet Richard Wagner den Bayreuther Patronatsverein, dem ab 1871 Ableger im ganzen Reich folgen. Chamberlain tritt 1878 in den Bayreuther Mutterverein ein. 1871 Cosima und Richard Wagner heiraten am 25. August in Luzern. 1872 Grundsteinlegung des Bayreuther Festspielhauses am 22. Mai. 1874 Einzug der Familie in Villa Wahnfried im April. In die Frontfassade lässt Wagner den Sinnspruch eingravieren: „Hier wo mein Wähnen Frieden fand – Wahnfried – sei dieses Haus von mir benannt.“ Cosima nennt in ihren Tagebüchern das hessische Wanfried als Inspiration für den Namen der neuen Wagner-Residenz: „ ... in Hessen gäbe es einen Ort Wahnfried, es habe ihn [Wagner] so mystisch berührt, diese Zusammensetzung der beiden Worte ... “ Chamberlain lernt im Herbst in Cannes die zehn Jahre ältere Anna Horst kennen. Wie Anna in ihren Erinnerungen an Houston Stewart Chamberlain schreibt, verbindet die späteren Eheleute die Liebe zur Natur und die Freude an gemeinsamen Spaziergängen: „Dann begannen die schönen Ausflüge und Spaziergänge mit Mr. Chamberlain. Wir botanisierten, fingen Schmetterlinge und suchten Steine.“ 1876 Das Bayreuther Festspielhaus wird am 13. August eingeweiht. 1878 Chamberlain hört zum ersten Mal Wagner: Beginn seiner Begeisterung für Wagners Werk. Am 9. Mai heiratet er in Genf Anna Horst. 1882 Uraufführung des Parsifal im Festspielhaus in Bayreuth am 26. Juli unter der Leitung von Hermann Levi. Chamberlain und seine Frau Anna erleben die Premiere und wohnen auch weiteren Vorstellungen bei, lernen Wagner eigenen Aussagen zufolge jedoch nur aus der Distanz kennen. 1883 1885 Wagner stirbt am 13. Februar in Venedig. Sein Leichnam wird fünf Tage später unter großer öffentlichen Anteilnahme nach Bayreuth überführt und im Garten von Wahnfried bestattet. Hermann Levi ist einer der Sargträger. Die 46-jährige Witwe Cosima übernimmt die Leitung der Festspiele. Chamberlain gründet die Révue wagnérienne, in der er Artikel über den Komponisten veröffentlicht. Später folgen weitere Schriften über Wagner, wie bei21 spielsweise 1892 Das Drama Richard Wagners oder 1896 eine Biografie. 1888 Chamberlain und Cosima Wagner lernen sich im Juni in Dresden kennen. In der Folgezeit entwickelt sich eine ausgedehnte Korrespondenz, in der sich die beiden unter anderem über Literatur und die ästhetische Ausrichtung der Bayreuther Festspiele austauschen. Aus der Brieffreundschaft entwickelt sich ein enges Vertrauensverhältnis. Chamberlain, der Freund der Familie, wird 1908 durch die Heirat mit Tochter Eva zum Schwiegersohn. Er prägt die nationalistisch-antisemitische Ideologie Wahnfrieds wie kein anderer; der antisemitische Cosima-Biograf Max von Millenkovich-Morold schreibt bewundernd: „... etwas Neues, höchst Bedeutungsvolles [ist] hinzugekommen: die grundsätzliche und weitschauende Verknüpfung des Gedankens von Bayreuth mit der gesamten völkischen Erneuerung.“ 1892 Siegfried geht für eineinhalb Jahre mit Clement Harris auf Weltreise. An Bord eines Schiffes der Familie des britischen Reedersohnes reisen sie über Gibraltar nach Saigon, Hongkong, auf die Philippinen, nach Ceylon und zurück nach Neapel. Auf der Reise beschließt Siegfried, der ursprünglich Architekt werden wollte, nach dem Vorbild des Vaters Dirigent und Komponist zu werden. Chamberlain ist regelmäßiger Gast in Wahnfried, bei Festspiel-Proben anwesend und wird in künstlerische Entscheidungen eingebunden. 1894 Der von Wagner eingesetzte Dirigent Hermann Levi, der sich in Bayreuther Kreisen als „Fremder“ und „Eindringling“ empfindet, bittet Cosima ihn zu „entlassen“: „Ich bin Jude und da es in und um Wahnfried zum Dogma geworden ist, dass ein Jude so und so aussieht, und so und so denkt und handelt, und dass vor allem eine selbstlose Hingabe ... für einen Juden unmöglich ist, so beurteilt man Alles, was ich tue und sage von diesem Gesichtspunkte aus.“ Siegfried Wagner errichtet auf der Ostseite der Villa seine eigene Residenz. Hier empfängt seine Witwe Winifred später mehrmals Adolf Hitler, der hier Ende der 1930er während seiner Bayreuther Besuche übernachtet. Winifred bewohnt das „Siegfried-Wagner-Haus“, auch als „Führerbau“ bekannt und seit den 30er Jahren mit der Wahnfried-Villa durch einen Verbindungsbau vereint, bis zu ihrem Tode 1980. Hier wird seit 2015 als Teil des neu gestalteten Richard-Wagner-Museums die Ideologiegeschichte Wagners dargestellt, die enge Verbindung zwischen Bayreuth und der NS-Diktatur beleuchtet und die persönlichen Beziehungen der Familie Wagner zu den Nationalsozialisten und zu Adolf Hitler dokumentiert. 1896 Chamberlain veröffentlicht seine einflussreiche Wagner-Biografie. Im gleichen Jahr beginnt der Antisemit die Arbeit an seinem rassentheoretischen Hauptwerk Die Grundlagen des XIX. Jahrhunderts, welches 1899 in drei Bänden in 22 Ks. Konstantin Gorny, Matthias Wohlbrecht 23 München erscheint. Der Weltbestseller erlebt 29 Auflagen und wird ins Russische, Englische, Französische und weitere Sprachen übersetzt. 1899 Cosima zeigt sich nach Erscheinen der Grundlagen dem Wagner-Biografen Carl Friedrich Glasenapp gegenüber sehr erfreut darüber, „dass die Bayreuther Weltanschauung einen solchen Ausdruck gewonnen hat.“ 1900 Am 13. Mai stirbt Hermann Levi. Cosima bittet Chamberlain, den Nachruf für die Bayreuther Blätter zu schreiben und betont, dass die Aufgabe „gewiss fesselnd, aber durch die Mischung von Bedeutendheit und Nichtigkeit schwierig bis zum Unerfreulichen“ sei. Am 20. Dezember heiratet Isolde Wagner in Bayreuth den Dirigenten Franz Beidler. Cosima verweigert ihrem Schwiegersohn zunächst jegliche künstlerische Mitwirkung an den Festspielen, um den eigenen Sohn Siegfried vor Konkurrenz zu schützen. 1901 Ende Oktober wird der Monarchist Chamberlain von seinem Freund, dem Fürsten zu Eulenburg nach Schloss Liebenberg eingeladen, wo die Entourage Wilhelms II. regelmäßig zusammenkommt. Chamberlain berichtet Cosima: „Die Güte des Kaisers gegen mich war und ist groß. Doch ist es fraglich, ob ich je wieder etwas schreiben werde, was so zu ihm spricht wie gerade die Grundlagen.