Dharma Vertiefung 2

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Dharma Vertiefung 2
© Eva K. Neumaier
19. April 2009
Bewusstsein (vijñāna)
Bewusstsein ist eines der fünf Aggregate oder Anhäufungen (skandha}. Diese fünf
Anhäufungen sind:
Körperlichkeit, traditionell als „Form“ wieder gegeben
Wahrnehmung
Gefühle oder Empfindungen
Geistesformationen oder Willensimpulse
Bewusstsein
Die fünf Aggregate sind keine Substanzen sondern Kategorien (so wie „Baum“ eine
Kazegorie ist aber es keinen Baum an sich gibt, nur eben Eichen, Linden usw.) von
sich immer neu arrangierenden Gegebenheiten, die jeweils nur Bruchteile einer
Sekunde dauern. Diese Gegebenheiten werden im Sanskrit auch als dharma
bezeichnet. Dies ist der gleiche Begriff, der auch für die Lehre Buddhas verwendet
wird. Der Begriff dharma kommt von der Wurzel dhŗ, die die Bedeutung von `etwas
Festem, das einem als Stütze dient` hat. Dies trifft auf diese beiden Anwendungen
zu: dharma als Lehre des Buddha ist etwas auf das man sich stützen kann; dharma
als momentane Gegebenheit ist gleich einem existentiellen Atom, das die Basis des
Seins ist.
Die Anhäufung „Bewusstsein“ umfasst alle Arten von Bewusstsein. Dieses
Bewusstsein kann karmisch heilsam sein (z.B. Freude über den dharma, Meditation,
Gewahrwerden der Erleuchtung), karmisch unheilsam (alle Bewusstseinszustände,
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die aus Gier, Hass oder falschen Ansichten entspringen), oder es kann karmisch
neutral sein (z.B. die bloße Wahrnehmung von einem Objekt).
Die Bewusstseinszustände sind Folge einer Objektwahrnehmung (Sinnesobjekte
oder ein geistiges Objekt, d.h. ein Gedanke, eine Vorstellung, Erinnerung etc.).
Jedem der sechs Sinnesorgane (Auge, Ohr, Nase, Zunge, Tastsinn und Denkorgan)
sind sechs Objekte (Sichtbares, Hörbares, Riechbares, Geschmäcker, Tastbares und
Denkobjekte) zugeeignet. Aus dem Zusammentreffen von Objekt und Sinnesorgan
entsteht das Bewusstsein (Sehbewusstsein, Hörbewusstsein, Riech-, Geschmacks-,
Tast-, und Denkbewusstsein.)
Die Texte benennen das Bewusstsein als „Ergreifendes“ und das Objekt als das
„Ergriffene“. Damit ist der „Ergreifer“ auch das Subjekt, das jedoch seine Identität
durch die Tat des Ergreifens des Objektes erfährt. Ergreifer /Subjekt, Ergriffenes/
Objekt und Ergreifen/der Akt der Bewusstwerdung stellen gleicher Massen ein
gleichschenkliges Dreieck dar, wobei keine der drei Ecken für sich allein stehen
kann. Nur als ein Dreigestirn können sie fungieren.
Diese gegenseitige Bedingtheit von Subjekt, Objekt und Wahrnehmung ist eine
Grundvoraussetzung für die Entwicklung der Gedanken der Nur-BewusstseinsSchule, die dem Mahayana zugehört.
Das eben dargestellte Schema wird von allen Schulen des Buddhismus als
Grundlage angenommen. Vor-Mahayana und Mahayana-Schulen unterscheiden
sich jedoch in Bezug auf die Wirklichkeit dieser Kategorien.
Lese Empfehlung (Theravada): Pfad der Reinheit von Buddhaghosa, übers. Ins
Deutsche von Nyanatiloka
Mahayana: Hans Wolfgang Schumann: Mahayana Buddhismus
Erich Frauwallner, Philosophie des Buddhismus
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Herbert Guenther, Philosophy and Psychology in the Abhidharma
In den Vor-Mahayana Schulen, vor allem im Theravada, wurde dieses Schema in
Einzelheiten ausgebaut. Darüber kann man im Visuddhimagga, dem Weg der
Reinheit (übersetzt von Nyanatiloka) nachlesen. Im Theravada (heute die einzig noch
existierende Vor-Mahayana Schule) wird den Objekten, Sinnesorganen und daraus
folgenden Bewusstseinszuständen eine existentielle Wirklichkeit zugesprochen. Im
Theravada besteht der Irrtum (oder Nichtwissen) in der Annahme, dass „Ich“ freudig
bin, wenn mein Auge eine Blume sieht. In Wahrheit, so der Theravāda, entsteht
Sehbewusstsein wenn Objekt Blume und Sehorgan Auge auf einander treffen; die
Folge ist das Gefühl „Freude.“ Sich dieses Vorgangs in seinen Details bewusst zu
sein, ist im Theravāda Weisheit, die schließlich zur Erleuchtung führen wird.
Im Mahayana wird allen Gegebenheiten (Mensch wie auch den atomaren Strukturen)
ein autonomes oder inhärentes Sein abgesprochen. Der Grund liegt in einer
logischen Zergliederung der wahrgenommenen Welt. Dabei erweist sich, dass keine
Gegebenheit aus sich allein entsteht noch in sich allein beruht. Ohne Schwarz ist
kein Weiss möglich oder denkbar; ohne Weiss kein Schwarz. Letztendlich sind
Schwarz und Weiss nur Bezeichnungen, die von einander abhängig sind. Der
traditionelle Ausdruck ist : sie sind leer von einem inhärenten Sein. Nur weil sie leer
sind, können sie entstehen und wieder vergehen. Hätten sie ein inhärentes Sein
könnten sie weder entstehen noch vergehen. Dieser Argumentation liegen Regeln
der traditionellen Logik zu Grunde (wie sie auch von Aristoteles gelehrt wurde): Aus
A kann nur A hervorgehen; A ist grundsätzlich von B verschieden. A kann niemals B
werden; B kann niemals A werden. Danach kann aus Milch niemals Jogurt werden.
