1 Das Ziel: Dirigent im Orchester der Unternehmenskommunikation Wie ein Dirigent die einzelnen Mitglieder des Orchesters beherrscht, um am Ende für einen Wohlklang nach Außen zu sorgen und den zu Grunde liegenden Plan, die Partitur des Musikstücks, umzusetzen, so muss das Management eines Unternehmens oder einer Organisation die Kommunikationsarbeit und die internen und externen Beteiligten im Rahmen des Kommunikationsprozesses koordinieren. Aber ist dieser hehre Anspruch, dass Kommunikation eines Unternehmens zur Chefsache gehört, überhaupt vertretbar? Nur wenige Themenbereiche können in weit entwickelten Unternehmen und Organisationen als Aufgabe der Unternehmensführung betrachtet werden. Für die meisten betrieblichen Funktionen gilt das Delegationsprinzip, wonach sich die Unternehmensführung keinesfalls um die direkte Steuerung kümmert. Der innerhalb der Geschäftsleitung oder innerhalb des Vorstands verantwortliche Ressortchef, der einzelne Produkte, Märkte oder Funktionen wie z.B. Finanzen vertritt, trägt die direkte Verantwortung und ist für die Abstimmung mit den übrigen Teilbereichen des Unternehmens zuständig. Nach diesem Prinzip wird in vielen Fällen auch der Bereich der Marktkommunikation als Marketing in das Unternehmen eingebunden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dies nicht ausreicht und eine gezielte Steuerung der Unternehmensführung notwendig ist. Ein Beispiel aus der Beratungspraxis zeigt, was passieren kann, wenn keine zentrale Koordination der Kommunikationsaktivitäten und der Marktbeziehungen erfolgt. Praxisbeispiel: Eine Bank stellt in der Analyse ihrer Kundenstruktur fest, dass der Anteil an jüngeren Kunden in den vergangenen Jahren zunehmend zurückgegangen ist, d.h. ein für die Zukunft des Unternehmens wichtiges Teilsegment des Marktes mangelhaft erreicht wird. Um diese Lücke zu schließen, soll ein junges Konto als neues Produkt am Markt etabliert werden, das zahlreiche Mehrwerte für junge Leute bietet. Die Zielgruppendefinition (Marketingzielgruppe) lautet „alle 14 bis 20-Jährigen“ und wird entsprechend an die Werbeabteilung weiter gegeben. Der Vertrieb erhält dieses Produkt jedoch ohne klare Maßgabe und in den 1 Filialen werden auch 60jährige angesprochen, dieses Produkt zu nutzen. Parallel dazu gibt es im Rahmen der Werbekommunikation Schwierigkeiten, da man trotz der jungen Zielgruppe die Vorgabe macht, v.a. Tageszeitungen zu belegen, was für Ergänzungsmedien zu wenig Spielraum lässt. Das Produktmanagement der Bank stellt nach kurzer Zeit fest, dass das neue Produkt in der Akzeptanz weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die Ergebnisse eines hausinternen Trackings, mit dem der Abverkaufserfolg akribisch in Datenbanken erfasst wird, ist jedoch den für die Werbekampagnen Verantwortlichen nicht zugänglich. Im nächsten Schritt wird im Rahmen einer Überprüfung des Markterfolgs die Kommunikationszielgruppe auf 28 – 32 Jahre festgelegt. Da man mit den Ergebnissen bei der ursprünglichen Zielgruppe nicht zufrieden war. Die Einbindung der Mitarbeiter im Kundenkontakt wird jedoch wegen der fehlenden Routineabstimmung der unterschiedlichen Abteilungen erneut nicht vorgenommen. Welche Hauptmängel lassen sich aus diesem realen Beispiel feststellen?: - keine Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Fachabteilungen (hier: Produktmanagement und Werbeabteilung) - keine Klarheit über die Zielgruppe innerhalb der Werbeabteilung - keine Einbindung der Mitarbeiter des gesamten Unternehmens (in der Folge positionieren die Filialmitarbeiter die Produkte falsch) - keine Nutzung der eigenen Datenbasis im Sinne eines Customer Relationship Managements (CRM). Die internen Tracking-Daten stehen der Werbe- und Mediaplanung nicht zur Verfügung. Dadurch sind die Erkenntnisse über die mit diesem Produkt tatsächlich erreichte Zielgruppe nicht für alle relevanten Bereiche verfügbar. Im Ergebnis werden Gelder für Werbemittel und Media-Ausgaben im Rahmen der Kommunikation falsch investiert. Der Verkaufserfolg des neuen Produkts bleibt hinter den Erwartungen zurück und die Ursachenanalyse führt vor allem zu gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Produktmanagement, Werbung, Filialen und Mediaplanungsagentur. Aus diesem Beispiel lassen sich die wesentlichen Gründe für die Notwendigkeit einer zentralen Verantwortung und Koordination der Unternehmenskommunikation ableiten: » viele Unternehmensbereiche (z.B. unterschiedliche Produktbereiche) und betriebliche Funktionen (Einkauf, Produktion etc.) haben eine Teilaufgabe, die zum Kommunikationsprozess gehört 2 » übergeordnete Themen wie Führungsstil und Mitarbeiterqualifikation spielen eine zentrale Rolle für den Erfolg der Unternehmenskommunikation » die Kommunikation hat direkte Auswirkungen auf den gegenwärtigen Markterfolg und die langfristige Positionierung einer Organisation » engere Märkte und neue Technologien erfordern eine gezieltere Kommunikation 1.1 Wo spielt die Musik: Beteiligte Bereiche und Funktionen In der Praxis fangen die Ungereimtheiten im Umgang mit Unternehmenskommunikation bereits dann an, wenn geklärt werden soll, wer denn „beim Reden das Sagen“ hat. Ist das Marketing die ausschlaggebende Funktion, die die beiden anderen Themenbereiche umschließt? Welche Rolle spielt der Bereich Öffentlichkeitsarbeit/PR? Wie ist die Unternehmensführung bzw. der Stabsapparat im Hintergrund eingebunden? Der Streit um die Dominanz der Unternehmenskommunikation ist dabei keineswegs neu. Es ist ein Streit, der schon jahrelang währt, während der letzten Jahre jedoch zunehmend in Praxis und Theorie an Bedeutung gewonnen hat. Wer hat Vorrang bei der Festlegung von Kommunikationszielen und Budgets, der Marketingsektor oder der Bereich Öffentlichkeitsarbeit? Nicht zuletzt auf Grund der zunehmenden Aktualität dieser Auseinandersetzung zwischen Public Relations (PR) und Marketing hat sich das Fachmagazin „Pressesprecher“ 2004 mit einer Titelgeschichte dieses Themas angenommen 1. Dabei war aus der Marketingtheorie die Antwort jahrzehntelang eindeutig. Im Rahmen des MarketingMix wurde zwischen den vier Komponenten Produkt-Mix, Kontrahierungs-Mix, Distributions-Mix und Kommunikations-Mix unterschieden 2. Marketing ist die Unternehmenskonzeption, wonach sich das gesamte Handeln des Unternehmens an den Kundenbedürfnissen und Märkten orientiert. Um dies umsetzen zu können, sind eine ganze Reihe von Teilfunktionen notwendig, wie das folgende Schaubild zeigt. Die Kommunikation ist nach diesem Verständnis nur ein Teilbereich. Der Kommunikations-Mix gliedert sich – wie bereits dargestellt – nach diesem Ansatz in folgende vier Unterbereiche: Public Relations, persönlicher Verkauf, Verkaufsförderung, Werbung 3 Quelle: Darstellung angelehnt an: Meffert, Heribert; Marketing; Gabler Verlag Wiesbaden 1997; S. 115 Abb. 1: Traditionelle Aufteilung der Funktionen Verfolgt man also die Angaben der Marketingtheorie wäre die Streitfrage gelöst. Dieser betriebswirtschaftliche Ansatz hat Generationen von Betriebswirten und Diplom-Kaufleuten eine eindeutige Antwort geliefert und deren Einstellung zur Kommunikationsarbeit geprägt. Die Öffentlichkeitsarbeit wäre demzufolge eine Teilfunktion des Marketings und damit wäre die Dominanz des Marketingbereichs sichergestellt. In der Unternehmenspraxis hat sich die PR-Abteilung jedoch keineswegs als Unterabteilung der Marketingabteilung etabliert 3. Meist gibt es auf Vorstandsebene oder der Unternehmensführung zugeordnet einen Bereich Kommunikation, der die PR-Arbeit und teilweise auch den Marketingpart umfasst. Wie lässt sich diese Integration der unterschiedlichen Kommunikationsfunktionen, die sich offensichtlich entgegen der Marketingtheorie in der Praxis entwickelt und bewährt hat, theoretisch begründen? Die Lösung liegt im Managementansatz des Bezugsgruppen-Managements 4. Dieser so genannte „Stakeholder Value“-Ansatz bezieht alle relevanten Bezugsgruppen der Unternehmensumwelt wie Arbeitnehmer, Gläubiger, Kunden, Lieferanten, Staat und Gesellschafter mit ein 5. Im Rahmen des Bezugsgruppenmanagements werden die Bezugsgruppen in Abhängigkeit von der jeweiligen Lage der Unternehmens4 umwelt (Marktsituation, politische Einflussnahme etc.) in eine Reihenfolge gebracht. Eine besondere Rolle nehmen im Rahmen der Unternehmenskommunikation