“ Der Kaiser bezeugt Chamberlain seine Bewunderung und Dankbarkeit. Es entwickelt sich eine langjährige Brieffreundschaft. Am 31. Dezember schreibt der Kaiser an Chamberlain: „Da kommen Sie, mit einem Zauberschlag bringen Sie Ordnung in den Wirrwarr, Licht in die Dunkelheit; Licht in die Dunkelheit; Ziele, wonach gestrebt und gearbeitet werden muss; Erklärung für dunkel Geahntes; Wege, die verfolgt werden sollen zum Heil der Deutschen und damit der ganzen Menschheit! ... So nun wissen Sie, mein lieber Mr. Chamberlain, was in mir vorging, als ich ihre Hand in der meinen fühlte.“ Der Kaiser erklärt die Grundlagen zur Pflichtlektüre für Offiziersanwärter, liest der Kaiserin, den Hofdamen und Papst Leo XIII. daraus vor, schenkt das Buch Freunden und Bekannten und bezeichnet es 1911 als „neues Evangelium“. 1906 Scheidung von Anna Horst und Chamberlain. Die Konkurrenz zwischen Siegfried Wagner und seinem Schwager Franz Beidler eskaliert. Am 8. August weigert sich Beidler kurzfristig, eine Aufführung des Parsifal zu dirigieren. Er will Cosima, die ihm nur zwei Vorstellungen zugesteht, erpressen, ihn weitere Vorstellungen dirigieren zu lassen. Cosimas Gesundheitszustand verschlechtert sich im Dezember drastisch und sie übergibt die Leitung der Festspiele ihrem Sohn. 24 1908 Am 26. Dezember heiratet Eva Wagner Houston Stewart Chamberlain; die beiden wohnen bis 1916 in Wahnfried. 1909 Chamberlain fordert im September den Ausschluss der Beidlers. Er bezeichnet Isolde, die „in die Pflege einer psychiatrischen Anstalt gehöre“ als „krank“. Ihr Bruder Siegfried fängt Briefe Isoldes an Cosima ab. Die Beidlers reagieren mit Drohungen. 1914 Vor dem Landgericht Bayreuth wird am 6. März der Beidler-Prozess eröffnet, Cosima streitet wider besseres Wissen Wagners Vaterschaft ab. Der Journalist Maximilian Harden, der 1906 enge Vertraute und Diplomaten Wilhelms II. öffentlich der Homosexualität bezichtigte und damit einen der größten Skandale seiner Zeit provozierte, bezeichnet Siegfried Wagner in der Zeitschrift Die Zukunft ebenfalls als „Heiland aus andersfarbiger Kiste“. Isoldes Klage gegen ihre Mutter wird am 19. Juni gerichtlich abgewiesen. Das englische Waisenkind Winifred Williams-Klindworth trifft im Sommer in Bayreuth zum ersten Mal auf Siegfried Wagner. Aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges werden im August die Festspiele abgebrochen. Chamberlain veröffentlicht in den Bayreuther Blättern und anderen Zeitungen patriotische Kriegsaufsätze, die in den Folgejahren auch in Buchform veröffentlicht werden. Chamberlain erkrankt an einer Nervenkrankheit, vermutlich Syphilis. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich in den Folgejahren drastisch: Ab 1917 führen Lähmungserscheinungen dazu, dass er nicht mehr selbst schreiben kann und Eva seinen gesamten Schriftverkehr und die Veröffentlichung seiner Texte übernimmt. In den 20er Jahren versagt ihm die Fähigkeit zu sprechen und er wird zum Pflegefall. 1915 Der 45-jährige Siegfried Wagner heiratet am 22. September in Bayreuth die 17-jährige Winifred. In den Jahren 1917 bis 1920 werden ihre Kinder Wieland, Friedelind, Wolfgang und Verena geboren. 1916 Chamberlain erhält im August die deutsche Staatsbürgerschaft. Im gleichen Jahr erscheint seine Schrift Ideal und Macht, in der er sich von seiner englischen Heimat abwendet. 1917 Chamberlain tritt in die Deutsche Vaterlandspartei ein, der auch Cosima Wagner angehört und wird Mitherausgeber der Zeitschrift Deutschlands Erneuerung. 25 1919 Isolde Beidler, Cosimas dritte Tochter, stirbt am 7. Februar in München. 1923 Adolf Hitler trifft Ende September in Bayreuth zum ersten Mal die Familie Wagner. Chamberlain schreibt kurz nach dem Besuch an Hitler: „Mein Glaube an das Deutschtum hat nicht einen Augenblick gewankt, jedoch hatte mein Hoffen – ich gestehe es – eine tiefe Ebbe erreicht. Sie haben den Zustand meiner Seele mit einem Schlage umgewandelt. Dass Deutschland in der Stunde seiner höchsten Not sich einen Hitler gebiert, das bezeugt sein Lebendigsein ...“ Winifred und Siegfried Wagner nehmen im November in München am HitlerLudendorff-Putsch teil. Anschließend lassen sie Hitler in der Landsberger Festungshaft Briefe, Decken, Bücher, Opernlibretti von Siegfried und „massenhaft Schreibpapier“ zukommen, auf dem Hitler Mein Kampf schreiben wird. Siegfried Wagner ist von Hitler und dem Engagement seiner Frau begeistert: „Gottlob gibt es noch deutsche Männer! Hitler ist ein prächtiger Mensch, die echte deutsche Volksseele. Er muss es fertig bringen! ... Meine Frau kämpft wie eine Löwin für Hitler! Großartig!“ 1924 Anna Chamberlain stirbt am 28. Januar in München. 1925 Hitler besucht zum ersten Mal die Festspiele. Seitdem sind Winifred und er Duzfreunde. Nach Siegfrieds Tod im August 1930 macht Hitler der Witwe einen Heiratsantrag, den sie eigenen Aussagen zufolge ablehnt. 1927 Chamberlain stirbt am 9. Januar nach Jahren schwerer Krankheit in Bayreuth. 1930 Cosima Wagner stirbt am 1. April in Bayreuth. Siegfried Wagner stirbt am 4. August in Bayreuth. Winifred übernimmt bis Kriegsende die Leitung der Festspiele. 1933 Hitler besucht die Festspiele als Reichskanzler. 1936 Eva Chamberlain erhält das Ehrenzeichen der NSDAP. 1940 Daniela Thode, Cosimas erste Tochter, stirbt am 28. Juli in Bayreuth. 1941 Blandine Gravina, Cosimas zweite Tochter, stirbt am 4. Dezember in Florenz. 1942 Eva Chamberlain, Cosimas vierte Tochter, stirbt am 26. Mai in Bayreuth. 1945 Wahnfried wird am 5. April bei einem Angriff der britischen Luftwaffe zur Hälfte zerstört. 26 Matthias Wohlbrecht, Herren des Staatsopernchors 27 28 Ensemble, Staatsopernchor, Statisterie 29 WAGNERTHEATER ZUR INSZENIERUNG Regisseur Keith Warner im Gespräch mit Operndramaturg Raphael Rösler. Du hast mehr als 20 Uraufführungen inszeniert. Was ist das Besondere daran? Es ist etwas sehr Schönes und Aufregendes, eine neue Oper zum Leben zu erwecken und dabei mit dem Komponisten, den Librettisten und dem Dirigenten zusammenzuarbeiten und sich auszutauschen. Selbstverständlich inszeniere ich auch gerne Repertoirestücke, die mich wegen ihrer Tiefe und Zeitlosigkeit faszinieren, beispielsweise von Wagner, Janáček oder Berg. Was ich aber bei Uraufführungen besonders schätze, ist die Lebendigkeit eines neuen Werkes, das in unserer Zeit für uns heute geschrieben wurde. Der Komponist Avner Dorman hat Wahnfried schlicht „Oper“ genannt. Welche Gattungsbezeichnung würdest du wählen, um dem Publikum eine erste Idee zu geben? 