Dies ist eines der immer wieder kehrenden Beispiele in der buddhistischen Logik, die
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zu der Schlussfolgerung der Leerheit alles Existierenden führt. Die Leerheit ist der
philosophische Hintergrund für die Aussagen des Herzsutras:
Höre Sariputra, Form ist Leerheit, Leerheit ist Form; Form unterscheidet sich nicht
von Leerheit; Leerheit unterscheidet sich nicht von Form. Das gleiche gilt für
Gefühle, Wahrnehmungen, Geistformationen und Bewusstsein.
Höre Sariputra, alle dharma sind durch Leerheit gekennzeichnet; sie sind weder
geboren noch zerstörbar; weder verdorben noch rein, weder einem Wachsen noch
einem Vergehen unterworfen. Daher gibt es in der Leerheit weder Form, noch
Gefühle, noch Wahrnehmungen, noch Geistformationen, noch Bewusstsein.
Die Welt in ihrer sich ständig verändernden Komplexität ist nur möglich weil sie leer
ist. Leerheit (śūnya} hat im Sanskrit ein weites Bedeutungsfeld: leer von etwas zu
sein, aber auch das Potential der Fülle zu haben, schwanger zu sein. Daher sind die
fünf Aggregate oder Anhäufungen „leer“ an einem inhärenten Sein. Im Absoluten gibt
es sie also nicht. Sie sind eine Konvention. Es wäre aber ein grosser Irrtum, die
Leerheit als etwas Negatives zu betrachten. Nur weil die Dinge kein unwandelbares,
inhärentes Sein haben, kann sich die Welt verwandeln: die Knospe wird zur Blume,
die Blume zur Frucht; aus dem Baby wird ein Jugendlicher, der wird zum
Erwachsenen und dieser zum Greis. Die Vielfalt der Welt ist nur möglich aufgrund
der Leerheit. Ein berühmter Satz eines buddhistischen Meisters ist: das Suchen
nach einem inhärenten Sein endet im Nicht-Finden; das Nicht-Finden ist das Finden
der Leerheit [ und dieses ist Erleuchtung oder Nirvana].
Wenn der Mahayana Buddhist eine Blume sieht und sich daran erfreut, dann weiß er
dass die Blume nur eine Blume ist, weil es viele Nicht-Blumen gibt, dass also die
Blume keine Wirklichkeit an sich ist. Er weiss ferner, dass sein Auge als
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Sinnesorgan, die Blume als Objekt, die Sinneswahrnehmung und das daraus
folgende Bewusstsein, auf dem das Gefühl Freude basiert, nur Konstrukte sind
(sanskāra, wörtlich „zusammengebautes“}. Keine dieser Gegebenheiten hat eine in
sich existierende Natur, oder ein inhärentes Sein. Sie konstitutierne sich gegenseitig
und verändern sich ständig.
Die Idee von der Leerheit (śūnyatā} alles Existierenden wurde von Nāgārjuna (ca. 2.
Jh), einem der bedeutendsten buddhistischen Denker und Mystiker, entwickelt. Seine
Gedanken, die er nicht als ein „System“ darstellte, wurden von nachfolgenden
Generationen ausgebaut. Diese Gedankenrichtung ist als Madhyamaka oder der
Mittlere Weg bekannt. Diese Schulrichtung feierte in Indien vom 2. Jahrhundert bis
zum 8. Jh. große Triumphe. Unter anderem führte es zu einer Blüte der Mathematik
und zur Entwicklung des Dezimalsystems mit dem Wert Null (ein leerer Kreis) als
zentralem Wert. Die Mahdyamaka Lehre wurde im 8. Jh. in Tibet eingeführt. Auch in
China, Korea und Japan wurde diese Richtung als San-lun Schule bekannt (so
genannt nach den drei grundlegenden Traktaten). Im Gegensatz zu Tibet, wo diese
Schule weithin dominant wurde, gewann sie in Ost Asien nicht so sehr an
Bedeutung.
Im ostasiatischen, d.h. von der chinesischen Kultur und Geisteshaltung geprägten,
Buddhismus kamen zwei Gedankenrichtungen zum Tragen, die zwar auf den
philosophischen Überlegungen des Madhyamaka beruhen, sie aber spirituell weiter
entwickelten:
1. Tathāgatagarbha, die Lehre von der immanenten Buddhanatur, die der Grund
alles Existierenden ist. Wtl. „der Schoss oder Keim der Buddhanatur“ . garbha:
Schatzhaus, das Heiligste des Templels; Embryo, Keim. Tathāgata „der Sogegangene“, ein Titel Buddhas.
Gedanklich wird die wie oben dargelegte Leerheit als das wahre Wesen Buddhas
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verstanden. Da die Leerheit alles durchdringt, ja es in seiner Existenz erst möglich
macht, ist das Wesen Buddhas ebenso in allem immanent. Dem Unerleuchteten ist
die Immanenz der Buddhanatur durch Unwissenheit verdunkelt oder unsichtbar. Die
Texte vergleichen die Immanenz der Buddhanatur mit dem immer gegenwärtigen
blauen Himmel, der jedoch von den Wolken des Nichtwissens, des Verlangens und
des Abweisens verdunkelt ist. Die Tathāgatagarbha Lehre resultierte in Indien nicht
in einer Schule buddhistischer Philosophie. Anders in Ost-Asien, wo die Hua-yen wie
auch Ch’an (Zen) Schulen diese Lehre begeistert aufnahmen.
