Nachhaltiges Bauen mit Beton

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Nachhaltiges Bauen
mit Beton
Ein Fachbeitrag
für Architekten, Planer und Bauherren.
Nachhaltiges
Bauen
mit Beton
Ein Fachbeitrag für Architekten, Planer und Bauherren.
Seite 3 — www.beton.org
www.beton.org — Seite 4
VORWORT
Nachhaltigkeit beim Bauen messbar machen
Kaum ein Begriff ist in öffentlichen und fachlichen Diskussionen seit geraumer Zeit so in
aller Munde wie der Begriff Nachhaltigkeit. Er wird teilweise so inflationär gebraucht, dass
er Gefahr läuft, zur Floskel zu werden. Um dem entgegenzuwirken, darf Nachhaltigkeit kein
schmückendes Etikett sein, sondern muss in der Praxis ganz konkret verankert werden
und nachweisbar sein.
Daher hat die Bundesregierung eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und
mit konkreten Indikatoren untersetzt. Der Baubereich spielt dabei eine zentrale Rolle.
Nachhaltiges Bauen nimmt den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden in den Blick – von
den ersten Planungsschritten über die bauliche Realisierung bis hinein in die Zeit nach der
eigentlichen Nutzung.
Die Bundesregierung unterstützt mit zahlreichen Initiativen erfolgreich die Innovations- und
Investitionskräfte des Marktes für Ressourcen sparendes Bauen. Als öffentlicher Bauherr
steht der Bund mit seinen Bauwerken im Focus des öffentlichen Interesses. Mit der ständigen
Weiterentwicklung unseres Leitfadens Nachhaltiges Bauen mit verbindlichen Vorgaben ver­
folgen wir unsere Vorbildfunktion. Das Ziel lautet, Bauen, Planen und Betreiben von Bundesgebäuden und Liegenschaften ganzheitlich auf Nachhaltigkeit auszurichten. Aktuell schaffen
wir mit einem durchdachten System zur Bewertung von Bundesbauten die notwendigen
Grundlagen, um Nachhaltigkeit messbar ausweisen zu können. Nachhaltigkeit wird so
transparent und nachvollziehbar.
Nachhaltigkeit ist eine Daueraufgabe. Und diese Aufgabe baut auf Partnerschaft. So sehr
sich mein Ministerium als Impulsgeber versteht, so sehr setzen wir auf verlässliche Partner
in einem Prozess, der Nachhaltigkeit zu einem entscheidenden Maßstab des Bauens macht.
Gemeinsam mit den Spitzenverbänden am Runden Tisch „Nachhaltiges Bauen“ und den
Chancen, die uns die Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ ermöglicht, werden wir auch
weiterhin aktiv die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie im Baubereich mitgestalten.
Dass diese Bemühungen Früchte tragen, unterstreicht der vorliegende Fachbeitrag der
deutschen Zement- und Betonindustrie. Fundiert und anschaulich wird der am meisten
verbaute Baustoff unserer Zeit auf Nachhaltigkeit untersucht. Damit wird Bauherren und
Planern eine wichtige Entscheidungshilfe für verantwortungsvolles und innovatives Bauen
mit Beton an die Hand gegeben.
Dr. Peter Ramsauer MdB
Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Seite 5 — www.beton.org
Inhalt
Ist Bauen mit Beton nachhaltiges Bauen? 8
Nachhaltigkeit und Ökobilanzen beim Bauen10
1
Die Begriffe Nachhaltigkeit und Ressourcen
10
1.1 Nachhaltigkeit – Spielräume für künftige Generationen erhalten
11
1.2 Ressourcenverbrauch beim Bauen – es kommt drauf an, was man draus macht
12
2
Ökobilanzen für das Bauwesen 12
2.1
Ökobilanzen nach DIN EN ISO 14040
12
2.1.1 Phase 1: Festlegung des Ziels
15
2.1.2 Phase 2: Die Sachbilanz
16
2.1.3 Phase 3: Wirkungsabschätzung
18
2.2
18
Ökobilanzielle Baustoffprofile
Optimierung der Umwelteigenschaften
des Baustoffs Beton20
1
Potenziale nutzen, Nachhaltigkeit ermöglichen
20
2
Zementherstellung: Nachhaltigkeit von Anfang an
22
2.1
Substitution primärer Energieträger
24
2.2
Substitution primärer Rohstoffe
26
2.2.1 Der Einsatz von Sekundärstoffen auf dem Prüfstand
27
2.3
Substitution des Portlandzementklinkers
28
3
Betonrecycling – Verwertung bestehender Substanz
29
Lebenszyklusanalyse und Folgenutzung
von Bauwerken30
1Bewertungsparameter
30
2
Das Verbundforschungsvorhaben „Nachhaltig Bauen mit Beton“
32
2.1
Der Schlüssel: Multifunktionaliät
33
2.2
Energetische Anforderungsprofile im Vergleich
36
2.3
Investitionen, die sich rechnen
38
2.4
Beton: dauerhaft und widerstandsfähig
40
Inhalt — Seite 6
Beton als nachhaltiger Baustoff
42
1
Anforderungen im Rahmen einer Lebenszyklusanalyse
42
1.1 Schallschutz
42
1.2 Brandschutz
44
1.3 Energieeffizienz und thermische Behaglichkeit von Gebäuden
44
1.4 Nachhaltige Bauverfahren 46
1.5 Beton und Grundwasser
47
MultifunktionAlität und Anpassungsfähigkeit48
1
Gestaltung, Konstruktion und Nutzung von Beton
48
2
Der Baustoff als Element der Gestaltung
50
3
Optimierungspotenziale von Hochleistungsbetonen
52
4
Neue Betone mit Spezialeigenschaften
54
Ergebnis:
Beton ermöglicht nachhaltige Lösungen56
REFERENZGEBÄUDE58
Weiterführende Informationen
80
IMPRESSUM83
Seite 7 — www.beton.org
Ist Bauen mit Beton
nachhaltiges Bauen?
Innerhalb der Europäischen Union entfallen
etwa 40 % des Gesamtenergieverbrauchs auf
die Nutzung von Gebäuden. Dieser enorme
Anteil hat das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus des modernen Bauens und Entwerfens
gerückt. Baustoffe spielen bei Fragen zur Nachhaltigkeit von Bauwerken eine wichtige Rolle
und der meistverwendete Baustoff der Welt ist
Beton. Als deutsche Zement- und Betonindus­
trie sehen wir uns in der Pflicht, die Frage zu
beantworten: Ist Bauen mit Beton nachhaltiges
Bauen?
Beton wirkt schall- und wärmedämmend.
Beton erhöht die Flexibilität bei der Ausgestaltung von Bauten. Und – last but not least –
Beton ist ein äußerst beständiger und robuster Baustoff.
Die Diskussion, ob ein Bauwerk das Prädikat
„nachhaltig“ erhalten kann, ist komplex. Um
den Beitrag von Beton zu einem nachhaltigen
Bau wirklich bewerten zu können, bedarf es
fachlich fundierter Analysemethoden. Sie müssen nicht nur die ökologischen, sondern auch
ökonomische und soziale Dimensionen von
Wir nehmen direkt die Antwort vorweg:
Nachhaltigkeit erfassen. Um solche Methoden
Ja, Beton ist ein Baustoff, der auf unterschiedzu entwickeln oder die bestehenden zu verbeslichsten Ebenen nachhaltiges Bauen möglich
sern, wurde unter der Leitung des Deutschen
macht. Das beginnt bei den Ausgangsstoffen: Ausschusses für Stahlbeton (DAfStb) das ForBeton besteht aus den natürlichen Rohstoffen
schungsvorhaben „Nachhaltig bauen mit Beton“
Wasser, Sand und Kies. Gemischt mit Zement ins Leben gerufen. Es widmet sich den unterergeben sie Beton. Sie werden lokal auf kurzen
schiedlichsten Aspekten der Nachhaltigkeit
Transportwegen beschafft. Bei der Herstellung beim Bauen und Bewirtschaften von Gebäuden.
in den Betonwerken kommen heute ressourcen- Viele Erkenntnisse aus dem Forschungsvorhaschonende und energieeffiziente Techniken zum ben sind in diese Veröffentlichung eingeflossen.
Einsatz – wann immer sinnvoll, werden dafür
Wie sie zu bewerten sind und wie sie in den
Sekundärrohstoffe aus dem Recycling genutzt.
Planungsprozess einbezogen werden können,
Darüber hinaus bietet der Baustoff Beton viele
darüber informieren wir in den folgenden KapiNachhaltigkeitsaspekte beim Verbauen: Der Ein- teln und anhand der angefügten Beispiele.
satz von Betonfertigteilen und selbstverdichten- Wir möchten damit Architekten, Planern, Baudem Beton reduziert Lärm auf der Baustelle und herren und allen, die in Bauprozesse involviert
sorgt für schnelle Baufortschritte.
sind, eine werthaltige Grundlage für Entscheidungen liefern, die auch für nachfolgende Generationen noch tragfähig sind.
Nachhaltigkeit — Seite 8
Seite 9 — www.beton.org
Nachhaltigkeit
und Ökobilanzen
BEIM BAUEN
An welchen Stellen kann Nachhaltigkeit ins Bauwesen einfließen? Wie können wir
überhaupt messen, ob das, was wir tun, nachhaltig ist? Mit Begriffsdefinitionen und
Bilanzierungsmethoden nähert sich das Bauwesen dem komplexen Thema der
Nachhaltigkeitsbewertung an.
1 Die Begriffe Nachhaltigkeit
und RessourCEN
ie
So
zia
les
Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
Die Handlungsfreiheit der gegenwärtigen
Generation wird nach dieser Definition dadurch beschränkt, dass auch zukünftige Generationen noch in der Lage sein müssen,
ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Es
wird also ein Ausgleich zwischen den Bedürfnissen gegenwärtiger und zukünftiger
Generationen angestrebt. Daraus lässt
sich ableiten, dass jede Generation grundsätzlich legitimiert ist, durch Veränderung
der Umwelt zur Entwicklung beizutragen.
Sie ist aber gleichzeitig verpflichtet, diesen
Spielraum auch für zukünftige Generationen zu erhalten.
om
Bei der Materialwahl werden also nicht nur die
ökologischen Aspekte während der Herstellung
on
Unter „nachhaltigem Bauen“ versteht man im
allgemeinen Sprachgebrauch die Planung, den
Bau, den Betrieb, die Nutzung und den Rückbau von Bauwerken in einer Weise, die den
Zielsetzungen nachhaltiger Entwicklung gerecht
wird. Dabei müssen die Auswirkungen auf alle
drei genannten Dimensionen der Nachhaltigkeit
berücksichtigt werden.
des Baustoffs, sondern auch die Umweltwirkungen der daraus hergestellten Bauwerke betrachtet. Bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung
zählen nicht nur die Herstellungs-, sondern
auch Betriebs-, Wartungs- und Instandhaltungskosten über den gesamten Lebenszyklus eines
Bauwerks hinweg. Und schließlich spielt bei der
sozialen Dimension des nachhaltigen Bauens
eine Rolle, ob die funktionalen Anforderungen
dauerhaft erfüllt werden und ein Bauwerk
auch über lange Zeit von den Nutzern nachgefragt wird.
Ök
Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
sind Ökologie, Ökonomie und Soziales.
Ökologie
Abbildung 01 — Die drei Dimensionen
der Nachhaltigkeit
Nachhaltiges Bauen mit Beton — Seite 10
1.1 N
achhaltigkeit – Spielräume
für künftige Generationen erhalten
Wir müssen uns heute schon an den
Bedürfnissen von morgen orientieren.
Darin wird der Begriff inhaltlich erweitert und
„nachhaltige Entwicklung“ definiert:
Popularität hat der Begriff „Nachhaltigkeit“ vor
allem durch den im Jahr 1987 erschienenen
Abschlussbericht der „World Commission on
Environment and Development“ (BrundlandtKommission) mit dem Titel „Our Common
Future“ erlangt.
„Sustainable development is development that
meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet
their own needs.“
Ressourcen und Reserven
Als Ressourcen bezeichnet man den gesamten in der Natur vorkommenden,
abbaubaren Bestand an Rohstoffen. Von Reserven spricht man nur bei dem
Teil der Rohstoffe, der heute mit verfügbaren Technologien wirtschaftlich zu
erschließen ist. Als Reichweite von Reserven bezeichnet man den Quotienten
aus Reserve und Verbrauch (Reichweite = Reserve/Verbrauch). Eine große
Reichweite bedeutet zwar, dass keine akute Knappheit für die Versorgung mit
einem Rohstoff besteht. Gerade bei Rohstoffen, die schon lange genutzt werden, kann eine große Reichweite aber auch auf eine weitgehende Exploration
der Ressourcen und hoch entwickelte Gewinnungsverfahren hindeuten. Dies
darf aber nicht dazu führen, dass die Suche nach zukünftig verwendbaren
Rohstoffen oder alternativen Technologien zur Erschließung von Substitutionspotenzialen vernachlässigt wird.
Alle Ressourcen sind endlich. Bei einigen überschreitet jedoch die weitgehende
Exploration den menschlichen Zeithorizont. Dazu gehören auch die mineralischen Rohstoffe für die Betonherstellung, also Steine und Erden.
Seite 11 — www.beton.org
1.2 R
essourcenverbrauch beim Bauen –
Es kommt drauf an,
was man draus macht
Ressourcenverbrauch und Nutzen müssen gegeneinander abgewogen werden.
den kann, ob die Ziele des nachhaltigen Bauens
erreicht werden oder nicht. Vielmehr muss der
Ressourcenverbrauch mit dem dadurch erzielten
Das Bauen zählt zu den Sektoren mit großem
Nutzen – der Bedürfnisbefriedigung – ins VerEinfluss auf den Ressourcenverbrauch. Dies
hältnis gesetzt werden, um über die Nachhaltigbetrifft die Gewinnung und Aufbereitung minerakeit eines Bauwerks entscheiden zu können.
lischer Rohstoffe als Grundlage für die BaustoffOder anders und ganz speziell für den Baustoff
herstellung sowie den Energiebedarf für Nutzung
Beton gesprochen: Es kommt drauf an, was
und Betrieb von Gebäuden. Allerdings ist die
man draus macht.
bloße Menge an verbrauchten Ressourcen keine
Größe, anhand derer darüber entschieden wer-
2 Ökobilanzen für das Bauwesen
Im Folgenden erläutern wir die Methode der
Ökobilanz. Ziel ist es, Aussagen darüber zu treffen, welchen Beitrag die Technologien und Produkte der Zement- und Betonindustrie für eine
im ökologischen Sinne nachhaltige Entwicklung
leisten können.
Ökobilanzen (engl. Life Cycle Assessment, LCA)
sind Instrumente zur Quantifizierung und Bewertung ökologisch verträglichen Bauens. Sie
stellen ein erprobtes Werkzeug dar, mit dem
insbesondere Umwelteigenschaften untersucht
werden können.
2.1 Ö
kobilanzen nach DIN EN ISO 14040
Der Lebensweg eines Untersuchungsgegenstandes wird möglichst vollständig bilanziert.
Die Phasen sind:
■■ Festlegung des Ziels und
Untersuchungsrahmens
■■ Sachbilanz (Erfassung aller Input- und
Nach der DIN EN ISO 14040 bestehen ÖkobilanOutput-Ströme)
zen immer aus mehreren Phasen (s. Abb. 02).
■■ Wirkungsabschätzung
Damit wird der Lebensweg des Untersuchungs■■ Auswertung (einschl. kritischer Prüfung)
gegenstandes möglichst vollständig bilanziert.
Nachhaltiges Bauen mit Beton — Seite 12
Seite 13 — www.beton.org
Festlegung des
Ziels und des
Untersuchungsrahmens
Sachbilanz
Wirkungsabschätzung
Auswertung
Direkte Anwendung
––Entwicklung und
Verbesserung von Produkten
––strategische Planung
––politische Entscheidungsprozesse
––Marketing
––Sonstige
Abbildung 02 — Phasen einer Ökobilanz
Die funktionelle Einheit
Ein wesentliches Element von Ökobilanzen ist die sogenannte „funktionelle Einheit“. Ihr liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Ziel durch unterschiedliche Maßnahmen erreicht werden kann. Nur den Verbrauch einzelner Produkte oder Ressourcen, die zum Erreichen des Ziels nötig sind, miteinander zu
vergleichen, würde das Ergebnis unzulässig verzerren. Die funktionelle Einheit ist als festgelegte Form eines Nutzens definiert und erlaubt damit eine Präzisierung und Objektivierung des Ergebnisses. Gerade
bei Produkten mit sehr vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten – hierzu zählen die meisten Baustoffe –
stellen ökobilanzielle Daten aus der Herstellung Eingangsdaten für weitergehende Analysen von
funktionellen Einheiten bereit.
Ein Beispiel: Bei einer Ökobilanz, mit der die Umweltwirkungen einer neuen Flussquerung untersucht
werden, definiert man als Produktnutzen die Menge der täglich transportierten Menschen bzw. Güter.
Gleichgültig, ob dies über eine Brücke, durch einen Tunnel, per Fähre oder auf dem Luftweg geschieht,
ist der Nutzen immer derselbe. Ähnlich können Gebäude mit einem definierten Nutzen als funktionelle
Einheit betrachtet werden.
Nachhaltiges Bauen mit Beton — Seite 14
2.1.1 P
hase 1: Festlegung des Ziels
Die Ergebnisse werden erst vor
dem Hintergrund der festgelegten
Zielsetzung aussagekräftig.
