Galerien Galerien Auch Künstlerinnen legen Eier

Werbung
28.10.2016
Wiener Zeitung Online
vom 20.09.2016, 16:09 Uhr
Galerien
Kunst
Galerien
Auch Künstlerinnen
legen Eier
(cai) "Das ist kein Sessel", behauptet der
Werktitel. Sondern? Ein Stuhl? Ach so:
Das sind zwei Sessel! Einer für
Erwachsene und einer für Kinder. Aber
natürlich sind beide keine Sessel. Magrittes
Pfeife ist ja auch keine Pfeife. Das ist ein
Bild von einer Pfeife. Rauchen kann man
die nicht. (Höchstens am Terpentin
schnüffeln, solange die Farbe frisch ist.)
Und auf diesen Konstruktionszeichnungen
in 3D (beschichteter Stahl) kann keiner
sitzen. Noch dazu haben die keine
Sitzfläche.
Sie sind zu viert auf diesem Bild
von Martin Veigl: drei Passanten
und die Leinwand. ("Konstruierte
Judith P. Fischer erschließt gern mit der
Masse", 2016.)
Linie den Raum. Den realen (wenn sie das
© Galerie
Gekritzel, das sie direkt aus der
Silikonspritze drückt, zu einem Ball
verdichtet und diesen wie einen Köder auf
dem Boden platziert - man muss ihn förmlich durch die Galerie
Straihammer und Seidenschwann kicken) und den Illusionsraum. Ihre
feinen, delikaten Zeichnungen von aufgetürmten Pölstern
("hoch.STAPELEI") entwickeln sich nämlich ganz aus dem Strich.
Schraffur pur. Und eigentlich sind ihre präzisen, reduzierten, sinnlichen
Arbeiten lauter Beziehungsgeschichten. Chaos und Ordnung, Weiches
und Hartes, Rundes und Eckiges. Romantisch: Zwei Luftballons quellen
aus einer Nische und werden zusammenbleiben, bis . . . die Ausstellung
aus ist. Auf das Gelbe vom Ei steht sie sowieso. Und legt gleich
komplett gelbe, ziemlich kantige Eier. Sind womöglich stapelbar. (Das
Hochstapel-Ei?)
Gerersdorfer
Beim Johann Feilacher wird’s dann echt brutal. Was der künstlerische
Direktor vom Museum Gugging mit dem Holz anstellt, das grenzt ja
schon an Konfrontationstherapie. Den natürlichen Feinden setzt er es
aus: der Kettensäge, dem Feuer, dem Bildhauer. Heraus kommen
kernige, halb verkohlte Stücke mit viel Persönlichkeit.
http://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=845883&em_loc=371&em_ref=/nachrichten/kultur/kunst/&em_ivw=Re…
1/3
28.10.2016
Wiener Zeitung Online
Galerie Straihammer
und Seidenschwann
(Grünangergasse 8/3)
Judith P. Fischer und Johann Feilacher, bis 15. Oktober
Di. - Fr.: 12 - 18 Uhr
Sa.: 11 - 15 Uhr
Der malt ja
wie der Goya
(cai) Er wird sogar schon mit Goya verglichen. Was könnte
schmeichelhafter sein für einen jungen, aufstrebenden Künstler wie
den Martin Veigl? Äh, na ja, wenn zum Beispiel jemand schreiben
würde: "Der Veigl wird der nächste Picasso." (Nicht, dass zwischen den
beiden auch nur die geringste Ähnlichkeit bestünde.)
Und wer hat ihn nun in einem Atemzug mit dem Alten Meister genannt?
Der Horst Gerersdorfer. In dessen Galerie stellt er gerade aus, und der
Galerist erinnert sich an ein Verkaufsgespräch, das ungefähr so
verlaufen ist. Ein Sammler hätte an sich Interesse an einem Bild
gehabt, aber: "Mei Frau hätt gern a anderes." Fragt der Gerersdorfer:
"Wieso?" Antwort: "Weil das da unscharf is." - "A Goya is auch
unscharf." Mischt sich die Frau ein: "Dann hätt i lieber glei einen Goya."
Darauf der Gerersdorfer: "Den wern Sie sich vielleicht nicht leisten
können." Das hat sie schließlich überzeugt und ihr Mann hat das Bild
dann doch gekauft. Happy End. (Das soll jetzt freilich nicht heißen, der
Veigl wäre der Goya für Arme.)
"Urban Theatre" heißt die aktuelle Serie, wo Passanten aneinander
vorbeieilen oder interagieren (miteinander sowie nicht weniger lebendig
mit dem gemalten Hintergrund oder der ungrundierten Leinwand).
Flüchtige Straßenszenen in Schnappschussästhetik, erstarrt zu einem
Augenblick. Und vom Sonnenlicht durchflutet, dass einem vom
Hinschauen selber angenehm warm wird. Sonnenlicht - also
Freilichtmalerei? Halt aus dem Atelier. Aber die Fotos, die der Veigl
benützt, sind doch eh draußen geschossen worden, oder?
Die trotz des lockeren Pinselstrichs sehr realistische Schilderung löst
sich immer wieder in reine Malerei auf. In Farbklänge. Oder es darf
überhaupt die nackerte Leinwand mitspielen. (Ihren gelungensten
Auftritt hat sie im Bild aus der Serie "Konstruierte Masse".) Martin Veigl
beherrscht eben die Kunst des Weglassens. Macht es spannend. Die
rätselhaften Geschichten, die er erzählt, muss man sich sowieso selber
http://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=845883&em_loc=371&em_ref=/nachrichten/kultur/kunst/&em_ivw=Re…
2/3
28.10.2016
Wiener Zeitung Online
zusammenreimen. Die Mädeln da wollen offenbar grad diesem Mann
Geld geben. Sie wollen ihm sicher seinen angebissenen Hotdog
abkaufen. Weil einen Goya wird der bestimmt nicht dabeihaben.
Galerie Gerersdorfer
(Währinger Straße 12)
Martin Veigl, bis 15. Oktober
Do., Fr., Sa.: 11 - 20 Uhr
UR L: http://www.wie ne rze itung.at/nachrichte n/k ultur/k unst/845883_Kunst.htm l
© 2016 Wiener Zeitung
http://www.wienerzeitung.at/_em_cms/globals/print.php?em_ssc=LCwsLA==&em_cnt=845883&em_loc=371&em_ref=/nachrichten/kultur/kunst/&em_ivw=Re…
3/3
Herunterladen