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EINTRITT FREI
BRUCKNERHAUS LINZ
FESTIVAL 4020
„TRAUMSTADT”
LINZ, 03. - 06. MAI 2017
Als ich in dieser zeitlichen Welt wandelte, führte mich Gott auf einen
geraden Weg. Ich beging ihn in einem Zustand zwischen Schlaf und
Erwachen, wie in einem Traum und erreichte eine Stadt, die in
Dunkelheit eingehüllt war. Sie war so groß, dass ich ihre Grenzen
weder sehen noch mir vorstellen konnte. Diese Stadt enthielt alles,
was geschaffen wurde. Es gab Leute aller Nationen und aller Rassen.
Die Straßen waren so überfüllt, dass man beinahe nicht vorwärts kam,
so lärmig, dass man kaum sich selbst noch andere hören konnte.
Ich beobachtete das seltsame Schauspiel mit Scheu und Erstaunen.
Hazrat Shihab ad-Din Yahya al-Suhravardi (1154–1191)
Ich bin der Organisator des Ungewissen, Zwitterhaften, Dämmrigen,
Traumartigen. Angestrebt wird von mir dieses tief in meiner
Menschlichkeit wurzelnde geheimnisvolle Reich, zu leben und in
feste künstlerische Formen zu gießen.
Alfred Kubin, Brief an Fritz von Herzmanovsky-Orlando vom 9.1.1908
Cover: Parco dei Mostri, Bomarzo (c) Peter Leisch
FESTIVAL 4020
„TRAUMSTADT”
03.05. – 06.05.2017
Das biennale Festival 4020 stellt Alfred Kubins einzigen, phantastischen Roman „Die andere Seite“ ins Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung und verlässt damit in seiner aktuellen
Ausgabe die bisherigen Länderschwerpunkte.
Perle heißt die geheimnisvolle Stadt „irgendwo an der Seidenstraße“
in Kubins Roman, den der bedeutende Illustrator während einer
Schaffenskrise im Jahr 1908 geschrieben hat. Im ewigen Dämmerlicht liegend funktioniert die Hauptstadt des Traumreichs nach
ihren eigenen Regeln. Kubin schuf ein visionäres Bild aus Traum
und Realität, zwischen der Sehnsucht nach anderen und besseren
Welten und dem Erwachen in einer unruhigen und fremden
Gegenwart.
Die MusikerInnen des Festivals 4020 haben sich mit dieser Utopie
beschäftigt und sich in die suggestive, abgründige Stimmung des
Romans versetzt, in dem Kubins monsterartige Fratzen und Gnome
hinter jeder Mauer lauern könnten. Wie klingt die Musik dieser
Stadt? Welche Klänge, Texturen, Stimmen und Schatten schwingen
in ihr mit?
Das Festival 4020 mit Musik aus Europa und dem Orient stellt
dieses Mal vor allem Saiteninstrumente ins Zentrum. Begeben Sie
sich also mit uns auf die Reise in Kubins Traumland …
Herzlich willkommen!
Peter Leisch & Marie-Therese Rudolph
Künstlerische Leitung Festival 4020
3
Helios auf dem Sonnenwagen, Palazzo Té, Mantova © Peter Leisch
VORPROGRAMM
Ö1 CityScienceTalk: „Die andere Seite“
nach einem Roman von Alfred Kubin
27
Donnerstag
April 2017
Begrüßung: Hermann Schneider, Intendant Musiktheater Linz
Moderation: Elisabeth Juliane Nöstlinger
Mit Thomas Macho (Statement; Philosoph, Berlin, Linz, Wien), Klaus Albrecht Schröder (Direktor der
Albertina Wien), Gabriele Sorgo (Kulturwissenschaftlerin, Salzburg) und Elisabeth Bronfen (Zuspielung;
Kultur- und Literaturwissenschaftlerin, Zürich)
Kostenlose Zählkarten unter 01 / 501 70 371 oder [email protected]
Sendetermin auf Österreich 1: Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 03.05.2017, 21.01 Uhr
Perle heißt die Stadt im Reich der Phantasie in Alfred Kubins Roman, den der bedeutende Illustrator
während einer Schaffenskrise geschrieben hat. Entstanden ist ein Werk über ein Traumreich, das in
Wirklichkeit ein Überwachungsstaat ist. Gut und Böse sind darin nicht zu unterscheiden, auch nicht was
richtig und falsch ist. Die literarische und zeichnerische Übertragung von Träumen in eine fiktive Realität
zeigt, was es bedeuten würde, wenn Träume Wirklichkeit werden. Die Perle ist weiß und schwarz zugleich.
Philosophisch und kulturwissenschaftlich betrachtet hat die Auseinandersetzung mit „der anderen Seite“
nichts an Aktualität eingebüßt. Damit beschäftigen sich neben dem CityScienceTalk das Musikfestival 4020
sowie das Musiktheater von Michael Obst und Hermann Schneider.
Donnerstag, 27.04.2017, 19:00 Uhr
Musiktheater Linz, Orchestersaal, Volksgartenstraße 1, 4020 Linz
5
Palazzo Té, Mantova © Peter Leisch
VORPROGRAMM
In Residence
30
Sonntag
Moderation: Constanze Wimmer
April 2017
Hooshyar Khayam und Judith Unterpertinger wurden vom Festival 4020 als Composers in Residence
zum Thema „Traumstadt“ nach Linz eingeladen, um die Aufführungen ihrer Stücke vorzubereiten und zu
begleiten. Am 20. Mai wird Michael Obsts Oper „Die andere Seite“ im Linzer Musiktheater aufgeführt.
Auch er ist als einer, der sich ausführlich mit Alfred Kubins gleichnamigem Roman auseinandergesetzt hat,
in dieser Matinee zu Gast.
