Werbung mit Besichtigungsmöglichkeit am Sonntag UWG §§ 1, 3

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Werbung mit Besichtigungsmöglichkeit am Sonntag
UWG §§ 1, 3; LadschIG § 3, Satz 1, Nr. 1
OLG Köln, Urteil vom 14. November 1980 - 6 U 87/80
Die Werbung eines Automobilhändlers „Sonntag Besichtigung 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr“ ohne
den Hinweis, daß in dieser Zeit weder ein Verkauf noch Kundenberatung stattfinde, ist wettbewerbswidrig, da sie Kunden anlockt, die die Möglichkeit der Einleitung von Verkaufsgesprächen oder der Kundenberatung erwarten, auch wenn dann tatsächlich kein Verstoß gegen das Ladenschluß-Gesetz stattfindet. Solchermaßen einmal angelockte Kunden werden
dann eher geneigt sein, bei dem Händler zu kaufen, dessen Produkte sie schon einmal besichtigt haben, als bei anderen Händlern.
Aus dem Tatbestand:
Der Beklagte betreibt einen Autohandel. In der B. Zeitung vom 9./10.2.1980 ließ er folgende
Annonce veröffentlichen:
„Mercedes Großauswahl, neue und alte Modelle vorrätig. Eintausch, Finanzierung.
Sonntag Besichtigung 10.00 bis 12.00 Uhr. S.-Automobile, M.-straße ..., B., Ruf: ...“
Der Kläger forderte den Beklagten auf, die Werbung mit Ankündigung „Sonntag Besichtigung
10.00 bis 12.00 Uhr“ zu unterlassen,
da sie nicht klar und unmißverständlich zum Ausdruck bringe, daß im Rahmen der außerhalb
der gesetzlichen Ladenschlußzeiten stattfindenden „Besichtigung“ kein Verkauf stattfinde.
Der Beklagte lehnte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, in der an den Endverbraucher gerichteten
Werbung anzukündigen:
„Sonntag Besichtigung 10.00 bis 12.00 Uhr“, soweit nicht durch einen entsprechenden Zusatz gleichzeitig unmißverständlich darauf hingewiesen wird, daß außerhalb der Ladenöffnungszeiten „kein Verkauf“ stattfindet.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Durch das angefochtene Urteil vom 23. April 1980 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Urteil ist im wesentlichen damit begründet, daß das Wort „Besichtigung“ in der beanstandeten Anzeige unmißverständlich zum Ausdruck bringe, daß es am Sonntag nicht
möglich sei, Verkaufsgespräche zu führen oder Wagen zu kaufen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aus §§ 3 und 1 UWG gerechtfertigt.
Die beanstandete Werbung verstößt gegen § 3 UWG, denn mit ihr macht der Beklagte im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs irreführende Angaben über seine geschäftlichen Verhältnisse.
Die Werbung „Sonntag Besichtigung 10.00 bis 12.00 Uhr“ ist irreführend, denn sie ist geeignet, bei einem nicht unerheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen
über das Geschäftsgebaren des Beklagten am Sonntag herbeizuführen. Es ist zu besorgen,
daß ein nicht unbeachtlicher Teil der unbefangenen Verbraucher aufgrund der Werbeanzeige
erwartet, nicht nur auf der Verkaufsfläche des Beklagten Fahrzeuge ausgestellt zu finden, die
nur von fachfremdem Bewachungspersonal beaufsichtigt werden, sondern davon ausgeht,
sich hinsichtlich dieser Fahrzeuge über weitergehende technische Einzelheiten und über
Kaufmodalitäten erkundigen zu können. Er erwartet Antwort auf Fragen nach dem Benzinverbrauch, der Beschleunigung des Fahrzeugs, dem Fassungsvermögen des Kofferraums,
nach Einzelheiten der Ausstattung, der Wartung und ähnlichem, wie er auch glaubt, etwas
über Preisnachlässe, Kosten für Sonderausstattungen, Lieferfristen und die Möglichkeit der
Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen zu erfahren. Die Erwartung, beraten zu werden, besteht bei größeren technischen Gütern, wie Kraftfahrzeugen, in besonderem Maße. Hier
kommt es entscheidend auf technische Details an, wie auch der Preis, unter Umständen im
Hinblick auf eine Inzahlungnahme, meist individuell ausgehandelt werden kann, und der Käufer diesbezügliche Fragen regelmäßig schon bei der ersten Kontaktaufnahme zum Verkäufer
zu stellen pflegt. Der Kunde wird auch erwarten, auf Wunsch eine Probefahrt unternehmen
zu können. Daß die „Besichtigung“ nur für die Zeit von 10.00 bis 12.00 Uhr angekündigt wird,
kann den Irrtum des Kunden nur verstärken; der Kunde wird es eher für möglich halten, daß
das reguläre Verkaufspersonal des Beklagten am Sonntag zwei Stunden arbeitet, als daß es
dies den ganzen Tag tun würde.
Der Senat vermag aus eigener Anschauung zu beurteilen, daß ein nicht unerheblicher Teil
der Verbraucher bei Kraftfahrzeugen solche Erwartungen hegt, denn seine Mitglieder gehören dem Verkehrskreis an, um den für die angebotenen Waren geworben wird. Der Senat
brauchte deshalb auch nicht, um seine Sachkunde zu verstärken, den angebotenen Beweis
durch Sachverständigengutachten in Form der Verbraucherbefragung zu erheben. Der Senat
hat seine diesbezügliche Auffassung im übrigen bereits in mehreren vorausgegangenen Entscheidungen zu vergleichbaren Sachverhalten geäußert (vgl. das Urteil vom 21.3.1980 6U226/79 - und den Beschluß vom 9.5.1980 - 6U 31/80 -).
