Designoptimierung multifokaler IOL

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Designoptimierung multifokaler IOL
P.-R. Preußner
Zusammenfassung
Zweck: Klärung der begrifflichen Zusammenhänge zwischen IOL-Design, Sehqualität
und Halos sowie Vorstellung der bisher unter Laborbedingungen besten Ergebnisse.
Methoden: Raytracing-Rechnungen, Messungen im Kunstauge.
Ergebnisse: Für beste Sehqualität in der Ferne und in der Nähe muß die IOL für genau
zwei Brennweiten optimiert sein. Werden darüberhinaus intermediäre Foki, Gleitsicht etc.
gewünscht, so geht dies immer auf Kosten der besten Nah- oder Fernqualität. Halos sind
immer unvermeidliche Konsequenzen nicht-fokussierten Lichtes. Sie erscheinen als regel­
mäßige oder verzerrte Ringstrukturen stärker störend bei refraktiven Designs mit wenigen
Zonen als bei solchen mit vielen Zonen oder diffraktiven Designs, bei denen der Halo eher
diffus ist. Diffraktive IOL haben aufgrund der unvermeidlichen Lichtverluste in den Foki
höherer Beugungsordnung bereits theoretisch etwas schlechtere Qualität als optimierte
refraktive IOL. Die Abhängigkeit von der Pupillenweite ist als Nachteil refraktiver Designs
mit wenigen Zonen seit langem bekannt.
Schlußfolgerung: Wie theoretisch zu erwarten war, ergab sich im Kunstauge bei einer
Messung in weißem Licht bisher die gleichzeitig beste Qualität in Nähe und Ferne für ein
multizonales (17 Zonen), streng bifokales, ideal asphärisches Design.
Summary
Purpose: Clarification of terms and definitions for IOL design, quality of vision and
halos, and presentation of the current best results under laboratory conditions.
Methods: Ray tracing calculations, measurements in an artificial eye.
Results: For best near and distant visual quality IOL have to be optimized for exactly
two foci. If intermediar foci or varifocals are desired, this is always at the costs of best
near and distant quality. Halos are always unavoidable consequences of unfocussed light.
Structured halos appearing as more or less distorted rings caused by refractive IOL with
few zones are more disturbing than diffuse halos from diffractive IOL or from refractive
IOL with many zones. Diffractive IOL have a slightly lower performance already from a
theoretial point of view due to the unavoidable light loss in higher order foci. Pupil size
dependence as a disadvantage of refractive designs with few zones is already known for a
long time past.
Conclusion: As theoretically expected, best simultaneous near and distant quality in
white light could be measured in the artificial eye with a multizonal (17 zones), strictly
bifocal, ideally aspherical design.
Einleitung
Zur Qualitätsbeurteilung von multifokalen IOL werden meist klinische Studien
zitiert. Diese berichten teilweise von „zufriedenen“ Patienten, andererseits stehen
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Multifokale IOL
aber auch immer wieder Probleme im Vordergrund wie Halos, unzureichender Nahoder Fernvisus oder vermindertes Kontrastsehen. Es erscheint daher sinnvoll, die Zu­
sammenhänge zwischen gewünschten und unerwünschten optischen Eigenschaften
multifokaler IOL in Abhängigkeit vom Design besser zu verstehen und sie nach Mög­
lichkeit zu objektivieren, bevor man die betreffende Linse in ein menschliches Auge
implantiert hat. Erfreulicherweise läßt sich dabei ein Grundverständnis wesentlicher
Aspekte erreichen, ohne komplizierte optische Berechnungen im Detail nachvollziehen zu müssen.
Bi- oder multifokal? Idealerweise möchte man ein scharfes Sehen von der Ferne
zumindest bis zum Leseabstand erreichen. Prinzipiell kann man Optiken herstellen,
die tatsächlich in jedem Abstand von unendlich bis z. B. 30 cm die gleiche Abbil­
dungsqualität liefern. Die Qualität ist aber dann in jeder Entfernung so schlecht,
daß damit nur ein unbrauchbarer Visus möglich wäre. Allgemein gilt: man kann das
scharfe Sehen entweder verteilen oder für eine oder einige wenige Entfernungen
bündeln. So bewirkt etwa eine klassische, sphärische Monofokallinse über die sphä­
rische Aberration eine größere Tiefenschärfe (Pseudoakkommodation) als eine ideal
asphärische Linse, d. h. sie erlaubt eine größere Defokussierung. Umgekehrt ist aber
die mit ihr erreichbare maximale Qualität im Fokus (z. B. Kontrast) schlechter als
mit einer idealen Asphäre. In gleicher Weise hat eine Bifokallinse dann die beste
Abbildungsqualität in ihren beiden Brennweiten, wenn sie genau für diese beiden
Brennweiten optimiert ist. Ein dritter Fokus oder ein besserer Intermediärbereich
verschlechtern zwangsläufig die Qualität in den beiden Foki.
