Am Puls der Tibetischen Medizin in Innsbruck Tiroler

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Gesundheit
Am Puls der Tibetischen Medizin in Innsbruck
Heute und morgen findet der erste österreichische Kongress für Tibetische Medizin
in Innsbruck statt. Die große Kunst von tibetischen Ärzten ist die Pulsdiagnose –
auch der Harn spielt eine Rolle.
Auch die Augen verraten Nida Chenagtsang den Gesundheitszustand eines Patienten.Foto: Murauer
Foto: Tiroler Tageszeitung - Thomas Mu
Von Miriam Hotter
Innsbruck – Körperbau, Stimmung, Blick, Haut – dem Auge des tibetischen Arztes Nida Chenagtsang entgeht
nichts. Für den Direktor der Internationalen Akademie für Traditionelle Tibetische Medizin, die in London
gegründet wurde, ist jedes Detail wichtig, um den Gesundheitszustand eines Menschen zu bestimmen. Wie
die indische Gesundheitslehre Ayurveda mit ihren drei Körpertypen (Doshas) baut auch die tibetische Medizin
auf drei Körperenergien auf: Wind, Galle, Schleim. Ein Ungleichgewicht der Körperenergien führt zur
Entstehung von Krankheiten.
Mit der Pulsdiagnose will Chenagtsang herausfinden, welche der Körperenergien im Ungleichgewicht und
welches Organ betroffen ist. Es ist die wichtigste Diagnosemethode und die große Kunst der Tibetischen
Medizin. „Denn nicht einen, sondern hunderte Pulse besitzt der Mensch“, informiert Chenagtsang.
Dazu legt er seine mittleren drei Finger seiner rechten Hand auf das linke Handgelenk des Patienten, jeder
Finger tastet nach einem Puls.Der Zeigefinger die Pulse des Herzens und des Dünndarms, der Mittelfinger die
der Milz und des Magens, der Ringfinger die der Geschlechtsorgane und der linken Niere. Dann prüft er mit
der linken Hand die Pulse am rechten Handgelenk. Diese geben Aufschluss über Lunge, Dickdarm, Leber,
rechte Niere, Gallen- und Harnblase. Chenagtsang ist heute und morgen beim ersten Kongress für
Traditionelle Tibetische Medizin in Österreich als Experte zu Gast. Beim Kongress im Haus der Begegnung in
Innsbruck werden 120 Teilnehmer aus 21 Ländern anwesend sein.
Hauptorganisator des Kongresses ist der Innsbrucker Psychiater Jens Tönnemann. Der 41-Jährige zieht eine
klare Linie zwischen der Chinesischen Medizin und dem Tibetischen Heilsystem. „Die Tibetische Medizin ist ein
eigenständiges, heilkundliches Konzept unter den traditionellen asiatischen Medizinsystemen“, betont
Tönnemann.
Eine weitere Diagnosemethode, die es nur in der Tibetischen Medizin gibt, ist die Urindiagnose. „Die Farbe,
der Geruch, die Inhaltsstoffe oder die Blasenbildung im Morgenurin zeigen, wie es um die Gesundheit eines
Patienten steht“, erklärt Tönnemann. Dazu benötige es aber langjährige Erfahrung. Er sagt, dass tibetische
Ärzte im Urin erkennen können, ob ein Mensch am Vortag Geschlechtsverkehr hatte.
Nachdem die Diagnose gestellt ist, kommen vier verschiedene Behandlungsarten in Frage: Ernährungs- und
Lebensstilberatung, Kräutertherapie und äußerliche Behandlung, zu der Massagen oder Schröpfen zählen.
„Vor allem die Wirkung einiger Kräutermixturen ist wissenschaftlich erwiesen“, sagt Tönnemann. Eine weitere
Behandlungsmethode ist die so genannte Moxibustion. Hier werden die Akupunkturpunkte nicht nur durch
Nadelstiche, sondern auch durch Hitze stimuliert.
Die Tibetische Medizin trennt im Gegensatz zur westlichen Medizin Körper, Seele und Geist nicht voneinander.
„Die buddhistische Philosophie hat einen großen Einfluss auf die Tibetische Medizin“, erklärt Tönnemann. So
gelten auch die drei „Geistesgifte“ Gier, Hass und Verblendung als Ursprung allen Übels. Menschen mit
ruhigem Geist werden aus tibetischer Sicht weniger krank, und wenn doch, erholen sie sich schneller. Und
nicht umsonst wird das tibetische Heilsystem meist mit einem Medizin-Buddha mit blauem Körper dargestellt.
Heute um 10 Uhr eröffnet Nida Chenagtsang den Kongress mit dem Vortrag „Medizin und Spiritualität in der
heutigen Zeit“. Fragen und Antworten werden in Englisch und Deutsch übersetzt, damit die Besucher am
Diskurs teilnehmen können.
Tiroler Tageszeitung, Printausgabe vom Fr, 12.10.2012
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