Zitierhinweis Zückert, Martin: Rezension über: James Ramon Felak, After Hitler, before Stalin. Catholics, Communists, and Democrats in Slovakia, 1945-1948, Pittsburgh: University of Pittsburgh Press, 2009, in: Bohemia, 50 (2010), 1, S. 213-215, http://recensio.net/r/727ed73771ac71c523e1f73599aaf931 First published: Bohemia, 50 (2010), 1 copyright Dieser Beitrag kann vom Nutzer zu eigenen nicht-kommerziellen Zwecken heruntergeladen und/oder ausgedruckt werden. Darüber hinaus gehende Nutzungen sind ohne weitere Genehmigung der Rechteinhaber nur im Rahmen der gesetzlichen Schrankenbestimmungen (§§ 44a-63a UrhG) zulässig. Neue Literatur 213 hängigkeit, vor allem Peter Prídavok, Gustáv Košík und Karol Sidor, umwarb. Von diesen drei Akteuren hatte Sidor das meiste Gewicht. Die Kontakte zu Papée ermöglichten ihm zwar einen Zugang zur polnischen Exilregierung, aber die politische Isolation beider Diplomaten – in der sich Papée bis zur Befreiung Roms durch die Alliierten und Sidor danach befand – verursachte eine gewisse Realitätsferne, die ihre Pläne für die Zukunft der Slowakei prägte (z. B. S. 390). Darüber hinaus war der Vatikan kein geeigneter Ort für Begegnungen von zwei Diplomaten, die verfeindete Länder vertraten. Keines ihrer Treffen entging dem deutschen und italienischen Nachrichtendienst. Als sich das Ende des Zweiten Weltkriegs abzeichnete, geriet die polnische Exilregierung zunehmend in die Isolation. Ihre Repräsentanten waren zwar nach wie vor an der „slowakischen Frage“ interessiert, dennoch trat diese allmählich in den Hintergrund. Dies lässt sich gewiss auch auf das unkoordinierte Handeln der slowakischen Exilpolitiker zurückführen, die immer häufiger auf eigene Faust handelten. Dušan Segeš legt mit seinem Buch eine gründliche Analyse der slowakisch-polnischen Beziehungen während des Zweiten Weltkriegs vor. Sie vermehrt unser Wissen über dieses Thema beträchtlich. Einige wenige Ungenauigkeiten, die sich in solchen umfangreichen Arbeiten nur schwerlich vermeiden lasssen,1 vermögen Segešs Leistung keineswegs zu schmälern. Brno Jiří Friedl Felak, James Ramon: After Hitler, before Stalin. Catholics, Communists, and Democrats in Slovakia, 1945-1948. University of Pittsburgh Press, Pittsburgh 2009, XV + 261 S. (Pitt Series in Russian and East European Studies). Studien zur politischen Entwicklung in der Slowakei zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 behandelten bisher vornehmlich zwei Kontexte: Zum einen wurde die Rolle der Slowakei innerhalb der Tschechoslowakei hinterfragt, was häufig eine Perspektive vom tschechischen Landesteil aus bedingte. Zum anderen bestand Interesse daran, die zunehmenden Gegensätze zwischen der Kommunistischen Partei der Slowakei und der Demokratischen Partei als den beiden in der Nachkriegsslowakei relevanten Parteien zu untersuchen. Dass der sich bis 1948 zuspitzende Konflikt zu einem nicht unerheblichen Teil auch in konfessionellen Kontexten begründet lag, fand in vielen Studien Erwähnung, wurde jedoch bisher noch nicht explizit betrachtet. Publikationen zur Rolle der katholischen und evangelischen Kirche in jenen Jahren haben 1 Es stimmt beispielsweise nicht, dass Major Tadeusz Szumowski bereits am 17. August 1940 als Militärattaché bei der tschechoslowakischen Interimsregierung gewesen war. (S. 79.) Szumowski trat diese Funktion erst einige Monate später an. Auch die Verwendung des Begriffs Zaolzie (der Autor schreibt unkorrekt Zaolżie) ist falsch. Außerdem war Wojciech Korfanty ein christlich-demokratischer Politiker, Funktionär und spätere Vorsitzender der Arbeitspartei; in der Polnischen Volkspartei (Polskie Stronictwo Ludowe) war er hingegen nicht tätig, wie der Autor schreibt. (S. 50.) 