L203, Übung 1.2.8 Was bringt die Zukunft? Teil 1 und 2

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L203, Übung 1.2.8
Was bringt die Zukunft? Teil 1 und 2
Sprecherin Guten Abend und herzlich willkommen zu unserem heutigen Beitrag „Was bringt die
Zukunft?“. Ob jung oder alt, ob wir eigene Kinder oder Enkelkinder haben oder nicht, sicher ein
Thema, dass uns alle beschäftigt. Wir fragten unsere Hörer und Hörerinnen in Deutschland und
der Schweiz und zogen außerdem Experten aus den verschiedensten Bereichen zu Rate. Wie wird
die Welt in 50 Jahren aussehen? Silke und Andreas Möbius.
Silke Moebius In 50 Jahren wäre ich so alt wie meine Oma jetzt ist (lacht). Äh … ich hoffe, dass
das Leben, äh …, noch viel von dem hat, was es jetzt hat. Ich hoffe, dass … meine Enkelkinder
und meine Urenkel genauso draußen spielen können, Blumen pflücken können, Äpfel vom Baum
essen können. Äh … und trotzdem gesund dabei bleiben.
Andreas Moebius Ich denke, dass wir Probleme haben werden in 50 Jahren, an die wir jetzt wir
noch gar nich’ denken. Und … ich hoffe aber auch, dass wir … ähm, Lösungen für Probleme
gefunden haben, äh, wo wir jetzt noch keine Lösung haben.
Sprecherin Thoa Nguyen thi Kim.
Thoa Nguyen thi Kim Ja, ich denke, so technologisch, mh, sind wir heute schon auf einem sehr,
sehr fortgeschrittenen Stand. Ich denke, in der Technologie wird sich wahrscheinlich noch Vieles
tun, aber so viele Änderungen kann es nicht mehr geben. Ich denke, heutzutage ist alles schon so
modernisiert und technologisiert, ähm … Und was, äh, ja, was z. B. die Umwelt, die Natur
betrifft, da mach’ ich mir ein bisschen Sorgen, weil die Menschen halt schon ziemlich achtlos, äh,
mit der Natur umgehen, was, äh, Naturverschmutzung, Umweltverschmutzung anbelangt.
Also, ich denke, die Umwelt ist schon gefährdet in der Zukunft.
Sprecherin Gefährdet ist ein sehr milder Ausdruck für das, was auf uns zukommen könnte. Um 2
Grad sollen die Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten steigen, ein Sechstel der
Weltbevölkerung wird unter Flut und Dürre leiden, 40% aller Tier- und Pflanzenarten könnten für
immer verschwinden. Auch für die Schweiz sieht Patrick Stäheli Veränderungen voraus.
Patrick Stäheli In 50 Jahren, ähm, werden wir hier in Zürich wahrscheinlich auch ein paar kleine
Palmgärten haben. Es wird recht angenehm warm im Winter sein. Viel Regen im Sommer werden
wir haben, leider. Ähm … Ich denke, das Verkehrsproblem wird sich dann verschoben haben,
wahrscheinlich von der Straße weg. Also, wir werden nicht wegen der Klimaerwärmung, aber
einfach generell andere Verkehrsmittel benützen. Es wird weniger Menschen haben, in der
Schweiz. Auf jeden Fall. Die Geburtenraten und die Wachstumsraten der Bevölkerung sinken,
und wir werden wesentlich mehr an höheren ausländischem Bevölkerungsanteil haben, in der
Schweiz.
Sprecherin Sterben die Schweizer aus?
Patrick Stäheli Nein, denn die Ausländer werden sehr fleißig eingebürgert. Deshalb glaube ich
nicht, dass die Schweizer aussterben. Jeder, der eingebürgert ist, ist ein Schweizer.
Sprecherin Zu den gefährdeten Arten scheinen die Schweizer also nicht zu gehören. Aber wie ist
es in Deutschland? Dort machen der Geburtenrückgang und die niedrige Geburtenrate nun schon
seit Jahren Schlagzeilen. „Land ohne Kinder“ heißt es da, „Wir brauchen mehr Kinder“, „Hilfe,
die Deutschen sterben aus“. Christina Kuhn arbeitet an der Friedrich-Schiller Universität in Jena.
Frau Kuhn, sterben die Deutschen aus?