Auf den ersten Blick scheint die Tatsache, dass
Ziel und Untersuchungsrahmen einer Ökobilanz
individuell festzulegen sind, der Objektivität von
Ökobilanzen zu widersprechen. Bei genauerem
Hinsehen stellt man allerdings fest, dass sich
unterschiedliche Fragestellungen mit derselben
Methodik behandeln lassen. Beispielsweise können Ökobilanzen Möglichkeiten zur Verbesserung der Umwelteigenschaften von Produkten
in den verschiedenen Phasen ihres Lebensweges aufzeigen oder der Auswahl relevanter Indikatoren mit Blick auf Umwelteigenschaften von
Produkten dienen. Darüber hinaus können sie
Informationen für Verbraucher liefern und die politischen Entscheidungsprozesse unterstützen.
Seite 15 — www.beton.org
Methodisch besteht kein Unterschied in der Behandlung all dieser Aufgaben, weil in allen Fällen
eine möglichst vollständige Erfassung der Stoffund Energieströme erfolgt. Allerdings können
die Bilanzgrenzen bei den genannten Aufgaben
sehr verschieden sein. Bei Ökobilanzen handelt
es sich letztlich immer um Einzelfallanalysen,
deren Ergebnisse nur vor dem Hintergrund der
festgelegten Zielsetzung bzw. Fragestellung
aussagekräftig sind.
Wesentliche Bedeutung kommt in diesem
Zusammenhang dem untersuchten Produkt zu.
Obwohl auch DIN EN ISO 14040 den Begriff
„Produkt“ verwendet, sind damit nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen gemeint.
Als verallgemeinerte Größe für die Bilanzierung
wird daher eine sogenannte funktionelle Einheit verwendet, die in DIN EN ISO 14040 als
„quantifizierter Nutzen eines Produktsystems“
definiert ist.
2.1.2 P
HASE 2: Die Sachbilanz
Bei der Bewertung von Bauprodukten sind Anwendung und Nutzen zu
berücksichtigen.
In der Sachbilanz werden quantitative Aussagen
über den Produktlebensweg gemacht. Sachbilanzen umfassen insbesondere ein Inventar der
Stoffe und Energien, die im Zusammenhang mit
dem betrachteten Produktsystem aus der Natur
entnommen werden (wie z. B. stoffliche Res­
sourcen oder Energieträger) oder in die Natur
wieder entlassen werden (wie z. B. Emissionen
oder Abfälle zur Deponierung). Diese Einflüsse
auf die Umwelt wie z. B. der Ressourcenverbrauch werden dem Nutzen, d. h. der funktionellen Einheit, gegenübergestellt. Weil die
funktionelle Einheit und der Untersuchungsrahmen die Ergebnisse von Ökobilanzen maßgeblich
bestimmen, ist ein unmittelbarer Vergleich von
Bauprodukten auf Basis der Ergebnisse von Produktökobilanzen problematisch oder unmöglich.
Eine an den Bedürfnissen des Endverbrauchers
orientierte Bewertung kann erst auf Bauteiloder Bauwerksebene erfolgen. Baustoff-Ökobilanzen liefern dafür wertvolle Eingangsdaten.
Die Unzulässigkeit des Vergleichs einzelner
Bauprodukte auf Basis von Ökobilanzergebnissen wird schnell offensichtlich, wenn man einen
Blick in die vom Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) betriebene
Datenbank mit Umweltprofilen von Baustoffen
wirft (www.nachhaltigesbauen.de). Dort wird für
die Herstellung von 1 kg Konstruktionsvollholz
(KVH, Holzfeuchte 15 %) ein Energiebedarf von
9,598 MJ (nicht erneuerbare Primärenergie) angegeben. Der Bedarf an nicht erneuerbarer
Primärenergie für die Herstellung von 1 kg Kalksandstein beträgt dagegen 1,121 MJ, also bezogen auf die Produktmasse etwas weniger als
12 % des Werts von Holz. Daraus ableiten zu
wollen, dass die Verwendung von Kalksandstein generell ökologisch vorteilhafter als die
Zwar wird für die Baustoff-Ökobilanzen in der
Verwendung von Holz sei, wäre jedoch unzuläsRegel eine anschauliche materielle Größe – z. B.
sig. Vielmehr wird deutlich, dass für die Bewerein Kubikmeter Beton – als Bezugsgröße verwentung von Bauprodukten auf der Grundlage von
det. Allerdings lässt sich noch kein quantifizierUmweltinformationen unbedingt die jeweilige Anter Nutzen dieses Produktsystems für den Endwendung und Nutzung zu berücksichtigen ist.
verbraucher – z. B. den Bauherren oder dessen
Architekten – angeben. Denn der Lebensweg
eines Kubikmeters Beton endet zwangsläufig am
Werkstor des Baustoffherstellers.
Nachhaltiges Bauen mit Beton — Seite 16
Seite 17 — www.beton.org
2.1.3 P
hase 3: Wirkungsabschätzung
Einheitliche Wirkungskategorien ermöglichen einen Vergleich.
Für die Wirkungsabschätzung im Rahmen von Baustoff-Ökobilanzen hat man sich auf fünf
Wirkungskategorien geeinigt, die essentielle menschliche Lebensgrundlagen berühren und
damit einen Nachhaltigkeitsindikator darstellen:
■■
Treibhauspotenzial (GWP)
■■
Ozonabbaupotenzial (ODP)
■■
Versauerungspotenzial (AP)
■■
Eutrophierungspotenzial (Überdüngung von Gewässern und Böden, NP)
■■
Photooxidantienbildungspotenzial (Sommersmog, POCP)
Die einheitliche Verwendung dieser Kategorien ermöglicht eine vergleichende Betrachtung,
weil verschiedenste Wirkungen auf fünf Basisgrößen zurückgeführt werden. Es darf jedoch
nicht übersehen werden, dass die so vorgenommene Äquivalenzbetrachtung bereits eine Bewertung impliziert.
2.2 Ökobilanzielle Baustoffprofile
Ökobilanzielle Baustoffprofile liefern
Eingangsdaten für eine Nachhaltigkeitsbewertung.
Die Datenbank „Ökobau.dat“ mit den verschiedensten Baustoffprofilen wird vom BMVBS unter
www.nachhaltigesbauen.de zur Verfügung gestellt. Als Datengrundlage für die Bewertung der
ökologischen Dimension stehen für Zement und Beton ökobilanzielle Baustoffprofile zur Verfügung.
Diese Baustoffprofile enthalten als Eingangsgrößen für die Bewertung der Nachhaltigkeit von
Bauwerken folgende Angaben:
■■
■■
■■
■■
■■
■■
den Primärenergieaufwand
die fünf Wirkungskategorien der Ökobilanz
den Einsatz von Primärenergie aus regenerativen und aus nicht regenerativen Ressourcen
den Einsatz von Sekundärstoffen
die Wassernutzung
den anfallenden Abfall, aufgeteilt in Abraum, Hausmüll, Gewerbeabfall und Sonderabfall
Die methodischen Festlegungen zur Ermittlung dieser Daten sind im Vorfeld der Datenerhebung zentral für alle Baustoffprofile und in Abstimmung mit dem BMVBS sowie der Industrie
festgelegt worden.
Nachhaltiges Bauen mit Beton — Seite 18
Parameter
EinheitC20/25C25/30C30/37
Primärenergie nicht erneuerbar MJ 1.024 1.108 1.196
Primärenergie erneuerbar MJ 19,3 20,9 22,5
Treibhauspotenzial (GWP) kg CO2-Äq. 196,3 216,5 237,1
Ozonabbaupotenzial (ODP) kg R11-Äq. 5,33E-6 5,80E-6 6,29E-6
Versauerungspotenzial (AP) kg SO2-Äq. 0,356 0,385 0,415
Eutrophierungspotenzial (NP) kg PO4-Äq. 0,0501 0,0540 0,0582
Abbildung 03 — Ökobilanzielle Baustoffprofile
für 1 m3 Frischbeton der Druckfestigkeitsklassen C20/25, C25/30, C30/37
[Quelle: Ökobau.dat]
Umweltinformationen zu Bauprodukten
Es kann nahe liegen, die Ergebnisse einer ökobilanziellen Untersuchung für die Produktkennzeichnung
nutzen zu wollen. Allerdings sind die Ergebnisse von Produktökobilanzen für Baustoffe nicht für einen
unmittelbaren Produktvergleich geeignet. Alle ermittelten Parameter stellen aufgrund des noch nicht
sinnvoll quantifizierbaren Produktnutzens keine Ergebnisse, sondern lediglich Zwischenwerte dar. Bewährt haben sich ökologische Baustoffprofile zur Information über die mit der Baustoffherstellung verbundenen Umweltwirkungen, die auch zentraler Bestandteil von Umweltproduktdeklarationen (EPDs)
bzw. Typ-III-Umweltkennzeichnungen sind. Die darin enthaltenen Werte können in die Bewertung der
Umweltleistung eines Bauwerks über seinen Lebenszyklus einfließen. Mittlerweile stehen derartige
Baustoffprofile in großer Zahl zur Verfügung. Sie sind beispielsweise in der Datenbank „Ökobau.dat“
(s. www.nachhaltigesbauen.de) enthalten oder werden als Bestandteil von Environmental Product
Declarations (EPDs) (s. www.bau-umwelt.de) veröffentlicht.
Seite 19 — www.beton.org
Optimierung der
Umwelteigenschaften
des Baustoffs Beton
Können wir unsere natürlichen Ressourcen und Energieträger schonen und zugleich
wachsende Bedürfnisse befriedigen? Wir arbeiten stetig an Verfahren, die unsere
Produkte nachhaltiger machen. Sekundärstoffe und Recyclingprodukte kommen dann
zum Einsatz, wenn sie sich auch auf lange Sicht als ökologisch, ökonomisch und
sozial sinnvoll erweisen.
1 P
otenziale nutzen, Nachhaltigkeit
ermöglichen
Bei der Herstellung von Zement und
Beton steht der Ressourcenverbrauch
immer auf dem Prüfstand.
Durch die effiziente Nutzung von Rohstoffen
und Energie bei der Baustoffherstellung leistet
die Zement- und Betonindustrie einen wesentlichen Beitrag für die Nachhaltigkeit von Bauwerken aus Beton. Die Zement- und Betonherstellung in Deutschland zeichnet sich bereits
durch besonders effiziente Prozesse und Produktionsweisen aus.
Unabhängig davon, ob der überwiegende Teil
dieser Stoffströme während der Erstellungsoder der Nutzungsphase entsteht, ist es sinnvoll,
Ressourcen möglichst effizient zu nutzen und
Bauen nachhaltiger zu machen. Wir fangen damit
bei der Herstellung von Zement und Beton an.
Abbildung 04 —
Halbierung des spezifischen
Brennstoffenergieeinsatzes
bei der Klinkerherstellung
[Quelle: nach Verminderung der
CO2-Emissionen. Monitoring-Bericht
2008-2009. Verein Deutscher Zementwerke e.V. (Hrsg.): Düsseldorf, 2010]
9.000
spez. Brennstoffenergieeinsatz in kJ/kg Klinker
Dennoch bleibt es Aufgabe, alle vorhandenen
Potenziale des Baustoffes auszuschöpfen, da
die Errichtung und der Betrieb von Bauwerken
Stoffströme in erheblichem Umfang erzeugt.
8.000
7.000
6.000
5.000
4.000
3.000
2.000
Theoretischer Brennstoffenergiebedarf
1.000
0
Trocknung
1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
Jahr
Optimierung der Umwelteigenschaften des Baustoffs Beton — Seite 20
Seite 21 — www.beton.org
2 Zementherstellung: Nachhaltigkeit
von Anfang an
Die deutsche Zementindustrie verfolgt
verschiedene Strategien zum Einsatz
von Sekundärstoffen, um Ressourcen für
kommende Generationen zu erhalten.
Der wichtigste Hauptbestandteil von Zement
wird in einem chemisch-mineralogischen Umwandlungsprozess erzeugt.
Wichtigste Prozessschritte sind das Brennen der
Die Eigenschaften von Beton werden wesentlich Rohstoffe – Kalk, Ton und (Quarz-)Sand – in Drehofenanlagen sowie das anschließende schnelle
durch den verwendeten Zement bestimmt. ZeAbkühlen des Brennguts. Hierbei entstehen harte,
ment ist ein anorganisches, nichtmetallisches,
dicke Brocken mit einem Durchmesser von
fein gemahlenes, hydraulisches Bindemittel.
Mit Wasser gemischt ergibt es Zementleim, der mehreren Zentimetern: der Portlandzementklinker. Er wird gemahlen und ist Hauptbestandteil
durch Hydratation erstarrt und erhärtet und
aller Zementarten.
nach dem Erhärten als Zementstein auch unter
Wasser fest und raumbeständig bleibt.
Die deutsche Zementindustrie zeichnet sich
Der Zementleim verklebt die zugefügten Gesteins- durch ein hohes verfahrenstechnisches Niveau
und hohe Umweltstandards aus.
körnungen (Kies, Sand oder Splitt) zu Beton.
Auf dieser Grundlage bietet die Herstellung von
Zement vielfältige Möglichkeiten für die Verwertung von Sekundärstoffen.
Bei der Herstellung von Zement gibt es drei grundsätzliche Strategien für
den ressourceneffizienten Einsatz von Sekundärstoffen:
■■
Substitution
primärer Energieträger durch Sekundärbrennstoffe, die in industriellen
Prozessen oder in Haushalten bzw. in einem Gewerbe anfallen und sowohl aufgrund ihrer
stoff­lichen Zusammensetzung als auch aufgrund ihres Heizwerts für die Verwendung in
der Zementproduktion geeignet sind
■■
Substitution
primärer Rohstoffe bei der Herstellung von Portlandzementklinker durch aus
anderen Industrien stammende Sekundärrohstoffe
■■
Substitution
von Portlandzementklinker durch andere Hauptbestandteile (Zemente mit
mehreren Hauptbestandteilen)
Mit diesen Möglichkeiten nutzen wir unsere natürlichen Ressourcen verantwortungsvoll
und erhalten sie auch für kommende Generationen.
Optimierung der Umwelteigenschaften des Baustoffs Beton — Seite 22
Rohstoffe
Gewinnen
und Brechen
Homogenisieren
und Lagern
ROHMEHL
Rohmühle
Zyklonwärmer
Elektrofilter
Trocknen
und Mahlen
Brennen
Abscheider
Drehofen
zement
KLINKER
Homogenisieren
Klinkersilo
Mahlen
Hauptbestandteile
Lagern
Zementmühle
VERLADEN
Abbildung 05 —
Schematischer Ablauf
der Zementherstellung
Seite 23 — www.beton.org
2.1 Substitution primärer Energieträger
Bei der Zementherstellung findet neben
der energetischen stets auch eine simultane stoffliche Verwertung statt.
Energie genutzt wird, die Aschen jedoch vielfach
deponiert werden, bindet man bei der Verwertung im Zementwerk die Sekundärstoffe in den
Stoffkreislauf ein und führt sie so einer erneuten
In der deutschen Zementindustrie kommen zustofflichen Nutzung zu. Die verwendeten Sekunnehmend Sekundärbrennstoffe zum Einsatz. Im
därbrennstoffe werden sorgfältig ausgewählt,
Jahr 2009 lag deren Anteil am gesamten Brennder Klinkerbrennprozess wird ebenso wie die
stoffenergieeinsatz der deutschen Zementindusnachfolgende Zementmahlung präzise gesteuert.
trie bei nahezu 60 %. Das ist sowohl auf ökoSo können die verfahrenstechnischen Anfordenomische als auch ökologische Vorteile zurückrungen ebenso wie die strengen Anforderungen
zuführen. Sekundärbrennstoffe können dabei
an die Produktqualität des Zements eingehalten
nicht nur energetisch, sondern auch stofflich verwerden.
wertet werden. Während bei der Müllverbrennung zwar die im Sekundärstoff enthaltene
Optimierung der Umwelteigenschaften des Baustoffs Beton — Seite 24
58,4
38,2
52,5
53,4
42,1
34,8
30,3
22,9
25,7
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
18,7
1998
15,8
1997
13,4
1996
1995
10,2 10,8
1994
Sekundärbrennstoff-Anteil (%)
48,8 50,1
Jahr
Abbildung 06 —
Anteil Sekundärbrennstoffe am gesamten Brennstoffeinsatz der deutschen Zementindustrie
[Quelle: VDZ]
Physikalisch-chemische Eigenschaften
inkl. betriebstechnischer Kriterien
VerfügbarkeitHandling-Eigenschaften
Heizwert
Feuchtegehalt
Saisonale Schwankungen
Lagerfähigkeit
Reaktivität, Aschegehalt und
Zündverhalten,Zusammensetzung
Ausbrandverhalten
Absatzpause bei
Ofenstillstand
Transportfähigkeit
1 23
StabilitätCO2-EmissionsfaktorLogistik
und biogener CO2-Anteil
Dosierfähigkeit
Korngröße
Gehalt an kreislaufbildenden
Alternativen
Verbindungen
(Chlor, Schwefel und Alkalien)
Möglichkeiten in der
repräsentativen Beprobung
Gehalt an qualitätsrelevanten
Verbindungen (z. B. Phosphat)
Arbeitsschutz
Flugfähigkeit
Enthaltene Störstoffe Brennstoff-Stickstoff-Gehalt
Sicherheitstechnische
Anforderungen (z. B.