Eine Einführung und drei künstlerische Positionen – mit den Composers in Residence Hooshyar Khayam
und Judith Unterpertinger sowie Michael Obst.
Sonntag, 30.04.2017, 10:30 Uhr
Kepler Salon, Rathausgasse 5, 4020 Linz
Was gibt’s Neues im Traumstaat?
Nichts Neues, nicht viel Neues!
Höchstens das Theater.
01
Montag
Mai 2017
Alfred Kubin, „Kubin handschriftlich“
Moderation: Barbara Krennmayr
Eine wenig beachtete Seite Alfred Kubins ist seine Tätigkeit als Autor. Sein visionärer Roman „Die andere
Seite“, 1908 geschrieben, inspirierte mehrere Generationen von Schriftstellern, Musikern und Künstlern – so
auch die Komponistin Judith Unterpertinger in einem Auftragswerk des Festivals 4020 und Michael Obst in
seiner Oper, die im Musiktheater zur Aufführung gebracht wird.
Die Librettistin Magdalena Knapp-Menzel und Hermann Schneider, der neue Intendant des Musiktheaters,
sprechen über Alfred Kubins Roman „Die andere Seite“ als Textvorlage für die Bühne, als Ideengeber und
Phantasiewelt.
Montag, 01.05.2017, 19:30 Uhr
Kepler Salon, Rathausgasse 5, 4020 Linz
OFFENE PROBE „DIE ANDERE SEITE”
Samstag, 6. Mai, Musiktheater, Großer Saal, 11:30 Uhr,
Eintritt frei, Zählkarten unter [email protected]
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DER RUF
Auf die Frage: was geschieht eigentlich im Traumlande? Wie lebt man
dort? müsste ich schlechterdings schweigen. Ich könnte Ihnen nur die
Oberfläche schildern, aber zum Wesen des Traummenschen gehört
es ja gerade, dass er in die Tiefe strebt. […] Unsere Leute erleben nur
Stimmungen, besser noch, sie leben nur in Stimmungen, alles äußere
Sein, das sie durch möglichst ineinandergreifende Zusammenarbeit nach
Wunsch gestalten, gibt gewissermaßen nur den Rohstoff. Dass dieser
nicht ausgeht, dafür ist selbstverständlich überreichlich gesorgt.
Alfred Kubin, „Die andere Seite“
Quattro Cante, Architekturdetail, Palermo © Peter Leisch
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Alfred Kubin, „Entlaufene Schatten“, Ha 3307II, OÖ. Landesmuseum, Grafische Sammlung
Mittwoch, 03.05.2017 – 19:30
BEGRÜSSUNG
Prof. Hans-Joachim Frey (LIVA/Brucknerhaus)
ERÖFFNUNG
Doris Lang-Mayrhofer (Kulturreferentin der Stadt Linz)
SOLO RECITAL
Maarja Nuut, Violine, Fidel, Gesang, Loops
Violine, von der sie bisweilen zur baltischen Fidel
wechselt, ihr kühl temperierter Gesang und behutsam
„Im Traumbann“ („Une Meeles“) hat die estnische
eingesetzte Klangschleifen, die ihr als Gerüst dienen
Geigerin und Sängerin Maarja Nuut eines ihrer Alben
und sie eigene suggestive Räume, Landschaften und
betitelt, in dem sie die Grenzen zwischen Wachsein und
Innenwelten entwerfen lassen.
Traum musikalisch ausloten will: „Wie Träume sind für
mich Musik und die Bilder und Geschichten, die sich
Eine versierte Reisebegleiterin zum Aufbruch in Kubins
hinter ihr verbergen, Fenster zu anderen Welten. Sie
Traumstadt Perle: „Bitte näher zu treten!“ ließ sich
ermöglichen mir, zu Orten zu gelangen, an denen al-
eine kräftige Stimme vernehmen. „Ihr Gepäck ist in
les möglich ist. In manchen meiner Träume kann ich
Ordnung; haben Sie Ihre Legitimation?“
wählen, welche Richtung ich nehmen will und wohin
meine Reise geht. Man ist dann sehr weit weg und allem
nah zugleich.“
Mittwoch, 03.05.2017, 19:30 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal
Maarja Nuut begeistert mit filigranen Melodien und
intimen und spartanisch instrumentierten Arrangements, die nur wenige Zutaten benötigen, um ihren
eigenen Zauber zu entfalten: die dunklen Lagen der
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Norbert Hinterberger, „Die andere Seite“, samt Umgebung (2008, Panorama, Aquarell auf Aquarellkarton, Durchmesser 96 cm)
Mittwoch, 03.05.2017 – 21:00
KUBINIANA I
Musik lebt dadurch, dass die Leute sie machen! Natürlich, man kann die Sixtinische Kapelle neu ausmalen –
fragwürdig, ob das so schön ist, wie es früher war –; aber bei der Musik ist das anders, weil die Aufzeichnung in
Schriftform nur eine ungefähre ist. So ist Musik zerbrechlicher als die Erzeugnisse der Bildenden Kunst.