2. Cittamātra, oder Yogacāra, auch Nur Bewusstsein Schule genannt.
Hauptvertreter dieser Schule sind die Brüder Asanga und Vasubandhu [ca. 4. Jhr.,
Indien]. Das Hauptthema dieser Schule ist nicht das intellektuelle Begreifen der Welt,
wie im Madhyamaka, sondern der Weg zur Erleuchtung [Erlösungslehre]. Der
zentrale Lehrsatz ist, dass die gesamte wahrgenommene Welt, einschlisslich des sie
wahrnehmenden Subjektes, nichts als Bewusstsein ist. Daher der Name der Schule.
Beide Gedankensystheme wurden im ost-asiatischen Buddhismus zu einem Ganzen
verschmolzen. Vor allem im Zen oder Ch’an Buddhismus wurde es zu der tragenden
Lehre. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Daoismus viel zum ostasiatischen Buddhismus in Bezug auf Terminologie und auch Gedankenreichtum
beigetragen hat. So wird der Sanskrit Begriff śūnyatā, Leerheit, nicht immer mit
K’ūng 室 [leer, hohl, vereinfacht,] sondern auch als Dao wieder gegeben. Letzteres
verweist auf den Urgrund im daoistischen Denken und wird oft mit Weg ūbersetzt. So
haben in den letzten Jahrzehnten zwei japanische Professoren die tathāgatagarbha
Lehre als unbuddhistisch zurüchgewiesen mit der Begrüundung, sie entstamme dem
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Daoismus. Der grundlegende, jedoch nicht-kanonische Text ist das
Ratnagotravibhāga , übersetzt von Takasaki. Als kanonischer Text ist das
Vajrasamādhi bekannt, ein apokrypher Text der wohl in Korea verfasst wurde und die
zwei Hauptthemen, Tathāgatagarbha und Cittamātra zu vereinen suchte [tr. Robert
Buswell].
Die Lehre der immanenten Buddhanatur legt dar, wie es für gewöhnliche Menschen
möglich ist, die Erleuchtung zu erlangen. Dabei umgeht diese Lehre die ansonsten
angenommene grundlegende Unwissenheit oder Verblendung des Menschen. Nach
der Lehre der Immanenz der Buddhanatur ist der Mensch ja nicht verblendet --er
meint das nur. Diese Gedankengänge entsprachen dem chinesischen Denken weit
mehr als die asketische Gesinnung Indiens, die einen Weg aus dem Hier und Jetzt
suchte. Die Überzeugung von der Immanenz der Buddhanatur machte es möglich
das normale Leben wie bisher weiter zu führen, ohne den asketischen Weg eines
Ordinierten wählen zu müssen. Dies erklärt auch warum in Japan die Samurai Zen
zur ihrer bevorzugten buddhistischen Praxis machten. Die Überzeugung von der
immanenten Buddhanatur findet Ausdruck in den folgenden Zeilen, die dem 6. Ch’an
Patriarchen Hui-neng [638-713] zugeschrieben werden:
Erleuchtung hat keinen Baum
Der Spiegel keinen Ständer
Buddhanatur ist immer klar und rein
Wo ist da Platz für Staub?
Die Folge dieser Lehre wäre doch, dass man mit seinem Leben so weiterfährt wie
bisher und hofft, dass eben eines Tages die Erleuchtung sich so zu sagen von allein
einstellen würde. Eine Utopie.
Als Gegengewicht und Korrektiv fungiert dann die Yogacāra oder Nur Bewusstseins
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Lehre. In ihrer einfachsten Form sagt sie, dass alles Wahrgenommene eine Kreation
des Bewusstseins sei. Ob und in wie weit es eine objektive Welt jenseits der
Wahrnehmung gibt, darin unterscheiden sich die Traditionen. Die tibetische Tradition,
die sich vor allem auf die Kommentare von Maitreyanātha stützt, sieht die materielle
Welt als eine Projektion des reinen Geistes, und damit als unwirklich an. In der ostasiatischen Tradition räumt man die Möglichkeit einer unabhängigen Existenz ein,
betont jedoch, dass diese Wirklichkeit der Sinneswahrnehmung unzugänglich bleibt.
Der grundlegende Text ist die Darlegung der Drei Existenzweisen
(Trisvabhāvanirdeśa) von Vasubandhu (ca. 4. Jh):
„Dasjenige, was als Person erscheint, ist das Abhängige; die Objektwelt, wie sie
erscheint, das ist das Vorgestellte. Das Abhängige entsteht nämlich abhängig von
Voraussetzungen; das Vorgestellte hat Dasein nur in der Vorstellung.“ (Übers.
Schumann)
Der Kern der Yogacāra Lehre ist die Annahme des ālayavijñāna, Speicher- oder
Schatzkammer-Bewusstseins. Dieses Speicherbewusstsein dient als Speicher aller
früheren Erfahrungen. In ihm ruhen so zu sagen die Samen oder Energien [bīja]
vergangener Taten [karma], und zwar der heilsamen wie auch der unheilsamen.
Bleibt der Geist ohne Schulung, dann sammeln sich über unendliche Zeiten
unendlich viele negative Samen an und das Individuum bleibt dem Kreislauf von
Geburt und Tod verhaftet—ohne Ende. Diese unheilsamen Samen müssen in langer
und mühevoller Anstrengung durch heilsame ersetzt werden. Diese schaffen dann
die Grundlage für die rechte Erkenntnis, die schließlich zur Erleuchtung führt.
Im Gegensatz zu der tathāgatagarbha Lehre, die eine ursprüngliche Reinheit des
Geistes annimmt, nimmt die Yogacāra Lehre seine naturgemäße Verunreinigung an.