Selbstentzündung,
Explosionsgefährdung)
Homogenität
Selbstverdichtung
Gehalt an Spurenelementen
(insbes. an flüchtigen Elementen)
Abbildung 07 — Überblick über die für den Sekundärstoffeinsatz relevanten Kriterien
[Quelle: Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, Heft 572, erschienen 2007
im Beuth Verlag, Berlin]
Beispiel Altreifen – Energielieferant und Rohmaterial zugleich
Etwa die Hälfte aller in Deutschland anfallenden Altreifen – jährlich gut 250.000 t – werden in
der Zementindustrie verwertet. Altreifen eignen sich hier in besonderer Weise als Sekundärbrennstoff. Sie können sowohl als Energieträger genutzt und darüber hinaus auch stofflich
verwertet werden, indem bei der Verbrennung entstehende Aschen und Stahlkarkassen als
notwendige Rohmaterialbestandteile in den Portlandzementklinker eingebunden werden.
Seite 25 — www.beton.org
2.2 Substitution primärer Rohstoffe
Der Einsatz sekundärer Rohstoffe
erfolgt erst nach verantwortungsvoller Prüfung.
kalkhaltiger Sekundärstoffe nicht aus, um einen
größeren Anteil der für die Zementherstellung
benötigten primären Kalkrohstoffe zu decken.
Zudem handelt es sich bei allen sekundären
Wir möchten Bauen mit Zement und Beton nachRohstoffen um Massenrohstoffe, deren Transhaltiger machen und bemühen uns deshalb
portkostenanteil im Verhältnis zum Materialum den Einsatz sekundärer Rohstoffe, die bei
wert oft sehr hoch ist.
der Herstellung von Portlandzementklinker
Kalkstein, Ton oder (Quarz-)Sand ersetzen kön- Wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll können
nen. So verwendet man bei der Produktion von daher nur Mengen aus der näheren Umgebung
eines Zementwerks eingesetzt werden. Es gibt
Zementklinker beispielsweise Kalkschlämme
also kein Patentrezept für den Einsatz sekundä­
aus der Trink- und Abwasserbehandlung, Gierer Rohstoffe. Vielmehr muss verantwortungsvoll
ßereialtsande, Kiesabbrand, Walzzunder und
Flugaschen. Sie ersetzen primäre kalk-, silizium-, geprüft werden, wie wir endliche Ressourcen
durch den Einsatz sekundärer Rohstoffe nachhaleisen- und aluminiumhaltige Rohstoffe.
tig schonen können. Die deutsche Zement- und
Allerdings können primäre Rohstoffe nicht imBetonindustrie setzt sich deshalb für die Suche
mer gänzlich ersetzt oder der Einsatz sekundä­
nach geeigneten Sekundärrohstoffen ein, die sorer Rohstoffe nachhaltig sinnvoll ermöglicht
wohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvolle
werden. So reichen beispielsweise die bei der
Alternativen zu Primärrohstoffen darstellen.
Abwasserbehandlung anfallenden Mengen
Optimierung der Umwelteigenschaften des Baustoffs Beton — Seite 26
2.2.1 Der Einsatz von Sekundärstoffen
auf dem Prüfstand
Sekundärstoffe müssen eine gleichwertige Qualität des Endproduktes
wie Primärstoffe garantieren.
In jedem Fall muss mit der im Werk eingestellten Rohstoffmischung die erforderliche chemisch-mineralogische Zusammensetzung von
Portlandzementklinker zu erzielen sein, damit
Ob der Einsatz von Sekundärstoffen bei der
der Zement seine charakteristischen hydrauliZementherstellung im Sinne der Nachhaltigkeit
schen Eigenschaften erhält. Die nachfolgende
sinnvoll ist, muss im Einzelnen geklärt werden
Abbildung zeigt das Dreistoffdiagramm für CaO,
und beinhaltet eine genaue Betrachtung der drei
SiO2 sowie Fe2O3 und Al2O3. Hierin sind neben
Dimensionen der Nachhaltigkeit. Als Grundlage
dem Klinker auch eine Auswahl möglicher Sedient aber immer eine festgelegte Produktqualikundärstoffe eingetragen, die in Abhängigkeit
tät, die durch anspruchsvolle genormte Prüfunvon der Rohmaterialsituation im betrachteten
gen überwacht wird. An Sekundärstoffe für
Werk eingesetzt werden können.
den Einsatz in der Portlandzementklinkerherstellung werden dieselben Anforderungen wie
an primäre Rohstoffe gestellt.
0
0
10
Gießereialtsand
20
80
40
Kunststoff,
Gummi
SFA
Klinker
%
in
Steinkohle
HOS
2
SiO
40
60
Ca
O
60
in
%
Bleicherde
Reifenschredder
BFA
80
20
Braunkohle
Kiesabbrand
10
0
0
0
20
40
60
80
AI2O3 + Fe2O3 in %
Abbildung 08 —
Dreistoffdiagramm CaO, SiO2 und Fe2O3 mit
Zementklinker und Aschebestandteilen unterschiedlicher Roh- und Brennstoffe
Seite 27 — www.beton.org
Legende —
HOS = Hochofenschlacke
SFA = Steinkohleflugasche
BFA = Braunkohleflugasche
100
2.3 Substitution des Portlandzementklinkers
Zemente mit mehreren Hauptbestandteilen können verbesserte bautechnische und ökobilanzielle Eigenschaften
aufweisen.
Die Industrie ist stetig bemüht, die Ressourceneffizienz bei der Herstellung von Zement und
Beton zu steigern. Eine Möglichkeit besteht darin,
Portlandzementklinker mit anderen Hauptbestandteilen gezielt zu kombinieren. Mögliche
andere Zementhauptbestandteile sind beispielsweise Hüttensande, Flugaschen und Silicastäube,
die in anderen industriellen Prozessen anfallen,
sowie aus Primärrohstoffen gewonnenes Kalksteinmehl. Durch Nutzung der spezifischen
Eigenschaften der unterschiedlichen Hauptbestandteile und die verfahrenstechnische
Optimierung weisen die bereitgestellten Portlandkomposit- bzw. Hochofenzemente dem
Portlandzement vergleichbare oder in Abhängigkeit vom Anwendungsfall sogar verbesserte
bautechnische Eigenschaften auf.
Grundsätzlich sind bei der Nutzung weiterer
Zementhauptbestandteile neben Portlandzementklinker die regionale und massenmäßige
Verfügbarkeit sowie die notwendigen Transport­
aufwendungen zu berücksichtigen. Dies kann
zu regional differenzierten Produktangeboten
führen.
Eines steht fest: Die Maßnahmen der deutschen
Zement- und Betonindustrie zur Verringerung
der Umweltwirkungen bei der Zementproduktion
haben durch den Einsatz von Sekundärstoffen
und dabei insbesondere durch den verstärkten
Einsatz von Zementen mit mehreren Hauptbestandteilen (s. Abb. 08) zu einer deutlichen Verbesserung der ökobilanziellen Eigenschaften
von Zement in den letzten Jahren geführt. Es
ist gelungen, den Verbrauch nicht erneuerbarer
Primärenergie um 38 % zu reduzieren. Das mit
der Klinkerproduktion verbundene Treibhauspotenzial konnte um 23 % (s. Abb. 09) und das Versauerungspotenzial um 45 % vermindert werden.
Dabei handelt es sich um repräsentative, branBei einer ökobilanziellen Betrachtung zeigen
chenweite Ergebnisse und nicht um Einzelfälle.
sich deutliche Vorteile von Zementen mit mehreDie gestiegene Umwelteffizienz bei der Zementren Hauptbestandteilen gegenüber CEM-I-Zeherstellung wirkt sich deshalb auch positiv
menten, in denen Portlandzementklinker der
auf die Anwendungen zementgebundener
einzige Hauptbestandteil darstellt. So weisen die
Baustoffe aus.
Zemente CEM ll/B-S (30 % Hüttensandanteil)
und CEM lll/A (50 % Hüttensandanteil) eine Verringerung der wesentlichen Wirkungskategorien
um 20 % bis 40 % auf.
Anteil am Inlandsversand (%)
CEM I
CEM II
CEM III
2000
2008
Abbildung 09 — Marktanteile verschiedener Zementarten [Quelle: VDZ]
Optimierung der Umwelteigenschaften des Baustoffs Beton — Seite 28
3 B
etonrecycling –
Verwertung bestehender Substanz
Das Recycling von Beton führt zu einer
Einsparung primärer Rohstoffe.
Frischbetonrecycling einerseits und Festbetonrecycling andererseits ist in verschiedenen
Stationen des Lebensweges möglich. Frischbeton und Restwasserrecycling sind in nahezu
allen Betonwerken Deutschlands gängige Praxis. Hierzu wird zumeist ein Verfahren angewandt, bei dem noch nicht erhärtete Beton- oder
Mörtelreste ausgewaschen und sowohl die
Gesteinskörnung als auch das anfallende
Restwasser erneut als Betonausgangsstoffe
wiederverwendet werden. Die Wiederverwendung von Restwasser als Zugabewasser regelt
die Norm DIN EN 1008. Insgesamt lassen sich
auf diesem Weg die Restbetonmengen praktisch vollständig wiederverwenden.
Beim Festbetonrecycling wird im Gegensatz zum
Frischbetonrecycling bereits erhärteter, alter
Beton aus Rückbaumaßnahmen bei der wiederverwendet. Dabei wird der Betonabbruch aus
Bauwerken aufbereitet und erneut der Produktion zugeführt. Hierzu wird der Beton zunächst
zerkleinert und in einzelne Kornfraktionen getrennt, so dass Betonsplitt entsteht, der dann in
der Herstellung des Frischbetons genutzt wird.
Betonsplitt enthält neben der ursprünglichen
natürlichen Gesteinskörnung immer auch einen
Zementsteinanteil, der die Eigenschaften des
Betons wie etwa Verarbeitbarkeit, Festigkeit,
Verformungsverhalten und die Dauerhaftigkeit
beeinflussen kann. Für den Einsatz als Gesteinskörnung im Beton eignen sich in erster
Linie die groben Fraktionen von rezykliertem
Beton. Im Frischbeton bewirkt die rezyklierte
Seite 29 — www.beton.org
Gesteinskörnung in der Regel einen geringfügig
höheren Wasseranspruch. Dies muss beim Mischungsentwurf und bei der Herstellung beachtet
werden. Im erhärteten Zustand besitzt der Recyclingbeton im Bezug auf seine Festigkeit
praktisch dieselben Eigenschaften. Beachtung
muss allerdings bei Beton mit rezyklierter Gesteinskörnung den Schwind- und Kriecheigenschaften geschenkt werden. Beton, der gemäß
der DAfStb-Richtlinie mit rezyklierter Gesteinskörnung hergestellt wurde, kann ohne weitere
Maßnahmen unter trockenen Umgebungsbedingungen verwendet werden. Bei Einsatz in feuchter Umgebung werden zunächst genauere
Untersuchungen an der im Festbeton verwendeten Gesteinskörnung vorgenommen, um die
Dauerhaftigkeit des Betons sicherzustellen.
Grundsätzlich ist es unerheblich, ob rezyklierte
Gesteinskörnungen in ungebundenen Bauweisen, z. B. im Straßenbau, oder im Beton eingesetzt werden, weil sie in allen Fällen primäre
Rohstoffe substituieren. Allerdings reicht das
Angebot an rezyklierten Gesteinskörnungen für
die Betonherstellung bestenfalls aus, um kleinere Mengen des Bedarfs zu decken.
Der beim Festbeton anfallende Betonbrechsand
kann ebenfalls in ungebundenen Anwendungen
Natursand ersetzen. Er kann aber auch als
Sekundärrohstoff in der Portlandzementklinkerherstellung eingesetzt werden, wie neuere Untersuchungen untermauern (vgl. Heft 584 DAfStb),
so trägt die Nutzung von Altbeton insgesamt zur
Ressourceneffizienz im Bauwesen bei.
Lebenszyklusanalyse
und Folgenutzung
von Bauwerken
Wie vorausschauend können wir handeln? Wie zukunftsfähig können wir bauen?
Welche Baustoffe sollen wir einsetzen? Die forschenden Unternehmen der
Zement- und Betonindustrie suchen Antworten, die alle Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigen.
1 Bewertungsparameter
Um Aussagen über die Nachhaltigkeit
eines Bauwerks treffen zu können,
muss der komplette Lebenszyklus betrachtet werden.
Um die Nachhaltigkeit des Bauens mit Beton in
allen drei Dimensionen zu erfassen, reicht es
nicht aus, lediglich auf eine umweltverträgliche
Herstellung der Baumaterialien zu achten.
Vielmehr muss jedes Bauwerk über seinen Lebenszyklus hinweg analysiert werden, damit
tatsächlich aussagekräftige Daten über die Nachhaltigkeit getroffen werden können. Lebenszyklusanalysen von Bauwerken sind z. B. in DIN EN
ISO 15643 geregelt. In Analogie zur funktionellen Einheit einer Ökobilanz (s. S. 14) verwendet diese Normenreihe ein sogenanntes
funktionelles Äquivalent, um den Gebäudenutzen festzulegen. Im funktionellen Äquivalent
müssen alle Nutzeranforderungen zusammengefasst sein, so dass ein Variantenvergleich
ermöglicht wird. Sie umfassen technische Kriterien wie Wärme-, Schall- und Brandschutz,
Standsicherheit und Dauerhaftigkeit als auch
funktionale Kriterien. Die in DIN EN ISO 15643
enthaltene Methodik nimmt allerdings keine
Bewertung vor, sondern beschreibt lediglich die
Gebäudeeigenschaften mit Blick auf die Nachhaltigkeit möglichst umfassend.
Auch das von BMVBS und DGNB entwickelte
deutsche Bewertungsschema hat verschiedene
Parameter zusammengefasst, die zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden herangezogen werden können. Dabei umfasst die
ökologische Bewertung von Bauwerken die bereits genannten Wirkungskategorien aus den
Ökobilanzen, Auswirkungen auf die lokale und
globale Umwelt und die Verwendung von
Ressourcen. Die ökonomische Qualität von
Bauwerken wird mit mindestens einer Kostenanalyse im Lebenszyklus bewertet.
Für die Ermittlung der gebäudebezogenen
Kosten werden nicht nur die Herstellungs-, sondern auch die Betriebskosten während der
Nutzungsphase berücksichtigt. Gerade in dicht
besiedelten Regionen kann außerdem die
Drittverwendungsmöglichkeit von Gebäuden
eine sehr wichtige Rolle spielen. Diese wird
daher auch zunehmend bewertet.
Während ökobilanzielle Untersuchungen und
Lebenszykluskostenrechnungen weitgehend
erforscht sind, liegt für die Bewertung soziokultureller und funktioneller Dimensionen, die
Aspekte wie Gesundheit, Behaglichkeit, Nutzerzufriedenheit, Funktionalität und gestalterische
Qualität beinhalten, noch kein genormtes allgemeingültiges Instrumentarium vor. Sie werden
aber durchaus schon in Bewertungssystemen
gebündelt.
Lebenszyklusanalyse und Folgenutzung von Bauwerken — Seite 30
Ökologische
Qualität
Ökonomische
Qualität
Technische Qualität
Prozessqualität
Standortmerkmale
Abbildung 10 —
Konzept zur Beschreibung der Nachhaltigkeit nach DIN EN ISO 15643-1
[Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen und Stadtentwicklung (BMVBS)]
Seite 31 — www.beton.org
Soziokulturelle
und
funktionale
Qualität
2 Das Verbundforschungsvorhaben
„Nachhaltig Bauen mit Beton“
Flexibilität in der Nutzung
von Bauwerken ist ein wichtiges
Nachhaltigkeitskriterium.
Die Bedürfnisse kommender Generationen werden wesentlich vom demographischen Wandel unserer Gesellschaft beeinflusst und sind aus
unserer heutigen Perspektive nur bedingt abschätzbar. Trotzdem müssen sie bei der Erstellung nachhaltiger Gebäude einbezogen werden.
In Stadtvierteln, in denen heute noch Wohnbauten stark nachgefragt sind, können in Zukunft
Arbeitsflächen oder Kulturbauten benötigt werden. Darauf müssen wir schon heute reagieren.
Und zwar mit nachhaltigen Lösungsansätzen
in Form multifunktionaler Bauwerke, die vorhandene Ressourcen schonen und den Einfluss
auf unsere lokale und globale Umwelt minimieren. Der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton hat
2005 bis 2009 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)
sowie verschiedenen Partnern aus Industrie und
Verbänden ein Verbundforschungsvorhaben zur
Quantifizierung und Bewertung nachhaltigen
Bauens mit Beton durchgeführt. Zur Bewertung
von Gebäuden wurde eine Methodik für umfas-
sende Lebenszyklusanalysen angewandt. Darin
wurden verschiedene relevante Kriterien und oft
schwer vergleichbare Faktoren berücksichtigt,
um Nachhaltigkeitsanalysen zu ermöglichen.
Eine zentrale Rolle spielte die Ergebnisdarstellung anhand einer Referenz-Gebäudeeinheit,
des sogenannten „Stadtbausteins“. Grundlage
aller Bewertungen waren geltende DIN-Normen,
Verordnungen und Rechtsgrundlagen. Berücksichtigt wurde auch die zu diesem Zeitpunkt geltende Kriterienliste des Deutschen Gütesiegels
Nachhaltiges Bauen. In diesem Forschungsvorhaben stand neben der energetisch sinnvollen
Herstellung und dem Betrieb eines Gebäudes
vor allem die Frage im Vordergrund, wie flexibel
sich Gebäude umnutzen und somit nachhaltig
den Bedürfnissen kommender Generationen anpassen lassen. Oder anders gesagt: Können wir
heute schon für die Generationen von morgen
bauen?
