OLG Hamburg Werbung durch Dritte

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OLG Hamburg Werbung durch Dritte
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 U 331/01 Verkündet am: 21. Februar 2002 In dem Rechtsstreit "Äußerungen
Dritter" hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch die Richter
Brüning, v. Franqué, Spannuth nach der am 7. Februar 2002 geschlossenen mündlichen
Verhandlung für Recht erkannt: Tenor: Auf die Berufung des Antragstellers wird das
Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 24. August 2001
abgeändert. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung
eines vom Gericht für jeden Fall künftiger Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu
sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, verboten, im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs außerhalb der Fachkreise für das Mittel "G" mit
Äußerungen Dritter oder Hinweisen auf solche Äußerungen zu werben, und zwar a) mit
dem Hinweis auf Äußerungen in audiovisuellen Medien:
"TV Sender ‚Pro 7'
dokumentierte in ‚Sam's Bodytalk': Mutter und Tochter K aus Berlin wurden fürs Fernsehen
gebeten, Schlankheitstropfen 4 Wochen lang zu testen. Lesen Sie hier die einzigartige
Dokumentation von G: ..." b) mit Aussagen von Anwendern des Mittels oder Hinweisen
auf solche: "Tochter Silvia K, Berlin 24 Jahre, 168 cm, 73,5 kg, gelernte Kauffrau: Wollte
lästige kleine Fettpölsterchen an Po, Bauch und Oberschenkeln wieder schlanker haben,
nach nur 4 Wochen purzelten ohne Sport und Diät schon die Pfunde. Sie ist auf dem besten
Weg, ihr Wunschgewicht von 59 kg zu erreichen." und/oder "Mutter Marianne K, Berlin
49 Jahre, 168 cm 67 kg, gelernte Kauffrau: Wollte keine Radikalkur, aber ihre Figur für den
Sommer fit machen. Hat trotz Urlaub und Schlemmerbufett in 4 Wochen eine kleinere
Kleidergröße erhalten - nun rutschen die Hosen. Will bis Spätsommer nur noch 61 kg
wiegen." Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Antragsteller 1/3 und die
Antragsgegnerin 2/3. und beschlossen: Der Streitwert wird für die Rechtsmittelinstanz
auf 15.339 € (30.000 DM) festgesetzt. Tatbestand: Der Antragsteller beansprucht, ein
Verein im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu sein.
Die Antragsgegnerin, ein
pharmazeutisches Unternehmen, hat das homöopathische Arzneimittel gegen
ernährungsbedingte Fettleibigkeit "G" in der Zeitschrift "Bild der Frau" mit einer Anzeige
beworben, in der sich die im Antrag wiedergegebenen Aussagen finden. Das Landgericht
hat es abgelehnt, der Antragsgegnerin zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr außerhalb
der Fachkreise für das Mittel "G" mit Äußerungen Dritter oder Hinweisen auf solche
Äußerungen zu werben, insbesondere zu werben a) mit dem Hinweis auf Äußerungen in
audiovisuellen Medien:
"TV Sender ‚Pro 7' dokumentierte in ‚Sam's Bodytalk': Mutter und
Tochter K aus Berlin wurden fürs Fernsehen gebeten, Schlankheitstropfen 4 Wochen lang zu
testen. Lesen Sie hier die einzigartige Dokumentation von G: ..." b) mit Aussagen von
Anwendern des Mittels oder Hinweisen auf solche:
"Tochter Silvia K, Berlin 24 Jahre,
168 cm, 73,5 kg, gelernte Kauffrau: Wollte lästige kleine Fettpölsterchen an Po, Bauch und
Oberschenkeln wieder schlanker haben, nach nur 4 Wochen purzelten ohne Sport und Diät
schon die Pfunde. Sie ist auf dem besten Weg, ihr Wunschgewicht von 59 kg zu erreichen."
und/oder "Mutter Marianne K, Berlin 49 Jahre, 168 cm 67 kg, gelernte Kauffrau: Wollte
keine Radikalkur, aber ihre Figur für den Sommer fit machen. Hat trotz Urlaub und
Schlemmerbufett in 4 Wochen eine kleinere Kleidergröße erhalten - nun rutschen die Hosen.