György Ligeti
Christian Manuel Oliveira liest aus Alfred Kubins
auf den Roman und die abgründig verstiegenen Bild-
Roman „Die andere Seite“.
welten und Visionen des Zeichners Bezug. Hans Erich
Apostels (1901–72) Klavierminiaturen „Kubiniana“
Suyang Kim, Klavier
widmen sich wiederum seiner zeichnerischen Seite –
Burghard Toelke, Violine
kurze prägnante, skizzenhaft entworfene Stimmungs-
Klara Außerhuber, Violoncello
bilder. György Ligetis (1923–2006) nicht weniger ku-
Theresa Dinkhauser, Klarinette
binesk anmutendes Trio für Violine, Horn und Klavier
Asbjørn Bruun, Horn
ist Johannes Brahms gewidmet. In seiner Besetzung
Winfried Ritsch, Maschinist
knüpft es an die romantische Tradition an. Über den
Charakter des zweiten Satzes hielt der Komponist fest:
John Cage, In a Landscape (1948)
„ein polymetrischer Tanz, inspiriert durch verschiedene
Giampaolo Coral, Demoni e fantasmi notturni della
Volksmusiken von nicht existierenden Völkern, als ob
città di Perla (1996)
Ungarn, Rumänien und der ganze Balkan irgendwo
Hans Erich Apostel, aus Kubiniana, op.13 (1945–50)
zwischen Afrika und der Karibik liegen würden“ –
Peter Lackner, Kanon für Klavierautomat (2003)
fremdartige Klänge und seltsam versetzte Rhythmen,
György Ligeti, Trio für Violine, Horn und Klavier (1982)
die man sich ebenso gut auch in den Künstlercafés
und Kaschemmen von Kubins Traumstadt vorstellen
Alfred Kubins Schaffen war und ist Inspirationsquelle
könnte. Peter Lackners (*1966) „Kanon“ für Klavier-
und Ausgangspunkt künstlerischer Konzeptionen der
automat bringt die Skurrilität sich verselbständigender
unterschiedlichsten KomponistInnen. Einer davon war
Maschinen mit sich: Kein Mensch könnte diese Partitur
der Italiener Giampaolo Coral (1944–2011), der sich
technisch am Klavier umsetzen, in seiner hämmernden
oftmals auf Bilder von Meistern der 15. und 16. Jahr-
Motorik entwickelt das Stück aber einen grotesken Sog,
hunderts wie Hieronymus Bosch, Albrecht Dürer oder
dem man sich nur schwer entziehen kann: somnambuler
Pieter Bruegel bezog, aber auch auf die Moderne wie
Sound aus Perles Kellergewölben und unterirdischen
Paul Klee oder eben Kubin. 1997 komponierte er eine
Kavernen zwischen Mitternacht und Morgen.
Art „Seelenmusik“, wie er sie selbst bezeichnete, und gab
ihr den Titel von Kubins Autobiografie „Dämonen und
Nachtgesichte“. Die Stücke dieses Zyklus nahmen dabei
Mittwoch, 03.05.2017, 21:00 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal
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Kellerabgang in Kubins Küche, Schloss Zwickledt © Peter Leisch
Mittwoch, 03.05.2017 – 22:00
... EIN DUNKLES TOR
Wie orientalische Städte aussehen, setze ich als bekannt voraus. Es ist genauso wie bei uns, nur orientalisch.
Kreuz und quer wanderten wir durch Straßen und über Plätze, uns dabei fortwährend durch Tausend und
eine Nacht-Szenen schiebend. Nach Verlauf einer halben Stunde wurde es stiller, wir schienen an den Rand
der Stadt zu gelangen. (…) Und da erst entdeckte ich im Dunstschleier eine ungeheure, grenzenlose Mauer.
Ganz plötzlich und unerwartet tauchte sie vor mir auf. Irgend jemand schritt uns mit einem Licht voran auf
ein gewaltiges schwarzes Loch zu: das war das Tor des Traumreiches.
Alfred Kubin, „Die andere Seite“
Roham Khorshidvand, Gesang
lichen persischen Mystikern, die ihre Lyrik in Verbin-
Younès Paknezhad, Kamanché
dung mit Musik als Mittel spiritueller Erfahrung ver-
Seyed Mohsen Nahani, Ney
standen. Saadi beschwört die Vision einer neu zu erbauenden Stadt, die ihren Bewohnerinnen und Bewohnern
Wie tritt uns die Traumstadt Perle gespiegelt – aus der
Zuflucht und Paradies sein soll: ein idealer Ort, an dem
Sicht eines außereuropäischen Betrachters entgegen?
es kein Unrecht und keine Konflikte gibt.
Kubin, der den Orient zeitlebens nur aus Büchern
kannte, hat sie an der Seidenstraße, „irgendwo bei
Diesem Traum wird die mächtige und eindringliche
Samarkand“, verortet und sie mit einer nur skizzenhaft
Stimme Roham Khorshidvands Gestalt verleihen, eines
entworfenen düsteren Gebirgslandschaft umgeben. Bei
jungen Sängers aus Khorramabad in der Region Lores-
aller Faszination für die Exotik und Fremde Innerasiens
tan im westlichen Iran. Beide Gedichte werden, wie in
dient sie ihm aber eigentlich nur als kubineske Kulisse
der klassischen persischen Musik üblich, in Avaz ge-
genuin europäischer Aussteigerfantasien und Sehn-
sungen, einem Gesangsstil im freien Rhythmus, dessen
süchte.
Melodien hier von zwei kurdischen Meistern der Ney
(Flöte) und der Kamanché (Stachelgeige) aufgegriffen,
Das Motiv der Traumstadt als Gegenwelt zu unserer
vielfältig variiert und miteinander verschränkt werden.
alltäglichen Wirklichkeit findet sich aber auch in der
Überlieferung und Dichtkunst dieses alten Kulturraums. So etwa bei Hafis und Saadi, zwei mittelalter-
Mittwoch, 03.05.2017, 22:00 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal
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IM BANN
Mit noch übervollem Herzen schweifte ich in der Stadt umher und
betrat abends ein Varieté, und da überkam mich auf einmal ein ganzer
Sturz von Visionen schwarzweißer Bilder – es ist gar nicht zu schildern,
was für einen tausendfältigen Reichtum mir meine Einbildungskraft
vorspiegelte. Ich verließ rasch das Theater, denn die Musik und die vielen
Lichter störten mich jetzt, und irrte ziellos in den dunklen Straßen, dabei
fortwährend überwältigt, förmlich genotzüchtigt von einer dunklen
Kraft, die seltsame Tiere, Häuser, Landschaften, groteske und furchtbare
Situationen vor meinen Geist hinzauberte. Ich fühlte mich in meiner
verwunschenen Welt unbeschreiblich wohl und gehoben.