214 Bohemia Band 50 (2010) diese Thematik bisher nicht aufgegriffen und verweisen meist nur auf das Verhältnis der jeweils untersuchten Kirche zum Staat. James Ramon Felak möchte die beschriebene Forschungslücke schließen, indem er nach der Rolle der Religion in der Übergangszeit der Jahre 1945-1948 fragt. Ihn interessieren dabei insbesondere die in zahlreiche zeitgenössische Konflikte involvierte katholische Kirche beziehungsweise das Verhalten ihrer Mitglieder. Durch ihre Stellung und die exponierte Position einiger ihrer Vertreter im klerikalfaschistischen slowakischen Staat befand sie sich nach 1945 in der Defensive. Zugleich stellten die Katholiken als Angehörige der Mehrheitskonfession im Land ein wichtiges Wählerpotenzial dar. Die Kommunisten wie die zunächst protestantisch dominierte Demokratische Partei konkurrierten um diese Wählergruppe bzw. kämpften darum, sie vom jeweiligen politischen Gegner fernzuhalten. Die Demokratische Partei repräsentierte bis 1945 den nicht-kommunistischen Teil der gegen den slowakischen Staat gerichteten Bewegung, in der fast ausschließlich Protestanten vertreten waren. Die zunächst durch gemeinsame Widerstandsplanungen überlagerten Gegensätze zur Kommunistischen Partei der Slowakei brachen nach der Wiedererrichtung der Tschechoslowakei auf und beeinflussten auch die Formen und Inhalte des Werbens um die katholischen Wähler. Felak macht für die ersten Monate nach Kriegsende noch einen „Kulturkampf“ beider Parteien gegen die katholische Kirche aus, der aber schon bald in ein Werben um Einflüsse übergegangen sei. Als entscheidender Schachzug habe sich für die Demokratische Partei zunächst das „April-Abkommen“ von 1946 erwiesen, bei dem sich Parteivertreter und katholisch orientierte Politiker auf eine Zusammenarbeit und einen konfessionellen Schlüssel für die Parteiämter einigten. Die Folge dieses Schrittes, dem zunächst Versuche, eine eigene katholische Partei zu gründen, entgegengestanden hätten, sei der deutliche Sieg der Demokratischen Partei bei den Wahlen 1946, zugleich aber auch der Beginn sich verschärfender Auseinandersetzungen gewesen. Nachdem katholische Bischöfe mehr oder weniger offen zur Wahl der Demokratischen Partei aufgerufen hatten, stellte die kommunistische Partei das Wahlergebnis als nachträglichen Erfolg des Tiso-Regimes dar. Das April-Abkommen wurde propagandistisch aufgeladen, indem es als Fortsetzung des Abkommens von Žilina (Sillein) aus dem Jahr 1938 dargestellt wurde, als sich mehrere slowakische Parteien unter der Führung der Slowakischen Volkspartei auf einen gemeinsamen autonomistischen und autoritären Kurs verständigt hatten. Laut Felak habe die Demokratische Partei in dieser Phase trotz innerer Belastungen und äußerer Konflikte zu passiv agiert. Im Innern musste das April-Abkommen mit seiner konfessionellen Brisanz bis hinunter auf die lokale Ebene erst noch durchgesetzt werden, nach außen sah man sich verstärkt mit den an Aggressivität zunehmenden Angriffen der kommunistischen Partei konfrontiert: An mehreren Orten kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beider Parteien. Neben dem Streit um das Weiterbestehen von Konfessionsschulen, religiöse Feiertage