Anspruchsvolle Architektur schafft Identität

Werbung
SAMSTAG, 26. MAI 2012
31
MN-Extra
NUMMER 121
Mpreis in Matrei in Osttirol.
Spektakulär in die Bergwelt eingefügt: Der Mpreis-Supermarkt in der Saglstraße in Telfs Osttirol. Das Unternehmen baut auf moderne Architektur und erhält dafür nicht nur
Lob aus der Fachwelt. Auch die Kunden nehmen die neuen Supermärkte an.
Foto: Thomas Jantscher/oh
Foto: Paul Ott/oh
Einkauf mit einem architektonischen Erlebnis: der Mpreis-Supermarkt mit Café-Bar
in Ramsau.
Foto: Markus Bstieler/oh
„Anspruchsvolle Architektur schafft Identität“
Interview Die beiden Architekten im Thannhauser Stadtrat, Monika Wiesmüller-Schwab und Peter Schoblocher,
über den neuen Supermarkt in der Stadtmitte. Konzerne müssen mehr Mut zu hochwertiger Baukultur haben
VON MAXIMILIAN CZYSZ
Thannhausen In Österreich und im
südlichen Italien sind sie nicht mehr
reine Zweckbauten, sondern eine
Herausforderung für Architekten,
deren Ergebnisse sich am Ende sehen lassen können: Die modern gestalteten Filialen von LebensmittelDiscountern. In Thannhausen entsteht in Nachbarschaft zum neuen
Verwaltungsgebäude ein Supermarkt-Bau – allerdings nicht in einer Optik, die sich von anderen Discounter-Bauten abhebt. Darüber
hatte es in jüngster Vergangenheit
immer wieder Diskussionen in Ausschüssen und Stadtrat gegeben. Vor
allem, als bekannt wurde, dass die
Optik trotz vieler Versprechen nicht
mehr dem anfänglichen Entwurf
gleicht. Im Interview gehen die
Thannhauser Architekten Peter
Schoblocher und Monika Wiesmüller-Schwab auf die Architektur ein.
Beide sitzen im Stadtrat.
Sie hatten im Stadtrat Ihr Missfallen
über die zuletzt vorgelegten Pläne geäußert. Haben Sie Ihre Meinung geändert?
Peter Schoblocher: Nein! Ich habe
mir in den vergangenen Wochen in
anderen Städten neu erstellte Einkaufsmärkte betrachtet und ich
musste feststellen, dass einige, wenige Gebäude eine architektonisch ansprechende Fassade besitzen. Offensichtlich liegt es am Willen des Investors, auf einen geringen Teil der
Rendite zugunsten einer architekto-
nisch, ansprechenden Optik zu verzichten.
Monika Wiesmüller-Schwab: Nein,
ich habe diese nicht geändert. Ich
habe immer den Standpunkt vertreten, dass in der Stadtmitte ein kleiner, ansprechender Lebensmittelmarkt, in Verbindung mit anderen
Geschäften, in gegliederter Struktur
gebaut werden sollte. Dieses Geschäftszentrum in Verbindung mit
Büros und Wohnungen sollte so bestechend in seiner Optik sein, dass
die Thannhauser und die Leute aus
der Umgebung gerne nach Thannhausen zum Einkaufen gehen.
In Österreich und im nördlichen Italien entstehen immer wieder neue Supermärkte, die durch ihre Optik bestechen. Ein regelrechter Wettbewerb unter Architekten. Warum gibt es diesen
Wettbewerb bei uns nicht? Fehlt den
Unternehmen der Mut, sich auf Neues
einzulassen? Oder sind es die Kommunen, die sich nicht trauen – aus Angst,
sie verlieren einen Investor?
Schoblocher: Die Firmenphilosophie
der österreichischen Lebensmittelkette Mpreis hat mit Grundsätzen,
wie verantwortungsvolles Bauen unter Berücksichtigung der Umgebung, qualitätsvolle Baukultur in
Tirol, Vielfalt der architektonischen
Formensprache, Raumatmosphäre,
Wohlfühlen, Verantwortung gegenüber regionalen landschaftlichen
Besonderheiten, hoher Stellenwert
der kulturellen Traditionen, architektonisch anspruchsvoll gestaltete
Orte schaffen Identität für die Regi-
Vor wenigen Wochen glich der Bereich einem Trümmerfeld.
Peter Schoblocher
Wiesm.-Schwab
on und die Menschen ein Markenzeichen geschaffen und damit großen Erfolg erzielt. Mitbewerber gerieten unter Zugzwang und konnten
nicht tatenlos zusehen. Sie mussten
nachziehen. Wenn keiner der Lebensmittelkonzerne in Deutschland
sich in diese Richtung oder Philosophie bewegt, dann liegt es an den
Kommunen, hier Vorgaben zu machen, die den Investor dazu bewegen, den hohen Anspruch an die Architektur und Baukultur, den etwa
Mpreis an sich stellt, auch bei uns
weitgehend zu erfüllen.