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Die über lange Zeit angesammelten heilvollen Samen reinigen jedoch den Geist
zusammen mit dem Speicherbewusstsein. Dieser Prozess beginnt mit dem Hören
der Lehre Buddhas, des dharma. Ungleich der tathāgatagarbha Lehre wird der Geist
im Yogacāra System sich seiner ursprünglichen Reinheit nicht bewusst. Durch lange
Schulung muss er Stufe für Stufe sich die Reinheit erarbeiten. In dem
Yogacārabhūmi-śāstra wird dieser Prozess auf drei unermessbare Äonen festgelegt.
Der Ch’an Patriarchen Shen-hsiu [606?-706] formuliert dies in den folgenden Zeilen:
Der Leib ist der Baum der Erleuchtung [bodhi]
Der Geist ist wie die Stütze eines klaren Spiegels
Zu allen Zeiten müssen wir danach streben ihn zu polieren,
so dass kein Staub sich darauf ansammelt.
Die ersten Versuche diesen Widerspruch zwischen den beiden Gedankensystemen
zu bereinigen stellt das Lotus Sutra dar. Es stellt fest: „das Speicherbewusstsein wird
tathāgatagarbha genannt.“ Hier hat die immanente Buddhanatur zwei Aspekte: in
ihrer eigentlichen Natur ist sie rein und leuchtend, aber als Speicherbewusstsein
erscheint sie befleckt. Damit ist die immanente Buddhanatur Ursache sowohl für die
heilsamen wie auch für die unheilsamen Samen. Die immanente Buddhanatur wird
wie von Wolken bedeckt durch eine Geisteshaltung, die immer von einem Ich als
Subjekt ausgeht [asmimāna]. Die Wahrnehmung, dass alle Gefühle und Gedanken
vom Ich ausgehen und es auch betreffen, bedingt das Leiden. Wird das Bewusstsein
vom Ich aufgelöst, findet das Leid keinen Ansatzpunkt mehr.
Die Yogacāra Lehre sieht die Erscheinungswelt als eine Sinnestäuschung an. „Zur
Erklärung des Truges der Erscheinungswelt sagt Maitreyanātha, wie schon die
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ältere Yogācāra Schule, dass sie Vorstellung ist, d.h. eine Schöpfung unseres
Erkennens.“ [Frauwallner, Philosophie S. 299] Einen besonderen Platz nimmt dabei
der Begriff der unwirklichen Vorstellung ein, d.h. eine Vorstellung von etwas, das
nicht wirklich ist. Nach allgemeiner buddhistischer Ansicht kommt die Erkenntnis
eines Dinges dadurch zu Stande, dass der Geist die Form des Objektes annimmt. So
spiegelt auch die unwirkliche Vorstellung die verschiedenen Dinge der
Erscheinungswelt. Nur entsprechen diesen Spiegelbildern der Vorstellung keine
wirklichen Dinge. Vielmehr sind alle Gegebenheiten nur solche Spiegelbilder.
Wirkliche Dinge ausserhalb des Erkennens gibt es überhaupt nicht.
Die unwirkliche Vorstellung spiegelt aber nicht nur die Objekte der scheinbaren
Aussenwelt, sie spiegelt auch das Subjekt, das Ich. Damit täuscht sie eine Zweiheit
vor, die aber nur ein Trug ist.
Ein vielfach zitiertes Beispiel ist das Stück Seil, das auf dem Weg liegt und in der
Dämmerung jedoch für eine zum Sprung bereite Schlange gehalten wird. Die
Wahrnehmung „Schlange“ ist für das Bewusstsein und für die daraus resultierende
Furcht, real. Jedoch der Wahrnehmung „Schlange“ liegt nur eine Vorstellung und
keine objektive Gegebenheit zu Grunde, dennoch ist die Furcht wirklich.
Wie drücken sich nun diese Gedanken in der religiösen Praxis aus?
Ch’an Meister Shen-Yen sagt dazu folgendes: „Das Selbst entsteht aus drei Giften—
Begierde, Aggression und falsche Vorstellungen. Durch die Ch’an Praxis lernt man
diese drei Gifte allmählich zu vernichten. Und wie die drei Gifte zu Ende gehen,
erwirbt man Weisheit und löst die falsche Vorstellung von einem Selbst auf, so dass
die wahre Selbstnatur sichtbar wird.“ [Buddhamind S. 31]
„Sorgen um Geburt und Alter,
sind Produkte des eigenen Denkens.
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Wenn des Geistes Denken zu Ende kommt,
Geburt und Tod sind für immer abgeschnitten.
Nicht sterben, nicht geboren werden,
ohne Form oder Bezeichnung,
das Dao ist leer und still.
Myriaden an Gegebenheiten sind sich gleich.“ Shih Wang Ming [6. Jhr.] in Calming
the Mind [Hsi hsin ming]
„In Stille und Würde man vergisst alle Worte,
Klar und lebendig erscheint es vor dir.
Wenn man dessen bewusst wird, hat Zeit keine Grenzen.
Wenn man es erlebt, deine Umwelt wird lebendig.
Einzigartig erleuchtend ist diese klare Bewusstheit.
Die Erscheinung des Mondes, ein Sternenfluss,
Schnee bedeckte Kiefern, Wolken über den Berggipfeln.
In Dunkelheit glühen sie in Helligkeit.
Im Schatten, leuchten sie in strahlendem Licht.
Wie der Traum eines im Raum fliegenden Kranichs,
Wie das klare stille Wasser eines Tümpels im Herbst,
zahllose Äonen lösen sich in nichts auf,
jede ununterscheidbar von den anderen.
In dieser Erleuchtung jedes Streben ist vergessen.
Wo haust dieses Wunder?“ [Hung Chih Cheng Chung, 1091-1157, in Silent
Illumination]
Welcher Wahrheitsgehalt kann diesen Aussagen zu Grunde liegen? Die neuesten
neurologischen Forschungen scheinen eine ähnliche Aussage zu machen:: Ich-und
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wie wir uns selbst erfinden von Siefer und Weber dokumentiert wie unsere
Sinnesorgane nur elektromagnetische oder andere Wellen und Reize empfangen.