Christina Kuhn Nein, warum sollten wir. Nein, also ich denke nicht, dass die Deutschen
aussterben werden. Ich denke auch nicht, dass blonde Frauen aussterben werden. Das wird ja auch
häufig gesagt. Ähm, nein, also die Deutschen werden nicht aussterben, glaube ich nicht. Äh, es
gab immer eine Art, ja … Mischung. Die Völkerwanderung ist ja auch noch gar nicht so lange
her. Ähm, wenn man sagt: Also, wer sind eigentlich die Deutschen? Gibt es die Deutschen
überhaupt? Ist natürlich auch ’ne Frage. Also alles das, gerade hier in Europa, in Mitteleuropa, das
war immer stark im Fluss, und auch, wenn man das historisch betrachtet. Und ich denke nicht,
dass die Deutschen aussterben werden. Unser Leben wird sich vielleicht ’n bisschen ändern. Wir
werden andere Kulturen integrieren. Wir werden vielleicht anders zusammenleben auch auf ’ner
anderen Basis. Aber ich denke nicht, dass die Deutschen jetzt direkt aussterben werden. Also, da
habe ich keine Angst.
Sprecherin Auch Frau Kuhns Kollege, Dirk Skiba kann das Katastrophenszenario der
Boulevardpresse nicht nachvollziehen.
Dirk Skiba Also, ich glaube, so schnell sterben die Deutschen nicht aus. Ähm, ich glaube, es wird
ein demografisches Problem geben. Ähm, beispielsweise werden sehr viel mehr ältere Leute in
Deutschland sein, was ich ja auch gut finde, weil, ich freue mich schon, dass ich älter werde als
meine Großeltern. Ähm, ich glaube auch, dass wir länger arbeiten müssen. Darauf stelle ich mich
schon ein. Äh, ich finde das auch nicht schlecht. Ich glaub’, es muss sehr viel mehr Modelle
geben, dass Leute auch im hohen Alter noch arbeiten können dürfen.
Sprecherin Dass demografische Veränderungen auf jeden Fall Teil unserer Zukunft sein werden
steht außer Frage. Wir fragten deshalb auch den Politologen Dr. Torsten Oppelland. Herr
Oppelland, wie wird unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen?
Torsten Oppelland Also insgesamt steht Deutschland ja vor dem, vor der Situation, dass die
Bevölkerungszahlen abnehmen werden, gerade auf einen Zeitraum wie 50 Jahre berechnet. Also,
dass, dass die Bevölkerung stark zurückgehen wird, das ist ja erkennbar, nicht. Ich meine, bei
einer Reproduktionsrate von 1,3 ähm, über längere Zeit … ist auch der, der kumulative Effekt
einfach nicht zu leugnen. Denn wenn weniger Geburten in den …ja seit dem berühmten
Pillenknick Ende der 60er Jahre da sind, dann sind natürlich auch die Generationen, die dann
wieder neue Kinder bekommen, immer kleiner, so dass sich der Effekt wieder verstärkt. Nun kann
es sein, dass es irgendwann mal wieder modern sein wird, fünf Kinder zu haben, und der Effekt
zumindest nicht ungebrochen so weitergeht. Ähm, das kann man einfach nicht voraussehen. Ähm,
man weiß ja auch im Grunde nicht, woran das liegt.
Letztendlich vermute ich, es hat viel damit zu tun, ob man insgesamt optimistisch in die Zukunft
sieht, oder pessimistisch. Und die Deutschen neigen seit geraumer Zeit dazu, immer eher
pessimistisch in die Zukunft zu gucken. Und wenn man von der Zukunft nichts Gutes erwartet, äh,
dann, dann setzt man auch keine Kinder oder weniger Kinder in die Welt.
Was ich jedoch nicht glaube, ist dass man es durch, durch, durch eine Erhöhung von
Zuwanderung wird lösen können, denn, ähm, gerade wenn sozusagen die deutschstämmige
Bevölkerung weniger wird, dann ist einfach die, die, ähm, Aufnahmefähigkeit einer Gesellschaft
natürlich auch begrenzt. Ähm, wenn man also noch wesentlich mehr, ähm, Migranten ins Land
reinholen würde, dann würden die Konflikte, die daraus wieder, auch kulturelle Konflikte, die
daraus entstehen, ähm, eine, eine … so große Probleme machen, dass man nicht – dass ich da
nicht glaube, dass dieser Ausweg, ähm, ernsthaft, äh, ähm, eine Lösung bietet.
Sprecherin Die Frage, ob die niedrigen Geburtenraten in Zukunft durch Migration ausgeglichen
werden sollten, ist eine ganz brisante. Fest steht, dass zwar in den Industrieländern die
Einwohnerzahlen stagnieren, aber weltweit die Bevölkerung weiter massiv wächst. Eine
weltpolitische Lösung ist also erstrebenswert. Dr. Werner Biechele ist Literaturwisenschaftler an
der Universität Jena.
Werner Biechele Wie die Zukunft aussieht, wie sich also die menschliche Gesellschaft
entwickelt, war ja ein sehr großes Thema nach dem Ende des Kommunismus.