„Wenn der Auftraggeber dem
Architekten keine freie Hand
lässt, dann kommt nur
Schubladenoptik heraus.“
Monika Wiesmüller-Schwab
Wiesmüller-Schwab: Hier gilt das alte
Sprichwort „Wer zahlt schafft an!“,
und wenn der Auftraggeber dem Architekten keine freie Hand lässt,
dann kommt nur „Schubladenoptik“ heraus. Ein Wettbewerb kostet
Geld und das fehlt dem Investor auf
der Habenseite. Wir als Stadt hätten
sicher gute Voraussetzungen gehabt,
aber leider ist der Investor nicht zu
seinem Versprechen gestanden, dass
beim Bau alle gestalterischen Wünsche der Stadt berücksichtigt werden. Das ist sehr bedauerlich, war
aber meines Erachtens zu befürchten.
Zweck vor Optik: Gerade Letztere
kann doch auch ein Verkaufsargument
sein.
Schoblocher: Hier würde ich noch
weitergehen. Nachhaltigkeit ist
mehr als nur Energiesparen, koste
es, was es wolle. Wie schon gesagt,
sind Raumatmosphäre und Wohlfühlen, also die dritte Säule der
Nachhaltigkeit, auch ein Argument
für den Einkauf in einem bestimmten Markt. Das, was heute mit dem
Schlagwort „Einkaufserlebnis“ beschrieben wird. Für mich ist der
Einkauf in einer rechteckigen Kiste
mit Kunstlicht kein Erlebnis. Reingehen, schnell das kaufen, was ich
benötige, und wieder raus. Wenn Sie
in einen Markt kommen, der von
außen schon architektonisch Aufsehen erregt, dann sind Sie gespannt,
was Sie innen erwartet. Schauen Sie
sich die Märkte in Österreich und
Italien (Südtirol) an. Da macht es
Spaß, durch den Markt zu laufen,
durch großflächige Verglasung den
Kontakt zur Umgebung zu behalten.
Oder wenn es dunkel ist, auf eine
hell erleuchtetet Fassade zuzugehen,
hinter der sich etwas bewegt. Das
schafft im Unterbewusstsein Kun-
denbindung. Das ist genau das, was
der Betreiber will und die Kommune, zumindest wenn es um „Bewegung im Stadtzentrum“ geht, dringend benötigt.
Wiesmüller-Schwab: Man kauft sich
ja nicht nur einen Mantel, damit er
einen warm hält, sondern man will
sich darin wohlfühlen und auch gut
aussehen. Bei Gebäuden muss zwar
grundlegend der Zweck, sprich die
Funktion, erfüllt werden, aber der
Kunde sollte sich beim Einkaufen
durch ansprechende Optik wohlfühlen, umso länger hält er sich im Supermarkt auf und umso mehr Umsatz wird erzielt. Dies sollten die Investoren der Supermärkte überdenken. Anscheinend haben die Österreicher und Italiener uns diese Mentalität voraus.
Wenn das Gebäude abgeschrieben ist, beziehungsweise nicht mehr den
Erfordernissen eines
Nutzers entspricht, wird es
abgebrochen.“
Peter Schoblocher
Immer wieder ist von Lidl- und AldiArchitektur die Rede: Hat sie aus Ihrer Sicht überhaupt Bestand? Wie viele Jahre geben Sie bautechnisch günstig
angelegten Bauwerken?
Schoblocher: Architektonisch gesehen wird sich so lange nichts ändern,
solange kein Mitbewerber den Anspruch erfolgreich höher schraubt,
Eine Großbaustelle im Herzen der Stadt: Die Vorbereitungen für das Fundament des neuen Supermarkts haben begonnen.
Die Nordansicht des geplanten Supermarkts im Zentrum von Thannhausen (Stand Februar). Bauherr ist die Procom Invest Hamburg.
so wie Mpreis in Österreich In der
Regel dürften diese Bauten bautechnisch auf einen Lebenszyklus von 20
bis 30 Jahren angelegt sein. Wenn
das Gebäude abgeschrieben ist, beziehungsweise nicht mehr den Erfordernissen eines Nutzers entspricht, wird es abgebrochen und
das Grundstück wieder vermarktet.
Das haben wir mit dem Südmarkt in
Thannhausen bereits erlebt und
werden es auf dem Grundstück der
Spedition Kolbe wieder erleben. Das
muss kein Nachteil im Sinne der
Stadtentwicklung sein, aber nachhaltig ist das nicht. 2009 stammten
54,3 Prozent des Abfallaufkommens
in Deutschland aus dem Bausektor.
Die materielle Bedingtheit eines Gebäudes bleibt, die Nutzung kann
sich schnell ändern. Wenn wir nachhaltig und ressourcenschonend bauen wollen, dann müssen wir die Gebäude so gestalten, das sie flexibel
nutzbar sind und sich damit die Lebensdauer von Gebäuden verlängert. Diese Art von Gebäuden wird
sich in Zukunft gewaltig verändern
müssen.
Wiesmüller-Schwab: Die Discounter
haben eine andere Strategie. Ihnen
geht es um das schnelle Geschäft.
Ich erinnere mich da an eine Aussage
des Thannhauser Supermarktinvestors: „Unser Bestreben ist, dass der
Kunde schnell hin und schnell wieder weg kommt.“ In Bezug auf die
Gebäude sehe ich dies ebenso. Sobald sich die Gebäude amortisiert
haben, sind sie wieder weg oder stehen als Bauruinen in der Stadt.
Fotos: Czysz, Repro Stadtverwaltung
Repro: Stadtverwaltung Thannhausen/ Fent
Herunterladen