Über sehr komplizierte Neuronen-Netzwerke werden die Reize weitergegeben bis
dann in einem oder mehreren Bereichen des Gehirns die Wahrnehmung „blau“
entsteht, die aber außerhalb dieses menschlichen Gehirns keinerlei Realität hat.
Licht ist eine Konstruktion des in. immerwährender Dunkelheit sitzenden Gehirns!
Nicht Ich
Das Ich ist eine irrtümliche Ansicht . Dies darf sicher als eine der ursprünglichen
Einsichten Buddhas angesehen werden,denn in der indischen Geisteswelt um das 5
Jh. vor Ztr. findet sich kein ähnlicher Gedanke. Es handelt sich also sicher um eine
der Einsichten die Buddha im Zusammenhang mit der vollkommenen Erleuchtung
gewann. Die Ablehnung eines unwandelbaren Kerns der Person, des Ich oder
Selbst, ist sicherlich eine der schwierigsten Gedanken des Buddhismus. Daher
wurde dieser Gedanke auch immer wieder Ziel von Umdeutungen oder auch
Zielscheibe der Kritik von anderen Religionen.
Einige Jahrhunderte nach Buddhas Parinirvana entstand das Milindapannha , Die
Fragen des König Milinda (od. Menandros), das zentrale Themen der Buddha Lehre
in einem Gespräch zwischen dem Mönch Nāgasena und dem König Menandros (ein
Nachfahre Alexander d. Großen) darstellt. In diesem Text wird auch die Lehre des
Nicht-Ich behandelt.
Der König fragt den Mönch nach seinem Namen. Dieser antwortet mit „die Leute
nennen mich Nāgasena!“ Der König nimmt daran Anstoß, worauf der Mönch ihn
fragt, wie er denn hierher gekommen sei. Mit meinem Pferdewagen natürlich,
antwortet der König. Der Mönch beginnt nun zu fragen was denn dieser
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Pferdewagen sei: Achse, Räder, Deichsel, usw. Als der König sich gezwungen fühlt
jede dieser Fragen zu verneinen, so folgert der Mönch, dass der König wohl mit
einem nicht existenten etwas gekommen sei. Der Mönch führt dann aus, dass es
sich bei dem Konzept Ich oder Selbst um ein ähnliches Konstrukt handelt wie bei
dem „Wagen“.
Dieses Gleichnis legt die Nicht-Ich Lehre vom Standpunkt des Theravāda dar.
Die Empfindung eines Ichs entsteht aus dem ständig sich verändernden
Zusammenspiel der 5 Aggregate.
In der Yogācāra oder Vijñānavada Tradition wird das Ich-Bewusstsein durch eine
Abspaltung vom Speicherbewusstsein, das ja all die Samen des Nicht-Wissens, der
Gier und des Hasses beinhaltet, erzeugt. Mit der Reinigung des
Speicherbewusstseins wird das fälschliche Ichbewusstsein langsam abgeschwächt
bis es in der Erleuchtung ganz und gar sich auflöst.
Das Festhalten an einem Ich und Mein ist die Ursache für die Leiderfahrung, für das
Dasein in der Wandelwelt (Samsara), wo Tod, Geburt, und Wiedergeburt als Realität
erscheinen.
Während im vor-Mahayana Buddhismus der Begriff Nicht-Ich sich auf die
Lebewesen, vornehmlich auf den Menschen bezog, wurde dieser Begriff im
Mahayana wesentlich erweitert. Im vor-Mahayana (Theravada) war der Begriff im
wesentlich darauf beschränkt, dass der Atman, wie er in den Upanishaden gelehrt
wurde, nicht nachweisbar sei: Ein unveränderlicher geistiger Kern, der gleich einem
Diamant im Menschen stecke, das ließe sich nicht logisch begründen oder
nachweisen. Dies war die alte Nicht-Ich-Lehre. Weder der Körper, noch
Empfindungen, Wahrnehmungen, Willensimpulse oder Bewusstsein können als
Atman ientifiziert werden. Und, so wird weiter argumentiert, die 5 Aggregate
umfassen die gesamte Realität des Lebewesens. Die logische Schlussfolgerung war,
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die Behauptung von der Existenz eines unveränderlichen Kern der Person
widerspricht der Logik und wird damit als falsch zurück gewiesen.
Im Mahayana änderte sich der Sachverhalt dahingehend, dass der Begriff des NichtIch nun erweitert wurde und zur Ablehnung einer inhärenten Identität führte. Dies
bezog sich nicht nur auf Menschen oder Lebewesen, sondern auf alle
Gegebenheiten des Universums. Daher kann man dann sagen: es gibt keinen
Buddha, keinen dharma (im Sinne von Buddha Lehre) und keinen Sangha. Diese
Begriffe sind – wie alles andere—geistige Konstrukte (samskara) und entbehrten
eines Seins-an-sich. Auf dieser Basis ist das Herz-Sutra zu verstehen:
„Form ist Leerheit, Leerheit ist Form“ usw.
Viele der anscheinend so paradoxen Äußerungen von Zen Meistern („wenn du den
Buddha triffst, so töte ihn“) finden ihre Basis in dieser Lehre des
Nichtvorhandenseins eines Seins-an-sich. Buddha, die Lehre und die Gemeinschaft
sind so leer von einer inhärenten Identität wie alle anderen Gegebenheiten. Daher
ist das Streben nach Erleuchtung nur eine vordergründige Angelegenheit, da der
Begriff Erleuchtung ebenso eines inhärenten Seins entbehrt wie alles andere auch.
Daher kann man sagen, es gibt kein Ziel, keine Erleuchtung. Um aber zu dieser
Einsicht zu gelangen, muss man erst die Existenz der Erleuchtung als eine, zwar
vordergründige Wahrheit annehmen.