Der durch seine Werbeanzeigen hervorgerufenen Erwartung des Verbrauchers kann der
Beklagte nicht nachkommen und tut es auch nicht. Denn wenn er die Fragen der Kunden
fachgerecht beantworten wollte, läge darin schon der Beginn des geschäftlichen Verkehrs
mit dem Kunden i.S. von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LadschlG. Um die Kundenerwartung zu erfüllen, müßte fachkundiges Personal anwesend sein.
Der BGH grenzt den Begriff des geschäftlichen Verkehrs bei Möbelgeschäften danach ab, ob
der Inhaber bzw. sonstiges Verkaufspersonal anwesend sind oder ob sich lediglich zur Aufsicht bestimmtes Wachpersonal in dem Geschäftslokal aufhält, das nicht zur Entgegennahme von Bestellungen, zu Verkaufsgesprächen, zur Vorführung und Erläuterung des Angebots oder zu sonstigen verkaufsfördernden Handlungen berechtigt ist (vgl. BGHZ 66, 159,
165 - „Tag der offenen Tür“ -). Dieses Abgrenzungskriterium ist auch im Automobilhandel
sachgerecht, denn, wie bei Möbelgeschäften, bereitet auch bei Kraftfahrzeughändlern deren
Überwachung im Hinblick auf die laufende Kontrolle der Arbeitsschutzbestimmungen von der
Zahl her keine unüberwindlichen Schwierigkeiten.
Der Verstoß gegen § 3 UWG wird nicht dadurch ausgeräumt, daß der Beklagte sich an die
Vorschriften des Ladenschlußgesetzes hält. Die Wettbewerbswidrigkeit liegt in der irreführenden Angabe des werblichen Hinweises und nicht darin, daß Verbraucher sich beim Beklagten sonntags dessen Fahrzeuge ansehen können. Eine begleitende Werbung, die irreführend ist, begründet schon für sich allein nach §§ 1 und 3 UWG Unterlassungsansprüche,
insbesondere wenn durch die Abstellung dieser Werbung der Vorwurf der Sittenwidrigkeit
gegen die beworbene Handlung entfällt (vgl. BGH in GRUR 1979, 58).
Durch seine irreführende Werbung verschafft sich der Beklagte auch Vorteile im Wettbewerb.
Wer sich einmal sonntags - von der irrigen Annahme getragen, er könne sich beim Beklagten
umfassend informieren - mit einem bei diesem ausgestellten Fahrzeug näher befaßt hat,
auch ohne fachkundig beraten worden zu sein, wird dann eher dazu neigen, beim Beklagten
ein Fahrzeug zu kaufen, als derjenige, der noch nicht den Weg zum Beklagten gefunden hat.
Der Beklagte ist auch aus § 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet, denn seine irreführende
Werbeäußerung verstößt gegen die guten Sitten im Wettbewerb. Um einen sachlich nicht
gerechtfertigten Vorsprung vor seinen Mitwettbewerbern zu erhalten, erweckt er bei den
Kunden die irrige Vorstellung, sie könnten bei ihm sonntags außerhalb der Ladenöffnungszeiten fachkundig beraten werden. Der Senat vermag sich nicht der Auffassung des OLG
Oldenburg (GRUR 1976, 703) anzuschließen, eine Werbung für Kraftfahrzeuge mit dem
Hinweis, daß diese sonntags besichtigt werden könnten, verstoße nicht gegen § 1 UWG, weil
ihr nicht zu entnehmen sei, daß die Besichtigung unter Verstoß gegen das Ladenschlußgesetz geschehen solle. Das OLG Oldenburg stützt seine Meinung ersichtlich darauf, daß
Kraftfahrzeuge außerhalb einer „Verkaufsstelle“ i. S. des § 1 Abs. 1 LadschlG ausgestellt
werden können und dort Erläuterungen zu den Ausstellungsstücken ohne Verstoß gegen das
Ladenschlußgesetz gegeben werden dürfen. Es ist aber nicht anzunehmen, daß die
Verbraucher stets davon ausgingen, die Fahrzeuge stünden nur außerhalb der Verkaufsstelle des Werbenden zur Besichtigung; das gilt besonders, wenn der Annoncierende - wie hier
der Beklagte - für die „Besichtigung“ die Adresse seiner Geschäftsräume angibt. Wenn jedoch ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Interessenten glaubt, in der Verkaufsstelle Beratung erfahren zu können, wird in sittenwidriger Weise mit irrigen Angaben geworben.
Der vom Kläger beantragte Zusatz für die Werbung des Beklagten, nämlich der Hinweis, daß
während der Besichtigung keine Verkäufe stattfinden, ist auch geeignet, die irrigen Vorstellungen der Verbraucher, die durch die bisherige Art der Werbung aufrecht erhalten worden
waren, zu korrigieren. Der Verbraucher faßt den Begriff des „Verkaufs“ nicht so eng auf, daß
er hierunter nur den Abschluß von Kaufverträgen versteht. Wird die Möglichkeit angekündigt,
außerhalb der Zeiten des Ladenschlußgesetzes „Käufe“ tätigen zu können, so sieht der
Verbraucher darin die Möglichkeit, in geschäftlichen Verkehr mit dem Verkäufer eintreten zu
können.
Gerade diese Erwartung wird aber durch den Zusatz, daß kein Verkauf stattfinde, korrigiert.
Der Senat ist zwar der Auffassung, daß andere Zusätze, als der vom Kläger begehrte, die
Erwartungen der Verbraucher noch unmißverständlicher korrigieren könnten eine Neufassung des Tenors in dieser Hinsicht würde aber den Rahmen des § 308 ZPO sprengen.
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