Rolf Wanka Erlangen, 19. Mai 2016 Übungen zur Vorlesung Approximationsalgorithmen SS 2016 Blatt 3 L EONHARD E ULER (* 15. April 1707 in Basel, † 18. September 1783 in Sankt Petersburg) ist einer der bedeutendsten Mathematiker aller Zeiten. Sein 1736 veröffentlichter Aufsatz Solutio problematis ad geometriam situs pertinentis beschäftigt sich mit dem Königsberger Brückenproblem. Diese Veröffentlichung gilt als der Erfindungsaufsatz der Graphentheorie. Zwei 1758 erschienene, bereits 1752 geschriebene Aufsätze enthalten den Eulerschen Polyedersatz, den wir in Aufgabe 9 beweisen und dazu nutzen werden, Graphen zu färben. Viele weitere fundamentale Ergebnisse gehen ebenfalls auf Euler zurück, 1 n wie z. B. die Bestimmung des Grenzwertes lim 1 + und die wunderbare n→∞ n Beziehung eiπ = −1, die den Namen Eulersche Identität trägt, um nur noch ein paar kurz beschreibbare seiner Ergebnisse zu nennen. Aber auch unser wissenschaftlicher Alltag wird durch Euler mitbestimmt. Die Schreibweise f (x) für Funktionen geht ebenso auf sein Konto wie das Summenzeichen Σ und die Bezeichnungen π für die Kreiszahl und i für die imaginäre Einheit, um von e, der Euler-Zahl, ganz zu schweigen, die er wohl e nannte, weil er sie bei der Untersuchung der natürlichen Exponentialfunktion entdeckte. AUFGABE 9: Sei G ein beliebiger zusammenhängender planarer Graph mit n Knoten, m Kanten und f Facetten (vgl. Abbildung 1(a): Der Graph hat 6 Knoten, 11 Kanten und 7 Facetten, inkl. der Außen-Facette“; auch der ” Dodekaeder-Graph aus der Hamilton-Aufgabe 3 auf Blatt 1 ist planar, er besitzt 20 Knoten, 30 Kanten und 12 Facetten). Facette (a) K5 (b) K3,3 Abbildung 1: (a) Ein planarer Graph; (b) der K5 und der K3,3 . (a) Zeigen Sie durch Induktion nach f , daß gilt: n − m + f = 2. Anmerkung: Diese Aussage ist der berühmte Eulersche Polyedersatz (überlegen Sie sich, was planare Graphen mit Polyedern zu tun haben). (b) Sei g die Länge eines kürzesten Kreises in G. Ist G kreisfrei, setzt man g = ∞. g heißt die Taillenweite (engl.: girth) von G. Zeigen Sie: m ≤ g g−2 · (n − 2). Folgern Sie, daß m ≤ 3n − 6 ist. Nehmen Sie nun an, daß G sogar ein zusammenhängender planarer bipartiter Graph ist. Stellen Sie eine noch schärfere Beziehung zwischen m und n her. Hinweise: (i) Eine Brücke ist eine Kante in einem Graphen, deren Entfernung den Graphen in mehrere Teile (Zusammenhangskomponenten) zerfallen läßt. Behandeln Sie Brücken gesondert. (ii) Sei fi die Anzahl der Facetten in einem brückenlosen Graphen, die durch i Kanten begrenzt werden. Was ist ∑i i · fi ? Nutzen Sie diese Eigenschaft planarer Graphen, um zu zeigen, daß K5 und K3,3 (vgl. Abbildung 1(b)) nicht planar sind. Anmerkung: Daß m ≤ 3n − 6 ist, ist eine für Algorithmen auf planaren Graphen sehr nützliche Eigenschaft, denn sie bedeutet, daß die Zahl der Kanten planarer Graphen linear in der Anzahl der Knoten ist! (c) Zeigen Sie, daß G mindestens einen Knoten mit Grad 5 oder kleiner enthält. (d) Geben Sie einen Algorithmus an, der eine Knotenfärbung von G aus höchstens 6 Farben berechnet. AUFGABE 10: Betrachten Sie den in Abbildung 2 dargestellten Graphen Gn . Die eingezeichneten Kanten haben die Länge 1, alle anderen Abstände ergeben sich als Länge eines kürzesten Weges über die eingezeichnete Kanten. Für diese Abstände gilt die Dreiecksungleichung. Auf diesem Graphen soll das ∆TSP gelöst werden. 