Alfred Kubin, „Kubin handschriftlich“
Alfred Kubin, Illustration zu einer Geschichte von Gustav Meyrink, Ha 7381II, OÖ. Landesmuseum, Grafische Sammlung
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Izad Khast, Südiran © Peter Leisch
Donnerstag, 04.05.2017 – 19:30
KUBINIANA II
Burghard Toelke, Violine, Viola
seinem Traumreich auferlegt. Wenn man Zeit als das ele-
Agnes Oberndorfer, Viola
mentare musikalische Gestaltungsmittel versteht, dann
Anna Katharina Rischanek, Viola
agiert Patera eigentlich wie ein Komponist: Er legt die
Sonja Bogner, Violine
innere Dramaturgie, die Atmosphären, Tonlagen und
Klara Außerhuber, Violoncello
Entwicklungen seines Werkstücks fest. Auf eine subtile
Tobias Wögerer, Vibraphon
und undurchschaubare Weise beeinflusst er Stimmungen
Theresa Dinkhauser, Bassklarinette
und Befindlichkeiten, orchestriert und dirigiert seine
Schöpfung und Geschöpfe. Zugriff verschafft er sich
Hermann Markus Pressl, A5 für Bassklarinette,
dabei über das kollektiv Unbewusste: Er greift in Träume
drei Bratschen und Vibraphon (1945–50)
ein und versetzt seine Untertanen in tranceartige Zu-
Hooshyar Khayam (Composer in Residence),
stände der Entrückung – Grenzerfahrungen, die mit
Die andere Seite für Streichquartett (UA,
einem gänzlich anderen Zeitempfinden verbunden sind
Kompositionsauftrag Festival 4020)
als unser Alltagsbewusstsein. Diesen „zeitlosen“ Qualitäten soll in diesem und den folgenden Konzerten nach-
Kubins Roman kann nicht nur als Utopie gelesen
gespürt werden. So gleich zu Beginn mit einem Stück
werden, die eine europäische Stadt zur Gänze im Orient
des Grazer Komponisten Hermann Markus Pressl,
neu verortet; er stellt sie auch in eine andere imaginäre
dessen Dauer offen konzipiert ist und das das Spannungs-
Zeit außerhalb der Gegenwart. Wie in einer Zeitmaschine
feld zwischen seiner tatsächlich gespielten Länge
ist die Traumstadt Perle in eine Vergangenheit ohne
und dem subjektiven Zeiterleben auslotet. Hooshyar
Autos, Technik und Elektrizität zurückversetzt, sie ist
Khayam, Composer in Residence des Festivals, ver-
hermetisch von ihrer Außenwelt abgeschirmt und von
schränkt in seinem Streichquartet Kubins Traumstadt
allen geltenden Zeitzonen, vom synchron getakteten
mit der Ruinenstadt Izad Khast (wörtlich: „Gott will es!“)
Jetzt der Moderne abgekoppelt. Als buchstäblich gegen
im südlichen Iran. Über die Gründe, warum Izad Khast
den Uhrzeigersinn anlaufende Utopie ist sie auch ein
vor Jahrhunderten aufgegeben und verlassen wurde, ist
radikaler Gegenentwurf zur Idee des Fortschritts und
nichts bekannt. Zwei Stadtvermessungen, zwei imagi-
der Geschichte sowie zur gesellschaftlichen Konstruktion
näre Stadtgeschichten und der Himmel über der Wüste.
von Wirklichkeit. Sie folgt ihren eigenen Gesetzen und
Abläufen, jenem sprunghaften und erratischen Zeitregime, das ihr Schöpfer, der Stadtgründer Claus Patera,
Donnerstag, 04.05.2017, 19:30 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal
19
Parament (Totenmaske), Chiesa dei Morti, Urbania © Peter Leisch
Donnerstag, 04.05.2017 – 21:00
KUBINIANA III
Man kommt in eine kleine, winklige, leere Zelle, zum Teil mit rätselhaften Zeichnungen, wohl Symbolen,
bedeckt. Hinter der Mauer hört man das gewaltige Pendel mächtig hin- und herschwingen. So! tick … tack …
tick … tack. Über die Steinwand strömt Wasser, ununterbrochen strömt es. Ich tat, wie der Mann, der nach mir
eintrat, blickte die Wand starr an und sagte laut und deutlich: „Hier stehe ich vor Dir!“
Alfred Kubin, „Die andere Seite“
Hard-Chor
frei nach dem Motto des berühmtem mittelalterlichen
Alexander Koller, Leitung
Kanons von Guillaume de Machaut (ca. 1300–77) „Ma
fin est mon commencement“ („Mein Ende ist mein
Martin Mallaun, Zither
Anfang“). Vom wohl bekanntesten Komponisten und
Dichter der Ars nova wird das Kyrie aus der Messe de
Bernhard Lang, DW 10a für E-Zither und Loop
Nostre Dame zu hören sein.
Generator (2003)
Hermann Markus Pressl, Asralda für 5 und 7
Als Gegenpol zu den Chorstücken wird Martin Mallaun
Stimmen und javanesischen Gong (1982)
zwei zeitgenössische Werke für Zither und Elektronik
Guillaume de Machaut, La Messe de Nostre Dame,
von Bernhard Lang (*1957) und William Dougherty
Kyrie
(*1988) interpretieren. Auch hier entstehen Klang-
William Dougherty, Traum im Traum für Zither in
kaskaden, die viel Raum für zyklische Zeiterfahrung
mitteltöniger Stimmung und Sinustöne (UA)
und die Verbindung von Altem und Neuem geben: Im
John Taverner, Shûnya
Zentrum steht die Zither als traditionelles Instrument –
in ihrem Klangspektrum erweitert, um gewohnte Hör-
Die Werke des zu Unrecht vergessenen Komponisten
ereignisse zu verfremden.