Abbildung 11 —
Das Referenzgebäude aus dem
Forschungsvorhaben „Stadtbaustein“
[Quelle: DAfStb]
Lebenszyklusanalyse und Folgenutzung von Bauwerken — Seite 32
2.1 Der Schlüssel: Multifunktionalität
Nur wenn Gebäude heute schon multifunktional angelegt werden,
sind sie auch für folgende Generationen nutzbar.
Am Beispiel des Stadtbausteins wurden drei Nutzungsszenarien für eine angenommene Nutzungsdauer von 100 Jahren entwickelt: 20 Jahre Nutzung als Zellenbüro, 20 Jahre Umnutzung als offene
Bürolandschaft und 60 Jahre Neunutzung als Wohngebäude mit drei verschiedenen Wohnungsgrundrissen. Danach wurde der „Stadtbaustein“ mit einer nichtflexiblen Standardstruktur verglichen,
die keine Multifunktionalität, also Umnutzung von Büroraum zu Wohnraum, zulässt und nach den
ersten 40 Nutzungsjahren durch ein neues Gebäude ersetzt werden muss.
Variante Flexible Struktur
Variante Standard
Umbau
Umbau
Büro
Phase 2
Abriss
Umbau
Umnutzung
Wohnen
Phase 3
Abbildung 12 —
Nutzungsszenarien des Stadtbausteins
[Quelle: DAfStb]
Seite 33 — www.beton.org
Nutzungszeitraum
Büro
Phase 1
Die flexible Struktur weist zwar einen höheren
Stahlverbrauch bei der Errichtung des Gebäudes auf und benötigt Betone höherer Festigkeitsklassen, die sich in der Herstellung stärker
auf die Umwelt auswirken (s. Abb. 15). Insgesamt
ist sie aber dank ihres stützenfreien und leichten
Tragsystems, das eine hohe Flexibilität der
Nutzung erlaubt, über den ganzen Lebensweg
betrachtet weitaus ressourcenschonender.
Da bei der Umwandlung der Büronutzung in
Wohnnutzung für die flexible Struktur kein Abriss
des Bestandsgebäudes, sondern nur ein Austausch der Fassade notwendig ist, kann der Gesamt-Primärenergiebedarf bei der flexiblen
Struktur über den Lebensweg (ohne Betrieb) um
ca. 7 % und das Treibhauspotenzial um 21 %
gegenüber der Standardstruktur verringert werden. Auch in der Entsorgungsphase ist die reduzierte Materialmenge der flexiblen Struktur im
Vergleich zur Standardstruktur vorteilhafter. Im
Bezug auf die Tragstruktur kann hier von Einsparungen in einer Größenordnung von 25 % ausgegangen werden. Dem steht im Bereich der
flexiblen Struktur im Vergleich zur Standardstruktur nur leicht erhöhter Materialbedarf
gegenüber. Insgesamt spielt allerdings die
Entsorgungsphase im Lebenszyklus nur eine
untergeordnete Rolle.
Lebenszyklusanalyse und Folgenutzung von Bauwerken — Seite 34
Herstellung
Nutzung (inkl. Umnutzung)
Beseitigung
flexible Struktur
Zellenbüro
offenes Büro
Wohn-Appartements
Standardstruktur
Standardstruktur
Beseitigung + Neubau
Jahre
0
20
40
100
120 %
Beton
Flexible Struktur
140 %
Standard-Büro
160 %
Standard-Wohnen
Abbildung 13 —
Lebenszyklusphasen für die flexible Struktur und die Standardstruktur
Stahl
100 %
80 %
60 %
40 %
20 %
0 %
Primärenergie
gesamt [MJ]
Treibhauspotenzial
[kg CO2-Äqu.]
Überdüngungs- Ozonabbaupotenzial
potenzial
[kg PO2-Äqu.]
[kg R11-Äqu.]
Ozonabbaupotenzial
[kg C2H4-Äqu.]
Versauerungspotenzial
[kg SOx-Äqu.]
Abbildung 14 —
Ökologische Wirkungskategorien der drei Tragstrukturen getrennt für Stahl und Beton
[Quelle: DAfStb]
Seite 35 — www.beton.org
2.2 Energetische Anforderungsprofile
im Vergleich
Einfluss des energetischen Anforderungsniveaus auf die Ökobilanz.
sowohl der veränderte Energiebedarf als auch
die veränderten Dämmstoffstärken eingeflossen.
Die Letzteren haben auf die Ökobilanz der HerIm Forschungsvorhaben wurden zwei verschiestellungsphase des Gesamtgebäudes insgesamt
dene energetische Anforderungsprofile unternur einen unerheblichen Einfluss. Da die gewählsucht: eine Version der Energieeinsparverordnung
ten Baumaterialien ansonsten für beide Varianten
(EnEV 2007), die an Bauherren bautechnische
gleich sind, verursacht die HWB-15-Variante
Standardanforderungen bezüglich eines effizieninsgesamt zwar ein geringfügig höheres Treibten Energieverbrauchs stellt. Zum anderen der
hauspotenzial in der Herstellung, die Bilanzie„HWB 15“, der sich nach einem Heizwärmeberung der Betriebsphase zeigt jedoch, dass sich
darf eines Gebäudes von maximal 15 kWh pro
der Primärenergiebedarf des Gebäudes in der
Quadratmeter richtet und somit den Standard
HWB-15-Variante auf bis zu ein Viertel reduzieeines Passivhauses darstellt. In die Bilanzierung
ren lässt (s. Abb. 16).
der beiden energetischen Profile sind dabei
Variante
Primärenergiebedarf
EnEV 2007 [kWh/(m2a)]
Primärenergiebedarf
HWB 15 [kWh/(m2a)]
Differenz bezogen
auf EnEV 207
Büro I – flexibel
180,1
137,1
-24 %
Büro II – flexibel
213,7
169,0
-21 %
Wohnen – flexibel
77,2
65,7
-15 %
Abbildung 15 —
Primärenergieeinsparung durch das energetische Anforderungsniveau HWB 15
[Quelle: DAfStb]
Lebenszyklusanalyse und Folgenutzung von Bauwerken — Seite 36
Seite 37 — www.beton.org
2.3 Investitionen, die sich rechnen
Höhere Ausgangskosten werden
durch eine längere Lebensdauer
der Bauwerke kompensiert.
mit 35 % zwar am geringsten sind, die Kosten
für die Instandhaltung und Instandsetzung (inkl.
Rück- und Neubau nach 40 Jahren) mit 36 %
aber wesentlich über den Kostenwerten der fleDie Lebenszyklusanalyse zeigt, dass sich
xiblen Struktur liegen. Bei einem absoluten Kosdie flexible Struktur des Stadtbausteins und
tenvergleich kann festgestellt werden, dass die
der hohe energetische Standard rentieren.
im Energiestandard anspruchsvolle Variante
Ein Vergleich der Kostenverteilungen für den
„Flexibel HWB 15“ die geringsten Lebenszyklusflexiblen Stadtbaustein mit dem energetischen
kosten verursacht. Auf lange Sicht rechnen sich
Anforderungsprofil der EnEV 2007, dem gleihöhere Anfangsinvestitionen sowohl auf ökochen Stadtbaustein mit dem energetischen Annomischer als auch auf ökologischer und sozialer
forderungsprofil HWB 15 (s. Abb. 15) und der
Ebene, wobei die Inflationsrate und KapitalkosStandardstruktur zeigt, dass die Kosten der Erstten bereits berücksichtigt wurden.
erstellung der Standardstruktur anteilmäßig
Lebenszyklusanalyse und Folgenutzung von Bauwerken — Seite 38
Seite 39 — www.beton.org
2.4 Beton: dauerhaft und widerstandsfähig
Das Verbundforschungsprojekt belegt die Der Baustoff Beton trägt mit seiner Dauerhaftigkeit und Widerstandsfähigkeit dazu bei, dass an
Dauerhaftigkeit des Baustoffes Beton.
Unter Dauerhaftigkeit versteht man die Fähigkeit
der Betonbauteile, gegenüber Umwelteinwirkungen und den geplanten Belastungen widerstandsfähig zu sein, ohne einen besonderen
bzw. regelmäßigen Aufwand zur Aufrechterhaltung der Widerstandsfähigkeit leisten zu müssen.
Damit der Beton den aus den Umgebungsbedingungen resultierenden Einwirkungen widerstehen kann, wird er gezielt zusammengesetzt.
den entsprechenden Bauteilen kaum Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Dadurch liegt in der Gesamtbetrachtung
der Kostenanteil des Baustoffes Beton bei gerade 10% der gesamten Lebenszykluskosten.
Der Kostenanteil von Beton sinkt sogar bei
steigendem Ausstattungsstandard. Mehrausgaben für ein Dauerhaftigkeitskonzept im Bereich
besonderer Anwendungen wie beispielsweise
Tiefgaragen führen zu einer Reduzierung der
Die Anforderungen an den Beton betreffen seine
Instandhaltungskosten und zu geringeren GeMindestfestigkeit, den maximalen Wasser/Zesamtkosten im Lebenszyklus.
ment-Wert, den Mindestzementgehalt und die
maximale Anrechenbarkeit von Betonzusatzstoffen. Daneben sind auch Anforderungen an die
Bemessung und die konstruktive Durchbildung
des Bauteils zu berücksichtigen.
Lebenszyklusanalyse und Folgenutzung von Bauwerken — Seite 40
Seite 41 — www.beton.org
Beton als
nachhaltiger Baustoff
Was kann Beton besser als andere Baustoffe?
Welche technischen Eigenschaften machen ihn zum meistverbauten Baustoff der
Welt? Beton löst viele Aufgaben, denen sich Bauherrn und Planer stellen müssen.
1 A
nforderungen im Rahmen
einer Lebenszyklusanalyse
Zur Bewertung der Nachhaltigkeit sind komplexe
Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Dimensionen der Nachhaltigkeit und den technischen
bzw. funktionalen Eigenschaften des Bauwerks
bzw. seiner Bauteile oder Baustoffe zu berücksichtigen.
Gerade bei der Konstruktion und Ausführung
von Gebäuden lassen sich zahlreiche Beiträge
zum nachhaltigen Bauen verwirklichen. Das
gilt z. B. für den Schall- und Brandschutz. Dabei
erweist sich der Baustoff Beton – bei ganzheit­
licher Betrachtung – als besonders vielseitig und
leistungsfähig.
1.1 Schallschutz
Beton schützt durch die Dichte
des Materials wirkungsvoll vor Lärm.
von Maßnahmen zur Verfügung. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ist es sinnvoll, möglichst
schwere, massive Konstruktionen als besonders
Der Schutz vor übermäßiger Lärmbelastung –
wirkungsvolle Maßnahmen zum Schallschutz
sowohl Verkehrslärm, aber auch Lärm aus fremeinzusetzen. Das Problem der Lärmbelästigung
den Wohn- und Arbeitsbereichen – ist eine
durch Schall aus fremden Wohn- und Arbeitsbegrundlegende Aufgabe des nachhaltigen Baureichen tritt insbesondere in Geschossbauten
ens. Verkehrslärm tritt praktisch ausschließlich
und Reihenhäusern auf. Hier sollen einerseits
in Form von Luftschall auf. Motor- und Abrollgemöglichst schlanke Haustrennwände ausgeführt
räusche bei Straßenfahrzeugen, Rad-Schienewerden, um die begrenzte Grundfläche effizient
Geräusche bei Bahnen und Triebwerksgeräusche
zu nutzen, andererseits liegen bei Reihenmittelbei Flugzeugen werden über das Medium Luft
häusern gerade die besonders lauten Räume
übertragen. Dagegen handelt es sich bei Lärm
(Treppenhaus, Bad) häufig direkt an den Trennaus fremden Wohn- und Arbeitsbereichen teilwänden. Dies führt dazu, dass sowohl Luft- als
weise auch um Körperschall, so z. B. im Falle
auch Körperschall auftreten. Bei der Konstruktion
von Gehgeräuschen in Treppenräumen. Prinziist daher eine sorgfältige Trennung der einzelnen
piell steht zum Schutz vor Lärm eine Vielzahl
Beton als nachhaltiger Baustoff — Seite 42
Häuser mit Hilfe durchgehender Trennfugen in
Wand und Geschossdecken erforderlich.
Dies ist z. B. im Geschossbau einfach und auf
ästhetisch befriedigende Weise mit StahlbetonLochfassaden, die über ein WärmedämmverAuf der Materialseite ist dringend zu empfehlen,
bundsystem oder eine zusätzliche Vorsatzschale
Baustoffe mit hoher Rohdichte einzusetzen.
verfügen, möglich. Es empfiehlt sich zudem, bei
Beton erweist sich auch bei dieser Aufgabe als
der Gebäudeoptimierung in Bezug auf Schallvorteilhaft. So sind die Anforderungen an einen
schutz den Fensteranteil von Fassaden, die an
erhöhten Schallschutz nach DIN 4109 (67 dB)
Verkehrsflächen grenzen, möglichst klein zu halbereits mit zwei 15 cm starken Ortbetonwänden,
ten, da die Schalldämmung der Fenster wegen
die durch eine mindestens 30 mm breite, vollihrer geringeren Masse erheblich schlechter als
flächig mit Mineralwolle ausgefüllte Fuge gebei nicht transparenten Wandteilen ausfällt. Für
trennt sind, erfüllt (Schalldämm-Maß 68 dB). Die
ein ausreichendes Tageslichtangebot können
Problematik von Resonanzeffekten lässt sich
in den straßenabgewandten Fassaden entsprebei richtiger Auswahl der Dämmstoffe (weiche
chend größere Fensterflächenanteile vorgeseDämmung) und robuster Konstruktion (ausreihen werden. Auf diese Weise werden nicht nur
chend breite Fuge) sicher vermeiden. Von Vorteil
die Schallschutzanforderungen eingehalten:
sind auch Mauerwerk und Fertigteile mit oder
Auch der Primärenergiebedarf sowie der Warohne Ortbetonergänzung. Hiermit lassen sich
tungs- und Reinigungsaufwand von Gebäuden
ebenfalls Schalldämm-Maße von weit über
wird minimiert.
68 dB erzielen.
Gebäudefassaden im Wohnungs- und Wirtschaftshochbau müssen vielfältige Anforderungen
erfüllen. Zum Schallschutz kommen Brandschutz, Feuchteschutz, Schlagregenschutz, statische und auch gestalterische Anforderungen
hinzu. Nachhaltige Fassadenkonstruktionen sollten alle diese Aspekte dauerhaft erfüllen.
Seite 43 — www.beton.org
1.2 Brandschutz
Beton ist ein nicht brennbares Material,
das auch hohen Temperaturen standhält.
Nachhaltiges Bauen erfordert jedoch mehr als
nur den Schutz des nackten Lebens. Grundvoraussetzung dafür ist die Verwendung nichtBrandschutz ist eine ganz wesentliche Aufgabe
brennbarer Baustoffe, z. B. Beton. Dieser
des nachhaltigen Bauens. Berichte über große
stellt nicht nur sicher, dass Rettungswege im
Stadtbrände, denen ganze Viertel zum Opfer
Brandfall frei von Feuer und Rauch sind, sonfielen, ordnet man in der Regel dem Mittelalter
dern verhindert auch, dass gebaute Werte Opfer
zu. Das Beispiel Lissabon, wo 1988 große Teile
der Flammen werden. Ohne besondere Maßder historischen Altstadt durch einen Brand
nahmen erträgt Beton Temperaturen bis zu
zerstört wurden, zeigt jedoch, dass auch heute
250 °C, die erst nach längerer Hitzeeinwirkung
noch solche Katastrophen möglich sind. Voerreicht werden. Durch gezielte Steuerung der
raussetzung für Brandkatastrophen ist zu einem
Zusammensetzung von Beton lässt sich auch
wesentlichen Teil der Einsatz brennbarer Baufeuerfester Beton herstellen, der Gebrauchstemstoffe gewesen. Immer noch lauten die Ziele bauperaturen bis zu 1.500 °C ohne Schäden erträgt.
lichen Brandschutzes:
Da der Brandfall jedoch keine planmäßige Nut■■ Personenschutz
zung darstellt, ist die Verwendung besonders
■■ Sachschutz
feuerfester Betone für übliche Bauwerke unwirt■■ Nachbarschutz
schaftlich: Beton hat auch ohne eine gesonderte
■■ Umweltschutz
Brandschutzausrüstung bereits hervorragende
■■ Kulturgutschutz
Brandschutzeigenschaften.
1.3 E
nergieeffizienz und thermische
Behaglichkeit von GebäudeN
Schwere Baustoffe wie Beton haben eine Große Bedeutung für Energieeffizienz und Behaglichkeit hat die thermische Trägheit von Bauhöhere Wärmespeicherfähigkeit.