30 So etwas wie „most tragical comedy“ wäre vielleicht passend für dieses wunderbare comic- und mangahafte WagnerPanoptikum, das Lutz Hübner, Sarah Nemitz und Avner Dorman geschaffen haben. Die Oper ist voller Kraft und leuchtenden Farben. Und wenn man bedenkt, dass die Oper einen Zeitraum von über 40 Jahren abdeckt, ist das Erzähltempo ziemlich rasant. Hinzu kommt eine virtuose und unkonventionelle Dramaturgie, wie wir sie beispielsweise aus Shakespeares Historiendramen kennen. Einerseits gehen unsere beiden Librettisten chronologisch vor, andererseits brechen sie die Zeitenfolge, so dass es eine wahre Freude ist. Vergleichbares gilt für die Komposition, die mit verschiedenen, teilweise sehr gegensätzlichen Stilebenen arbeitet, wie z. B. Anleihen aus Jazz, Broadway-Musical oder Zwölftonmusik. Wie inszeniert man Geschichte und historische Figuren, insbesondere so bekannte wie Cosima und Winifred Wagner oder den Meisterjünger? Wahnfried ist eine groteske Phantasmagorie mit viel Humor und Tiefe. In den Text und die Musik ist also ein bestimmter künstlerischer Zugriff auf die Historie eingeschrieben. Die Aufgabe der Inszenierung ist es, die Geschichte in dieser Form lebendig werden zu lassen. Wir sind schließlich nicht im Geschichtsunterricht oder im Museum, sondern im Theater. Hier ist die Aufgabe, eine eigene Bühnenwirklichkeit und Bühnenwahrheit zu kreieren. Deswegen müssen wir uns grundsätzlich von der Realität lösen, die wir sowieso nicht abbilden können. Shakespeares Richard III. hat auch nur sehr begrenzt etwas mit dem historischen König zu tun und ist trotzdem ein großartiges und aussagekräftiges Werk, bei dem die Kategorie „Realismus“ unerheblich ist. Bei Wahnfried und der Wagner-Familie verhält es sich insofern etwas anders, als die realen Menschen, die die Vorlage für die Bühnenfiguren waren, gut dokumentiert und durch ikonografische Fotos sehr präsent sind, so dass man nicht ohne gewisse äußerliche Bezüge in Kostüm und Maske auskommt. Du hast sieben Jahre in Bayreuth gearbeitet und bei den Festspielen Wagners „Lohengrin“ inszeniert. Wie hast du Villa Wahnfried und das Festspielhaus erlebt? Meine Beziehung zur Familie Wagner reicht ins Jahr 1976 zurück, als ich von Friedelind Wagner ein Stipendium erhielt, der 1939 aus Nazi-Deutschland in die USA ausgewanderten Tochter von Siegfried Wagner. Ich habe auch Winifred zweimal getroffen und später, während meiner Arbeit an Lohengrin hatte ich natürlich engen, freundschaftlichen Kontakt zu Wolfgang Wagner und seiner Frau Gudrun. Im Umgang mit diesen Personen hat man schon einen bestimmten Geist gespürt, vor allem wenn es um das Thema Wagner oder die Vergangenheit ging, die in Wahnfried thematisiert wird. Ich habe in Gesprächen manchmal festgestellt, mit welcher Härte auf Meinungen und Sichtweisen auf Wagner und sein Werk reagiert wurde, die nicht dem „offiziellen“ Wagner-Bild entsprechen. Wie sind diese Erfahrungen in die Inszenierung von „Wahnfried“ eingeflossen? Auch wenn ich weder die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg noch meine persönlichen Erfahrungen auf der Bühne kopieren und nachspielen möchte, gibt es doch Details aus meiner oder der kollektiven Erinnerung, mit denen ich versuche, eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen oder eine Szene zu gestalten. Nachhaltig beeindruckt hat mich zum Beispiel, wie Wolfgang Wagner mir seine Begegnungen mit Adolf Hitler beschrieben hat, den er als Jugendlicher mehrmals getroffen hatte. Als ich ihn fragte, wie er Hitler bei seinen Besuchen in Wahnfried erlebt hat, hat er nicht viel gesagt, nur, dass er eine einnehmende Aura hatte, durchaus charmant war und jedem im Raum das Gefühl vermittelt hat, wichtig zu sein. Auf solch ein Zeitzeugnis kann man als Regisseur in der Arbeit mit den Sängern zurückgreifen. Warum inszenierst du die Oper im Festspielhaus? Die Oper ist nach der Familienresidenz mit diesem wunderbaren sprechenden Namen „Wahnfried“ benannt. Dennoch geht es nicht um das tatsächliche Gebäude, sondern vielmehr um den Wagner-Kosmos bzw. einen kultur- und ideengeschichtlichen Komplex, der mit diesem Ort zusammenhängt. Ein zentrales Thema der Oper 31 ist der Umgang der Nachfahren mit dem Erbe des Komponisten, seinem Werk und den Festspielen. Die Oper wirft beispielsweise die Frage auf, wie Wagners mythologische Opernwelten mit ihren sagenhaften archetypischen Figuren im Sinne eines nationalistischen Kunstbegriffs umgedeutet wurden. Wo, wenn nicht im Bayreuther Festspielhaus, mit Bühne und Zuschauerraum, sollte man diese Geschichte erzählen? In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf den eben angesprochenen Punkt zurückkommen: Trotz oder vielleicht wegen dieses künstlerischen Zugriffs – bestehend aus Text, Musik und Szene – können wir uns bestimmte historische Vorgänge eingängig vergegenwärtigen und zur Diskussion stellen. Denn bei aller Fantasie beruht die Oper Wahnfried letztlich auf dokumentierten historischen Ereignissen. In deiner Inszenierung treffen wir viele Figuren aus Wagners Werk an, die die Welt von Wahnfried ergänzen. Fiktion trifft auf Realität, Fantasie auf Geschichte. Das haben wir aus dem Text und der Musik entwickelt, wo Personen beispielsweise als Siegfried bezeichnet werden und Wagner-Motive erklingen. In Wahnfried werden die historischen Charaktere „verwagnert“, was wir mit szenischen Anspielungen verstärken. In dieser Unentschiedenheit bzw. Vermischung von Fiktion und Wirklichkeit liegt etwas sehr wagnerisches. Beispielsweise sein Tannhäuser oder sein Lohengrin stehen mit einem Fuss in der Historie und mit dem anderen in Wagners reicher Fantasie. Das hat die Folge, dass reale Figuren nicht mehr als