Tod und Wiedergeburt
Beim Tod löst sich das Aggregat Körperlichkeit/Form auf. Da die übrigen 4
Aggregate nicht ohne Körperlichkeit existieren können, suchen sie sich eine
adäquate neue Körperlichkeit. Dies führt zur Wiedergeburt. Also: nicht die gleiche
Person wird wieder geboren noch eine andere, sondern, ein Prozess geht weiter.
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In den philosophischen buddhistischen Texten wird die Idee des Todes als
Fortsetzung eines Prozesses bekräftigt. Andererseits gibt es zahlreiche Texte, die
die Wiederverkörperung als eine sich über den Tod hinweg setzende Biografie
darstellen. Es wird gesagt: ich war der Sohn von dieser und jener Familie, gehörte
dieser oder jener Kaste an, lebte in diesem oder jenem Ort., usw. Diese narrative
Darstellung des Todes und der Wiederverkörperung lässt sich mit dem heutigen
naturwissenschaftlichen Denken schwer vereinen.
Die Frage, ob diese Wiederverkörperung unmittelbar nach dem Tod eintritt oder
nicht, wird von verschiedenen Traditionen verschieden beantwortet: Theravada und
auch einige Mahayana Schulen sind der Ansicht, dass die Wiederverkörperung
unmittelbar nach dem Tod eintritt.. Die tibetische Tradition und einige erloschene vorMahayana Schulen nehmen einen so genannten Zwischenzustand an, im
Tibetischen Bar-do genannt, der von variabler Dauer ist. Diese Ansicht findet ihre
bedeutendste Darstellung im so genannten Tibetischen Totenbuch (zahlreiche
Übersetzungen, meist aus dem Englischen; deutsche Übersetzung von E. Dargyay).
Die Erfahrungen, die im tibetischen Totenbuch beschrieben werden, ähneln den
Berichten jener, die nach einem klinischen Tod wieder zum Leben zurückkehrten
(Forschungen und Publikationen von Kübler-Ross).
Das Thema Sterbebegleitung, und der Vollzug von Bestattungsritualen: In den
asiatischen Ländern sind diese und andere pastoralen oder seelsorgerischen
Aufgaben ein Teil der Pflichten des ordinierten Sangha—eine Teilschuld für die
Unterstützung durch die Laien. Im Westen wird dies von einigen Traditionen oder
Zentren wahrgenommen. Ein allgemeines Vorgehen fehlt bis jetzt. Ein Thema, das
diskutiert und durchleuchtete werden muss.
Information: Webseite der DBU „Soziales“ – „Alter und Tod“
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Der edle Achtfache Pfad
Der Weg oder Pfad (marga) ist ein wesentlicher Bestandteil der buddhistischen
Lehre, des dharma. Ein Weg hat notwendigerweise einen Ausgangspunkt und ein
Ziel. Der Weg des Buddhismus hat als Ausgangspunkt die gewöhnliche Existenz,
die von Vergänglichkeit und Unzulänglichkeit geprägt ist (samsara). Als Ziel hat der
Pfad die vollkommene Erleuchtung, Nirvana, oder--in anderen Worten--das BuddhaSein. Der Pfad ist also eine spirituelle Wegbeschreibung um von dem Jetzt zu der
Erleuchtung zu gelangen.
Buddha hat diesen Weg in acht Aspekten beschrieben. Das sind keine auf einander
folgende Stationen, sondern Übungen, die alle mit einander verflochten sind und auf
einander beruhen. Dies wird der EDLE ACHTFACHE PFAD genannt.
1. Rechte Erkenntnis
2. Rechte Gesinnung
3. Rechte Rede
4. Rechte Tat
5. Rechter Lebenserwerb
6. Rechte Anstrengung
7. Rechte Achtsamkeit
8. Rechte Sammlung
Die Glieder 1 und 2 (Rechte Erkenntnis und Gesinnung) bilden die Kategorie Wissen
(prajñā), die intellektuelle und philosophische Basis des dharma.
Die Glieder 3-5 bilden die Kategorie Sittlichkeit (śīla).
Die Glieder 6-8 bilden die Kategorie kontemplative Entfaltung (samãdhī).
Obschon der edle Achtfache Pfad eine zentrale Stelle in den Pali Texten einnimmt,
trifft dies nicht im gleichen Maß auf die Mahayana Literatur zu. Jedoch die einzelnen
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Themen bleiben wichtig. So gibt es eine umfangreiche indische Mahayana Literatur
zu dem Thema „Wissen.“ Und lange und detaillierte Abhandlungen zu dem Thema
kontemplative Entfaltung. Der Weg, d.h. die Stationen die vom gegenwärtigen
Zustand des Leidens zur Erleuchtung führen, ist jedoch ein wesentlicher Bestandteil
der buddhistischen Lehre, gleichgültig welcher Richtung. Es ist der Pfad zur
Erleuchtung—der Sinn und Ziel des Buddhismus.
Rechte Erkenntnis (prajñā)
Drei Dharma Siegel (dharma mudra)
Anitya = Vergänglichkeit, die Gegebenheiten existieren nur für Augenblicke und
lösen einander fortwährend ab
Anatma = Nicht-Ich
Dukkha = „Leid“ Unzulänglichkeit.
Die wahrgenommene Wirklichkeit ist gekennzeichnet von Vergänglichkeit, die alles
einschließt (anitya). Daraus ergibt sich die Folge, dass kein Wesen oder Ding ein
autonomes Selbst oder inhärentes Sein hat (anatma). Dies führt dazu, dass alles als
unzulänglich oder leidhaft (dukkha) erfahren wird. Diese Tatsache nicht zu sehen,
bedeutet, dass es an rechtem Wissen oder Verstehen gebricht. Der Weise sieht,
dass auch in der Erfahrung der scheinbaren Freude, in Wirklichkeit die
Vergänglichkeit und damit das Leid schlummert. Der Weise strebt weder nach
Freude noch wird er von Leiderfahrung betrübt. Er verharrt in Gleichmut, wohl
wissend, dass Freud wie Leid vergänglich sind und nur auf einer irrtümlichen
Geisteshaltung der Dualität beruhen.