Im Bereich der Wärmedämmung weist Normalbeton keine besonderen Vorteile auf. Auch ist er
mit einer Wärmeleitfähigkeit von λ = 2,1 [W/(mK)]
ein schlechter Dämmstoff. Durch Wärmedämmverbundsysteme bzw. mehrschalige Wandkonstruktionen wird dies ausgeglichen: Betonbauten
weisen damit eine vergleichsweise hohe Energieeffizienz auf. Zudem besteht die Möglichkeit,
durch Verwendung von Leichtzuschlägen, wie
z. B. Blähton oder Bims, die Wärmeleitfähigkeit
so herabzusetzen, dass im günstigsten Fall
sogar auf zusätzliche Wärmedämmung verzichtet werden kann. Durch eine schlanke, massive
Wandkonstruktion, wie sie durch Beton ermöglicht wird, kann – mittels frei skalierbarer Dämmstoffdicke – jedes gewünschte Maß an Energiestandard bis zum Passiv- oder Nullenergiehaus
realisiert werden.
stoffen, die durch deren Wärmespeicherfähigkeit
bestimmt wird. Solare Wärmegewinne können in
schweren Baustoffen effizienter als in leichten
genutzt werden. Ein Beispiel: Aufgrund der hohen thermischen Kapazität bleiben in massiven
Bauten selbst bei relativ starker Sonneneinstrahlung die Temperaturen noch im behaglichen Bereich. Leichtbauten dagegen neigen bei hohen
solaren Wärmegewinnen zur Überhitzung. Die
überschüssige Wärmeenergie muss selbst im
Frühjahr oder Herbst „weggelüftet“ werden. Zunehmend an Bedeutung gewinnt das Problem
des sommerlichen Wärmeschutzes – unter anderem auch, weil die sogenannten internen Wärmelasten durch die Abwärme von elektrischen
Geräten im Haushalt und im Büro gestiegen
sind.
Beton als nachhaltiger Baustoff — Seite 44
Hier hat die Betonbauweise erhebliche Vorteile,
weil sie auch in Sommermonaten ohne maschinelle Klimatisierung allein durch ihre Wärmespeicherfähigkeit die Innenraumtemperaturen auf
einen behaglichen Wert begrenzt.
Als innovative, kostengünstige und energieeffiziente Methode zum Kühlen und Erwärmen
von Gebäuden wird die sogenannte Betonkernaktivierung immer interessanter. Sie nutzt die
Fähigkeit der Decken und Wände im Gebäude,
thermische Energie zu speichern und damit
Räume zu heizen oder zu kühlen. Bei der Betonkernaktivierung erfolgt der Transport der Wärme
über Flüssigkeiten, z. B. Wasser. Rohrregister,
durch die diese Flüssigkeiten fließen, werden
direkt in die Betonbauteile – meist in die Decken,
gegebenenfalls aber auch in Stützen oder Wände – einbetoniert. Je nach Temperatur nimmt
die Flüssigkeit Wärme aus dem Bauteil auf – es
wird gekühlt – oder gibt Wärme an das Bauteil
ab – es wird geheizt. Die Betonkernaktivierung
ermöglicht eine weitgehend verlustfreie Energieübertragung mit maximalen Austauschraten.
Die Betonkernaktivierung ist mittlerweile häufiger Bestandteil der modernen Architektur,
vor allem bei Büro- und Verwaltungsgebäuden,
Schulen, Krankenhäusern, Pflegeheimen oder
Museen. Es bestehen sehr gute Kombinationsmöglichkeiten mit regenerativen Energiequellen wie Wärmepumpen oder geothermischen
Energiesystemen.
Heizen
Kühlen
Thermoaktive Bauteile
Thermoaktive Bauteile
Wärmepumpe
Wärmepumpe
Absorber oder Erdwärmesonden
Absorber oder Erdwärmesonden
Abbildung 16 —
Heizen und Kühlen: Bei der Betonkernaktivierung wird die Gebäudemasse zur Temperaturregulierung genutzt
Seite 45 — www.beton.org
1.4 N
achhaltige Bauverfahren
Die Eigenschaften von Beton haben
viele nachhaltige Bauverfahren erst
möglich gemacht.
Der Baustoff Beton macht durch seine Eigenschaften – beliebige Formbarkeit im Einbauzustand, hohe Festigkeit, Wasserundurchlässigkeit,
Pumpbarkeit – eine Vielzahl von umweltschoNeben den Eigenschaften der fertigen Gebäude
nenden Bauverfahren erst möglich. Hier sind tieist auch die bei der Errichtung von Gebäuden
fe, setzungsarme innerstädtische Baugruben mit
angewandte Bauverfahrenstechnik von Interesse
Bohrpfahl- oder Schlitzwänden zu nennen. Diefür die Bewertung der Nachhaltigkeit. Der Bause können bei Bedarf auch wasserdicht ausgestellenbetrieb bringt fast immer eine Lärm- und
bildet werden, so dass der Grundwasserspiegel
Staubbelästigung für die Anwohner mit sich.
nicht beeinträchtigt wird. Bergmännischer TunDurch Einsatz leichtverarbeitbarer oder selbstnelvortrieb ist ohne Beton, beispielsweise als
verdichtender Betone kann der von Rüttlern
Spritzbeton oder mit Betonfertigteilen (Tübbinge)
ausgehende Lärm stark reduziert oder sogar
nicht denkbar. Die sogenannte Deckelbauweise,
ganz vermieden werden.
bei der unterirdisch im Schutz eines z. B. auf
Die Herstellung von Fertigteilen im Werk und an- Schlitzwänden lagernden Deckels gearbeitet
schließende Montage auf der Baustelle bringt
wird, erfordert zwangsläufig den Einsatz von Benicht nur Vorteile bei der Bauzeit und den Koston. Unterirdische Verkehrsbauwerke, die einen
ten, sondern garantiert auch in der kalten Jahres- großen Beitrag zum flächensparenden Bauen
zeit gleichbleibende Produktionsbedingungen, wie liefern (z. B. Tiefgaragen und Tunnel), bestehen
sie z. B. bei hohen Anforderungen an die Oberpraktisch ausschließlich aus Beton.
flächenqualität von Sichtbeton erforderlich sind.
Beton als nachhaltiger Baustoff — Seite 46
1.5 B
eton und Grundwasser
Beton hat sich für das Bauen im
Grundwasser bewährt.
Zusätzlich erfolgte im Labor die Analyse der
Proben auf Alkalien, Salze und Spurenelemente.
Dabei hat sich herausgestellt, dass selbst in
Beton hat sich seit vielen Jahrzehnten als Bauunmittelbarer Nähe der betonierten Schlitzwand
stoff für Bauwerke im Grundwasser und im
(Abstand 1 m) keine erhöhte Konzentration von
Bereich der Trinkwasserversorgung – z. B. für
Spurenelementen im Grundwasser nachgewieTrinkwasserbehälter und Druckwasserleitungen
sen werden konnten. Lediglich bei Sulfat ließ
aus Spannbetonrohren – bewährt. Um genauesich an einigen Pegeln ein zwar erhöhter, aber
re Erkenntnisse über Wirkungen des Frischbenoch deutlich unter der Geringfügigkeitsschweltons auf die lokale Umwelt zu gewinnen, ist im
le liegender Wert feststellen. Insgesamt wird
Rahmen des Verbundforschungsvorhabens
die Unbedenklichkeit von Beton als Baustoff für
der Einfluss von Betonierarbeiten auf die GrundBauwerke im Grund- und Trinkwasserbereich
wasserqualität untersucht worden. Dazu wurde
durch die Forschungsergebnisse bestätigt.
im Nahbereich von Schlitzwänden aus Beton,
Insbesondere beim Kontakt bereits erhärteter
die eine grundwasserführende Schicht durchBetonteile mit Grund- und Trinkwasser werden
dringen, ein umfangreiches Monitoring der
keine bedenklichen Substanzen ausgewaschen.
Grundwasserqualität durchgeführt. Hierzu sind
während der Betonierarbeiten die Parameter pHWert, Redoxspannung, Temperatur und Leitfähigkeit an Grundwasserproben gemessen worden.
Seite 47 — www.beton.org
multifunktionalität und
anpassungsfähigkeit
Filigraner, tragfähiger, schöner, flexibler! Leistet Beton einen Beitrag für zukünftige
Lebenswelten? Durch die vielfältigen Einsatz- und Gestaltungsmöglichkeiten wird
Beton zu einem Baustoff, der heute schon Zukunft gestaltet.
1 Gestaltung, Konstruktion und Nutzung
von Beton
Die Flexibilität von Beton macht ihn
zum attraktiven Baustoff für viele
Generationen von Architekten.
Aufgrund des immer rascheren gesellschaftlichen Wandels, der eine Änderung von Lebensund Nutzungsgewohnheiten mit sich bringt,
spielen Multifunktionalität und Anpassungsfähigkeit eines Gebäudes im Bezug auf die mögliche
Nutzungsdauer der Bauteile und die Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes eine wesentliche
Rolle. Aus gestalterischer Sicht erfordert diese
Entwicklung Gebäude, die innerhalb der Tragstrukturen größtmögliche Freiräume für eine flexible Raumaufteilung ermöglichen. Flexibilität
in der möglichen Grundrissaufteilung wirkt sich
daher vorteilhaft auf die Bewertung der Nachhaltigkeit aus. Für den Entwurf bedeutet dabei
die Minimierung der tragenden Bauteile bei
zugleich großen Deckenspannweiten und kosteneffizientem Gesamtkonzept eine wichtige
gestalterische Grundvoraussetzung. Gerade
dort, wo in Ballungszentren Raum zu einer wertvollen Ressource wird, erreicht man durch die
konstruktiven Eigenschaften von Beton Platzersparnis und Flexibilität bei gleichzeitig größt-
möglicher Stabilität. Die Auflösung der tragenden Wand zur Stütze und die Trennung von
Gebäudehülle und tragender Konstruktion sind
zwei wichtige Aspekte, die weitgehende Flexibilität in der Raumgestaltung ermöglichen.
Beide Themenkomplexe haben in der Diskussion
um nachhaltiges Bauen herausragende Bedeutung. Das betrifft die Reduktion der Konstruktionsmasse und der Konstruktionselemente ebenso
wie die Flexibilisierung der Raumaufteilung und
die Umnutzbarkeit des Gesamtbaukörpers.
Die Betrachtung der Multifunktionalität und
Anpassungsfähigkeit von Bauwerken muss auch
eine Folgenutzung nicht mehr attraktiver Bausubstanz einbeziehen. Dabei geht es weniger
um eine planmäßige Festlegung, wie lange
bestimmte Bauwerke am Markt nachgefragt werden und was im Anschluss an diese Phase mit
den obsolet gewordenen Bauten passieren soll,
sondern vielmehr um den kreativen Umgang
mit Vorgefundenem.
In den angefügten Beispielen ab Seite 58 werden
gelungene Umsetzungen vielfältiger Anforderungen an Beton anschaulich gemacht.
Multifunktionalität und Anpassungsfähigkeit — Seite 48
© NOSHE. Mit freundlicher Genehmigung der Aboros Foundation Gemeinnützige GmbH.
Seite 49 — www.beton.org
2 Der Baustoff als Element der Gestaltung
Als Gestaltungselement erfüllt der Baustoff Beton die vielfältigen Ansprüche
von Bauherren und Planern.
Beton mit sich bringt. Dieser Vorteil wird aber oft
nicht vollständig genutzt. Insbesondere im Wohnungsbau wird Beton als Konstruktionsbaustoff,
nicht jedoch als Oberflächenmaterial verwendet.
Aufgrund seiner Dauerhaftigkeit ist Beton auch als
Aufgrund der kulturellen Prägung ist eine breite
Fassadenmaterial mit geringen InstandhaltungsAkzeptanz von Sichtbeton als Oberflächenmatekosten geeignet. Die brandschutztechnischen
rial eher bei Bauten für Industrie- und InfrastrukEigenschaften von Beton erlauben weiterhin,
tur als im Wohnungs- und Wirtschaftshochbau
dass auch tragende Bauteile ohne Ummantelung
vorhanden. Eine von privaten Bauherren oftmals
eingesetzt werden. Dies führt dazu, dass Ausnoch geforderte Verkleidung des Baustoffes ist
baumaterialien konsequent reduziert und Konhingegen aufgrund der Beschaffenheit und Bearstruktionen in ihrer Rohform – also als Sichtbeitbarkeit von Beton nicht notwendig. Gerade die
beton – belassen werden können.
Metamorphose des Baustoffs im jungen Alter –
Gleichzeitig resultieren daraus aber höhere
vom Frischbeton zum Festbeton, der im Bauwerk
Anforderungen an die Betonqualität (Zusamüber Jahrzehnte seine Aufgaben erfüllt und wie
mensetzung, Einbau und Nachbehandlung).
Naturstein im Laufe der Zeit Patina ansetzt –
Vorstellungen von Bauherren oder Investoren im
erzeugt eine individuelle Materialität vor Ort.
Bezug auf verwendete Materialien unterliegen
Neben der Möglichkeit einer beliebigen Formzudem vielschichtigen Ansprüchen, die neben
und Farbgebung bietet Beton auch die Gestalden technischen Eigenschaften insbesondere
tung der Oberflächentextur im Außen- und
die Optik und Haptik betreffen. Diese sozialen
Innenraum. Für die visuellen GestaltungsansprüAspekte nachhaltiger Bauwerke können mit Beche gab es in den letzten Jahren zahlreiche
ton auf vielfältige Weise realisiert werden.
technische Weiterentwicklungen, die eine neue
Die Bandbreite der Möglichkeiten reicht von der Optik von Betonbauteilen ermöglichen.
einfachen Tragstruktur aus grobem, schalungsAuch die vielfältigen Möglichkeiten für eine oprauem Beton bis zu geometrisch komplexen Getimierte Zusammensetzung des Baustoffs Beton
bäudeskulpturen mit samtig-glänzenden Oberund die Kombination mit anderen Baumaterialiflächen. Die Einfärbung der Vorsatzschicht und
en als Verbundbaustoff ermöglichen es, eben
die mechanische oder chemische Endbearjene optisch homogenen Räume zu schaffen, die
beitung von Betonoberflächen durch Strahlen,
in der Architektur gewünscht werden. So können
Scharrieren, Brechen, Polieren oder Absäuern
Bauteile aus textilbewehrtem Beton mit wesentsind heute vielfach angewandte Gestaltungslich geringeren Abmessungen hergestellt wermöglichkeiten. Eine Fertigung der Bauteile
den als konventionelle (Stahl-)Betonteile. Sie
im Werk gewährleistet dabei durch konstante
eignen sich auch für gestalterische Aufgaben,
Umgebungsbedingungen und eine intensidie bislang anderen Materialien vorbehalten
ve Qualitätskontrolle in der Regel eine einheitwaren, wie z. B. Innenraumbekleidungen oder
liche Optik.
dünne Fassadenelemente.
Beim ressourcenschonenden Bauen geht es immer auch um Materialeffizienz, die der Baustoff
Multifunktionalität und Anpassungsfähigkeit — Seite 50
Seite 51 — www.beton.org
3 Optimierungspotenziale von
Hochleistungsbetonen
Die Betonindustrie entwickelt Hochleistungsbetone, die unter hohen
Belastungen dauerhaft, rissfest und
korrosionsbeständig sind.
Neue technologische Entwicklungen erweitern
kontinuierlich das Leistungsspektrum des
Baustoffs Beton und ermöglichen es, aktuelle
technische und ästhetische Anforderungen
an Bauwerke zu erfüllen.
Mit hochfesten Betonen oder Hochleistungsbetonen können heute zunehmend schlankere,
leichtere und zugleich frei geformte Bauteilquerschnitte geschaffen werden. Eine geringere
Eigenlast und eine reduzierte Flächeninanspruchnahme der konstruktiven Bauteile spielen dabei
ebenso eine Rolle wie neue gestalterische Möglichkeiten. Gleichzeitig haben Hochleistungsbetone im Vergleich zu normalfesten Betonen aufgrund ihres dichten Gefüges einen höheren
Widerstand gegen physikalische und chemische
Umweltwirkungen und gewährleisten damit eine
höhere Dauerhaftigkeit. Hochleistungsbetone
werden im Geschoss- und Hochhausbau, im Brückenbau, aber beispielsweise auch für OffshoreBauwerke eingesetzt.
Eine Möglichkeit für besonders nachhaltige
Konstruktionen aus Beton ist ultrahochfester
Beton. Er unterscheidet sich von normalfesten
Betonen vor allem durch die Minimierung des
Wasser/Zement-Wertes, den Einsatz hochwirksamer Fließmittel und die optimale Abstimmung
der Korngrößenverteilung von Gesteinskörnungen und Zement. Ein weiterer charakteristischer Unterschied in der Zusammensetzung
im Vergleich zu Normalbeton ist der Zusatz von
Silicastaub, einem Nebenprodukt, das z. B. bei
der Herstellung von Siliciumcarbid anfällt und
durch Erhöhung der Gefügedichte Druckfestig-
keiten von über 100 N/mm2 ermöglicht. Weiterentwicklungen wie ultrahochfeste Betone oder
„reactive powder concrete“ mit Druckfestigkeiten zwischen 150 N/mm2 und 800 N/mm² befinden sich heute bereits in der Erprobungsphase.
Derzeit wird im Rahmen des auf sechs Jahre
angelegten Schwerpunktprogramms 1182 der
Deutschen Forschungsgemeinschaft „Nachhal­
tiges Bauen mit ultrahochfestem Beton“ untersucht, wie das große Potenzial von ultrahochfestem Beton im Bezug auf die Nachhaltigkeit realisiert werden kann. Hierbei spielen sowohl
die Konstruktion als auch die Zusammensetzung
eine wichtige Rolle.
Für eine erhöhte Zugfestigkeit, Schlagfestigkeit
oder Duktilität werden Faserbetone eingesetzt.