Einzelfälle, sondern als Archetypen betrachtet werden. Was für eine Figur ist der Wagnerdämon, 32 den wir in eurer Inszenierung als bizarren, janusköpfigen Clown erleben? Der Wagnerdämon ist vielleicht die interessanteste Figur des Werks. Es ist nicht der echte Wagner, sonst hätten Lutz Hübner und Sarah Nemitz ihm sicherlich originale Textzeilen in den Mund gelegt, wie sie es bei Chamberlain getan haben. In unserer Inszenierung wird der Dämon genau in dem Moment geboren, in dem Wagner in der Loge stirbt. Der Geist steht für das Bild, das die Menschen sich von Wagner machen. Er ist eine leere Hülle, in der wir unsere Meinungen über den verstorbenen und somit wehrlosen Komponisten hineinprojizieren, dessen Biografie in jedem von uns weiterlebt und in jedem von uns anders aussieht. Wagner kann neu gedeutet, interpretiert und auch missbraucht werden, von jedem, von den Wagnerianern, die zu wissen meinen, wie er wirklich war, von den Kritikern und sogar von der eigenen Familie, die im 1. Finale einen Teil seiner Briefe und Schriften verbrennt. Hier erleben wir im Zusammenspiel mit dem Anarchisten Bakunin einen Wagner, der nicht ins Bild der Familie passt und deswegen vertrieben wird. Es ist der revolutionäre Wagner, der linke Demokrat, der von seinem Geld in Dresden Handgranaten für den Straßenkampf kauft. Dieser Wagner ist der antidemokratischen Gesellschaft in Wahnfried nicht genehm und wird deswegen ausgeblendet. Im 2. Akt erleben wir nach der Schwächung in der Bakunin-Szene einen Wagnerdämon, der Houston zur Rede stellt und in der letzten Szene verurteilt, weil er sieht, was sich in Bayreuth mit der Ankunft von Adolf Hitler abzeichnet. Das Erschreckende an diesem Vorgang ist, das Cosima & Co. damit Erfolg hatten und auf dem Grünen Hügel nicht nur einen nationalistischen Heiligenkult um Wagner und sein Werk etabliert haben, sondern die Wagner-Rezeption für viele Jahrzehnte, wenn nicht bis heute geprägt haben. In der Inszenierung sehen wir, wie der Wagnerdämon von innen an die Tür klopft und den Meisterjünger Adolf Hitler eintreten lässt. Nun, so war es: Hitler kam nicht wegen der Menschen nach Wahnfried, sondern wegen Wagner bzw. dem bestimmten Wagnerbild, so wie es dort etabliert und gepflegt wurde. Doch kurz darauf wechselt der Dämon wieder sein Gesicht und wir erleben ihn als einen Kommentar, der am Ende mit Chamberlain abrechnet, bevor dieser vollends wahnsinnig wird. Die Figur des Dämons wirft auch die Frage auf, welchen Anteil eigentlich Wagner selbst an den späteren Vorgängen in Bayreuth und der Instrumentalisierung im Dritten Reich hatte. Wagner ist daran sicherlich nicht unschuldig, so amüsant der Wagnerdämon auch erscheinen mag. Wagners Antisemitismus ist unverzeihlich und deswegen tragen er und sein Werk ihn auch wie ein Brandmal mit sich herum. Er war schließlich nicht „nur“ ein Antisemit unter vielen anderen, sondern eine öffentliche Person, die diese menschenverachtende Denkweise in ihren Schriften theoretisiert, intellektualisiert und verbreitet hat, ähnlich wie Chamberlain. Daran ist wirklich nichts zu entschuldigen und ich verstehe die Leute sehr gut, die deswegen seine Musik nicht hören wollen. Doch leider hat er uns mit seinen Musikdramen so einzigartige Kunstwerke hinterlassen. Wie gehen wir damit angemessen um? Natürlich besteht die Möglichkeit, alles von ihm zu verbieten und zu verbannen. Aber ich bezweifle stark, dass Bücherverbrennung die richtige Antwort auf diese Frage ist. Vielleicht ist es besser, diesen ganzen Komplex z. B. in Form einer Oper aufzuarbeiten. HIER IST DER TEMPEL. REINIGEN SIE IHN. 33 34 Matthias Wohlbrecht, Renatus Meszar, Christina Niessen, Staatsopernchor 35 AVNER DORMAN KOMPOSITION 1975 in Tel Aviv geboren, entwickelte Avner Dorman sich schnell zu einem der erfolgreichsten Komponisten Israels. In seiner Heimatstadt studierte er Komposition, Musikwissenschaft und Physik. Anschließend wechselte er an die Juilliard School of Music in New York, wo er sein Studium mit Promotion abschloss. 2000 gewann er mit 25 Jahren als bisher jüngster Komponist den renommierten Prime Minister’s Award seines Heimatlandes und noch im gleichen Jahr wurde ihm der Golden Feather Award der ACUM, des Verbandes der israelischen Komponisten und Publizisten, verliehen. Seine Werke werden von führenden Solisten und Orchestern aufgeführt, darunter das Israel Philharmonic Orchestra unter Zubin Mehta, das Boston Symphony 36 Orchestra, das Tonhalle Orchester Zürich und die Bamberger Symphoniker. Seinen Durchbruch in Europa erlebte er 2007 mit der Uraufführung von Frozen in Time durch das Philharmonische Staatsorchester Hamburg und Martin Grubinger, der das hochvirtuose Schlagzeugkonzert 2016 auch in Konzerten der BADISCHEN STAATSKAPELLE spielte. 2012 und 2014 standen zwei weitere Werke des Komponisten – Ellef Symphony und das Concerto grosso – auf dem Karlsruher Konzertprogramm. Mit Wahnfried stellt sich Dorman, der bislang vorwiegend symphonische, aber auch kammermusikalische Werke, Filmmusik und so ungewöhnliche Werke, wie ein Konzert für Violine und Rockband komponiert hat, erstmals als Opernkomponist vor. LUTZ HÜBNER & SARAH NEMITZ LIBRETTO Lutz Hübner wurde 1964 in Heilbronn geboren. Nach einem Studium der Germanistik, Philosophie und Soziologie sowie einer Ausbildung zum Schauspieler arbeitet er seit 1996 freiberuflich als Dramatiker und Librettist. Sarah Nemitz stammt aus dem Rheinland, wo sie Tanz, Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte studierte. Seit 2001 verbindet die beiden eine enge und sehr erfolgreiche Zusammenarbeit: Sie sind zurzeit Deutschlands meistgespielte zeitgenössische Theaterautoren. 1998 wurde Herz eines Boxers mit dem Deutschen Jugendtheaterpreis ausgezeichnet. 2005 wurde das Stück Hotel Paraiso zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Erfolgsstücke wie Gretchen 89 ff., Ehrensache oder Blütenträume begründeten ihre große Beliebtheit. 2009 und 2011 wurden Inszenierungen ihrer Stücke zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Ihre Stücke sind in über ein Dutzend Sprachen übersetzt worden und werden auf der ganzen Welt gespielt. 