Hermann Markus Pressl (1939-94) entheben das
Publikum seines Zeitgefühls; so ist es nur folgerichtig,
Die Werke des heutigen Abends ermöglichen dem
dass Anfang und Ende und damit auch die Dauer des
Zuhörer das Außerhalb-der-Zeit-Sein, sich selbst be-
Chorstücks „Asralda“ nicht fix vorgegeben sind. Pressl
trachtend und Erkenntnissen auf der Spur – und viel-
wirkte viele Jahre an der Grazer Musikuniversität, davor
leicht auch, sich ein paar Schritte in die Stadt Perle
sammelte er Erfahrungen in Afghanistan als Lehrer und
hinein zu wagen.
Musikethnologe. Rituale, wie sie in „Asralda“ anklingen, in Traumsphären entführen, das Unbewusste auftauchen lassen, waren dem Forschenden vertraut.
Donnerstag, 04.05.2017, 21:00 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal
In Kubins Stadt Perle herrscht eine andere Zeitrechnung,
die Gesetze der Zivilisation sind außer Kraft gesetzt –
21
Detail einer achämenidischen Stele, Iranisches Nationalmuseum Teheran © Peter Leisch
Donnerstag, 04.05.2017 – 22:00
SOLO RECITAL
Seyed Arash Shahriari, Tanbur, Tar, Gesang
der Sufis mit christlich-jüdischen Elementen und dem
spätantiken Mithraismus verbindet. Ihr gehört Seyed
Einer alten kurdischen Legende zufolge sträubt sich die
Arash Shahriari an, der an diesen spirituellen Fundus
Seele vor der Geburt mit aller Macht, in den Körper des
anknüpfend sein Recital entfalten wird.
Menschen einzutreten und ihm dadurch Leben einzuhauchen. Sie ist nicht bereit, sich aus dem göttlichen
Seyed Arash ist eine der vielseitigsten und eigen-
Urgrund zu lösen und in ein Dunkel einzutauchen, das
willigsten Musikerpersönlichkeiten des Iran: ein Vir-
mit Schmerz, Endlichkeit und Trennung verbunden
tuose eines ganzen Spektrums „anderer Saiten“, die
ist. Sieben Erzengel versuchen sie zu trösten und zum
neben Tar und Tanbur auch von ihm rekonstruierte In-
Einstieg zu überreden, sieben dunkle Engel wecken ihre
strumente der orientalischen Antike wie etwa die Elams
Zweifel und Ängste und versuchen sie zurückzuhalten.
Harfe umfassen.
Erst als das heilige Instrument Tanbur angeschlagen
Eine Zeitreise, die an Anfänge und Ursprünge rührt und
wird und in der Tonart der Schöpfung, im Maqam Tarz
der Erinnerung an unsere damit verbundene „andere
erklingt und die Engel mit ihrem Gesang einstimmen,
Seite“ gewidmet sein soll.
verbindet sich die Seele mit dem Leib und tritt ins
Leben. Ihren Ursprung hat diese Erzählung in der religiösen Gemeinschaft der Ahl-e Hagh, die die Mystik
Donnerstag, 04.05.2017, 22:00 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal
23
ANDERE
SAITEN
Einmal sah ich die Welt als ein teppichhaftes Farbenwunder, die
überraschendsten Gegensätze alle in einer Harmonie aufgehend;
ein andermal überschaute ich ein unermessliches Filigran der Formen.
In der Finsternis umrauschte mich eine Orgelsymphonie von Tönen,
worin sich pathetische und Naturlaute zu verständlichen Akkorden
ergänzten. Ja, ganz neuartige Empfindungen erfasste ich ganz
nachtwandlerisch. Ich entsinne mich, da ich mir wie das Zentrum
eines elementaren Zahlensystems vorkam. Ich fühlte mich abstrakt, als
schwankender Gleichgewichtspunkt von Kräften – ein Gedankengang,
der mir niemals wieder gekommen ist. […] Der Lärm der Außenwelt
hatte meine Nerven gerade so lange gepeitscht und empfindlich
gemacht, bis sie für die Erlebnisse der Traumwelt reif waren.
Alfred Kubin, „Die andere Seite“
Alfred Kubin, „Vulkan“, Ha 3228II, OÖ. Landesmuseum, Grafische Sammlung
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Notenpaar, Judith Unterpertinger in Esfahan © Natalie Deewan
Freitag, 05.05.2017 – 18:30
WERKSTATTGESPRÄCH JUDITH UNTERPERTINGER
Moderation: Marie-Therese Rudolph
Freitag, 05.05.2017 – 19:30
KUBINIANA IV
Im Tode wird das Subjekt zur Diagonale zwischen dem Raum und der Zeit, möge Sie das trösten!
Alfred Kubin, „Die andere Seite“
Judith Unterpertinger (Composer in Residence)
öffnet damit einen Assoziationsraum, der sich auch in
lyse, Auftragswerk Festival 4020 (UA)
Alfred Kubins Roman konkret wiederfindet: die Innen-
Magdalena Knapp Menzel, Text
und die Außenwelt – die Innenwelt im Falle der Stadt
Perle abgeschirmt durch eine Mauer innerhalb derer
Bernhard Landauer, Countertenor
ein Eindringling Chaos hervorruft. Die beiden Künst-
Eva Münzberg, Viola da Gamba
lerinnen stellen sich den essenziellen Fragen nach den
Samer Habibi, Kamanché
Grenzen zwischen Individuum und Herrschaft, Privat-
Alireza Mollahosseini, Tombak
heit und Öffentlichkeit, Abgrenzung und Gemeinschaft.