Im Bereich des Fassadenbaus lassen sich durch
den Einsatz von Glasfaserbeton Betonbauteile
mit Dicken im Millimeterbereich herstellen. Der
Bewehrungsstahl wird durch Glasfasern ersetzt.
Dadurch wird die aus Gründen des Korrosionsschutzes erforderliche Mindestbetondeckung obsolet. Glasfaserbeton ist ab einem Glasfaseranteil
von 0,4 Vol.-% einsetzbar und trotz extremer
Dünnwandigkeit äußerst dauerhaft. Glasfaserbeton zeigt eine verminderte Rissneigung.
Bei faserverstärkten Betonen erlaubt es der
Einsatz multiaxialer Textilien, die Fasern belastungsoptimiert anzuordnen und so die Durchbiegung und die Rissbildungsneigung deutlich
zu verbessern. Gleichzeitig können durch optimierte Bauteildicken erhebliche Gewichtsreduzierungen erzielt werden.
Dies wirkt sich auch positiv auf die Vorfertigung
aus, da so Transportkosten minimiert werden
können und die Verarbeitung auf der Baustelle
erleichtert wird.
Multifunktionalität und Anpassungsfähigkeit — Seite 52
Seite 53 — www.beton.org
4 Neue Betone mit Spezialeigenschaften
Von selbstverdichtenden Betonen bis
zum „Lotus-Effekt“: Moderne BetonTechnologie bereichert die Bauwelt
mit spezialisierten Eigenschaften.
metrien ohne Fehlstellen zu füllen und zugleich
die Lärmbelastung auf Baustellen und in Fertigteilwerken erheblich zu reduzieren. Neben der
konstruktiven Anwendung des Baustoffes sind
leicht- und selbstverdichtende Betone insbeDerzeit in der Entwicklung befinden sich auch
sondere auch für Sichtbetonbauteile mit besonSpezialbetone, z. B. sogenannte Isolationsbetone
ders hohen Ansprüchen an die Optik geeignet.
oder selbstreinigende Betone. Isolationsbetone
Zur Herstellung selbstreinigender Betone könsind Leichtbetone. Sie werden unter Verwendung besonders leichter Gesteinskörnungen wie nen entweder superhydrophobe – stark wasserabweisende – Oberflächen oder superhydroBlähton, Blähglas oder Glasschaum hergestellt,
um leichte, monolithische Betonbauteile mit sehr phile – stark wasseranziehende – Oberflächen
in Verbindung mit einer noppenartigen, schmutzgeringen U-Werten zu produzieren. Sie bieten
abweisenden Mikrostruktur hergestellt werden.
eine richtungweisende und zukunftsfähige AlDabei hat sich das superhydrophile System, das
ternative zu mehrschaligen Wandaufbauten in
Sichtbetonqualität und erlauben es, die Anforde- der Oberflächenbeschaffenheit eines Blattes
entspricht und auch als Lotus-Effekt bezeichnet
rungen an Standsicherheit, Oberflächengestaltung, Wärme- und Schallschutz in einer robusten wird, als besonders vorteilhaft erwiesen. Die
Betonoberfläche wird durch den Einsatz von
einschaligen Bauweise zu vereinen.
photokatalytisch wirksamen Metalloxiden oder
Zur Erstellung von homogenen, porenfreien
-sulfiden direkt im Beton oder durch die VerOberflächen, insbesondere bei Bauwerken mit
wendung entsprechender Zemente modifiziert.
einer anspruchsvollen Geometrie, werden auch
Diese chemischen Stoffe entfalten unter dem
heute schon leicht- und selbstverdichtende BeEinfluss von Licht eine reinigende, schadstoff­
tone (LVB/SVB) eingesetzt. Durch die Wirkung
zersetzende Wirkung, die auch bei Abnutzung
der Schwerkraft entlüftet der Beton selbständig,
der obersten Schicht noch wirksam ist und
ohne gerüttelt zu werden. Leichtverdichtende Beden Erhalt der selbstreinigenden Funktion des
tone ermöglichen es, komplexe SchalungsgeoBetons gewährleistet.
Multifunktionalität und Anpassungsfähigkeit — Seite 54
Seite 55 — www.beton.org
Ergebnis:
Beton ermöglicht
nachhaltige Lösungen
Auf ganz unterschiedliche Weisen kann der Baustoff Beton dazu beitragen,
zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen.
Nachhaltiges Bauen mit Beton verfolgt das Ziel,
auch zukünftigen Generationen eine intakte
und lebenswerte Umwelt zur Verfügung zu stellen. Um dieses Ziel zu erreichen, dürfen die
natürlichen Lebensgrundlagen nicht übernutzt
werden. Gleichzeitig ist es erforderlich, durch
maßvolle Veränderung der gebauten Umwelt dem
offensichtlichen Bedürfniswandel – z. B. durch
demographische Entwicklung, Klimawandel, gestiegene Mobilität und die Nachfrage nach erneuerbaren Energien – Rechnung zu tragen. Es
ist keineswegs einfach, zwischen diesen konkurrierenden Zielen abzuwägen und eine zukunftsorientierte Entscheidung zu treffen. Die Aufgabe
wird jedoch durch Bewertungsverfahren erleichtert, die in den letzten Jahren immer weiter
verfeinert worden sind.
Bilanzierungsmethoden ermöglichen nicht nur
eine Deklaration der ökologischen Eigenschaften
von Baustoffen zur Information der Anwender,
sie werden auch innerhalb der Baustoffindustrie
eingesetzt, um die mit der Gewinnung von
Rohstoffen und der Baustoffproduktion verbundenen Umweltwirkungen weiter zu verringern.
Sinnvoll sind Nachhaltigkeitsbewertungen, wenn
die Analyse den ganzen Lebenszyklus von Bauwerken einbezieht und alle drei Dimensionen
der Nachhaltigkeit untersucht, so dass ein Variantenvergleich, unter Einsatz unterschiedlicher
Baustoffe, ermöglicht wird. Führt man eine solche
Lebenszyklusanalyse durch, stellt man fest,
dass der Baustoff Beton durch Verwendung von
Sekundärstoffen bei der Zementherstellung
und Betonrecycling nicht nur hervorragende
Ergebnis — Seite 56
Umwelteigenschaften aufweist. Natürliche Dauerhaftigkeit, vorteilhafte statisch-konstruktive
und bauphysikalische Eigenschaften, vielfältige
gestalterische Möglichkeiten und Wirtschaftlichkeit sorgen dafür, dass Bauwerke aus Beton
nachhaltig im Sinne aller drei Dimensionen –
Ökologie, Ökonomie und Soziales – sind.
tigen Bauen beitragen kann, zeigen die in dieser
Broschüre enthaltenen Beispiele. Gerade weil bei
diesen Projekten nicht einseitig die ökologische
Dimension im Vordergrund der Betrachtungen
stand, erfahren die Bauwerke gesellschaftliche
Akzeptanz, erfüllen die wirtschaftlichen Anforderungen sowohl bei der Errichtung als auch im
Betrieb und beschränken zugleich den Ressourcenverbrauch auf das notwendige Mindestmaß.
Festzuhalten bleibt auch, dass es beim nachhaltigen Bauen immer um die beste Lösung für eine
konkrete Aufgabe geht. Schematische VergleiNachhaltiges Bauen mit Beton bedeutet also vor
che auf der Basis weniger ökologischer Baustoff- allem, die vielfältigen Potenziale des Baustoffs
parameter führen kaum zu aussagekräftigen
zu nutzen, oder kurz gesagt:
Ergebnissen. Vielmehr ist die materialgerechte
Verwendung von Baustoffen Grundlage für eine
nachhaltige Nutzung der daraus erstellten Bauwerke. Dass der Einsatz von Beton als Baustoff
auf ganz unterschiedliche Weise zum nachhal-
Es kommt drauf an,
was man draus macht.
Seite 57 — www.beton.org
Referenzgebäude
Im folgenden Abschnitt werden Projekte vorgestellt, von denen jedes Einzelne als ein Beispiel
für nachhaltiges Bauen mit Beton steht. Durch
individuellen und kreativen Umgang mit dem
Baustoff Beton setzen die vorgestellten Gebäude Schwerpunkte im Bereich einer oder mehrerer
Dimensionen der Nachhaltigkeit. Sie zeigen,
dass Nachhaltigkeit nicht Theorie bleiben muss,
sondern durch gelungene Bauwerke realisiert
werden kann.
len sowie unter technischen, prozess- und
standortbezogenen Aspekten betrachtet.
Gleichzeitig wurde darauf geachtet, den gesamten Lebenszyklus von der Planung und Erstel­lung über Betrieb und Nutzung bis zum Erhalt
bzw. Rückbau zu berücksichtigen. Hauptmerkmale der Beispielobjekte sind ein geringer Energie- und Trinkwasserbedarf, niedrige Kosten
im Lebenszyklus der Gebäude, hohe Dauerhaftigkeit und Flächeneffizienz sowie Möglichkeiten
der Umnutzung. Aspekte zum Recycling von
Zur Beurteilung der Beispielbauten wurden in
Bauteilen und Baustoffen, zu Barrierefreiheit,
erster Linie die Methodik des Normentwurfs
Schallschutz und Akustik, Standortmerkmalen
DIN EN 15643-1 sowie der Kriterienkatalog des
und Planungsaspekten sind ebenfalls berückBMVBS herangezogen. Primär werden in diesen
sichtigt worden.
Regelwerken die Kriterien für nachhaltiges Bauen unter ökologischen, ökonomischen und sozia-
Referenzgebäude — Seite 58
1 W
ohn- und Geschäftshaus –
„Estradenhaus“ Berlin
OBJEKTDATEN IM ÜBERBLICK
Objekt: Wohnhaus in Berlin
Architekt: Wolfram Popp, Berlin
Bauherr: no.ema Projektgesellschaft mbH
Nutzungsart: Wohn- und Geschäftshaus
BGF: ca. 1.600 m2
Bauzeit: 1996 – 1998 (erstes Haus) und
1999 – 2001 (zweites Haus)
BAUBESCHREIBUNG
Das Estradenhaus wurde von dem Architekten Wolfram Popp als Wohn- und Geschäftshaus Ende der 1990er Jahre konzipiert. Auf zwei nebeneinander liegenden Grundstücken in
Berlin-Prenzlauer Berg wurden zwei siebengeschossige Häuser mit dem gleichen architektonischen Konzept realisiert, jeweils mit Miet- und Eigentumswohnungen. In jedem der als
Zweispänner organisierten Häuser sind zehn Wohnungen, zwei Büros und ein Laden untergebracht. Beide Häuser reihen sich in die umliegende Blockrandbebauung als Vorderhäuser
ein und bilden auf der Rückseite zusammen mit den Nachbarhäusern einen Innenhof.
FLEXIBLE NUTZUNG UND PARTIZIPATIVE ELEMENTE
Ein freier Grundriss zeichnet alle Wohnungen aus. Sie werden über einen zentralen Treppenhauskern mit Aufzugs- und Versorgungsschacht erschlossen. Zu beiden Seiten des
Kerns erstrecken sich die Wohnungen, die frei von tragenden Wänden sind. Dadurch stellt
sich nicht nur eine Loftatmosphäre ein, sondern auch der Anteil der Konstruktionsfläche an
der Bruttogeschossfläche konnte auf ein Minimum reduziert werden. Bei Bedarf können
allerdings speziell entworfene Lamellen-Wandelemente als Raumteiler eingesetzt werden.
Diese verschwinden im ungenutzten Zustand an der inneren Längsseite der Wohnung und
können bei Bedarf mit einem Dreh- und Schiebemechanismus an Schienen in Fußboden
und Decke als Wände oder Raumteiler fixiert werden. Bei geschlossenen Raumsituationen
ist sogar ein schalldichter Raumabschluss gewährleistet. Neben der Flexibilität hat der Verzicht auf starre Trennwände die Rohbaukosten um ca. 25 % im Vergleich zu Standardwohngebäuden verringert.
Durch das vom Architekten in Zusammenarbeit mit den Mietern entwickelte Konzept der
Lamellenwände wurde eine hohe Akzeptanz durch die Bewohner erreicht. Zudem passt
sich der Grundriss dank flexibler Raumaufteilung an die Bedürfnisse der Bewohner an. Die
Wohnzufriedenheit bleibt also auch bei Bedürfniswandel oder Mieterwechsel erhalten und
sichert langfristig die Akzeptanz der Immobilie am Markt. Die kalkulatorische Lebensdauer
der Immobilie beträgt ca. 100 Jahre.
Seite 59 — www.beton.org
DAUERHAFTE UND WARTUNGSARME MATERIALIEN
Dies spiegelt auch die Langlebigkeit der für den Innenausbau gewählten Materialien wider.
Die Decken sind in Sichtbeton ausgeführt, der weder aufwändig gereinigt noch turnusmäßig
farbig beschichtet werden muss. Als Fußboden dienen mit Epoxidharz versiegelte Estriche,
die nicht nur langlebig und robust sind, sondern sich auch durch geringen Reinigungsaufwand auszeichnen.
Zur Straße hin öffnen sich die Wohnungen mit einer verglasten Fassade, die durch Schiebetüren zu einem vorgesetzten Balkon vollständig geöffnet werden können. Als besondere
Zwischenzone zwischen Wohnung und Balkon zieht sich ein 40 cm hoher und 1,80 m tiefer
Stahlbetonunterzug, die sogenannte Estrade, über die gesamte Breite der Wohnungen.
Diese fungiert als individuell bespielbare Zwischenzone zwischen Außen- und Innenraum.
Durch diese Kombination von Glasfassaden und einem offenen Wohnungsgrundriss ist
eine natürliche Belichtung und Belüftung in der gesamten Wohnung stets vorhanden.
Details wie transluzente Türen unterstützen das architektonische Konzept, die gewählten
Materialien die ökologische Dimension des Gebäudes. Auch lässt sich das Fassadenglas
ohne großen Aufwand reinigen, denn die Fensterflächen sind von den Balkonen und den
Estradenbereichen auf jeder Etage individuell gut zu erreichen. Die Balkonbrüstungen, die
aus einem blickdichten Metallgewebe gefertigt sind, bedürfen nahezu gar keiner Reinigung,
Vorfertigung und Akzeptanz.
Abbildung 17 — Grundrissvariationen / © Wolfram Popp
Referenzgebäude — Seite 60
NACHHALTIGKEITSKONZEPT
Die Gebäudekonzeption in Kombination mit den gewählten Materialien für Konstruktion und
Ausbau zeigt einen Lösungsansatz für einen nachhaltigen innerstädtischen Wohnungsbau.
Der Baustoff Beton unterstützt das architektonische Konzept insbesondere durch die weitgespannten Spannbetonhohldecken, die den offenen Grundriss erst ermöglichen und darüber
hinaus durch Serienfertigung eine hohe Wirtschaftlichkeit aufweisen. Durch den Einsatz
vorgefertigter Bauteile ist zwar die Planungszeit verlängert worden, die Bauzeit und die
Kosten für die Errichtung des Gebäudes vor Ort konnten jedoch erheblich minimiert werden. Auch im Bereich des Ausbaus und der Fassade wurden vorgefertigte Bauteile eingesetzt, die gleichsam zu einem Regal zusammengesteckt worden sind. Dieses für die
Estradenhäuser entwickelte architektonische Konzept eines Regals, das aus weitestgehend in ihrer natürlichen Materialität belassenen Baustoffen besteht und beliebig „bestückt“ werden kann, wurde insbesondere durch die industrielle Vorfertigung kostengünstig
und ressourcenschonend realisiert.
In der mittlerweile etwa zehnjährigen Nutzungszeit hat sich gezeigt, dass das Konzept auf
Nachfrage am Markt trifft und von den Nutzern in hohem Maße akzeptiert wird. In der soziokulturellen und funktionellen Nachhaltigkeitsbewertung beeinflussten diese Maßnah­men vor allem die Bewertung der Kriterien „Flächeneffizienz“ und „Umnutzbarkeit“ positiv.
Wobei die Adaptivität sowohl während der Nutzungszeit als auch in Bezug auf die Neunutzung und die bauliche Anpassung – ein Wohnraum kann beispielsweise in eine Büronutzung verändert werden – gegeben ist. Die unmittelbare Einflussnahme des Nutzers trägt
hier zu einer nachweisbar hohen Akzeptanz des Gebäudes bei. In der ökonomischen und
ökologischen Bewertung wirken sich der Einsatz von vorgefertigten Bauteilen und der ressourcenschonende Materialeinsatz positiv aus. Zudem trägt die Flexibilität in der Nutzung
zum Werterhalt des Gebäudes bei. Darüber hinaus beeinflusst auch die Fassadengestaltung mit den auskragenden Balkonen die ökonomische und ökologische Dimension. Diese
gewährleisten durch natürliche Verschattung zusammen mit der Speicherfähigkeit der
Betonbauteile den sommerlichen Wärmeschutz und erfordern nur ein geringes Maß
an Instandhaltungs- und Reinigungsaufwand.
