Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz Association suisse pour la prévention du tabagisme Associazione svizzera per la prevenzione del tabagismo Haslerstr. 30, 3008 Bern Tel 031 599 10 20, Fax 031 599 10 35 www.at-schweiz.ch, [email protected] Tabakproduktegesetz Faktenblatt zu Werbung, Promotion und Sponsoring Der Bundesrat will im neuen Tabakproduktegesetz die Tabakwerbung in den Printmedien, auf Plakaten und im Kino untersagen. Doch dürfen Tabakkonzerne weiterhin Veranstaltungen wie etwa Open-AirFestivals sponsern. Die tödlichen Folgen des Rauchens rechtfertigen aber aus Sicht der Gesundheitspolitik ein Verbot aller Massnahmen zur Vermarktung von Tabakwaren, einschliesslich des Sponsorings von Anlässen in Kultur und Sport. Die internationale Rahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation über die Tabakkontrolle legt die Grundsätze fest für die Tabakprävention im 21. Jahrhundert. Vor allem sollen Jugendliche und Kinder nicht mehr mit raffinierten und aufdringlichen Methoden zum Zigarettenkonsum angeworben werden. Dabei geht es hauptsächlich um die Bestimmungen zu Werbung, Promotion und Sponsoring für Tabakwaren sowie zur Erhältlichkeit von Tabakwaren. In Europa haben nur drei Länder die Rahmenkonvention noch nicht ratifiziert: Andorra, Liechtenstein, Monaco und die Schweiz. Mit dem neuen Tabakproduktegesetz können die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Schweiz der Rahmenkonvention beitreten kann. Für eine Schweiz frei von Tabakwerbung «Eines der wirklich attraktiven Dinge ist die schlichte Tatsache, dass die Zigarette eine verbotene Frucht ist.» So fasste 1977 ein Marketingbericht von Imperial Tobacco die Werbebotschaft an die 16-Jährigen zusammen. Die Tabakkonzerne stellen offiziell das Rauchen als eine Sache für Erwachsene dar. Gleichzeitig präsentieren sie die Zigarette den Minderjährigen als verbotene Frucht und das Rauchen als Akt der Rebellion: eine höchst wirksame Werbestrategie. Im neuen Gesetz ist den Tabakkonzernen diese Werbestrategie zu verunmöglichen und für Tabakprodukte ein umfassendes Werbe-, Promotions- und Sponsoringverbot einzuführen. Bisher sind in der Schweiz nur Radio und Fernsehen grundsätzlich ohne Tabakwerbung. Notwendig ist aber, alle Lebensbereiche frei von Tabakwerbung zu machen: Auch Printmedien, das Internet einschliesslich der sozialen Medien, Plakate, Kinos und die Verkaufsstellen sollen ohne Tabakwerbung sein. Keine direkte Verkaufsförderung durch Gratisabgabe von Tabakwaren, etwa durch Hostessen in Clubs. Keine indirekte Verkaufsförderung durch Produkte wie Kleider oder Schuhe, die das Logo oder den Namen einer Zigarettenmarke tragen und gerade Jugendliche immer wieder an das Rauchen erinnern. Keine Verkaufsförderung durch Rabatte auf Tabakwaren. Besonders Jugendliche sind preisbewusst und finden Aktionen im Stil von 3 für 2 attraktiv. Keine Promotion durch Wettbewerbe oder Werbespiele rund um Tabakwaren. Kein Sponsoring öffentlicher sowie privater Anlässe durch Tabakfirmen. Die Tabakkonzerne verringern mehr und mehr die Werbung im öffentlichen Bereich, speziell auf Plakaten, und verstärken stattdessen die Werbeaktivitäten im privaten Bereich. Sie gehen sogar so weit, private Parties junger Leute zu sponsern. Ein lückenloses Werbeverbot ist aus mehreren Gründen zentral für die Tabakprävention: Grenzen überschreiten ist typisch für das Jugendalter. Aber die Gesundheitspolitik muss alles unternehmen, damit Jugendliche nicht den Tabak als Experimentierfeld wählen. 