Aus Amerika kam Anfang der 90er Jahre, also in der deutschen Übersetzung 1994 das Buch von
Francis Fukuyama „Das Ende der Geschichte“. Und genau diese Auffassung, dass mit dem Ende
des Kommunismus das Ende der Geschichte gekommen sei, die hat sich für mich immer als eine
falsche Auffassung dargestellt. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung, in die wir leb-, äh,
in der wir leben, die hat sicher vor allen Dingen auch gegenüber dem früheren System in der
Sowjetischen Hemisphäre viele Vorteile, aber sie ist eben auch nicht frei von, äh … Schwächen
und Mängeln. Die Menschen werden sich in den nächsten 50 Jahren äh, sicherlich neue Formen
schaffen müssen.
Sprecherin Was wäre Ihre ideale Gesellschaftsform in 50 Jahren?
Werner Biechele Das ist gar nicht so leicht zu beantworten.
Also, die ideale Gesellschaft: Also, zumindest müsste es eine Gesellschaft sein, die, wenn ich jetzt
nur von der westlichen Zivilisation ausgehe, die … zu mehr Gleichheit, äh, kommt. Das würde
eben auch bedeuten, dass die Verteilung innerhalb der Gesellschaft eine andere sein muss. Und
was wir hier in der westlichen Zivilisation eben sehr stark bedenken müssen: Wir werden keine
Ruhe bekommen, wir werden keinen Frieden bekommen, wenn wir nicht die Länder der Dritten
Welt einbeziehen.
Das sind Veränderungen, die muss die Menschheit angehen. Und wenn sie das schafft, dann wäre
das zumindest eine sehr gute, äh, Lösung für die Probleme, vor denen wir stehen.
Sprecherin Wie Werner Biechele hofft auch Dirk Skiba auf eine Angleichung der
Lebensstandards in der Zukunft.
Dirk Skiba Also, meine Vision vom Leben in 50 Jahren: Ich glaube, dass sich in den nächsten 50
Jahren sehr viel ändern wird. Ich glaube, dass sich Lebensverhältnisse angleichen werden. Ich bin
ziemlich sicher, dass die Unterschiede, die uns jetzt noch als sehr gravierend erscheinen, nicht
mehr existieren werden. Also, die, äh, die – Also, ein Einkommen in Polen wird etwa so hoch sein
wie ein Einkommen in Deutschland, und ich finde das richtig. Ich beobachte es manchmal, wie
sehr viele Leute in Deutschland doch sehr ängstlich sind, dass sie weniger verdienen werden, dass
sie arbeitslos werden könnten, weil jetzt die ganze Konkurrenz aus Osteuropa auf den Markt
drängt. Ich finde es eigentlich gerecht, wenn, äh, Leute für gleiche Arbeit einen gleichen Lohn
bekommen. Und ich denke auch, dass es ’ne große Chance ist, wenn sich wirklich
Lebensverhältnisse an…, anpassen.
Sprecherin Mehr Gleichheit, Einbeziehung der sich entwickelnden Länder, möglicherweise die
Integration anderer Kulturen – vielleicht hilft dabei auch die Kommunikationstechnologie, die
sich rasanter als jeder andere Bereich verändert.
Professor Jürgen Bolten arbeitet ebenfalls an der Universität Jena, sein Gebiet: Interkulturelle
Kommunikation.
Jürgen Bolten Ich glaube, dass so etwas wie globale Kommunikation viel stärker werden wird
und, und die Vernetzung heute gegenüber, äh, der von vor zehn Jahren ist natürlich auch schon
immens. Ähm … also ich denke, das ist die eine Richtung. Und äh … ich glaube auch, dass man
von daher … ähm … sicherlich Medien, die diese Internationalität fördern, auch vielmehr nutzen
wird. Also ich denke schon, Internet ist etwas, äh, was, auf dem Vormarsch is’ und …, und in 50
Jahren ist das selbstverständlicher. Also es gibt allein … jetzt, wenn man, ähm, … den deutschen
Kontext nimmt, von 1997 … hatten sechs Prozent der Deutschen Internet, äh, 2007 sind es 62
Prozent. Und man kann sich dann leicht ausrechnen, Ihre Frage eben 2057, wie das dann sein
wird. Vielleicht gibt’s aber auch Medien, die wir gar nich’ kennen. … Okay, aber ich glaube, das
ist das eine. Also es wird ‘ne Globalisierung geben, ähm, … Und ich glaube auch, dass es
verschiedene Welten geben wird, in denen man leben wird. Ähm … und da…, das sind dann auch
verschiedene Kulturen, so ‘n bisschen wie das heute mit Second Life, äh … sich darstellt, wird es
dann im so genannten „richtigen Leben” auch sein. Was auch sich ja abzeichnet ist, dass man
nicht mehr einen Arbeitgeber hat, sondern man ist äh …, ja, im Rahmen einer One-Man-Show
irgendwie involviert in … zehn verschiedene Arbeitsplätze, hat seine zehn Arbeitgeber und da
wird sehr viel virtuell laufen. Ähm … was … aber sicherlich auch dazu führen wird, dass … bei
aller Globalisierung auf der anderen Seite die … Regionalisierung und Lokalisierung auch stärker
werden wird. Also … der Mensch wird vielmehr zwischen … diesen Gegensätzen, ähm, … ja,
oszillieren, denke ich mal.