die Kunden als Bezugsgruppe ein. In den meisten Branchen ist der Absatzmarkt der entscheidende Engpass, daher ist es im Rahmen des Marketing entscheidend, die Kundenbeziehungen zu analysieren und daraus resultierend den Kommunikationsbedarf abzuklären. Beteiligte/Anspruchsgruppen: Unternehmen (Kapitaleigner, Geschäftsführer, Arbeitgeber, Mitarbeiter) Transaktionspartner (Lieferanten/Kunden); Interessenten (Kommunen/Kritiker) Betroffene/Bezugsgruppen (Stakeholder) Quelle: eigene Darstellung; Grundidee nach: Zerfaß, Ansgar; Unternehmensführung und Öffentlichkeitsarbeit; Westdeutscher Verlag Opladen 2004; S. 252 Abb. 2: Anspruchsgruppen der Unternehmenskommunikation Dies ist bereits das Grundmodell der integrierten Unternehmenskommunikation, die alle Teilfunktionen der betrieblichen Kommunikation kombiniert und aufeinander abstimmt. Im Unterschied zu einem „normalen“ Dirigenten muss die Unternehmensleitung nicht nur die unterschiedlichen Musiker (innerbetriebliche Bereiche und Funktionen) koordinieren, sondern auch eine Reihe von heterogenen Anforderungen von außen berücksichtigen. 1.2 Einheitlichkeit als Ziel Im vorausgehenden Abschnitt haben wir bereits die Grundidee der integrierten Kommunikation eingeführt. » Alle Kommunikationsfunktionen (PR, Marketing, Werbung, Verkaufsförderung), » alle Marketingfunktionen (Produkt-, Preis-, Distributionspolitik), » alle betrieblichen Funktionen (Einkauf, Materialwirtschaft, Produktion, Personal, Finanzen etc.). sowie in größeren Unternehmen auch 5 » alle Produktbereiche und Tochterunternehmen müssen in der Kommunikationsarbeit aufeinander abgestimmt werden. 1.2.1 Vom Push- zum Pull-Prinzip Das traditionelle Kommunikationsmodell im Unternehmen orientiert sich an einem linearen Transaktions- und Kommunikationsverlauf. Unternehmen als Sender einer Botschaft nutzen Botschaften (z.B. Anzeige, Banner, Werbespot), die mit Hilfe eines Mediums (Zeitungen, Zeitschriften, TV, Internet etc.) zum Empfänger (Handel, Endverbraucher etc.) transportiert werden. Unternehmen (Sender) Medium Kunden, Handel (Empfänger) Abb. 3: Kommunikation nach dem Push-Prinzip Diese Art der Markt- und Unternehmenskommunikation war typisch für die Nachkriegszeit, als es darum ging, mit möglichst viel „Reklame“ das eigene Unternehmen und die eigenen Produkte bekannt zu machen. Aus dieser Zeit heraus wurde auch die oben dargestellte Gliederung des Marketing-Mixes entwickelt. In einem solchen Modell ist die Kommunikation als Teilfunktion des gesamten Marketingprozesses von begrenzter Bedeutung. Demgegenüber werden in neueren Kommunikationskonzepten nicht nur interne Ideen und Produkte außen dargestellt, sondern es findet ein Austausch zwischen Innen und Außen statt. Unter dem Stichwort „Relationship Marketing“ wird die Aufnahme, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme von Geschäfts6 beziehungen in das traditionelle Kommunikationsmodell eingebracht. Während das alte Modell darauf angelegt ist, nach dem „Push-Prinzip“ eine Botschaft in den Markt zu drücken, beruht der neue Ansatz auf der Wechselwirkung zwischen Unternehmen und Kunden. Im Rahmen des Interaktionsmodells werden über zahlreiche Feedbackmöglichkeiten (Antwortkarten, E-Mail, Websites, Hotlines und Call-Center) die Angebote auf die speziellen Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt. Nicht nur die Kommunikation verändert sich dadurch, sondern auch die Angebote selbst werden individueller und kundenspezifischer. Kommunikationsangebot (z.B. Anzeige oder Verkaufsgespräch am Point of Sale (POS) Akzeptanz (Kenntnisnahme der Anzeige, positive Bewertung des Angebots) Nutzung (entweder nur Nutzung des Angebots, d.h. Lesen der Anzeige oder Nutzung des Interaktionsangebots, z.B. Mailkontakt) Zufriedenheit (Bewertung des Angebots) Verhalten (Kaufverhalten, Grundeinstellungen, Image etc.) Abb. 4: Kommunikation nach dem Pull-Prinzip Statt des bisherigen „Push-Prinzips“ versucht der „Pull-Ansatz“ die gleichwertige Interaktion zwischen Unternehmen und Kunden zu erreichen. Die daraus resultierende integrierte Kommunikation stellt dabei zahlreiche neue Anforderungen an die werbungtreibenden Unternehmen. 7