Richard Eigner, Schlagzeug
Wie funktioniert Herrschaft in der Stadt Perle, und
Juun, Pianoguts
worin besteht der Unterschied zu unserem System? Auch
Alfred Reiter, Klangregie
in Unterpertingers Klangvorstellung begegnen sich
zwei Welten: zwei persische werden drei europäischen
Die Autorin Magdalena Knapp-Menzel und die Kom-
Instrumenten gegenübergestellt – Kamanché und Tombak
ponistin Judith Unterpertinger haben bereits mehr-
treffen auf Viola da Gamba, Schlagzeug und Pianoguts.
fach zusammengearbeitet, zuletzt bei der Tanzoper
Letzteres, ein Fragment eines Klaviercorpus, spielt die
„JUDITH | Schnitt_Blende“ 2015. In Unterpertingers
ausgebildete Jazz-Pianistin Juun. Der Auseinander-
neuem Stück, einem Auftragswerk des Festivals 4020,
setzung mit den Spieltechniken und Möglichkeiten der
treffen unterschiedliche Welten aufeinander: Ausge-
persischen Instrumente, die bei der Uraufführung auch
hend von Alfred Kubins Roman „Die andere Seite“ und
von iranischen Musikern gespielt werden, steht die Ein-
einer Recherche-Reise in den Iran, wo sie sich mit der
bindung der Countertenor-Stimme als Repräsentantin
Musik vor Ort auseinandersetzte und Field Recordings
der europäischen Musikgeschichte gegenüber. Eine
machte, verschränkt sie Sprache mit frei improvisierten
gemeinsame musikalische Welt? Konfrontation oder
sowie komponierten Passagen zu einem vielschichtigen
Symbiose? Oder nur ein Perspektivenwechsel durch zwei
Ganzen.
unterschiedliche Seiten?
Ein starkes Bild evoziert der Werktitel „lyse“: Er bezieht
sich auf den biologischen Zerfallsprozess einer Zelle und
Freitag, 05.05.2017, 19:30 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal
27
Sala dello Zodiaco, Palazzo ducale, Mantova © Peter Leisch
Freitag, 05.05.2017 – 21:00
NACHT.PERLEN
Fast jede Nacht brachte mir entlegene Begebenheiten, und ich bin der Meinung, dass diese
Traumbilder aufs engste verkettet waren mit den Erlebnissen meiner Ahnen, deren seelische
Erschütterungen sich vielleicht organisch geprägt und vererbt haben. Noch tiefere Traumschichten
öffneten sich mir im Aufgehen in Tierexistenzen, ja im bloßen Hindämmern in Urelementen.
Diese Träume waren Abgründe, denen ich mich willenlos hingegeben sah.
Alfred Kubin, „Die andere Seite“
Marco Ambrosini, Schlüsselfidel/Nyckelharpa
zustand erfahrbar, in dem alles möglich, aber nichts
Anna-Liisa Eller, Kannel
mehr im gewohnten und alltagstauglichen Sinn „wirk-
Franziska Fleischanderl, Salterio und Hackbrett
lich“ ist. Wie die Traumbürgerinnen und -bürger der
Eva-Maria Rusche, Tafelclavier
Stadt Perle sind auch diese Musizierenden Zeitreisende
in eine Vergangenheit, die ihre Wurzeln auf eine para-
Kompositionen von Girolamo Frescobaldi
doxe Weise im Jetzt und Heute hat: ihr Ausgangspunkt
und dem Ensemble (UA)
ist die Musik Girolamo Frescobaldis (1583–1643), die
sie improvisierend und mit einem ganzen Spektrum
Der Ruf, der Besuch, die Reise (Così mi disprezzate)
„anderer Saiten“ ausloten, kunstvoll überformen und
Die Traumstadt (Canzon dopo l’Epistola)
nachklingen lassen.
Der Alltag (Aria detta la Frescobalda)
Die Traummenschen (Toccata)
Der Resonanzraum all dieser musikalischen Metamor-
Die Vorstadt (Canzona prima a due Canto e Basso)
phosen bleibt aber unsere zerbrechliche, labyrinthisch
Der Bann (Praeludium & Toccata per l’Elevazione
verschachtelte Gegenwart. Zeitlos aktuell bleiben des-
Die Verwirrung des Traums (Recercar cromaticho)
halb auch jene Fragen, die Kubin wie Frescobaldi,
Der Widersacher (Canzon terza a Canto solo)
beide Zeugen dramatischer Epochen des Umbruchs,
Die Außenwelt (Canzon post il Comune)
des Untergangs und der Neugestaltung, umgetrieben
Der Untergang des Traumreiches (Bergamasca)
haben: die Tauglichkeit von Utopien als Ausdruck des
Die Erlösung und die Rückkehr (Se l’aura spira)
Wunsches, bessere Welten entstehen zu lassen; der Umgang mit den unberechenbaren Schattenseiten und
Als Hin- und Herpendeln zwischen Traum und Wirk-
Abgründen der menschlichen Zivilisation – und die
lichkeit, zwischen den Rändern des Wachbewusstseins
Herausforderung, zwischen diesen beiden Polen ein
und dem Unbewussten, der dunklen, „anderen Seite“
schwankendes Gleichgewicht und eine stimmige
im Menschen, beschreiben die vier KünstlerInnen ihre
Antwort zu finden.
musikalische Annäherung an Kubin. Im Traum verschwimmen die Grenzen der Zeit, wird Zeit als poröses
und durchlässiges Medium, als eigener Aggregats-
Freitag, 05.05.2017, 21:00 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal
29
SPIEL:ENDE
… als wenn das eigentliche Erleben ein
weit abgelegeneres, leiseres wäre, die
sogenannte Tatsachenwelt nur eine ganz
grobe Umhüllung dazu …
Alfred Kubin, Brief an Hermann Hesse
vom 11.12.1938
Ihr Ende ist mit ihrem Anfang verschränkt
und ebenso ihr Anfang mit ihrem Ende,
so wie die Flamme an die brennende Kohle
gebunden ist.