Halos sind bei Multifokallinsen immer unvermeidlich, denn nicht fokussiertes
Licht erzeugt immer einen Halo. Bei einer Bifokallinse mit scharf separierten Brenn­
weiten wird also bei Betrachtung eines fernen Objektes dessen unscharfe Abbildung
mit der Nahbrennweite zum Halo, bei der Betrachtung eines Objektes in der Nähe
ist es umgekehrt. Halos stören umso weniger, je gleichmäßiger (diffuser) das Licht in
ihnen verteilt ist. Die Musterverarbeitungsmechanismen in der Netzhaut verringern
die Störung zusätzlich, wenn der Halo nicht strukturiert ist. Hat er aber Strukturen,
z. B. Ringe, kann die retinale Kontrastverstärkung das Gegenteil bewirken, so daß
der Halo dann besonders stört. Ringhalos treten vor allem bei refraktiven IOL mit
wenigen Zonen auf. Bei diffraktiven IOL oder bei refraktiven IOL mit vielen Zonen
sind die Halos eher diffus.
Mono- oder polychromatisch optimiert? Eine diffraktive Linse funktioniert
theoretisch nur bei einer Wellenlänge, denn ihre Brennweite ist umgekehrt propor­
tional zur Wellenlänge. In weißem Licht hätte sie also eine sehr starke chromatische
Aberration. Kombiniert man aber im menschlichen Auge eine diffraktive Linse von
2 – 4 dpt mit einer refraktiven von ca. 20 dpt, so hat die chromatische Aberration
der refraktiven Optik in etwa den gleichen Betrag, aber das umgekehrte Vorzeichen
wie die des diffraktiven Anteils, d.h. die chromatischen Aberrationen heben sich
weitgehend auf, und es kann eine recht gute „Durchschnittsoptik“ für weißes Licht
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resultieren. Dabei ist noch zu beachten, daß der Unterschied in der optischen Weg­
länge zwischen den Zonen einer diffraktiven Linse, der theoretisch eine halbe Licht­
wellenlänge betragen sollte, diesen Wert natürlich nur für genau eine Wellenlänge
hat. Qualitätsbeurteilungen von IOL sollten daher grundsätzlich im weißen Licht
erfolgen. Leider wird die Messung der Modulationstransferfunktion (MTF) von IOL
meist nur monochromatisch durchgeführt, so daß diese Daten zur Qualitätsbeurtei­
lung im menschlichen Auge nur eingeschränkt brauchbar sind.
Messung der Qualität: Die nach ISO11979 vorgeschriebenen Messungen zur op­
tischen Abbildungsqualität von IOL erfolgen leider meist nicht nur monochromatisch
statt in weißem Licht, sondern darüber hinaus in einer Anordnung, in der sich eine
andere sphärische Aberration ergibt als im menschlichen Auge. Idealerweise sollte
die Geometrie der Meßoptik dem menschlichen Auge so ähnlich wie möglich sein.
In einem solchen Kunstauge hat man dann aber das Problem, daß die optischen
Strukturen, die man beurteilen muß, sehr klein sind. Sie liegen in der gleichen
Größen­ordnung wie die Verschmierung durch die Beugung bei der betreffenden
Lichtwellenlänge, und man benötigt zu ihrer Beurteilung ein stark vergrößerndes
­Mikroskop, das seinerseits wiederum optische Fehler mitbringt. Dieses Problem kann
man jedoch lösen, indem man den Strahlengang invertiert und in der Netzhautebene
des Kunstauges als Urbild ein zwar sehr kleines, aber dennoch höchst präzise her­
D
S
P
R A
L
←→ B
C
IOL
F
←→
F: Flüssigkeit (Wasser)
L: Leuchtdiode
P: Platte mit Mikrostruktur
B: Balg
S: Stokes-Linsen (optional)
R: Ring für IOL-Halterung
A: Apertur (Pupille)
C: Kornea-Linse (PMMA)
D: Detektor (CCD)
Abb. 1: Prinzip der IOL-Testvorrichtung: Die Testvorrichtung entspricht in ihren Dimensionen und optischen
Eigenschaften einem Durchschnittsauge. Der Strahlengang ist jedoch gegenüber dem „natürlichen“ Strahlengang invertiert. Der Sinn ist, daß keine zusätzlichen optischen Fehler durch die Beobachtung einschließlich der
Vergrößerung des sehr kleinen Bildes auf der Netzhaut entstehen. Das in der Netzhautebene des Kunstauges
befindliche Urbild ist mit höchstmöglicher Präzision hergestellt und wird durch eine unmittelbar aufgesetzte
Lichtquelle beleuchtet. Auf dem Detektor entsteht so ein stark vergrößertes Bild dieses Urbildes, das genau
die optischen Fehler aufweist, die sonst ein Bild auf der Netzhaut haben würde, dessen Urbild sich in der
Detektorebene befindet.
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Multifokale IOL
25 µm
5 µm
5 µm
Abb. 2: Landoltring: Der geschwärzte Ring ist transparent,
der gesamte Hintergrund intransparent. Das Trägermaterial besteht aus Glas, Dicke 1,0 mm, rund, Ø 10,0 mm.