5 4 3 1 n 2 Abbildung 2: Gn : ein Zeuge gegen M ST∆TSP Zeigen Sie mittels Gn , daß der einfache Approximationsalgorithmus M ST∆TSP , der (1) einen minimalen Spannbaum T berechnet, (2) die Kanten von T verdoppelt, (3) darauf eine Euler-Tour berechnet und dann (4) doppelte Knoten in der Euler-Tour löscht, 1 eine relative Abweichung von 2 − n/2 haben kann. 1 Zur Erinnerung: In der Vorlesung haben wir gesehen, daß M ST∆TSP die relative Gütegarantie 2 − n/2 hat. AUFGABE 11: In dieser Aufgabe wollen wir untersuchen, wie wichtig es bei der relativen Gütegarantie auch ist, wie die Wertefunktion definiert ist und über diese die Optimierungsrichtung ( min“ oder max“). ” ” Das (Knoten-)Färbungsproblem haben wir als Minimierungsproblem kennengelernt. Algorithmen mit konstanter relativer Gütegarantie sind unbekannt, und es wird allgemein vermutet, daß es derartige Verfahren nicht gibt. (Es geht noch weiter õ) Aber: Das Färbungsproblem können wir auch als Maximierungsproblem beschreiben: Sei G = (V, E) der zu färbende Graph mit |V | = n. Wir wissen, daß wir nicht mehr als die Farben {1, . . . , n} benötigen, um die Knoten von G zu färben. Nun können wir das Färbungsproblem so auffassen: Wir wollen die Anzahl der nicht benutzten Farben maximieren. (a) Beschreiben Sie diese Formulierung des Färbungsproblems durch die vier Komponenten der Definition 1.2. Nun untersuchen wir den folgenden Algorithmus. A LGORITHMUS G RAPH C OL M AX (1) sei Ḡ = (V, Ē) der Komplementgraph von G; // d. h. {u, v} ∈ Ē ⇐⇒ {u, v} 6∈ E (2) bestimme auf Ḡ gierig“ ein nichterweiterbares Matching mit den Kanten ” ē1 = {u1 , v1 }, ē2 = {u2 , v2 }, . . ., ēk = {uk , vk } ; (3) färbe alle ui und vi mit der Farbe i ; (4) färbe die restlichen Knoten mit G REEDY C OL (b) Wenden Sie G RAPH C OL M AX auf die beiden folgenden Graphen an, wobei Sie im rechten Graphen mit der Komplementkante {u, v} beginnen. u v Welche relative Güte haben Ihre Lösungen bzgl. der hier verwendeten Wertefunktion? (c) Zeigen Sie: χ(G) ≥ n − 2k (d) Zeigen Sie, daß G RAPH C OL M AX eine relative Gütegarantie von 2 besitzt. AUFGABE 12: Wir haben in der Vorlesung die Gütegarantie des folgenden Algorithmus G REEDY C OL 2 untersucht. A LGORITHMUS G REEDY C OL 2 t := 1; while V 6= 0/ do G := der durch V induzierte Graph; Ut := G REEDY IS(G); {Siehe →} färbe alle Knoten in Ut mit Farbe t; V := V −Ut ; t := t + 1; done; gib die berechnete Färbung aus. A LGORITHMUS G REEDY IS / U := 0; while V 6= 0/ do G := der durch V induzierte Graph; u := ein Knoten mit minimalem Grad in G; V := V − ({u} ∪ ΓG (u)); U := U ∪ {u}; done; gib U aus. In dieser Aufgabe schauen wir auf die relative Abweichung. Für k ≥ 0 sei Gk = (Vk , Ek ) der folgende, rekursiv definierte Graph: • G0 besteht aus nur einem Knoten. • Gk erhält man aus Gk−1 , indem jeder Knoten aus Vk−1 einen neuen Nachbarn bekommt, mit dem nur er verbunden ist. (a) Zeichnen Sie G4 . Wieviele Knoten und Kanten hat Gk ? (b) Welches ist für k ≥ 1 die chromatische Zahl χ(Gk ) von Gk ? (c) Wieviele Farben vergibt G REEDY C OL 2 für k ≥ 1 auf Gk , oder, anders gefragt, wie groß ist G REEDY C OL 2(Gk )/OPT(Gk )?