Sefer Jezira, „Buch der Schöpfung“
Alfred Kubin, „Feuergeister“, Ha 3297, OÖ. Landesmuseum, Grafische Sammlung
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Palmyra, Bild im Schlafzimmer von Alfred Kubin, Schloss Zwickledt © Peter Leisch
Samstag, 06.05.2017 – 19:30
KUBINIANA V
Ich wurde im Jahre 2637 vor Christus geboren. Bilden Sie die Quersumme und Sie werden sehen,
welche Zahl dabei herauskommt. Das war in Mesopotamien. So war das. Ich war mit einer sehr
hübschen Frau verheiratet, und wir sind beide getötet worden. Ich war siebenundzwanzig Jahre alt,
sie war ein paar Jahre jünger. Wir lebten in einem assyrischen Palast am Ufer des Euphrat. Es war dort
sehr schön, ein warmer Ort und ein wundervoller Fluss. Es gibt ein Porträt von mir, aus Stein, zwei
Meter hoch, mit meinem Gesicht, vergraben im Sand. Ich könnte es vielleicht sogar wiederfinden,
in der Nähe des Flusses. Vielleicht entdeckt man es eines Tages. Ich will, dass nichts übrigbleibt.
Die Statue im Sand aber wird bleiben. Die kann ich nicht zerstören.
Giacinto Scelsi, aus: „Arbeit am Mythos“, Saarbrücken 2005
Trio Weinmeister
die in höchst eigensinnigen Verhältnissen zueinander
Hanna Weinmeister, Violine
stehen. So suggeriert die labyrinthische Chromatik von
Gertrud Weinmeister, Viola
Purcells „Fantasias“ Bilder von sich nach oben schrau-
Bruno Weinmeister, Violoncello
benden Wendeltreppen und Passagen mit geheimen
Ausblicken und Brückchen zwischen raffiniert ver-
Henry Purcell, Fantasias a tre voce, Dido’s Lament
schachtelten Stadträumen.
Giacinto Scelsi, Streichtrio (1958), L’âme d’ailée und
L’âme Ouverte für Violine solo (1973)
Scelsis Stücke hingegen, die oft um einen einzigen Ton
Domenico Gabrielli, Ricercare I, V, VI, VII für
kreisen, der in seinen Schwebungen und Nuancen bis
Violoncello solo
ins letzte Detail untersucht und klanglich ausgekostet
György Ligeti, Facsar aus der Sonate für Viola solo
wird, evozieren Weite und auf paradoxe Weise ins Un-
(1991–94)
endliche auskragende Flächen aus dem Innenraum der
Giuseppe Tartini, Sonate für Violine solo Nr. 7 in a-Moll
Klänge: musikalische Wandelgänge, die jegliches Zeitgefühl aufheben. Der Komponist Scelsi umgab sich zeit-
Das Trio Weinmeister, bestehend aus den Geschwistern
lebens mit einem Geheimnis um seine Person und seine
Gertrud, Hanna und Bruno, verbindet Musik des frühen
Arbeitsweise, nicht ganz unähnlich dem mysteriösen
Barock und der Moderne zu einer Architektur fragiler
Herrscher in Kubins Traumstadt Perle. Ihr Untergang
Klänge. Die Stücke – auf der einen Seite von Giacinto
wird mit Purcells elegischem Abgesang „Dido’s Lament“
Scelsi (1905–88) und György Ligeti (1923–2006) aus
beschworen.
dem 20. und auf der anderen Seite von Giuseppe Tartini
und Henry Purcell aus dem 17. Jahrhundert – können als
imaginäre Häuser einer Traumstadt verstanden werden,
Samstag , 06.05.2017, 19:30 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal
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Weiher in Kubins Garten, Schloss Zwickledt © Peter Leisch
Samstag, 06.05.2017 – 21:00
TRAUMSPIEGEL
Die Wahrheit ist ein vom Himmel gefallener, zersplitterter Spiegel.
Molawi
Das Leben kann nie dieser Leichtigkeit gerecht werden,
die aus Krücken Flügel schnitzt. Trotzdem. Ich werde gehen
mit nichts als mit mir.
Ernst M. Binder
Christian Manuel Oliveira liest aus Alfred Kubins
anderen Welt bleibt Erinnerung, ein vielstimmiger Nach-
Roman „Die andere Seite“.
klang, der uns nach draußen begleitet. Und zuletzt:
die hundert Saiten des Santūr, der persischen Form
Ali Bahrami Fard, Santūr
des Hackbretts, die sechs Doppelsaiten der aserischen
Hadi Azarpira, Tar
Langhalslaute Tar und die drei Saiten der pontischen
Derya Türkan, Lira
Lira, eines griechischen Streichinstruments, das seinen
Ursprung im Kaukasus und in Mesopotamien haben
„Langsam neigte sich die Fassade des Palastes, bog sich
soll: Splitter eines zerbrochenen Spiegels, in den wir im
wie ein Fahnentuch im Wind und begrub den großen
Traum geblickt hatten.