2015 kam ihr Erfolgsstück Frau Müller muss weg in der starbesetzten Verfilmung von Sönke Wortmann in die deutschen Kinos – der Film erreichte über eine Million Zuschauer und erhielt zahlreiche Preise. 2011 wurde Lutz Hübner mit dem Autorenpreis der ASSITEJ und 2016 mit dem Preis der Autoren der Frankfurter Autorenstiftung ausgezeichnet. Dem Karlsruher Publikum sind sie sowohl als Librettisten als auch als Dramatiker bekannt: Für die Oper Wallenberg schrieben sie das Libretto, und die gesellschaftskritische Komödie Richtfest begeisterte die Zuschauer. 37 JUSTIN BROWN Musikalische Leitung DOMINIC LIMBURG Nachdirigat Justin Brown studierte an der Cambridge University und in Tanglewood bei Seiji Ozawa und Leonard Bernstein. Als Dirigent debütierte er mit der britischen Erstaufführung von Bernsteins Mass. Der Brite leitete zahlreiche Uraufführungen und dirigierte wichtige Werke bedeutender zeitgenössischer Komponisten wie Elliott Carter und George Crumb. Außerdem musizierte er mit namhaften Solisten wie Yo-Yo Ma, Leon Fleisher und Joshua Bell. Gastengagements führten ihn an renommierte Opernhäuser weltweit, so jüngst zur Uraufführung von Elena Langers Figaro Gets A Divorce an die Welsh National Opera. 2008 wurde er zum Generalmusikdirektor des STAATSTHEATERS KARLSRUHE ernannt, wo er vor allem für seine Dirigate der Werke Wagners, Berlioz’, Verdis und Strauss’ gefeiert wird. Neben der Musikalischen Leitung des 2015/16 begonnenen Ring des Nibelungen dirigiert er 2016/17 vier Sinfoniekonzerte und das 1. Sonderkonzert. Geboren in Zürich, studierte Dominic Limburg in seiner Heimatstadt Klavier, Gesang und Dirigieren. Darüber hinaus besuchte er Meisterkurse bei Bernard Haitink, David Zinman, Esa-Pekka Salonen und Mario Venzago. Bereits während des Studiums dirigierte er unter anderem die Hamburger Sinfoniker, das Berner Sinfonieorchester, das Musikkollegium Winterthur, die Südwestdeutsche Philharmonie, das Kurpfälzische Kammerorchester, die Nürnberger Sinfoniker und das OER in São Paulo. Zu seinen Dirigaten gehören Die Fledermaus in Meiningen, I Pagliacci in Pilsen und Die verkaufte Braut in Teplice. Seit 2015 wird Dominic Limburg durch das Dirigentenforum des Deutschen Musikrats gefördert. 2016 wurde er mit dem 8. Deutschen Operettenpreis ausgezeichnet. Zur Spielzeit 2016/17 kam er als 2. Kapellmeister und Assistent des Generalmusikdirektors ans STAATSTHEATER und dirigiert Vorstellungen von Der Liebestrank und La Sylphide. 38 KEITH WARNER Regie TILO STEFFENS Bühne Keith Warner führte weltweit bei mehr als 150 Opern und Musicals Regie, darunter zahlreiche Uraufführungen. Er ist insbesondere für seine Wagner-Inszenierungen bekannt, wie z. B. Lohengrin in Bayreuth, Parsifal in Kopenhagen und Karlsruhe, Tannhäuser in Straßburg und Der Ring des Nibelungen in Tokio und London. Am Royal Opera House Covent Garden feierte er mit Bergs Wozzeck – 2003 mit dem „Olivier Award“ ausgezeichnet – große Erfolge. Er arbeitet regelmäßig an der Oper Frankfurt, wo er Brittens Death in Venice und Pizzettis Murder in the Cathedral (Assassinio nella cattedrale) inszenierte. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Theater an der Wien, wo er Blochs Macbeth, Mozarts Don Giovanni, Brittens The Rape of Lucretia und Hindemiths Mathis der Maler auf die Bühne brachte. Zukünftige Engagements führen ihn ans Royal Oper House, an die Semperoper Dresden und ans Theater an der Wien. Seit 1997 ist Tilo Steffens als freischaffender Bühnen- und Kostümbildner für Musiktheater, Schauspiel, Tanz sowie Kinder- und Jugendtheater tätig und lebt in Karlsruhe. Er schuf die Bühnenbilder für die Uraufführung von Rolf Riehms Sirenen an der Oper Frankfurt und arbeitete unter anderem an den Theatern in Freiburg, Kiel, Osnabrück, Dessau und Konstanz. Mit Katharina Wagner brachte er bei den Bayreuther Festspielen Die Meistersinger von Nürnberg, am Theater Bremen Rienzi und am Teatro Pérez Galdós auf Gran Canaria Tannhäuser auf die Bühne. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit Keith Warner, für dessen Inszenierungen er fantasiereiche Bühnenbilder kreierte, darunter Nabucco an der Deutschen Oper Berlin, Murder in the Cathedral (Assassinio nella cattedrale) an der Oper Frankfurt und Parsifal am STAATSTHEATER. Ihre nächste gemeinsame Produktion ist Busonis Doktor Faust an der Semperoper Dresden. 39 JULIA MÜER Kostüme RAPHAEL RÖSLER Dramaturgie Julia Müer studierte Bühnen- und Kostümbild an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und schloss ihr Studium 2007 als Meisterschülerin ab. Im selben Jahr war sie Preisträgerin des Europäischen Opernregie-Preises und 2008 Finalistin des Ring Award in Graz. Seit 2009 arbeitet sie regelmäßig als Bühnen- und Kostümbildnerin mit Keith Warner, Katharina Thoma, Nicola Raab und Ute M. Engelhardt zusammen. Bisherige Arbeiten waren an der Oper Frankfurt, der Semperoper Dresden, der Deutschen Oper Berlin, der Königlichen Oper Kopenhagen, der Ungarischen Staatsoper Budapest, der Folkoperan Stockholm, der Oper Malmö, der Dallas Opera und am Gärtnerplatztheater München sowie bei den Opernfestspielen in Glyndebourne und Savonlinna zu sehen. 2014/15 kreierte sie die Kostüme für Warners Parsifal-Inszenierung am STAATSTHEATER. Zukünftige Engagements führen sie nach Dresden und Nancy sowie nach Montepulciano. Der gebürtige Mannheimer studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie und schloss mit einer Arbeit über das Opernschaffen von Franz Schubert ab. Während des Studiums sammelte er an der Komischen Oper Berlin und an der Staatsoper Unter den Linden erste Berufserfahrungen und war unter anderem als freier Dramaturg für die Staatsoper Unter den Linden und für das Deutsche Kammerorchester Berlin tätig. Von 2010 bis 2012 war er Konzertdramaturg am Theater und Orchester Heidelberg. Seit 2011/12 ist er als Operndramaturg am STAATSTHEATER engagiert. Neben seiner Arbeit als Dramaturg verfasst er Programmheftbeiträge für die Staatsoper Unter den Linden, die Staatskapelle Berlin, das Philharmonische Orchester Heidelberg, das Deutsches Kammerorchester Berlin, das Orchester der Oper Zürich und die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern und ist als Lektor tätig. 