1 Faktenblatt zu Werbung, Promotion und Sponsoring Die Hersteller von Rauchwaren vermarkten Produkte, die stark suchterzeugend sind. Schon nach dem Ausprobieren weniger Zigaretten bestimmt die körperliche Abhängigkeit nach Nikotin den Griff zur nächsten Zigarette. Das Rauchen schadet bereits kurzfristig der Gesundheit. Die meisten jungen Rauchenden weisen HerzKreislauf-Schäden auf. Rauchen bremst zudem das Wachstum der Lunge und bewirkt einen vorzeitigen Rückgang der Lungenleistungen; diese Lungenschäden sind irreversibel. Im März 2014 gab CIPRET Waadt in Zusammenarbeit mit Ligues de la santé, Sucht Schweiz und CIPRET Fribourg die ersten Ergebnisse des Observatoriums der Marketingstrategien für Tabakprodukte bekannt: Die Verkaufsstellen sind für die Tabakkonzerne ein zentraler Ort der Promotion. 93 Prozent der Tankstellenshops, 87 Prozent der Kioske und 34 Prozent der Lebensmittelgeschäfte in der Romandie haben Aktionen für Tabakwaren im Angebot. Die Open-Air-Festivals sind für die Tabakkonzerne attraktiv für das Sponsoring. Pro Veranstaltung zahlen die Tabakkonzerne zwischen 5'000 bis 400'000 Franken. Auf den offiziellen Webseiten und Plakaten fehlen zwar Hinweise auf das Tabaksponsoring. Aber umso stärker sind die Tabakkonzerne auf dem Festivalgelände mit Verkaufsaktionen präsent. Nur umfassende Verbote zeigen Wirkung Ein Verbot aller Formen von Werbung, Promotion und Sponsoring löst langfristig eindeutig eine Senkung des Tabakkonsums aus. Das ist das Hauptergebnis der Studie «Neue Erkenntnisse zu Marketing und Werbung bei Tabakerzeugnissen», die die Eidgenössische Kommission für Tabakprävention 2011 veröffentlicht hat. Hingegen sind Teilverbote etwa von Inseraten in Printmedien, die sich mehrheitlich an Minderjährige richten, höchstens beschränkt wirksam. Die Tabakindustrie hat in der Schweiz noch viele Möglichkeiten für Werbung und Promotion, auch wenn die Tabakwerbung neu in allen Printmedien, auf Aussenplakaten und im Kino untersagt wäre. Teilverbote führen einfach dazu, dass die Tabakkonzerne die finanziellen Mittel in Bereiche verschieben, in denen Werbung und Promotion weiterhin erlaubt sind. Die Gesamtausgaben für die Promotion von Tabakwaren werden deshalb trotz der Vorschläge des Bundesrats hoch bleiben. Heute fliessen die finanziellen Mittel der Tabakindustrie grösstenteils in das Sponsoring, die direkte Verkaufsförderung und die indirekte Tabakwerbung beispielsweise in den sozialen Netzwerken. Verglichen mit dem Jahr 2000 gibt die Tabakindustrie für die Werbewirtschaft im engeren Sinn viel weniger Geld aus, 2013 insgesamt 21 Millionen Franken. Das sind 0,4 Prozent des gesamten Werbeumsatzes von 4,8 Milliarden Franken in der Schweiz. Wie wirken Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring? In der Experimentierphase spielen zusätzlich ein nicht allzu hoher Tabakpreis und der ungehinderte Zugang zum Produkt eine Rolle. Sobald aber die Phase des regelmässigen Konsums beginnt, ist die Sichtbarkeit von allem, was mit Rauchen und Tabak in Verbindung steht, wichtig für die Häufigkeit, mit der die Kunden und Kundinnen zur nächsten Zigarette greifen und ihre körperliche Abhängigkeit verstärken. Dazu gehören zum Beispiel die Anzeigen in Gratiszeitungen, die schmale Zigarettenpackung in den Händen einer Kollegin oder der Markenname einer Zigarette an einem Kleidungsstück. Erst recht in der Phase des Aufhörens setzen die Tabakkonzerne auf alle Werbeformen, um einen Rauchstopp zunichtezumachen. Die Sichtbarkeit der Produkte, ihre leichte Erhältlichkeit, die Abgabe von Warenproben und zahlreiche weitere Vermarktungsansätze stellen Versuchungen dar, die bei ehemaligen Raucherinnen und Rauchern einen Rückfall auslösen können. Faktenblatt zu Werbung, Promotion und Sponsoring Einschränkung der Erhältlichkeit von Tabakwaren Damit weniger Jugendliche zu rauchen beginnen, ist das Tabakproduktegesetz neben dem Verbot des Verkaufs von Tabakprodukten an unter 18-Jährige durch weitere Massnahmen zu stärken: die Einführung einer Lizenz für den Handel und die Abschaffung der Zigarettenautomaten. Lizenzierung Das Tabakproduktegesetz soll für alle am Handel mit Tabakwaren beteiligten privaten und juristischen Personen den Erwerb einer Verkaufsbewilligung vorschreiben. Eine