Sprecherin Da scheint noch einiges Neue auf uns und unsere Nachkommen zuzukommen.
Welche Neuerungen unser Leben wohl am meisten verändern werden ist unmöglich
vorherzusehen. Auf dem sechsten deutschen Trendtag haben kürzlich Trendforscher, Philosophen,
Politologen und Marketingexperten über den Bewusstseinswandel in der Gesellschaft diskutiert.
Dabei standen das veränderte Denken und Handeln des modernen Menschen im Mittelpunkt der
Diskussion. Schicksal wird nicht mehr hingenommen sondern aktiv gestaltet lautet die wichtigste
These. Es sind vor allem aktuelle Erkenntnisse in den Naturwissenschaften, die unser Denken in
neue Bahnen lenken. Durch die Fortschritte in der Gentechnologie, zum Beispiel, ist es möglich,
bisherige Grenzen zu übertreten. Hier werden wir in Hinsicht auf ethische Entscheidungen mit
immer schwierigeren Fragen konfrontiert werden. Welche Rolle spielt dabei die Philosophie? In
Jena fragten wir den Leiter des Instituts für Praktische Philosophie, Professor Halbig.
Christoph Halbig Hm, ähm, … Ja, also … in die Zukunft zu schauen is’ besonders für
Philosophen, ähm, … ‘ne … undankbare Aufgabe. Also Philosophen haben ‘s eher mit Utopien
als mit, ähm, Vorhersagen. … Äh, aber ich denke, es is’ ganz unbezweifelbar, dass insbesondere
die Entwicklungen in der Informationstechnologie und in der Biotechnologie …, ähm, zu
massiven, ähm, Veränderungen unseres Menschenbilds, ähm, führen werden. Also die Art und
Weise wie wir unsere eigene personale Identität, ähm, verstehen, wie wir unser eigenes Leben
deuten, ähm, die wird sich, ähm, durch diese …, ähm, technologischen Entwicklungen, glaube
ich, massiv verändern. Aber die Philosophie is’ natürlich da auch, auch die ethische Reflexion is’
halt in der Rolle dieser berühmten Eule der Minerva. Man rennt immer hinterher.
Sprecherin Die Technologie prescht voran, die Philosophie rennt hinterher. Hauptsache die
Philosophie verliert den Anschluss nicht ganz und die ethischen Aspekte der neuen
Entwicklungen kommen nicht gar zu kurz. Insgesamt überrascht doch, dass bei allen düsteren
Prognosen und der deutschen Neigung zum Pessimismus doch viele Menschen der Zukunft
optimistisch entgegensehen. Unsere Welt in 50 Jahren? Frau Kuhn.
Christina Kuhn Oh, ich hoffe, dass es besser aussehen wird als heute. Ich bin da immer sehr
optimistisch. Ähm … Ich hoffe, dass einige Krisenherde bis dahin ausgeräumt sein werden – das
ist natürlich eine Hoffnung, klar -, dass man äh natürlich auch in der Forschung weitergekommen
sein wird, dass man in der medizinischen Forschung weiter gekommen sein wird, dass man
vielleicht endlich ein Mittel gegen Krebs gefunden haben wird, dass wir insgesamt mit einem
Wertesystem leben, das allen Leuten’nen Überleben und ein Leben auch ermöglicht in Ruhe, in
Frieden, ähm, dass Gleichberechtigung, Demokratie äh für uns alle schafft, und zwar egal, wo
man wohnt auf der Welt. Also, das sollte überall sein. Dass wir vielleicht auch Fragen zur Lösung
des Hungers endlich gelöst haben werden, also, dass die Dritt-, die so genannte Dritte Welt, dass
es die einfach nicht mehr geben wird. Das ist so meine Hoffnung.
Sprecherin Und mit dieser positiven Note verabschieden wir uns von unseren Hörerinnen und
Hörern. Wenn Sie selbst etwas zum Thema „Zukunft“ zu sagen haben, melden Sie sich bitte unter
unserer Rufnummer – das ist wie immer die 08812 …
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