und den Umgang mit der magyarischeren Bevölkerung waren es dann vor allem die Auseinandersetzungen um den Tiso-Prozess, die zu einer innenpolitischen Zuspitzung führten. Der Konflikt um die Frage, ob und auf welche Weise der Präsident des Slowakischen Staates bestraft werden sollte, stand stellvertretend für die Aus- Neue Literatur 215 einandersetzung mit der slowakischen autonomistischen Bewegung, vor allem aber mit der Entwicklung der Jahre 1938/39-1945. Ziel der kommunistischen Parteiführung war es dabei, den politischen Gegner entscheidend durch den Vorwurf zu schwächen, er dulde mit einer Reihe katholischer Tiso-freundlicher Politiker eine staatsfeindliche Kolonne in seinen Reihen. Dieser Vorwurf stand im Zusammenhang mit der kommunistischen Strategie, eine Teilung zwischen belasteten „Populisten“ als Vertreter des Staates bis 1945 und unbelasteten Katholiken vorzunehmen, zu denen man durch die Betonung der slawischen Kyrill-und-Method-Tradition sowie das Argumentieren mit Übereinstimmungen zwischen christlichen Vorstellungen und kommunistischer Agenda eine Brücke bauen wollte. Anhand des Tiso-Prozesses kann Felak zudem zeigen, wie der kommunistischen Partei der Slowakei im Zusammenspiel mit der gesamtstaatlichen Ebene ein zunehmender Einflussgewinn gelang. Diese Doppelstrategie aus innerslowakischer Diffamierung des politischen Gegners und Lavieren zwischen gesamtstaatlicher Ebene und slowakischer Landespolitik wurde bis zum Februar 1948 auch in den Folgedebatten über Schulpolitik und innere Sicherheit fortgesetzt und erwies sich für die Kommunisten schlussendlich als erfolgreich. Auch wenn die Aneinanderreihung der Erzählstränge den Lesefluss vereinzelt erschwert, bietet der vorliegende Band von James Ramon Felak einen gelungenen Überblick über das schwierige Verhältnis der politischen Parteien mit den konfessionellen Gruppen der Slowakei zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der kommunistischen Machtübernahme. Vielfach werden einzelne lokale Ereignisse und ihre Folgen für das gesamtslowakische Geschehen herausgearbeitet. Deutlich wird das grundlegende Problem der Demokratischen Partei, die Zielsetzungen des slowakischen Widerstands und des Slowakischen Nationalaufstands beizubehalten und zugleich eine Annäherung an das katholische Milieu zu wagen. Der Band verdeutlicht zudem auf übergeordneter Ebene, wie sich ein Konflikt zwischen Versuchen, den kirchlichen Einfluss zu sichern, und säkularen Bestrebungen in einem kurzen Zeitraum unter spezifischen politischen Bedingungen zuspitzen konnte. Schade ist allerdings, dass Felak nur rudimentär Verbindungslinien zu den Geschehnissen bis 1945 zeichnet, die für die zum Teil geschichtspolitisch aufgeladenen Debatten jener Jahre von großer Relevanz waren. München Martin Zückert Apor, Balázs/Apor, Péter/Rees, E. A. (Hgg.): The Sovietization of Eastern Europe. New Perspectives on the Postwar Period. New Academia Publishing, Washington, DC 2008, 349 S. Die historische Kommunismusforschung erlebt seit einigen Jahren einen deutlichen Aufschwung, der sich vor allem ihrer methodologischen Erweiterung verdankt: Neben die einst dominierende politik- und diplomatiehistorische Perspektive sind verstärkt sozial- und kulturhistorische Zugänge getreten. Diese zeigen die Komplexität der realsozialistischen Erfahrung, die nicht in einer Meistererzählung sowjetischer Dominanz aufgeht. Andererseits geht bei manchen Arbeiten der „sowjetische