Lizenzierung bietet zahlreiche Vorteile gegenüber dem heutigen System: Die Vertriebskanäle lassen sich genauer kontrollieren und Verstösse etwa gegen das Mindestalter schneller erfassen. Die Anzahl der Vertriebskanäle, gerade über das Internet, ist einfacher zu beschränken. Falls im Tabakproduktegesetz neu E-Zigaretten mit einem bestimmten Nikotingehalt den Tabakwaren gleichgestellt werden, kann das Angebot besser kontrolliert werden. Für den Erwerb einer Lizenz ist eine Gebühr zu erheben. Mit dem Ertrag kann die Kontrolle der Lizenzierung finanziert werden. Automaten Das Mindestalter für den Ladenverkauf ist im neuen Gesetz zu ergänzen durch ein vollständiges Verbot von Zigarettenautomaten. In der Schweiz gibt es rund 15'000 derartige Automaten, Zigaretten sind einfacher erhältlich als Grundnahrungsmittel. Ausserdem sind diese Automaten für die Tabakindustrie zu einer wichtigen Werbefläche geworden. Die Gesundheitsschäden des Rauchens Der Tabakrauch gelangt durch das Inhalieren über die Lunge ins Blut und von dort in jedes Organ, vom Mund über Lunge und Herz bis zu den Ausscheidungsorganen. Für Raucherinnen und Raucher sind die Folgen des Tabakkonsums auf die Gesundheit verheerend. Die Hälfte der Erwachsenen, die gewohnheitsmässig rauchen, stirbt vorzeitig an tabakbedingten Krankheiten. Dies sind in der Schweiz jährlich ungefähr 9500 Personen. Seit dem ersten Bericht der US-Gesundheitsbehörde über Rauchen und Gesundheit 1964 ist die Liste der direkt durch das Rauchen verursachten Krankheiten länger und länger geworden: von Kehlkopfkrebs, chronischer Bronchitis und Lungenkrebs über Krebserkrankungen in Mund, Rachen, Speiseröhre, Blase sowie Herz-Kreislauf-Krankheiten und Störungen in den Fortpflanzungsorganen von Frau und Mann bis zu Zahnfleischerkrankungen, grauem Star, Lungenentzündung, akuter myeloischer Leukämie, Schäden an der Hauptschlagader im Bauchbereich sowie Krebs des Gebärmutterhalses, der Nieren, der Bauchspeicheldrüse und des Magens. Das Rauchen verschlechtert den allgemeinen Gesundheitszustand. Raucher und Raucherinnen fehlen häufiger und länger am Arbeitsplatz, beanspruchen öfter medizinische Dienste. Nach chirurgischen Eingriffen haben sie vermehrt Komplikationen wegen schlechter Wundheilung und Atembeschwerden. Wer raucht, erleidet häufiger Knochenbrüche. Auch weisen Raucherinnen nach den Wechseljahren eine geringere Knochendichte auf. Faktenblatt zu Werbung, Promotion und Sponsoring Die sozialen Kosten des Tabakkonsums Die durch das Rauchen verursachten Gesundheitsschäden lösen jährlich Gesamtkosten von rund 10 Milliarden Franken aus. Das Forschungsteam von Claude Jeanrenaud von der Universität Neuenburg hat die sozialen Kosten für das Jahr 2007 berechnet: direkte Kosten 1'733 Millionen (ärztliche Behandlung, Medikamente, Spital) indirekte Kosten 3’929 Millionen (verlorene Arbeitskraft, Invalidität, Mortalität) immaterielle Kosten 4'272 Millionen (Bewertung anhand der Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen). In diesen Zahlen sind die Auswirkungen des Passivrauchens nicht berücksichtigt. Schutz vor den Interessen der Tabakindustrie Die Massnahmen, die die internationale Rahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation über die Tabakkontrolle für die Tabakprävention fordert, lösen einen Rückgang des Tabakkonsums aus. Die Tabakkonzerne hingegen sind bestrebt, möglichst viele Tabakwaren zu verkaufen und möglichst grosse Gewinne zu erwirtschaften. Zwischen den Interessen der Gesundheitspolitik und den Interessen der Tabakindustrie besteht folglich ein grundlegender Konflikt. Für die Gesundheitspolitik entscheidend sind die Gesundheitsschäden, die das Rauchen verursacht. Die Gesundheit ist eines der wichtigsten Güter. Bei der Güterabwägung ist der Schutz der Gesundheit grundsätzlich höher zu bewerten als die Wirtschaftsinteressen der Tabakindustrie. Juli 2014