40 Andrew Watts 41 Houston Stewart Chamberlain (1855 – 1927) Englischer Schriftsteller, Privatgelehrter, Wahldeutscher, Antisemit. Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts, sein rassentheoretisches Hauptwerk, war im frühen 20. Jh. ein einflussreicher Bestseller. Nach Abbruch seiner naturwissenschaftlichen Studien nahm er Kontakt zur Familie Wagner auf, trennte sich von seiner 1. Ehefrau Anna Horst und heiratete 1908 Eva Wagner. Cosima Wagner, geb. de Flavigny (1837 – 1930) Uneheliche Tochter von Marie d’Agoult und Franz Liszt, von 1857 bis 1869 in 1. Ehe mit dem Dirigenten Hans von Bülow verheiratet, zwei Töchter: Daniela und Blandine. Ab 1863 Liebesbeziehung mit Richard Wagner, den sie 1870 heiratete, drei uneheliche Kinder: Isolde, Eva und Siegfried. Nach Wagners 1883 Tod leitete sie bis 1907 die Bayreuther Festspiele. Anna Chamberlain, geb. Horst (1846 – 1924) Lernte Chamberlain 1874 in Cannes kennen, 1878 Hochzeit in Genf, keine Kinder. Das Paar lebte in Genf und Dresden. 1905 trennte Chamberlain sich per Brief von Anna, lehnte ab diesem Zeitpunkt direkten Kontakt ab und kommunizierte nur per Rechtsanwalt mit ihr. 1905 letzte Begegnung bei Besuch an Annas Krankenbett. Die Ehe wurde 1906 geschieden. Siegfried „Fidi“ Wagner (1869 – 1930) Komponist und Dirigent, jüngstes Kind und einziger Sohn von Richard Wagner. Neben seinem Einsatz für die Bayreuther Festspiele, ab 1907 als deren Leiter, komponierte er 18 Opern, wie sein Vater auf eigene Libretti. Seine Werke wurden teilweise von der Kritik verrissen. Er selbst schob die Misserfolge auf „jüdische Machenschaften“. Winifred Wagner, geb. Williams (1897 – 1980) Englisches Waisenkind, Festspielleiterin 1930 – 1944. Ihr Adoptivvater, der Wagnerianer und Wagner-Freund Karl Klindworth, bei dem sie in Berlin aufwuchs, führte sie in Bayreuther Kreise ein. Aus der Ehe mit Siegfried Wagner gingen die Kinder Wieland, Friedelind, Wolfgang und Verena hervor. Winifred war eine enge Freundin Adolf Hitlers. Eva Chamberlain, geb. von Bülow (1867 – 1942) Wagners zweitgeborene Tochter, Ehefrau von Houston Chamberlain und begeisterte Nationalsozialistin. Eva pflegte jahrzehntelang die kranke Cosima und verwaltete das Familienarchiv. Mit zunehmender Erkrankung ihres Mannes kümmerte sie sich um den später Bettlägerigen und unterstützte ihn bei seiner ungemindert regen publizistischen Tätigkeit. Wagnerdämon (1883 – bis heute) Geist des Komponisten und Projektionsfläche. 42 Adolf Hitler (1889 – 1945) Österreicher, Antisemit, Aquarellmaler, Soldat, Putschist, Hochverräter, Gefangener, Autor von Mein Kampf, Redner, Parteivorsitzender, Reichskanzler, Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Führer, „Man of the Year 1938“ des TIME Magazins, Endlöser, Vegetarier, Freund der Familie Wagner, insbesondere von Winifred, Meisterjünger, Selbstmörder. Hermann Levi (1839 – 1900) 1864 –1872 Kapellmeister am Hoftheater Karlsruhe, 1872–1894 Generalmusikdirektor an der Münchener Hofoper. Höhepunkt seiner Karriere war das Dirigat der Uraufführung von Wagners Parsifal 1882 in Bayreuth – gegen den anfänglichen Widerstand des Komponisten, der der Überzeugung war, dass ein Jude diese christliche Oper nicht dirigieren könne. Wilhelm II. (1859 – 1941) Letzter deutscher Kaiser (1888 –1918). Auch wenn er engen Kontakt zu prominenten Juden hatte, stand er unter dem Einfluss von Chamberlains antisemitischer Rassentheorie, was nicht nur der Briefwechsel mit Chamberlain, sondern auch seine Reden belegen. Die Hupe seines kaiserlichen Automobils war nach dem viertönigen Donner-Motiv aus Das Rheingold gestimmt. Michail Bakunin (1814 – 1876) Russischer Revolutionär, „Vater des Anarchismus“. Ab 1840 reiste er rastlos durch Europa und vernetzte sich mit Gleichgesinnten. 1849 Beteiligung am Dresdner Maiaufstand, wo er Richard Wagner begegnete. Inhaftierung auf Festung Königstein, Verurteilung zum Tode, Begnadigung zu lebenslanger Haft. 1857 Verbannung nach Sibirien, Flucht über die USA nach London. Isolde Wagner (1865 – 1919) 1. Kind von Cosima von Bülow und Richard Wagner, Ehefrau des Dirigenten Franz Beidler. Ihr Sohn Franz-Wilhelm, geb. 1901, war der 1. Wagner-Enkel. Nach der Überwerfung mit ihrer Mutter, 1912 Umzug nach München, 1913 Kürzung der Apanagen durch Bruder Siegfried, 1914 erfolglose Klage gegen ihre Mutter („Beidler-Prozess“). Daniela von Bülow (1860 – 1927) 1. Kind von Cosima und Hans von Bülow, lebte nach Trennung der Eltern bei Cosima und Richard Wagner und im Internat, 1886 – 1915 in Italien mit Ehemann Henry Thode, nach Scheidung 1915 wieder in Bayreuth. Langjährige Verwalterin des Kostümfundus und Kostümbildnerin bei den Festspielen, Trägerin des Ehrenzeichens der NSDAP. Blandine von Bülow (1863 – 1941) 2. Tochter von Cosima Wagner und Hans von Bülow, stand wie ihre Schwester Daniela im Schatten der leiblichen Wagner-Kinder. Nach dem Selbstmord ihres Mannes Graf Biagio Gravina 1897 lebte die Witwe mit ihren Kindern und der lebenslangen finanziellen Unterstützung aus Wahnfried in Florenz. 43 MATTHIAS WOHLBRECHT Houston Stewart Chamberlain Der Tenor studierte in Würzburg und Mailand, debütierte 1998 an der Kammeroper Schloss Rheinsberg und kam über Rostock, Darmstadt, Mannheim 2004 ans STAATSTHEATER. Gastspiele führten ihn nach Venedig, Moskau, München, Seoul, Berlin und Paris. In Karlsruhe steht er 2016/17 als Loge in Das Rheingold und als Mime in Siegfried auf der Bühne. CHRISTINA NIESSEN Cosima Wagner Die Sopranistin wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Seit 2006/07 ist sie am STAATSTHEATER engagiert und war hier in den großen Wagner-Partien ihres Fachs, aber auch als Rosalinde, Feldmarschallin oder Erste Dame in Die Zauberflöte zu erleben. 2016/17 singt sie unter anderem Gerhilde in Die Walküre und Mrs. Pearce in My Fair Lady. Ks. BARBARA DOBRZANSKA Anna Chamberlain Die Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe ist seit 2002 Ensemblemitglied am STAATSTHEATER KARLSRUHE, wo sie neben internationalen Gastauftritten u. a. alle großen Verdi-, Puccini- und Verismo-Heroinen verkörperte. 