Inflation Wer im Jahre 1923 ein Pfund Fleisch kaufen wollte, der mußte sein Geld im Überseekoffer zum Metzger schleppen. Das Fleisch kostete nämlich Millionen und Abermillionen an Mark. Damals herrschte in Deutschland eine schier unglaublich hohe Geldentwertung. Der Verfall des Geldwerts war quasi von Stunde zu Stunde meßbar. Kostete das Pfund Fleisch um 10 Uhr noch 1 Million Mark, konnte es passieren, daß um 12 Uhr bereits 5 Millionen zu berappen waren. Der Fachbegriff für diese Geldentwertung heißt Inflation. Was hat man nun genau darunter zu verstehen? Von Inflation spricht man dann, wenn die Preise von Gütern und Leistungen insgesamt stark und anhaltend steigen. Aber aufgepaßt: Erhöhen sich nur die Preise ganz bestimmter Güter, so ist dies nicht unbedingt mit Inflation gleichzusetzen. Denn es kann ja so sein, daß die Preise anderer Güter fallen. Ob Inflation gegeben ist oder nicht, wird üblicherweise am Lebenshaltungskostenindex abgelesen. Steigt der Index über einen längeren Zeitraum spürbar, dann liegt Inflation vor. Es ist ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik, Inflation zu vermeiden und zwar aus vielen Gründen. So werden z. B. all jene von der Inflation hart getroffen, die - wie die Arbeitslosen - ihr Einkommen den steigenden Preisen nicht anpassen können. Es wird von der Inflation aufgezehrt. Auch der Sparer, der sein Geld zu einem Zins von 2 % auf der Bank liegen hat, wird um die Früchte seines Sparsinns gebracht, wenn die Preise um 10 % steigen. Denn in Kaufkraft gemessen, schrumpft sein Vermögen trotz der Verzinsung. Ein Sparer wird dies, nicht lange mitmachen. Entweder wird er auf die Ersparnisbildung ganz verzichten. Oder er legt sein Geld in Sachwerten wie z. B. Grundstücken an. Wenn aber die Sparer ihr Geld nicht mehr auf die hohe (Bank-)Kante legen, können die Banken keine Kredite mehr an die Unternehmen ausgeben. Die Unternehmen können keine neuen Maschinen mehr kaufen. Sie stellen keine Arbeitskräfte mehr ein. Eine unheilvolle Entwicklung bahnt sich an. Damit die Politiker das Ziel "stabile Preise" erreichen können, müssen sie natürlich wissen, wie es zu einer Inflation kommt. Es gibt mehrere Erklärungen dafür, warum und wieso sich die Preise allgemein in einem Land erhöhen. Einige sollen hier besprochen werden. Die nachfragebedingte Inflation Liegen der Brause AG pro Monat Bestellungen für 20 Mio. Negerküsse vor, aber nur 10 Mio. Stück können produziert werden, dann kann Brause dieses Ungleichgewicht durch eine Preiserhöhung wieder ins Gleichgewicht bringen. Wenn es nun so ist, daß nicht nur bei der Brause AG, sondern überall mehr an Gütern und Leistungen nachgefragt als angeboten wird und Vollbeschäftigung herrscht, dann ist es für die Anbieter ein leichtes, die Preise zu erhöhen, Inflation entsteht. Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, so kann dies mit einer zu großen und zu rasch wach-senden Geldmenge zusammenhängen (Lohnerhöhungen, Kreditaufnahmen, abnehmende Sparneigung). Die Steigerung der Nachfrage kann aber auch unabhängig von der Geldmengenentwicklung sein. Die angebotsbedingte Inflation Angenommen, die Beschäftigten der Brause AG stellen Monat für Monat 10 Mio. Negerküsse her. Nun haben die Gewerkschaften für die Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung von 5 % durchgesetzt. Will sich Bruno Brause finanziell so wie vor der Lohnerhöhung stellen, dann muß er die Preise für die Negerküsse erhöhen. Die Lebensmittelhändler, die die Negerküsse kaufen, erhöhen dann auch ihre Preise. Die Konsequenz kann ggf. sein: Die Preise steigen im ganzen Lande. Dies ruft dann vielleicht wieder die Gewerkschaften auf den Plan-. Sie fordern für ihre Mitglieder erneut Lohnerhöhungen. Es ergibt sich die berühmt-berüchtigte Lohn-Preis-Spirale. Es kann aber auch der Fall gegeben sein, daß nicht die Gewerkschaften „die bösen Buben" sind. Genauso denkbar ist, daß die Unternehmer auf höhere Gewinne aus sind und deshalb die Preise erhöhen. Die Kosten der Lebenshaltung für die Arbeitnehmer steigen. Die Gewerkschaften wollen nun höhere Löhne durchsetzen usw. Hier spricht man nun von einer Preis-Lohn-Spirale. Denkbar wäre auch, dass sich die Preise durch die Anhebung von indirekten Steuern (z. B. Umsatzsteuer) erhöhen. Die importierte Inflation Die inflationsverursachenden und -treibenden Kräfte wirken freilich nicht immer im Inland. In den 70er Jahren war es z. B. so: Für das Öl, das wir aus dem Ausland einführten, mußten immer höhere Preise bezahlt werden. Fast konnte man folgenden Eindruck gewinnen: Jedesmal, wenn den Ölscheichs ein fliegender Teppich abgestürzt war, haben sie, um die Anschaffung eines neuen bezahlen zu können, die Preise für das Rohöl erhöht. Und wenn in einem solchen Fall dann die Preise der in heimischen Landen hergestellten Produkte steigen, weil sich mit der Verteuerung von Rohöl die Produktionskosten erhöhen, dann wird also Inflation aus dem Ausland importiert. Inflation kann auch in die heimischen Lande importiert werden, wenn aufgrund höherer Einkommen oder Preise im Ausland die Nachfrage nach deutschen Gütern und Leistungen durch Ausländer zunimmt und die heimischen Unternehmen dann die Möglichkeit haben, aufgrund der günstigen Nachfragesituation die Preise zu erhöhen. Schach der Inflation! Abhängig davon, auf welche Ursachen die Inflation zurückgeführt wird, muß eine entsprechende Behandlung der Krankheit "Inflation" durchgeführt werden. Ist beispielsweise die Deutsche Bundesbank der Ansicht, daß die Geldmenge sich zu stark erhöht, dann muß sie mit den ihr zur Verfügung stehenden geldpolitischen Instrumenten das Geld knapper machen. Wenn Unternehmer und Gewerkschaften meinen, daß sich Löhne und Preise gegenseitig hochschaukeln, dann müssen sie einen Pakt der Vernunft schließen und die Tarifverträge entsprechend gestalten, Der Staat muß bei zu starker Nachfrage seine Ausgaben zügeln. Noch besser als die Zurückführung ist allerdings die Vermeidung der Inflation. Hierzu gibt es viele Wege. Zwei sollen genannt werden. Allgemeine Preissteigerungen können z. B. weitgehend verhindert werden, wenn sich ein Überhang der Nachfrage über das Angebot, der durch eine zu große Geldmenge verursacht ist, erst gar nicht bilden kann. Herrscht auf den Märkten lebhafter Wettbewerb, dann können sich Ansprüche auf ein höheres Einkommen auch nicht in steigenden Löhnen und Güterpreisen durchsetzen. Die allerletzte Möglichkeit eine Inflation in den Griff zu bekommen ist eine Währungsreform (1923 und 1948 geschehen!), bei der das alte Geld durch eine neue Geldordnung ersetzt wird. 1923 1948