Dieses Leid hat drei Ebenen: das körperliche Leid (Geburt, Krankheit, Alter, Tod),
das emotionale Leid (nicht besitzen was man ersehnt; verbunden sein mit dem was
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man verabscheut); philosophisches Leid (nichts im Samsara befriedigt das spirituelle
Sehnen). Die Vergänglichkeit schließt einen der Zeit nicht unterworfenen Kern der
Person (ātman) aus.
Die drei Dharma Siegel definieren vom Standpunkt des vor-Mahayana Buddhismus,
die Natur der Dinge. Vom Mahayana Standpunkt gehören jedoch diese Merkmale
der Dinge zur sog. Konventionellen Wirklichkeit. In der absoluten oder letztendlichen
Wirklichkeit gibt es weder Entstehen oder Vergehen, weder Ich noch Nicht-Ich,
weder Unzulänglichkeit oder Zulänglichkeit.
In Mahayana Texten werden die drei Merkmale als anitya (vergänglich), anātman
(nicht-selbst) und śūnya (leer) angegeben.
Zwei Wirklichkeiten/ Wahrheiten
„Die Dinge (dharma) sehen wie sie sind“ führte im Vor-Mahayana zu einer Analyse
und Zergliederung aller Gegebenheiten (dharma). Diese Gegebenheiten, die auch
dharmas genannt werden, existieren nur für den Bruchteil eines Augenblickes. Mit
dieser analytischen Weltsicht glaubte man die Dinge zu sehen wie sie sind.
Das Mahayana führte die Analyse weiter und kam zu der Schlussfolgerung, dass
nichts, auch nicht diese minutiösen Gegebenheiten ein inhärentes Sein oder Selbst
haben. Dies wird als śūnyatā, als totale Potentialität (traditionell „Leerheit“)
bezeichnet. Wobei der Begriff śūnya nicht ausschliesslich negative verstanden wird
(mein Konto ist leer), sondern auch positive als etwas das alles werden kann. Der
Begriff steht daher auch für schwanger.
Der Leerheit als die inhärente Natur der wahrgenommenen Welt inne zu werden, ist
Erleuchtung oder Nirvana. Nur diese undefinierbare, sich ständig verändernde
Leerheit ist das Wesen alles Existierenden—auch der Buddhas.
In der gesamten Mahayana Lehre muß man sich immer fragen, ob diese oder jene
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Behauptung vom Standpunkt der konventionellen Wirklichkeit oder vom Standpunkt
der absoluten Wirklichkeit gemacht wird. Die Nichtbeachtung dieser Unterscheidung
führt zu gewaltigen Irrtümern.
Eine Erzählung aus dem tibetischen bereich erläutert dies: Ein Nomade beschließt
den Belehrungen eines Mönches für mehrere Tage bei zu wohnen. Als er nach einer
Woche zu seiner Familie zurückkehrt, war er voll Freude über die erhaltene
Belehrung. Um dieses Ereignis würdig zu feiern, sagte er, wolle er nun ein Schaf
schlachten. Als seine Angehörigen mit Abscheu reagierten, sagte der Nomade, er
habe doch den Mönch sagen gehört, es gäbe keinen Töter und nicht Getötetes. Der
gute Mann hat eine Aussage, die in den Bereich der absoluten Wahrheit gehört, mit
einer der konventionellen Wahrheit oder Wirklichkeit verwechselt mit katastrophalen
Folgen: das Schaf stirbt und der Nomade erwirbt schlechtes Karma.
Drei Tore zur Erleuchtung: śūnyatā (Leerheit), animitta
(Zeichenlosigkeit), aprānihita (Ziellosigkeit)
Wenn man in der Lage ist, die Erscheinungswelt unter dem Gesichtspunkt dieser drei
Merkmale zu erfahren, dann ist der Eintritt in die Erleuchtung gegeben.
Gleichzeitig sind diese drei Termini auch Kennzeichnungen der wahren Wirklichkeit:
sie ist leer, was auch heisst voll von Potentialität; sie ist ohne Kennzeichen, ohne
identifizierende Eigenschaften oder Merkmale, und ferner ist sie ohne Ziel, Absicht,
oder Telos.
Berühmter Satz „Kein Buddha (Zeichenlosigkeit/ Leerheit), kein Dharma
(Zeichenlosigkeit/Leerheit), kein Weg zur Erleuchtung (Zeichenlosigkeit/Leerheit/
Ziellosigkeit)“. Praxis und Erleuchtung sind identisch (Soto Zen /Ts’ao T’ung). Aber
auch Nagarjuna sagte bereits in seinem zentralen Text: soweit der Samsara sich
erstreckt, so weit erstreckt sich Nirvana.
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Rechtes Geistentfaltung (bhāvana mārga)
Dies ist der dritte Aspekt des Edlen Achtfachen Pfades. Dass durch ein bestimmtes
Training des Geistes die Welt der Erfahrungen manipuliert werden kann, ist eine
uralte indische Vorstellung. Fast alle indischen Religionen und Philosophien betonen
dies mehr oder weniger. Der Buddhismus hat aber der rechten Geistesentfaltung
einen zentralen Platz eingeräumt, um das Leben im Samsara zu transzendieren und
nicht um parapsychologische Fähigkeiten zu erwerben.