2011 wurde sie zur Kammersängerin ernannt. Neben der Titelpartie in Tosca ist sie 2016/17 auch als Adriana Lecouvreur zu hören. ERIC JURENAS a. G. Siegfried „Fidi“ Wagner Der US-amerikanische und mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Countertenor studierte am Cincinnati College-Conservatory of Music und an der Juilliard School in New York. Er gastierte u. a. an den Opernhäusern in Santa Fe, Philadelphia, Michigan und beim Glimmerglass Festival. 2016 debütierte er an der Wiener Staatsoper und an der Komischen Oper Berlin. ANDREW WATTS a. G. Siegfried „Fidi“ Wagner Der englische Countertenor ist regelmäßiger Gast an den großen internationalen Opernhäusern, wie z. B. am Royal Opera House Covent Garden, an der English National Opera, an den Staatsopern in Berlin, Hamburg und München, an der Komischen Oper Berlin, in Mannheim, Wien, Venedig, Straßburg, Madrid, Lissabon, Genf, Antwerpen, Gent und Graz. Ks. INA SCHLINGENSIEPEN Winifred Wagner Nach Engagements in Bulgarien und Madrid kam die Sopranistin 2002 über Bremen ans STAATSTHEATER. Hier kreierte sie von Donizettis Lucia bis Strauss’ Sophie zahllose Partien. 2006 erhielt sie den Goldenen Fächer der Theatergemeinde Karlsruhe, 2007 den Otto-Kasten-Preis, 2013 den Titel Kammersängerin. 2016/17 singt sie die Gräfin in Le nozze di Figaro. AGNIESZKA TOMASZEWSKA Eva Chamberlain Die polnische Sopranistin studierte in Danzig und Wien. Am STAATSTHEATER gastierte sie als Katja in Die Passagierin bevor sie 2014 fest ins Ensemble kam. Hier machte sie als Sina in Verlobung im Traum, Mimì, Fiordiligi, Berthe in Der Prophet und Micaëla von sich reden. 2016/17 singt sie Adina in Der Liebestrank und die Gräfin in Le nozze di Figaro. 44 Ks. ARMIN KOLARCZYK Wagnerdämon Der in Trento aufgewachsene Bariton gehörte zehn Jahre dem Theater Bremen an, bevor er ans STAATSTHEATER kam. Hier gestaltete er die großen Mozart- und Wagner-Partien, Doctor Atomic und Orest in Iphigenie auf Tauris. 2016/17 ist er in Karlsruhe in My Fair Lady, Der Liebestrank und Le nozze di Figaro zu erleben. 2017 debütiert bei den Bayreuther Festspielen. ELEAZAR RODRIGUEZ Der Meisterjünger (Hitler) Der Plácido-Domingo-Stipendiat studierte in seiner Heimat Mexiko und den USA. Seit 2011 gehört er dem STAATSTHEATER-Ensemble an. Gastspiele führten ihn unter anderem als Almaviva in Il barbiere di Siviglia nach London und Graz. 2016/17 singt er in Karlsruhe Tebaldo in I Capuleti e i Montecchi und Nemorino in Der Liebestrank. RENATUS MESZAR Hermann Levi Der studierte Kirchenmusiker gab 1990 bei der Münchner Biennale sein Operndebüt. Über Braunschweig, Weimar, Bonn kam er 2012 ans STAATSTHEATER, wo er neben den großen Wagner-Partien Hans Sachs, Amfortas und Marke, den Eichmann in Wallenberg, Groves in Doctor Atomic und Banco in Macbeth sang. 2016/17 steht er als Wotan im Ring auf der Bühne. JACO VENTER Der Kaiser Der Bariton studierte in seiner südafrikanischen Heimat und in San Francisco, besuchte Meisterklassen bei Thomas Hampson, Ruth Ann Swenson und Patricia Craig. Seit 2011/12 ist er im Ensemble des STAATSTHEATERS, wo er als Germont, Scarpia, Klingsor, Falstaff und Macbeth zu erleben war. 2016/17 singt er Alberich in Das Rheingold und Siegfried. Ks. KONSTANTIN GORNY Bakunin Mit seinem Debüt bei den Bregenzer Festspielen 1993 startete der russische Bass eine Weltkarriere, die ihn unter anderem an die Wiener Staatsoper, nach Tokio, Sydney, Paris und an viele weitere wichtige Bühnen führte. Seit 1997 ist er Mitglied des STAATSTHEATERS, seit 2006 Kammersänger. 2017/18 singt er Hagen in Götterdämmerung. IRINA SIMMES a. G. Isolde Wagner Seit 2012/13 ist die Sopranistin im Heidelberger Ensemble, wo sie als Konstanze in Die Entführung aus dem Serail und Violetta in La Traviata gefeiert wurde. Überregionale Aufmerksamkeit erregte sie als Adela in der Deutschen Erstaufführung von Christian Josts Rumor sowie als Protagonistin in der Uraufführung von Johannes Harneits Abends am Fluss. MANUEL KOLIP Video Manuel Kolip studierte Szenografie an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Neben zahlreichen Bühnenbildern für das Kammertheater Karlsruhe entwickelte er am STAATSTHEATER unter anderem Bühne und Kostüme für Dinner for One mit Songs, Bühne und Video für Spamalot, das Video für Parsifal, und am Theater Bonn Bühne und Video für Die Wildente. 45 46 Andrew Watts, Christina Niessen, Agnieszka Tomaszewska, Ks. Armin Kolarczyk, Eleazar Rodriguez, Ks. Ina Schlingensiepen, Staatsopernchor 47 DER RING DER VIELFALT DER NEUE KARLSRUHER RING Das STAATSTHEATER KARLSRUHE ist zu einem neuen Ring des Nibelungen als Ring der Vielfalt mit vier internationalen Regiehandschriften aufgebrochen. Eine Besonderheit ist die Fortführung der Wotan-Saga als Wagner-Saga mit der Politischen Oper Wahnfried als 5. Nibelungen-Abend. Es ist das erste abendfüllende Auftragswerk des Hauses seit elf Jahren. GMD Justin Brown arbeitet seit 2008 mit der BADISCHEN STAATSKAPELLE an seinem Wagner-Klang und übernimmt die Musikalische Leitung des Projekts. Der Ring ist über 26 Jahre entstanden. Seine Konzeption hat viele Metamorphosen durchgemacht. Sein Blick auf die Welt ist so komplex, dass es sich lohnt, die Perspektive immer wieder zu wechseln. Darum wurden vier international tätige Regisseure unter 40 mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund eingeladen. Der Deutsch-Franzose David Hermann, der Kalifornier Yuval Sharon, der Isländer Thorleifur Örn Arnarsson und der Deutsche Tobias Kratzer verfügen über profilierte künstlerische Handschriften und vertreten unterschiedliche Positionen. Vom Zwang befreit, den Gesamtverlauf von der Schöpfung bis zum Ende der Welt in den Griff zu bekommen, finden sie im Dialog miteinander Ansätze und Sichtweisen, die sich bei einer Gesamterzählung nicht ergeben hätten. Den Umgang des Wagner-Clans mit dem Erbe des Komponisten bringt einer der erfahrensten WagnerRegisseure unserer