Will bis Spätsommer nur noch 61 kg wiegen." Der Antragsteller, der sein Begehren auch in
zweiter Instanz verfolgt, hat in der Verhandlung erklärt, das "insbesondere" sei als "und
zwar" zu verstehen. Entscheidungsgründe: I. Die Prozeßführungsbefugnis und damit
auch die Aktivlegitimation (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG) des Antragstellers im Pharmabereich
wird von den Hamburger Gerichten in ständiger Rechtsprechung auch des Senats seit Jahren
bejaht. Auch der Bundesgerichtshof, der dies unter dem Gesichtspunkt der von Amts wegen
zu berücksichtigenden Prozeßführungsbefugnis zu prüfen hatte, hat das getan (GRUR
2000, 438 - L-Carnitin; GRUR 2001, 176 - Myalgien). Die Antragsgegnerin trägt keine
ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, daß sich an den tatsächlichen Grundlagen für diese
Bewertung etwas geändert hätte. Es ist demgegenüber kein erheblicher Gesichtspunkt, daß
sie selbst im Gegensatz zur Rechtsprechung die vom Antragsteller zu tragenden Risiken
nicht für ausreichend abgesichert ansieht.
II. Der ursprüngliche Verbotsantrag, im
geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für das Mittel "G" mit Äußerungen Dritter
oder Hinweisen auf solche Äußerungen zu werben, war zu weit, denn der Antragsgegnerin
kann nur die Werbung mit bestimmten Äußerungen Dritter oder Hinweisen auf solche
Äußerungen verboten werden, denn nur im Hinblick auf bestimmte Äußerungen läßt sich
überprüfen, ob eine Begehungsgefahr besteht.
Die Antragsschrift enthält keine
Anhaltspunkte dafür, daß der durch "insbesondere" eingeleitete Bestandteil des Antrages
entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht einen besonderen Unterfall kennzeichnen
soll, der von dem Obersatz umfaßt ist. Deshalb stellt die Erklärung, das "insbesondere" sei
als "und zwar" zu verstehen, keine redaktionelle Klarstellung, sondern eine teilweise
Antragsrücknahme dar. Das war bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. III. Der
Unterlassungsanspruch ist im jetzt noch verfolgten Umfang begründet (§§ 1, 13 Abs. 2 Nr.
2, 11 Nr. 11 HWG).
1. Die Vorschrift, auf die die Anträge zu a) und b) abstellen, lautet:
Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände
oder andere Mittel nicht geworben werden ... 11. mit Äußerungen Dritter, insbesondere mit
Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben, oder mit Hinweisen auf solche
Äußerungen. "G", ein homöopathisches Arzneimittel, ist in einer Publikumszeitschrift
beworben worden.
Die in den Anträgen umschriebene Werbung verwendet
Äußerungen von Mutter und Tochter K. Die Angaben, die zu den beiden Frauen gemacht
werden, sind als deren "Äußerungen" im Sinne der Vorschrift anzusehen. Zwar muß weder
die Bitte, das Mittel zu testen, noch eine Dokumentation notwendig bedeuten, daß sich die
Testpersonen selbst geäußert haben. Solange aber nichts Gegenteiliges mitgeteilt wird, muß
ein durchschnittlich verständiger, aufmerksamer und informierter Verbraucher als
selbstverständlich davon ausgehen, daß die Dokumentation auf solchen Äußerungen beruht
und die Wirkung des Präparats als Schlankheitsmittel bestätigt. Die Vorschrift will unter
anderem den bedenklichen Werbeeffekt verhindern, der darauf beruht, daß scheinbar
neutrale und objektive Dritte aus eigener Erfahrung das Heilmittel vermeintlich unbefangen
bewertet haben (Doepner, HWG, 2. Auflage, 2000, § 11 Nr. 11, Rdnr. 5). Deshalb kann es
nicht darauf ankommen, wie die Äußerung präsentiert wird, entscheidend bleibt, daß sie als
von einem Dritten stammend erkennbar ist. Der Dritte muß deshalb nicht wörtlich zitiert
werden. Es bleibt auch dann "seine" Äußerung, wenn die Angabe nach ihrem Inhalt von ihm
stammt und als Referenz erkennbar bleibt. Die Angaben (einzigartig dokumentierte
"Schlankheitstropfen", "nach 4 Wochen purzelten ohne Sport und Diät schon die Pfunde",
"hat trotz Urlaub und Schlemmerbuffet in 4 Wochen eine kleinere Kleidergröße erhalten nun rutschen die Hosen"), rühren von den beiden Frauen selbst her, denn sie erscheinen
unter den gegebenen Umständen nicht als Beobachtungen, die das werbende Unternehmen
gemacht hat. Selbst wenn man es anders sähe, bliebe unter dem gleichen Gesichtspunkt die
Wiedergabe ein Hinweis auf die Äußerungen der beiden Frauen. 2. Eine Verletzung von
HWG-Vorschriften stellt eine unlautere Handlung dar und verpflichtet grundsätzlich nach §
1 UWG zum Unterlassen (Doepner, a.a.O., Einl., Rdnr. 41). Besondere Umstände, die
ausnahmsweise zu einem anderen Ergebnis führen (BGH WRP 1999, 643 Hormonpräparate), werden nicht vorgetragen.