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Abbildung 18 — Straßenansicht / © Stefan Meyer
Referenzgebäude — Seite 62
Abbildung 19 — Szenarios Innenraum und Balkonsituation / © Wolfram Popp
Seite 63 — www.beton.org
2 W
irtschaftshochbau –
Verwaltungsgebäude E.ON Zolling
OBJEKTDATEN IM ÜBERBLICK
Objekt: Verwaltungsgebäude
Kraftwerk Zolling
Architekt: Boesel Benkert Hohberg
Architekten, München
Bauherr: E.ON Kraftwerke GmbH,
Kraftwerksgruppe Süd
Nutzungsart: Büroräume, Kraftwerksarchiv,
Werksfeuerwehr mit Fahrzeuggarage
BGF: ca. 2.500 m2
BRI: ca. 10.500 m3
Bauzeit: 2007 – 2008
Baukosten: 4,5 Mio. EUR
BAUBESCHREIBUNG
Das Gebäude wurde zwischen 2007 und 2008 auf dem Gelände des Kohle- und BiomasseKraftwerks des Energiekonzerns E.ON in Zolling bei München als zentraler Bau der Kraftwerksverwaltung errichtet. Das Verwaltungsgebäude dient außerdem der Unterbringung
einer werkseigenen Feuerwehr sowie eines Werksarchivs. Eine zu hohe Emissionsbelastung des bisherigen Verwaltungsgebäudes und Erweiterungen des Kraftwerkes machten
einen Neubau und eine Vergrößerung der Werksfeuerwehr notwendig.
Abbildung 20 a — © Boesel Benkert Hohberg Architekten
Referenzgebäude — Seite 64
FORM UND FUNKTION
In den Planungen des Büros Boesel Benkert Hohberg Architekten stellte die Energieeffizienz des Gebäudes durch optimale Nutzung von Sonnenstrahlung einen zentralen Entwurfsaspekt dar. Sowohl der Standort des Verwaltungsgebäudes auf dem Werksgelände als
auch die Form des Gebäudes wurden von diesem leitenden Entwurfsgedanken geprägt.
Die Position des Baus orientierte sich an den riesigen, Schatten werfenden Bauten des
Kühlturms und des Werkblocks 5. Zwischen diesen beiden Bauvolumen sollte das Verwaltungsgebäude noch möglichst viel Tageslicht nutzen können. Weiterhin wurden die Fassaden des Baus um 26 Grad in Richtung Süden gekippt, so dass selbst die Nordfassade
durch großzügige Fensterflächen solare Wärmegewinne erzielen kann. Ein Atrium, das sich
durch sämtliche Geschosse bis zum Dach durchzieht, lässt durch seine ebenfalls nach
Norden ausgerichteten Oberlichter Tageslicht einfallen und verringert den Strombedarf zur
Beleuchtung des Gebäudes. Auf der Südseite der Fassade dagegen wird die Solarstrahlung
von den Fenstern reflektiert und eine Überhitzung der Innenräume vermieden. Aufgrund
dieser besonderen Form des Baus erhalten alle Innenräume ein Maximum an indirekter Sonnenbelichtung. Es gibt keinen Aufenthaltsraum, der nicht über natürliche Belichtung und
natürliche Belüftung verfügt. Die ausgeklügelte Gebäudeform trägt also zu einer natürlichen
Klimatisierung und Belichtung ganz ohne jeglichen Energieaufwand bei.
Die Form des Gebäudes dient jedoch nicht nur der Energieeffizienz. Das vertikale „Kippen“
des Gebäudes führt im Inneren zu versetzten Geschossen auf beiden Seiten des Atriums.
Balustradengänge, die sich zu beiden Seiten des Atriums öffnen, dienen der Etagenerschließung und Kommunikation der Mitarbeiter. Spezielle Anker in der Fassade halten die
Reinigungskosten der Fassade gering.
Für die Konstruktion dieser vorteilhaften Gebäudeform hat sich die Flexibilität des Baustoffs
Beton als besonders geeignet erwiesen. Zwei Erschließungsschächte, die ebenfalls um
26 Grad geneigt sind und in denen Fahrstühle für Barrierefreiheit in allen Etagen sorgen,
tragen die Hauptlasten des Gebäudes ab. Die Geschossdecken aus Ortbeton mit einem
Z-förmigen Querschnitt spannen in Längsrichtung und tragen als Faltwerk, so dass der
Grundriss stützenfrei bleiben konnte. Somit wurde der Anteil tragender Bauteile an der
Bruttogeschossfläche auf weniger als 5 % begrenzt. Zudem ist ein Grundriss entstanden,
der es bei Bedarf erlaubt, die Büros zu vergrößern oder zu verkleinern.
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MATERIAL UND FUNKTION
Ein besonders nachhaltiger Aspekt des Gebäudes im Hinblick auf den Baustoff Beton
besteht darin, dass die Architekten sich die materialspezifischen Eigenschaften gezielt zunutze gemacht haben, um Energie zu sparen und somit Ressourcen zu schonen: Das Innere
des Gebäudes wurde fast ausschließlich aus Sichtbeton gestaltet. Auf diese Weise konnte
der Beton als Kühl- und Heizmedium eingesetzt werden, da in die Betondecken eine Bauteilaktivierung integriert wurde, die mit gespeicherter Nachtwärme arbeitet. Auch das Heizsystem ist in die Betondecken integriert und wird ausschließlich durch kraftwerkseigene
Fernwärme aus Kraft-Wärme-Kopplung gespeist. Das Heiz- und Kühlsystem ist von den
Mitarbeitern individuell regulierbar. Weiterer Vorteil von Sichtbeton im Innenausbau sind der
Verzicht auf Ausbaumaterialien sowie der geringe Instandhaltungsaufwand: Die Wände
müssen auch nach Jahren weder neu verputzt noch gestrichen werden, was Ressourcen
schont und den Kostenaufwand minimiert.
Aus raumakustischen Gründen wurde im Innenausbau allerdings nicht ausschließlich Sichtbeton verwendet: Trennwände und Fußböden sind aus schallabsorbierenden Materialien
gefertigt und sorgen somit für eine angenehm gedämpfte Geräuschkulisse.
TECHNISCHE ANLAGEN UND KOSTEN
Auch die technische Infrastruktur des Gebäudes trägt zur Nachhaltigkeit bei. Aufgrund der
hohen Energieeffizienz konnte auf den Einsatz komplizierter Technologien verzichtet werden. Zudem befinden sich die technischen Anlagen an zentraler Stelle im Treppenhaus. So
können Flächen optimal genutzt werden. Instandhaltungskosten der Haustechnik werden
über den gesamten Lebenszyklus minimiert.
Abbildung 20 b — Systemzeichnungen / © Boesel Benkert Hohberg Architekten
Referenzgebäude — Seite 66
Abbildung 21 — Umgebungssituation / © Boesel Benkert Hohberg Architekten
Abbildung 22 — Innenräume / © Boesel Benkert Hohberg Architekten
Seite 67 — www.beton.org
3 R
evitalisierung eines innerstädtischen
Bürogebäudes als Beispiel für
nachhaltigen Wirtschaftshochbau –
maxCologne, Köln
OBJEKTDATEN IM ÜBERBLICK
Objekt: maxCologne, Köln
Architekt: HPP - Hentrich Petschnigg &
Partner GmbH + Co. KG, Köln
Bauherr: Warburg - Henderson
Kapitalanlagegesellschaft für Immobilien
mbH für einen Spezialfonds der Rheinischen
Versorgungskassen
Bauherrenvertretung: HIH Hamburgische
Immobilien Handlung GmbH
Projektentwickler: Hochtief Projektentwicklungs GmbH, Köln
Nutzungsart: Büro- und Verwaltungsgebäude
MF: 46.000 m2
Bauzeit: 2012 (geplante Fertigstellung)
Nachhaltigkeits-Zertifikat: DGNBVorzertifikat in Gold
BAUBESCHREIBUNG
In direkter Kölner Rheinlage, begrenzt von Deutzer Brücke, Mindener Straße und Kennedyufer, steht das ehemalige „Lufthansa-Gebäude“, ein im Jahr 1969 errichtetes Hochhaus,
das 1978 um eine Riegelbebauung erweitert worden ist. Nach über 30-jähriger Nutzung als
Konzernzentrale der Lufthansa wird das Bauwerk umfassend revitalisiert und einer neuen
Nutzung als Bürogebäude mit dem Namen maxCologne zugeführt. Die Bewertung der
Nachhaltigkeit der Revitalisierungsmaßnahme basiert auf einer Lebenszyklusanalyse gemäß den Kriterien des deutschen Gütesiegels „Nachhaltiges Bauen“. Ziel der Maßnahmen
ist es, ein dauerhaft energieeffizientes und wirtschaftliches Gebäude zu erstellen.
REVITALISIERUNG
Mit dem Konzept der Revitalisierung werden mehrere Ziele erreicht. Einerseits verbessert
sich die städtebauliche Situation durch eine klare Gestaltung des dem Rhein zugewandten
Gebäudes, den Rheinetagen. Darüber hinaus entsteht durch Rückbau der oberirdischen
Geschosse des Sockelgebäudes ein öffentlicher Platz mit Blickachsen zum benachbarten
Kloster St. Heribert und zur linksrheinisch gelegenen Altstadt und zum Dom. In der Nachhaltigkeitsbewertung sind diese Maßnahmen dem Bereich der soziokulturellen und funktionalen
Qualität zuzuordnen. Insbesondere die Kriterien „öffentliche Zugänglichkeit“ und „Dachgestaltung“ werden in vorbildlicher Weise erfüllt. Ein weiterer wichtiger Aspekt im Bereich der
soziokulturellen Qualität ist die Sicherung der gestalterischen und städtebaulichen Qualität,
die im vorliegenden Fall mit Hilfe eines beschränkten Wettbewerbs (Einladungswettbewerb)
gewährleistet wurde. In der Begründung des Preisgerichts unter Vorsitz von Prof. Wolfgang
Döring heißt es dazu: „Der Entwurf schafft es, den Baukörper insgesamt zu verklaren und
dennoch seine Einheit zu belassen.“
Referenzgebäude — Seite 68
NACHHALTIGKEITSKONZEPT
Das Bauwerk selbst erfährt im Rahmen der Revitalisierung eine weitgehende Umgestaltung
der Grundrisse. Damit werden nicht nur die bisher außen liegenden Treppenhauskerne
umbaut und in das Gebäudeinnere integriert, es werden auch Möglichkeiten zur flexiblen
Grundrissgestaltung geschaffen. Zukünftig erlauben flexible Grundrisse verschiedene Varianten der Aufteilung im Innern: Die Fläche einer Etage lässt sich in mehrere, gleichwertige
Mieteinheiten gliedern oder zu einer Mieteinheit verbinden. Eine Raumstruktur mit geräumigen Zellenbüros lässt sich damit ebenso umsetzen wie Kombibüros oder ein Großraumbüro über eine komplette Etage. In der soziokulturellen bzw. funktionellen Nachhaltigkeitsbewertung beeinflussten diese Maßnahmen vor allem die Bewertung der Kriterien
„Flächeneffizienz“ und „Umnutzbarkeit“ positiv. Darüber hinaus spielt die flexible Grundrissgestaltung mit Hilfe weitgespannter Betondecken auch bei der Wirtschaftlichkeit eine
Rolle, weil Drittverwendungsfähigkeit und damit Wertstabilität verbessert werden.
Die neue Fassade und die Haustechnik sind so gewählt, dass sie in Verbindung mit der
bestehenden Tragkonstruktion aus Beton ein nachhaltiges Energiekonzept ermöglichen.
Das bedeutet nicht nur, die Anforderungen an die bauphysikalischen Kriterien (soziokulturelle und funktionale Aspekte) zu erfüllen, sondern darüber hinaus auch den thermischen
Komfort der Nutzer sowohl im Sommer als auch im Winter ohne aufwändige maschinelle
Klimatisierung zu gewährleisten. Zwei Brunnen erschließen das Grundwasser als Energiespeicher, so dass im Sommer und im Winter die Innenräume zugluftfrei über Heiz-Kühl-Decken temperiert werden können. Dies trägt zur Verringerung des Primärenergiebedarfs aus
nicht erneuerbaren Quellen bei. Zudem ermöglicht ein großer Anteil transparenter Fassadenflächen die unterstützende natürliche Belüftung und die Nutzung solarer Wärmegewinne. Trotzdem ist aufgrund der zweischaligen Konstruktion auch im Hochhaus eine
Fensterlüftung nach den Bedürfnissen der Nutzer möglich.
Besonders vorteilhaft auf die Bewertung der ökologischen Dimension des Gebäudes wirkt
sich die Tatsache aus, dass trotz veränderter Nutzeranforderungen die Tragstruktur des
Bauwerks weitergenutzt werden kann. Die aus den 1970er Jahren stammende Betonkonstruktion ist ausreichend robust, um die geforderten Nutzlasten abzutragen, und bietet
zugleich die Möglichkeit, zeitgemäße Anlagen zur Raumtemperierung und Kommunikationseinrichtungen zu installieren. Dies schlägt sich in erster Linie im Bereich der ökologischen
Bewertung nieder und beeinflusst den Wert für das vom Gebäude ausgehende Treibhauspotenzial günstig. Allerdings differenziert das Bewertungssystem beim Kriterium Treibhauspotenzial noch nicht zwischen Anforderungswerten für die Erstellung und den Betrieb
des Gebäudes. Der Bewertung liegt ein Referenzwert von 57 [kg CO2Äqu./(m2NGFa)]
zugrunde, der zu 75 % aus dem Betrieb und zu 25 % aus der Errichtung resultiert.
In der nachfolgenden Abbildung ist das Ergebnis der Nachhaltigkeitsbewertung in Form
des erteilten Vorzertifikats dargestellt. Es lässt sich erkennen, dass die materialgerechte
Nutzung bzw. Weiternutzung des Baustoffs Beton in vielen Bereichen auch quantitativ
erfasst werden kann, so dass der Beitrag des Baustoffs zur Nachhaltigkeit des Gebäudes
deutlich wird.
Seite 69 — www.beton.org
Abbildung 23 —
Erschließung der Gebäude durch einen öffentlichen
Platz nach Rückbau der Sockelgeschosse /
© Hochtief Projektentwicklungs GmbH
Abbildung 24 —
Die neue Fassade ist so gewählt, dass sie in Verbindung mit der bestehenden Tragkonstruktion aus
Beton ein nachhaltiges Energiekonzept ermöglicht /
© Hochtief Projektentwicklungs GmbH
Abbildung 25 — Heiz-Kühl-Decken gewährleisten Aufenthaltsqualität, Energieeffizienz und thermische Behaglichkeit /
© Hochtief Projektentwicklungs GmbH
Referenzgebäude — Seite 70
Abbildung 26 —
Ergebnis der Nachhaltigkeitsbewertung anhand der
Kriterien des DGNB-Zertifizierungssystems.
Kriterien s. Anhang Seite 82.
Seite 71 — www.beton.org
4 Um-/Neunutzung Sonderbauwerk –
Wohnhaus UND Sammlung Boros in Berlin
OBJEKTDATEN IM ÜBERBLICK
Objekt: Wohnhaus und Sammlung Boros
Architekt: Realarchitektur, Jens Casper,
Petra Petersson, Andrew Strickland, Berlin
Bauherr: Christian Boros und Karen Lohmann
Nutzungsart: Galerie und Wohnhaus
NF: ca. 2.500 m2 Nutzfläche Sammlungsräume, ca. 450 m2 Wohnfläche
BRI: ca. 16.500 m3 BRI bestehendes
Gebäude, ca. 2.500 m3 BRI Wohnung
Bauzeit: Baubeginn 2004, Fertigstellung
Wohnhaus 12/2007, Eröffnung Sammlung
4/2008
Preisträger Architekturpreis Beton 2008
BAUBESCHREIBUNG
Der Bau liegt unweit des Bahnhofs Friedrichstraße in Berlin-Mitte und wurde dort ursprünglich als Luftschutzbunker für Bahnreisende im Jahre 1942 erbaut. Nach dem zweiten
Weltkrieg wurde das massive Betongebäude als Gemüselager genutzt, diente nach dem
Mauerfall als Club und wurde 2003 von dem Kunstsammler Christian Boros gekauft, der
dort Teile seiner Kunstsammlung erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat
und einen Teil des Bauwerkes als Wohnsitz nutzt. Im Jahre 2003 beauftragte Christian
Boros das Architekturbüro Realarchitektur mit den Planungen für den unter Denkmalschutz
stehenden Bunkerbau.
Das Konzept von Realarchitektur basiert auf der Aufstockung des Bunkers durch einen eingeschossigen Wohnbau, wobei die Kunstsammlung im ehemaligen Bunker untergebracht
ist. In dem Bunker wurden lediglich geringfügige Veränderungen vorgenommen: Teilweise
wurden die Decken durchbrochen und die Wände entfernt, um die Räume zugunsten der
Wirkung der Kunstwerke zu öffnen. Der Wohnbungalow wurde in Ortbetonbauweise aus
Sichtbeton mit einer Glasfassade in Pfosten-Riegel-Konstruktion projektiert. Über eine
in den Bunker eingefügte Aufzug- und Treppenanlage wird der Wohnbereich erschlossen,
wofür die 3 m starke Decke durchbrochen wurde.
UMNUTZUNG
Als zentraler Nachhaltigkeitsaspekt steht neben der langfristigen Sicherung des Denkmals
durch Neunutzung die bewusste Entscheidung zur Umnutzung eines sehr massiven Betonbaus im Vordergrund. Dieser eignet sich auf den ersten Blick denkbar schlecht für eine
Folgenutzung, da er den Inbegriff einer Single-use-Immobilie darstellt. Aufgrund statischer
Schwierigkeiten konnte die innere Struktur des Bunkers nur geringfügig verändert werden.