Zeit, der Brite Keith Warner, mit Wahnfried auf die Bühne. Der Karlsruher Ring bietet die Möglichkeit, Wagner und sein Werk neu zu entdecken. DER RING DES NIBELUNGEN DAS RHEINGOLD Premiere 9.7.16 DIE WALKÜRE Premiere 11.12.16 WAHNFRIED Premiere 28.1.17 SIEGFRIED Premiere 10.6.17 GÖTTERDÄMMERUNG Premiere 15.10.17 KOMPLETTER ZYKLUS Ostern & Pfingsten 2018 48 Christina Niessen, Damen des Staatsopernchors DAS RHEINGOLD David Hermann hat in Berlin studiert, Hans Neuenfels assistiert und 2000 den Ersten Preis beim Internationalen Wettbewerb für Regie und Bühnenbild in Graz gewonnen. In jüngster Zeit brachte der Deutsch-Franzose eine Aufsehen erregende Neudeutung von Mozarts Entführung in Zürich und Lullys Armide unter Christophe Rousset in Nancy heraus. Dem STAATSTHEATER ist er seit Beginn der Ära Spuhler 2011/12 verbunden. Jo Schramm arbeitete als Beleuchter, bevor er in Stuttgart und Karlsruhe Architektur, Szenografie und Medienkunst studierte. Seit Ende seines Studiums ist er als Bühnenbildner, Licht- und Videokünstler für Schauspiel, Tanz und Oper tätig. Er arbeitet am Schauspiel Hannover, Deutschen Theater Berlin, Thalia Theater Hamburg, Staatsoper und Kammerspielen München. Rheingold ist seine erste Arbeit für das STAATSTHEATER. Bettina Walter begann ihre Karriere unter Frank Baumbauer am Theater Basel, bevor sie seit 1990 freischaffend Kostüme für Oper und Schauspiel in ganz Europa entwarf. Sie arbeitet mit stilprägenden Regisseuren wie Adolf Dresen, Christof Nel, Christof Loy, Werner Düggelin und Barbara Frey zusammen. Seit 2010 hat sie eine Professur für Kostümbild in Stuttgart inne. Rheingold ist ihre erste Arbeit für das STAATSTHEATER KARLSRUHE. DIE WALKÜRE Yuval Sharon gründete in seiner Heimatstadt Los Angeles die multimedial arbeitende Musiktheatergruppe The Industry und gab 2015 am STAATSTHEATER mit John Adams’ Doctor Atomic sein Europa-Debüt. Mit Tre sestri debütierte er an der Wiener Staatsoper. Seit 2016/17 ist er Artist Collaborator des Los Angeles Philharmonic. Nach Karlsruhe kehrte er 2016 mit Die Walküre zurück. Sebastian Hannak ist in Karlsruhe durch seine innovativen Raumgestaltungen für Das Glasperlenspiel oder die Ballette Momo, Mythos und Anne Frank bekannt. Auch am Nationaltheater Mannheim, der Staatsoper Stuttgart, dem Salzburger Landestheater und anderen Bühnen wurde er gefeiert. Seine Arbeiten wurden mehrfach zum Raum des Jahres nominiert und auf der Prager Quadriennale 2007 im deutschen Pavillon ausgestellt. Die geborene Gießenerin Sarah Rolke arbeitete an Häusern wie dem Berliner Ensemble, den Salzburger Festspielen, dem Bolschoi-Theater Moskau, beim Beijing Music Festival und am Nationaltheater Mannheim. Bei Achim Freyers Ring des Nibelungen, 2007–2010 in Los Angeles, lernte sie Yuval Sharon kennen, mit dem sie Doctor Atomic am STAATSTHEATER herausbrachte. Die Walküre ist ihre vierte Arbeit für Karlsruhe. SIEGFRIED Thorleifur Örn Arnarsson setzt sich mit dem Erwachen des Naturburschen Siegfried auseinander. Der Isländer bewegt sich nicht nur geografisch zwischen den Welten, sondern auch künstlerisch zwischen Schauspiel, Performance, Musiktheater. Zu seinen Arbeiten zählen Lohengrin, Peer Gynt und Die Fledermaus. 2014/15 war er leitender Regisseur für Oper und Schauspiel in Wiesbaden. In Karlsruhe stellte er sich mit Sarah Kanes 4.48 Psychose vor. Vytautas Narbutas ist als Bühnen- und Kostümbildner für Schauspiel, Film und Oper international tätig und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Außerdem ist er Bildender Künstler und Grafiker. Seine Werke wurden in Litauen, Finnland, Japan und Island ausgestellt. Mit Thorleifur Örn Arnarsson verbindet ihn eine enge Arbeitspartnerschaft bei Romeo und Julia am Staatstheater Mainz sowie Die Nibelungen am Theater Bonn. Die Isländerin Sunneva Ása Weisshappel ist im Bereich Installationen, Fotografie, Performance und Videokunst tätig. Sie gründete die Galerie und Künstlerresidenz Algera Studios in Reykjavík. Kostüme entwarf sie für das Stadttheater Reykjavíkm, das Hessische Staatstheater Wiesbaden, das Staatsschauspiel Dresden, das Staatstheater Hannover und das Norwegische Nationaltheater Oslo. GÖTTERDÄMMERUNG Tobias Kratzer, Gewinner des Grazer Ring-Awards 2008, setzt sich mit dem Ende der Welt in der Götterdämmerung auseinander. Dem Karlsruher Publikum ist er durch seine Aufsehen erregenden Inszenierungen Wallenberg, Die Meistersinger von Nürnberg und Der Prophet vertraut. 2019 wird er bei den Bayreuther Festspielen Richard Wagners Tannhäuser inszenieren. Mit dem Regisseur Tobias Kratzer verbindet Rainer Sellmaier eine langjährige Zusammenarbeit. 2008 gewannen sie in Graz sämtliche Preise beim Internationalen Wettbewerb für Opernregie und Bühnenbild Ring Award. Ihnen gelangen vielbeachtete Produktionen von Lohengrin am Nationaltheater Weimar, Die Meistersinger von Nürnberg und Meyerbeers Der Prophet in Karlsruhe sowie Die Hugenotten am Staatstheater Nürnberg und der Opéra de Nice. 2019 werden sie den neuen Tannhäuser in Bayreuth herausbringen. 51 BILDNACHWEISE PROBENFOTOS FIGURINEN S. 42/43 PORTRÄTS Falk von Traubenberg Julia Müer Felix Grünschloß, Florian Merdes, privat TEXTNACHWEIS Alle Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Die Handlungszusammenfassung Zum Inhalt und die Zeittafel stammen von Raphael Rösler. IMPRESSUM HERAUSGEBER BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE GENERALINTENDANT Peter Spuhler KAUFMÄNNISCHER DIREKTOR Johannes Graf-Hauber VERWALTUNGSDIREKTOR Michael Obermeier OPERNDIREKTOR Michael Fichtenholz CHEFDRAMATURG Jan Linders REDAKTION Raphael Rösler KONZEPT DOUBLE STANDARDS BERLIN www.doublestandards.net BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE 2016/17 Programmheft Nr. 360 www.staatstheater.karlsruhe.de GESTALTUNG Kristina Schwarz DRUCK medialogik GmbH, Karlsruhe WER GEGEN WAHNFRIED KÄMPFT, WER DIE HOHE FRAU NICHT ACHTET, WER NICHT GLAUBT, DEN KONNEN WIR NICHT ERLOSEN. 52 Renatus Meszar, Ks. Armin Kolarczyk 53 CHAMBERLAIN, DU HAST NICHTS VERSTANDEN: MICH NICHT, DAS LEBEN NICHT, DU BIST EINE RANDNOTIZ, EIN IRRWEG.