Ein Verstoß gegen das die Allgemeinheit
schützende HWG ist schon wegen der Nachahmungsgefahr wesentlich im Sinne des § 13
Abs. 2 Nr. 2 UWG. Die Wiederholungsgefahr folgt aus dem Verstoß. 3. Eine
abweichende Bewertung ergibt sich nicht unter europarechtlichen Gesichtspunkten. Art. 5
der Richtlinie 92/28/EWG (Doepner, a.a.O., Anhang II) befaßt sich mit der Werbung für ein
Arzneimittel in der Öffentlichkeit, die keine Elemente enthalten darf, die f) sich auf eine
Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen oder von
Personen beziehen, die weder Wissenschaftler noch im Gesundheitswesen tätige Personen
sind, die aber aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können; j)
sich in mißbräuchlicher, besorgniserregender oder irreführender Weise auf
Genesungsbescheinigungen beziehen. Dem Wortlaut nach beschreibt die Richtlinie
92/28/EWG ein engeres Verbot als das deutsche Recht, denn sie qualifiziert die Äußerung
und die Person des Äußernden. Der deutsche Gesetzgeber ist aber nicht gehindert, strengere
Maßstäbe anzulegen, denn die Richtlinie legt nur Mindestanforderungen für die Werbung
fest (OLG Frankfurt PharmaR 1995, 140, 143; OLG Düsseldorf WRP 1998, 806, 808;
Bülow, PharmaR 1994, 299, 301; Bülow/Ring, Einf. Rdnr. 5).
Gröning
(Heilmittelwerberecht, Einleitung Richtlinie 92/28/EWG, Rdnr. 19, 21 ff.) und Doepner
(a.a.O., Einl., Rdnr. 25, 30), die diese Belege zitieren, halten eine solche Auffassung für
nicht hinreichend begründet, weil sie eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Thematik
vermissen lasse. Die Auslegung ergebe, daß eine Vollharmonisierung angestrebt sei und in
Teilbereichen auch ermöglicht werde (so - nach Doepner, a.a.O., - auch KG PharmaR 1995,
125, 136). Der Vorschlag des Europäischen Parlaments, dem nationalen Gesetzgeber die
Möglichkeit schärferer Bestimmungen vorzubehalten, sei nicht übernommen worden, der
Zusammenhang mit den Richtlinien 92/26/EWG und 92/27/EWG lasse die Tendenz der
Richtlinie 92/28/EWG zur Vollharmonisierung erkennen und der Öffnungsvorbehalt bei
einzelnen Bestimmungen zeige, daß ein genereller Vorbehalt nicht gewollt sei. Die
Regelungsdichte des Art. 5 lasse dem nationalen Gesetzgeber keinen Freiraum (Doepner,
a.a.O., Einl., Rdnr. 34). Diese Sicht vermag sich der Senat nicht zu eigen zu machen.
Begriffe wie "Regelungsdichte" und "Tendenz" bieten keine hinreichend scharfen Maßstäbe
für die Feststellung, der europäische Gesetzgeber habe mit Art. 5 der Richtlinie eine
abschließende Regelung bezweckt.