Die vorhandene Bausubstanz wurde aber so geschickt genutzt, dass auf einen energieund kostenaufwändigen Abriss verzichtet werden konnte. Auch wenn der Bau in Zukunft
eventuell nicht mehr privat genutzt wird, gewährleistet die Massivität des Bunkers – der Anteil konstruktiver Elemente zum Bruttorauminhalt beträgt 46 % – eine langfristige Nutzung
des Bunkergebäudes als Ausstellungsraum. Im Gegensatz dazu ist die Privatwohnung offen
für Umnutzungen. Auch wenn die Drittverwendungsfähigkeit nicht in den Planungsprozess
einbezogen wurde, da der Bauherr eine langfristige Nutzung als Wohngebäude plant, so
könnte das Dachgeschoss als Bar oder Büros nachgenutzt werden.
Referenzgebäude — Seite 72
MATERIALIEN
Besonderer Wert wurde bei dem Umbau auf werthaltige und regionale Materialien gelegt.
In Anlehnung an die Materialität des Bunkers wurde im Wohnbereich mit Sichtbeton gearbeitet, der allerdings nicht nur ästhetische Qualitäten bietet, sondern sich auch gut als Speichermasse eignet und so energiesparend zu einem ausgeglichenen Raumklima beiträgt.
Der Boden des Wohnhauses ist aus Muschelkalk gefertigt, für das eingebaute Mobiliar
wurde Eichenholz verwendet.
RAUMKLIMA
Aus Denkmalschutzgründen und aufgrund der „Lagernutzung“ ist eine nachträgliche
Wärmedämmung nicht erforderlich. Der eigentliche Bunker mit seinen bis zu 1,80 m dicken
Betonwänden stellt im Sinne der Energieeinsparverordnung einen unbeheizten Keller mit
sehr großer Speichermasse dar. Eine Wärmedämmung wurde lediglich zwischen dem
Bunkerdach und dem Wohnbereich eingebracht. Darüber hinaus ist das Wohnhausdach mit
einer Wärmedämmung von mindestens 20 cm versehen. Auch das Fassadenglas bietet
mit einem U-Wert von 1,1 [kWh/(m²*K)] einen ausgezeichneten Wärmeschutz. Im Sommer
tragen zudem das weit über den Innenraum des Wohnbereiches auskragende Betondach
und verschiebbare Sonnenschutzelemente zu natürlicher Klimatisierung durch Verschattung bei. Außerdem besteht in jedem Raum des Wohnhauses die Möglichkeit der natür­
lichen Belichtung und Belüftung, was energiesparend zu einem angenehmen Raumklima
beiträgt.
Besondere Schallschutzmaßnahmen wurden nicht ergriffen. Lediglich im Wohnbereich
wurde die Fassadendichtung an die Ergebnisse einer Lärmkartierung angepasst. Anforderungen an den Schallschutz im eigenen Wohnbereich wurden nicht gestellt und im Bunker
selbst herrscht ohnehin Stille.
TECHNISCHE ANLAGEN
Zur ökonomischen Nachhaltigkeit trägt die Verortung der technischen Anlagen bei. Sie sind
im obersten Kellergeschoss, also dem obersten Geschoss des Bunkers, untergebracht und
bei Wartungsbedarf einfach zu erreichen. Außerdem sind die Versorgungsleitungen nicht
einbetoniert, sondern in Vorsatzinstallationen geführt.
Seite 73 — www.beton.org
Abbildung 27 — © Realarchitektur
Referenzgebäude — Seite 74
Abbildung 28 — Kunstobjekt von Santiago Sierra / © NOSHE
Mit freundlicher Genehmigung der Aboros Foundation Gemeinnützige GmbH
Abbildung 29 — Außenansicht Bunker / © NOSHE
Mit freundlicher Genehmigung der Aboros Foundation Gemeinnützige GmbH
Seite 75 — www.beton.org
5 W
ohnbebauung an einem
problembelasteten Standort –
Wohnbebauung Mittlerer Ring, München
OBJEKTDATEN IM ÜBERBLICK
Architekt: Léon Wohlhage Wernik
Architekten, Berlin
Bauherr: Bayerischer Versorgungsverband, vertreten durch die Bayerische
Versorgungskammer
Nutzungsart: Mehrfamilienhaus
Schallschutz: Müller-BBM, Planegg
Freiraumplanung: Thomanek+Duquesnoy,
Berlin
BGF: 12.250 m2
BRI: ca. 35.831 m3
Bauzeit: 2007 – 2009
Legende
1Gartenhof
2Eingangshof
3Flur
4 Wohnung |
5 Wohnung ||
6 Wohnung |||
7 Wohnung |V
8 Glaswand als Schallschutz
Abbildung 30 — Regelgeschoss /
© Léon Wohlhage Wernik Architekten
Referenzgebäude — Seite 76
Abbildung 31 — Luftbild mit Blick auf Richard-Strauss-Straße / © Léon Wohlhage Wernik Architekten,
Foto © Christian Richters
Abbildung 32 — Ansicht Richard-Strauss-Straße / © Léon Wohlhage Wernik Architekten, Foto © Christian Richters
Seite 77 — www.beton.org
BAUBESCHREIBUNG
An dem vielbefahrenen Mittleren Ring in München sollten Wohnungen als Schallschutzbebauung konzipiert werden. In einem einstufigen Realisierungswettbewerb konnte sich der
Entwurf von Léon Wohlhage Wernik Architekten durchsetzen. Dieser Beitrag erfüllt die Vorgaben des Schallschutzes, schafft ruhigen und qualitativ hochwertigen Wohnraum und
sorgt zudem noch für ein einprägsames Bild im verkehrsbelasteten Stadtraum.
Der Mittlere Ring leitet bis zu 150.000 Fahrzeuge täglich durch das Münchener Stadtgebiet.
Allein sechs Autobahnen münden in diese Ringstraße und sorgen für ein entsprechend hohes
Verkehrsaufkommen mit erheblichem LKW-Anteil. Zugleich führen stark belastete Abschnitte
des Mittleren Rings durch dicht besiedelte Wohngebiete, die unter dem Verkehrslärm leiden.
Aus diesen Gründen wurde von der Stadt München und der Bayerischen Versorgungskammer ein Wettbewerb ausgelobt, der im Abschnitt Richard-Strauss-Straße die Lärmbelastung
senken und das Wohnen attraktiver machen sollte. Mit einem Vorschlag zur Ergänzung der
bestehenden Wohnbauten – fünf gleichartige Zeilenbauten aus den 50er Jahren, senkrecht
zum Ring ausgerichtet und dem Straßenlärm unmittelbar ausgesetzt – ging das Berliner Büro
Léon Wohlhage Wernik Architekten 2004 als Sieger aus dem Wettbewerb hervor. Das Konzept des Entwurfs sieht fünf parallel zur Straße ausgerichtete sechsgeschossige Neubauten
vor, durch deren Baukörper die Räume zwischen den 50er-Jahre-Zeilenbauten zur Straße hin
weitgehend geschlossen werden. Mit diesen Kopfbauten konnten die Flächen zwischen den
alten Häuserzeilen in lärmgeschützte Höfe verwandelt werden, die durch schmale, transparente Lärmschutzwände zwischen Neubauten und Bestand erschlossen und zusätzlich belichtet werden. Diese Maßnahme ermöglicht auch, die Immissionsrichtwerte für allgemeine
Wohngebäude an sämtlichen Fassaden des Bestandes einzuhalten, so dass eine natürliche
Fensterlüftung ermöglicht wird. Allerdings sind die Neubauten selbst dem Verkehrslärm
in besonderem Maße ausgesetzt, so dass Entwurf und Konstruktion der Straßenfassaden
eine besondere Herausforderung für Architekten und Akustikplaner darstellten. Um die
Anforderungen an den Schallschutz einhalten zu können wurden die schutzbedürftigen
Räume konsequent zur ruhigeren Hofseite angeordnet, während Küchen, Bäder und
Treppenhäuser als eine Art Puffer an der Straßenfassade liegen. Zugleich ermöglicht eine
Fassade aus Beton mit nur 25 cm dicker Tragschicht in Verbindung mit Schallschutzfenstern
die Belichtung der von der Straße zum Hof hin durchgesteckten Wohnräume von zwei
Seiten, ohne dass der Grundgeräuschpegel unkomfortabel hoch ist. Zusätzlich zu den
Schallschutzanforderungen waren auch Ansprüche an die Aufenthaltsqualität der Innenräume, die Belichtung der Wohnungen, die Energieeffizienz der Gebäudehülle und die
Grundrissorganisation zu befriedigen. Schließlich sind die Neubauten auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nachhaltig, weil sie durch qualitativ hochwertigen innerstädtischen Wohnungsbau Flächen effizient nutzen und darüber hinaus durch städtebaulich
hervorragende Schallschutzmaßnahmen Wohngebäude aus den 1950er Jahren erheblich
aufwerten. Dass durch diese Art der Lärmsanierung die Bestandsgebäude in ihrem
Erscheinungsbild erhalten werden konnten, ist als zusätzlich positiver Aspekt zu werten.
Referenzgebäude — Seite 78
Abbildung 33 — Blick auf Richard-Strauss-Straße / © Léon Wohlhage Wernik Architekten, Foto © Christian Richters
Abbildung 34 — Innenansicht Richard-Strauss-Straße / © Léon Wohlhage Wernik Architekten, Foto © Christian Richters
Seite 79 — www.beton.org
Weiterführende Informationen
LITERATURVERZEICHNIS
DIN EN ISO 14040
Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen
DIN EN ISO 14044
Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen
DIN 4109-1
Schallschutz im Hochbau; Anforderungen und Nachweise
DIN EN 15643-1
Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden – Teil 1:
Allgemeine Rahmenbedingungen
DIN EN 15643-2
Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden – Teil 2:
Rahmenbedingungen für die Bewertung der umweltbezogenen Qualität
DIN EN 1008
Zugabewasser für Beton – Festlegung für die Probenahme, Prüfung und Beurteilung der Eignung
von Wasser, einschließlich bei der Betonherstellung anfallendem Wasser, als Zugabewasser für Beton
DIN 4109-1
Schallschutz im Hochbau; Anforderungen und Nachweise
DAfStb-Richtlinie für die Herstellung von Beton unter Verwendung von Restwasser, Restbeton und
Restmörtel. Beuth 1995
DAfStb-Richtlinie Selbstverdichtender Beton (SVB-Richtlinie). Beuth 2003
DAfStb-Richtlinie Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen
nach DIN 4226-100. Beuth 2004
Reinhardt, H.-W.; Brameshuber, W.; Graubner, C.-A.; Grübl, P.; Hauer, B.; Hüske, K.; Kümmel, J.;
Litzner, H.-U.; Lünser, H.; Rußwurm, D.; Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (Hrsg.):
Heft 521 – Sachstandbericht Nachhaltig Bauen mit Beton.
Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (Hrsg.): Heft 572 – Schlussberichte zur ersten Phase des
DAfStb/BMBF-Verbundforschungsvorhabens „Nachhaltig Bauen mit Beton“. Berlin Beuth, 2007
Hauer, B.; Pierkes, R.; Schäfer, S.; Seidel, M.; Herbst, T.; Rübner, K.; Meng, B.; Deutscher
Ausschuss für Stahlbeton (Hrsg.): Heft 584 – Verbundforschungsvorhaben „Nachhaltig Bauen mit
Beton“ – Teilprojekt B „Potenziale des Sekundärstoffeinsatzes im Betonbau“. Erscheint in Kürze.
Bleyer, T.; et al.: Der Stadtbaustein im Verbundforschungsvorhaben „Nachhaltig Bauen mit Beton“ –
Dossier zu Nachhaltigkeitsuntersuchungen. Berlin: Beuth – In: Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, Nr. 588. Erscheint in Kürze.
Inhalt — Seite 80
Weiterführende Broschüren der deutschen Beton- und Zementindustrie
BetonBauteile Bayern und Fachverband Beton- und Fertigteilwerke Baden-Württemberg e.V. (Hrsg.):
Ökobilanz von Lichtschachtsystemen – Ein ökologischer Vergleich von Lichtschachtsystemen in
den Materialvarianten Beton und Kunststoff. 2011
BetonMarketing Deutschland GmbH (Hrsg.): Energieeffizienz im Hochbau.
BetonMarketing Deutschland GmbH (Hrsg.): Umfassender Brandschutz mit Beton.
Betonverband Straße, Landschaft, Garten e.V. (Hrsg.): Oberbaukonstruktionen von Verkehrsflächen
mit unterschiedlichen Deckschichten – Vergleichende Ökobilanz. 2009
Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie (Hrsg.): Ökobilanzielle Baustoffprofile für
Transportbeton der Druckfestigkeitsklassen C20/25, C25/30 und C30/37. Duisburg 2007
Bundesverband Leichtbeton e.V.: Großformatige Elemente aus Leichtbeton. Umweltproduktdeklaration nach ISO 14025. 2009
Bundesverband Leichtbeton e.V.: Leichtbeton-Mauersteine aus natürlichem Zuschlag und Zumischungen von industriell hergestelltem Zuschlag. Umweltproduktdeklaration nach ISO 14025. 2008
Ökobilanzielle Baustoffprofile für Bauteile aus Transportbeton. Bundesverband der Deutschen
Transportbetonindustrie. Duisburg 2010
Verein Deutscher Zementwerke, Forschungsinstitut der Zementindustrie (Hrsg.): Umweltdaten der
Deutschen Zementindustrie 2009.
Verein Deutscher Zementwerke: Zementtaschenbuch 2008. Verlag Bau und Technik 2008
Linkliste
www.beton.org
Internetseite der BetonMarketing Deutschland GmbH mit Informationen rund um
das Thema „Bauen mit Beton“
www.betoninfo.de
Internetseite des Bundesverbandes Betonbauteile Deutschland mit speziellen Informationen
zum Thema „Bauen mit Betonfertigteilen“
www.dafstb.de
Internetseite des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton
www.nachhaltigesbauen.de
Informationsportal Nachhaltiges Bauen des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung
www.nbb-forschung.de
Internetseite zum Verbundforschungsvorhaben „Nachhaltig Bauen mit Beton“
mit einem Gesamtüberblick über das Verbundforschungsvorhaben
www.transportbeton.org
Internetseite des Bundesverbandes der Deutschen Transportbetonindustrie mit speziellen
Informationen zum Thema „Bauen mit Transportbeton“
www.vdz-online.de
Internetseite des Vereins Deutscher Zementwerke mit weiterführender Literatur
zu den Themen Zement und Beton
Seite 81 — www.beton.org
Abbildung 35 —
Bewertungssystem für Nachhaltiges Bauen (BNB) 2009_4: Gewichtung und Bedeutungsfaktoren
[Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung]
www.beton.org — Seite 82
IMPRESSUM
Herausgeber
BetonMarketing Deutschland GmbH
Steinhof 39, 40699 Erkrath
www.beton.org
Redaktion
Dr. Olaf Aßbrock, Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie e.V.
Alice Becke, Bundesverband Betonbauteile Deutschland e.V.
Torsten Bernhofen, BetonMarketing Nord GmbH
Dr. Bruno Hauer, Verein deutscher Zementwerke e.V.
Thomas Kaczmarek, BetonMarketing Deutschland GmbH
Dr. Ulrich Lotz, Fachverband Beton- und Fertigteilwerke Baden-Württemberg e.V.
Uwe Tesch, BetonMarketing Deutschland GmbH
Dr. Udo Wiens, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton e.V.
Mit freundlicher Unterstützung durch den
Bundesverband Betonbauteile Deutschland e.V. (BDB)
Kochstraße 6-7, 10969 Berlin
Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie e.V. (BTB)
Düsseldorfer Str. 50, 47051 Duisburg
Bundesverband der Deutschen Zementindustrie e.V. (BDZ)
Kochstraße 6-7, 10969 Berlin
Fachliche Beratung:
Prof. Dr.-Ing. Peter Lieblang, Fachhochschule Köln
Dipl.-Ing. Daniela Konrad, M. Arch.
Mitarbeit: Lena Fischer
Konzept und Umsetzung
Stijlroyal Design & Strategie
www.stijlroyal.com
Bildnachweise
Titel: © Christian Richters
Seiten 4, 9, 13, 17, 24, 37, 58: © Verlag Bau+Technik GmbH
Seite 5: © BMVBS/Fotograf Frank Ossenbrink
Seiten 21, 39 ,41, 46, 51, 55: © BetonBild
Seite 34: © BetonMarketing Ost GmbH / Guido Erbring
Seite 49, Seiten 62-79: Bildnachweis am Bild
Seite 53: © BetonMarketing Süd GmbH / Guido Erbring
2. Auflage:
Juni 2011
Seite 83 — www.beton.org
BetonMarketing Deutschland
BetonMarketing Deutschland GmbH
Steinhof 39
40699 Erkrath
[email protected]
Kontakt und Beratung vor Ort
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Anderter Straße 99D
30559 Hannover
Telefon 0511 554707-0
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BetonMarketing Ost
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Teltower Damm 155
14167 Berlin-Zehlendorf
Telefon 030 3087778-0
[email protected]
BetonMarketing Süd
BetonMarketing Süd GmbH
Gerhard-Koch-Straße 2 + 4
73760 Ostfildern
Telefon 0711 32732-200
[email protected]
Beethovenstraße 8
80336 München
Telefon 089 450984-0
[email protected]
BetonMarketing West
BetonMarketing West
Gesellschaft für Bauberatung und Marktförderung mbH
Annastraße 3
59269 Beckum
Telefon 02521 8730-0
[email protected]
Es kommt drauf an,
was man draus macht.
www.beton.org
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