Haupttexte: Satipathana sutta und Anapannasati sutta . Achtsamkeit und die Stillung
des Geistes sind Meditationsformen, die vor allem im Theravada und im Zen gepflegt
werden. Der tantrische Buddhismus spezialisierte sich aber auf die Meditation von
tantrischen Gottheiten, deren komplexe Ikonographie man sich geistig vorzustellen
hat.
Daneben gibt es die analytische Meditation in der jeder Gedanke, jedes Gefühl oder
Wahrnehmung analysiert wird, und zwar nach den Massgaben wie sie im
Abhidharma zu finden sind.
Vier grenzenlose Geisteszustände (4 Brahma Zustände)
Liebevolle Güte (maitri/metta)
Mitgefühl (karuna)
Freude (mudita)
Gleichmut (upeksha/ upekha)
Verschiedene Schultraditionen entwickelten verschiedene Methoden, um diese
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Gemütszustände zu kultivieren. So sagt Buddhaghosa (wichtigster Kommentator des
Theravada, 5. Jh.), dass man die Maitri (Liebe) Übung zuerst nicht in Bezug auf eine
ungeliebte Person, einen sehr lieben Freund, eine Person, die einem gleichgültig ist,
sowie auf einen Feind üben sollte. Und ganz bestimmt nicht mit Bezug auf einen
Toten und eine Person des anderen Geschlechtes. Zuerst richte man das Gefühl der
liebevollen Güte auf einen selbst, und dann auf den Lehrer (bei Laien auch die
Eltern).
Dann nehme man nach und nach Menschen, die einem ferner stehen zum Objekt bis
man auch einen Feind als Objekt annehmen kann.
Ziel ist, dass man auch gegenüber den schwersten Verletzungen und Foltern voll
Gleichmut bleibt. Viele der Vorgeburtsgeschichten Buddhas (Jatakas) werden zur
Erläuterung herangezogen.
In der tibetischen Tradition beginnt man dagegen mit der Konzentration auf die
Mutter. Da man unzählige Male bereits verkörpert war, sind alle Wesen einmal meine
Mutter gewesen. So schulde ich allen Wesen die Liebe und Verehrung, die ich
meiner jetzigen Mutter entgegen bringe.
Diese vier grenzenlosen Geisteszustände dienen dazu den Geist zu beruhigen und
für die Versenkung (samadhi) vorzubereiten. Sie sind eine Stufe zur Erleuchtung,
doch führen sie allein diese nicht herbei.
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Fünf Kräfte (indriyani)
Vertrauen (shraddha)
Willenskraft (virya)
Achtsamkeit (smrti)
Versenkung (samadhi)
Weisheit (prajna)
Diese fünf Kräfte sind nötig für eine erfolgreiche Praxis. Vertrauen lässt einen die
Praxis beginnen; Willenskraft lässt einen durchhalten. Achtsamkeit und Versenkung
führen zu Weisheit als das Ergebnis des Prozesses. Wohl geübt werden die fünf
Kräfte zu dauernden Stärken, die die Praxis ermöglichen.
In leichter Abwandlung sind diese Fünf Kräfte oder Fähigkeiten auch im Theravada
bekannt.
Sechs Vollkommenheiten
Die sechs Vollkommenheiten od. paramitas gehören in das Mahayana und wurden in
den Sutren der Prajnaparamita Literatur entwickelt. Sie stellen den Weg zur
Erleuchtung vom Standpunkt eines frühen Mahayana dar.
Großzügigkeit (dana)
Vielfalt von Erzählungen preisen die Großzügigkeit der Bodhisattvas, manchmal
auch mit einer humoristischen Note (Avalokiteshvara und seine 11 Arme). Die Gabe
unseres Da-seins für andere.
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Moralisches Verhalten (shila)
Fünf Übungen des achtsamen Lebens: das Leben in jeder Form achten und
schützen; Ausbeutung und Bereicherung auf Kosten anderer vermeiden; achtsamer
Umgang mit Sexualität; achtsame Rede und Kommunikation; achtsamer Konsum.
Geduld, Ausdauer (kshanti)
Die Fähigkeit das Leid, das einem zugefügt wird zu ertragen, anzunehmen und
umzuwandeln. Wenn das Herz gross und stark ist, dann kann ihm kaum Leid
zugefügt werden. Die Vier Grenzenlosen Geisteszustände helfen die Geduld und
Ausdauer zu entfalten.
Ausdauer, Energie, Willenskraft (virya)
Schon in den alten Texten, wird der Praktizierende ermuntert kämpferische
Eigenschaften zu entwickeln. Es bedarf einer heldenhaften und heroischen
Anstrengung, um das Gewebe des Irrtums von einem inhärenten Ich zu zerschlagen.
Es bedarf einer standhaften Ausdauer, die Praxis stets und beständig zu üben.
Meditation (dhyāna)
Śamatha (Ruhe, Stille); Den ewig herumrennenden Affen des Geistes zur Ruhe
bringen; objektlose Versenkung.
Vipaśyana: tief schauen, die Zusammenhänge der verschiedenen Gedanken und
Gefühle erkennen. „die Dinge erkennen wie sie sind“. Philosophie des Buddhismus
Weisheit (prajñā)
Die mystische Einsicht in die wahre Natur der Dinge: śūnyatā. Als „alles
transzendierende Weisheit“ (Prajñāpāramitā) ist sie das Ziel des buddhistischen
Weges. Sie wird in weiblicher Form dargestellt und oft gleich einer Göttin verehrt.
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Die gesamte Literatur der Vollkommenen Weisheit, die aus zahlreichen Werken—
manche nur eine Seite lang, andere tausende von Seiten lang—besteht, legt diese
alles überschreitende oder transzendierende Weisheit dar.
Je nach Schulzugehörigkeit wird das Verstehen der Leerheit, oder/ und das
Verstehen und Innewerden der Immanenz der Buddhanatur und der Irrealität der
Wahrnehmungen als Kern der Vollkommenen Weisheit angesehen.
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