Wie zweifelhaft die erreichte Regelungsdichte sein
kann, macht Doepner selbst deutlich, der in § 11 Nr. 11 HWG eine kongruente
europarechtskonforme Umsetzung von Art. 5 lit. j der Richtlinie sieht, die keine
überschießenden Anforderungen enthalte (a.a.O., Einl. Rdnr. 38). Selbst wenn man ihm
darin folgt, daß der Begriff "Genesungsbescheinigung" ganz umfassend zu verstehen ist und
bei richtlinienkonformer Auslegung auf jede Äußerung Dritter zutrifft, die besagt, daß das
beworbene Arzneimittel einen Beitrag zum Heilungsprozeß geleistet hat (a.a.O., § 11 Nr. 11
HWG, Rdnr. 25), so muß doch nach der Richtlinie die Verwendung einer solchen Äußerung
zusätzlich dadurch qualifiziert sein, daß dies in mißbräuchlicher, besorgniserregender oder
irreführender Weise geschieht. Demnach stellt die Richtlinie auf eine konkrete Gefährdung
durch die Werbung ab, während der deutsche Gesetzgeber ein abstraktes Gefährdungsdelikt
umschrieben hat (Doepner, a.a.O., § 11 Nr. 11 HWG, Rdnr. 9). Die von Doepner auch in
diesem Punkte angenommene Regelungsdichte ist tatsächlich nicht erreicht. Daß der
Vorschlag des Europäischen Parlaments, dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit
schärferer Bestimmungen vorzubehalten, nicht übernommen worden ist, zwingt schon
deshalb nicht zu dem Schluß, ein solcher Freiraum sei nicht gewollt, weil es ohne weiteres
möglich gewesen wäre, dies in den vorausgeschickten Erwägungsgründen in Worte zu
kleiden, und zwar gerade dann, wenn man durch den genannten Vorschlag auf das Problem
aufmerksam geworden ist.
Eine erkennbare Tendenz zur Vollharmonisierung bedeutet
nicht, daß der europäische Gesetzgeber der Meinung ist, sie bereits mit seinen Regelungen
erreicht zu haben, oder daß er dieses Ziel mit der Richtlinie überhaupt verfolgt. Ein noch so
großer Schritt auf ein bestimmtes Ziel hin heißt nicht, daß dieses Ziel mit diesem Schritt
auch erreicht werden soll oder muß. Dagegen spricht nicht zuletzt, daß die Richtlinie zum
Teil ausdrücklich nur Mindestanforderungen formuliert (Art. 4 Abs. 1 lit. b), ohne dies als
Ausnahme kenntlich zu machen, während ihr Schweigen an anderer Stelle schon deshalb
keine zwingenden Schlüsse erlaubt, weil der europäische Gesetzgeber offensichtlich nicht
das Bedürfnis hatte, die Dinge abschließend zu regeln, sonst gäbe es beispielsweise keine
Flucht in eine "konturlose Kompromißformel" wie bei Art. 3 Abs. 2 Satz 2 (Doepner, a.a.O.,
Einl., Rdnr. 33). Wenn die Richtlinie 92/28/EWG eine die Irreführungsrichtlinie
84/450/EWG ergänzende, nicht aber verdrängende Spezialvorschrift ist (Doepner, a.a.O.,
Einl., Rdnr. 25), dann bleibt auch auf diesem Gebiet deren Art. 7 in Kraft, wonach diese "die
Mitgliedstaaten nicht daran (hindert), Bestimmungen aufrechtzuerhalten oder zu erlassen,
die einen weiterreichenden Schutz der Verbraucher, der einen Handel, ein Gewerbe, ein
Handwerk oder einen freien Beruf ausübenden Personen sowie der Allgemeinheit vorsehen."
Dem fügen sich die Formulierungen der Richtlinie 92/28/EWG zwanglos ein, denn eine
Werbung wird nicht etwa für unzulässig erklärt, wenn sie die anschließend aufgezählten
Elemente enthält (woraus sich vielleicht im Umkehrschluß ergäbe, daß sie ansonsten
zulässig wäre), sondern es wird nur gesagt, daß sie diese Elemente nicht enthalten darf,
während durchaus offenbleibt, was im übrigen für Zulässigkeitsanforderungen erfüllt sein
müssen. Folgerichtig heißt es in den vorausgeschickten Erwägungsgründen:
"Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die ohne Verschreibung abgegeben werden
können, könnte sich auf die Volksgesundheit auswirken, wenn sie übertrieben und
unvernünftig ist. Die Werbung muß, wenn sie erlaubt wird, bestimmten Anforderungen
genügen, die festgelegt werden müssen." Um einer Gefährdung der Volksgesundheit zu
steuern, muß die Werbung "bestimmten Anforderungen genügen", was ebenfalls für die
Festlegung eines Mindeststandards spricht, denn bestimmten Anforderungen genügt auch
derjenige, der höheren Ansprüchen gerecht wird. Hingegen wird nicht gesagt, daß die
Richtlinie selbst diese Anforderungen festlegt, was sich doch leicht hätte formulieren lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
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