Die intransparente Schicht besteht aus aufgesputtertem
Chrom. Der Landoltring befindet sich in der Mitte des
Trägermaterials. Die Fertigungstoleranz ist kleiner als
0,5 µm.
gestelltes Objekt positioniert. Ein
solches Objekt kann heute mit
Techniken der Halbleiterfertigung
hergestellt werden. Der invertierte
Strahlengang weist exakt diesel­
ben Fehler auf, die man auch in
umgekehrter Richtung hätte. Man
kann sie aber stark vergrößert und
mit sehr hohem Kontrast beob­
achten, und zwar ohne irgendeine
Zusatzoptik, die ihrerseits Fehler
induzieren könnte. Abbildung 1
zeigt das Prinzip dieses Kunstau­
ges, Abbildung 2 das Testobjekt,
einen Landoltring, der diesel­
be Größe hat wie das Bild eines
Landoltringes der Visusstufe 1.0
in einem Durchschnittsauge. Um
auch den Einfluß der sphärischen
Aberration adäquat beurteilen zu
können, wird eine asphärische
Hornhaut mit einer numerischen
Exzentrizität von e = 0,5 verwen­
det.
Welche Eigenschaften sollte eine ideale Multifokallinse haben?
1. Sie sollte streng bifokal sein, mit möglichst idealen Abbildungseigenschaften
für die beiden Brennweiten. Also sollte sie für jede dieser beiden Brennweiten eine
Asphäre sein, deren Asphärizität so auf die anderen optischen Parameter des Auges
(Hornhautform, Achsenlänge) angepaßt ist, daß die sphärische Aberration möglichst
nahe bei null liegt.
2. In andere Brennweiten sollte die Linse kein Licht fokussieren. Damit scheiden
diffraktive Designs aus, denn diese haben einen unvermeidlichen Lichtverlust durch
Zusatzfoki, die den höheren Ordnungen der Beugung entsprechen (ca. 18 %).
3. Die unvermeidlichen Halos sollten möglichst keine erkennbaren Strukturen
haben. Dies ist umso eher der Fall, je größer die Anzahl der Zonen und je kleiner
der Flächenanteil jeder einzelnen Zone ist, denn jede Zone erzeugt einen separaten
Ring, und diese Ringe verschwimmen aufgrund unvermeidlicher, restlicher Abbil­
dungsfehler zu einer einigermaßen homogenen Fläche.
4. Die Abbildungseigenschaften für Pupillenweiten unter 4,0 mm sollten unab­
hängig von der Pupillenweite sein. Auch aus dieser Forderung ergibt sich, daß die
Zahl der Zonen möglichst groß und ihr einzelner Flächenanteil möglichst klein sein
sollte.
Preußner: Designoptimierung multifokaler IOL
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5. Der Randbereich außerhalb 4,0 mm sollte in den Fernfokus abbilden, denn
mit so weiter Pupille schaut wegen der Nahmiosis niemand in die Nähe, aber in der
Nacht sollte dieser Bereich für die Ferne verfügbar sein.
Insgesamt ergibt sich damit ein asphärisches, refraktives Design, das möglichst
viele Zonen innerhalb von 4 mm haben sollte. Der Vielzahl der Zonen sind allerdings
fertigungstechnische Grenzen gesetzt, da jeder Zonenübergang wegen limitierter
Fertigungstoleranz unvermeidlich zu Lichtverlusten führt. Eine IOL mit 17 Zonen
wurde von uns berechnet, im Code der Fertigungsmaschine dargestellt und von Fa.
Acri.Tec hergestellt. Das Meßergebnis im Kunstauge bei 4 mm Pupillenweite ist in
Abbildung 3 dargestellt. Simultan für Nähe und Ferne war der lokale Kontrast mit
dieser IOL deutlich besser als der der auf dem Markt befindlichen Multifokallinsen,
über deren Vermessung auf der DGII-Tagung 2005 berichtet wurde. Dabei ist aller­
dings fairerweise zu bedenken, daß diese Linse auf die Asphärizität der Hornhaut
des Kunstauges angepaßt wurde, während die ansonsten vermessenen IOL nicht
notwendigerweise exakt dazu passen.
Abb. 3: Refraktive IOL: Dargestellt sind die Meßergebnisse der 17-Zonen-IOL (Details s. Text) im Kunstauge,
links für die Nähe, rechts für die Ferne. Der lokale Kontrast beträgt links 0,5, rechts 0,4 und liegt damit nahe
an der theoretischen Grenze. Um den Landoltring erkennt man schwach einen diffusen Halo, der etwa den dreifachen Durchmesser des Landoltringes hat. Er enthält im Bild für den Fern- und für den Nahfokus das unscharf
abgebildete Licht des jeweils anderen Fokus.
(Der Autor hat der Verwendung der neuen deutschen Rechtschreibung ausdrücklich nicht zugestimmt. Der Herausgeber)
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