Platz unter ihrem Angesicht. – Von allen Türmen Perles
ertönten die Glocken, melodisch, imposant läuteten sie
den Schwanengesang der sterbenden Stadt“, beschreibt
Samstag, 06.05.2017, 21:00 Uhr
Brucknerhaus, Mittlerer Saal
Alfred Kubin den Untergang des Traumreichs, der in
einem apokalyptischen Trümmermeer und in der Stille
eines wolkenlosen Morgens endet. Von der Vision einer
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Traumstadt
Vermittlungsprojekt / Workshop mit SchülerInnen der Landesschule Peter Petersen, St. Isidor
24.–27.04.2017
Konzept und Durchführung: Veronika Großberger
Musiker: Richard Eigner
Projektleitende Lehrerinnen:
Sylvia Ecker, Birgit Engleder, Elisabeth Follner
Der Workshop „Traumstadt“ schafft die Möglichkeit, dem vermeintlich Unmöglichen Raum zu geben.
In seinem Rahmen dürfen Ideen zu einer Traumstadt geboren werden, die musikalisch und bildnerisch
umgesetzt werden sollen.
Die SchülerInnen der Peter Petersen Landesschule in St. Isidor / Leonding betrachten die jetzige Situation
in ihrer unmittelbaren städtischen Umgebung, entwickeln neue Perspektiven und arbeiten mit den kreativen
Impulsen der Musikvermittlerin Veronika Großberger und des Musikers Richard Eigner. Durchaus Utopisches darf hier Einzug nehmen, und die Kinder werden ihren Ideen Ausdruck verleihen: einerseits mit
selbst gestalteten Bildern auf Overhead und andererseits mit kleinen Musikstücken, die sie gemeinsam
mit dem Musiker entwickeln.
Ziel des Workshops ist es, das eigene städtische Umfeld mit allen Sinnen wahrzunehmen und sich
gleichzeitig mit künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten vertraut zu machen. Mit Unterstützung von KulturKontakt Austria / culture connected
Wir danken:
Arfa Allawi, Ferdinand Altnöder, Peter Assmann, Alireza Bayat, Carin van Heerden, Djamile Dastmaltschi,
Hasan Djavaher, Ali-Asghar Haddad, Golzar Hafzi, Leila Jahromi, Gabriele Juen, Kavé Kalhornia,
Khashayar Karimi, Nadja Kayali, Thomas Kloiber, Peter Lackner, Farhad Nadjafi, Ahmad Nasrolahi,
Elisabeth Juliane Nöstlinger, Mohsen Salari, Friedrich Stift, Anton Voigt.
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PROGRAMMÜBERSICHT 03.05. - 06.05.2017
DER RUF
IM BANN
Mittwoch, 03.05.2017 – 19:30
Donnerstag, 04.05.2017 – 19:30
Solo Recital
Maarja Nuut (Violine, Fidel, Gesang, Loops)
Kubiniana II
Burghard Toelke (Violine, Viola), Klara
Außerhuber (Violoncello), Theresa Dinkhauser
(Bassklarinette) u.a. mit Werken von Hermann
Markus Pressl und Hooshyar Khayam (UA)
Mittwoch, 03.05.2017 – 21:00
Donnerstag, 04.05.2017 – 21:00
Kubiniana I
Suyang Kim (Klavier), Burghard Toelke (Violine),
Klara Außerhuber (Violoncello), Theresa
Dinkhauser (Klarinette), Asbjørn Bruun (Horn),
Winfried Ritsch (Maschinist) mit Werken von
John Cage, Giampaolo Coral, György Ligeti u.a.
Kubiniana III
Hard-Chor, Alexander Koller (Leitung),
Martin Mallaun (Zither) mit Werken von
William Dougherty (UA), Bernhard Lang,
Guillaume de Machaut u.a.
Mittwoch, 03.05.2017 – 22:00
Donnerstag, 04.05.2017 – 22:00
... ein dunkles Tor
Roham Khorshidvand (Gesang),
Younès Paknezhad (Kamanché),
Seyed Mohsen Nahani (Ney)
Solo Recital
Seyed Arash Shahriari (Tanbur, Tar, Gesang)
ANDERE
SAITEN
SPIEL:ENDE
Freitag, 05.05.2017 – 18:30
Samstag, 06.05.2017 – 19:30
Werkstattgespräch Judith Unterpertinger
Moderation: Marie-Therese Rudolph
Kubiniana V
Trio Weinmeister mit Werken von
Henry Purcell, Giacinto Scelsi, György Ligeti,
Domenico Gabrielli und Giuseppe Tartini
Freitag, 05.05.2017 – 19:30
Samstag, 06.05.2017 – 21:00
Kubiniana IV
Bernhard Landauer (Countertenor), Eva
Münzberg (Viola da Gamba), Samer Habibi
(Kamanché), Alireza Mollahosseini (Tombak),
Richard Eigner (Schlagzeug) u.a. mit einer UA
von Judith Unterpertinger
Traumspiegel
Ali Bahrami Fard (Santūr), Hadi Azarpira
(Tar), Derya Türkan (Lira)
Freitag, 05.05.2017 – 21:00
Nacht.Perlen
Marco Ambrosini (Schlüsselfidel/Nyckelharpa),
Anna-Liisa Eller (Kannel), Franziska Fleischanderl
(Salterio/Hackbrett), Eva-Maria Rusche (Tafelclavier) mit Werken von Girolamo Frescobaldi und
dem Ensemble
Live auf Radio Österreich 1
SPIELRÄUME NACHTAUSGABE
Freitag, 05.05.2017 – 22:05–01:00 Uhr: mit
Nadja Kayali und MusikerInnen des Festivals 4020
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KUBINS ANDERE SEITEN
„Die andere Seite“
›› Musiktheater von Michael Obst nach dem fantastischen
„EINE andere Seite“. Humor und Ironie im
Werk von Alfred Kubin
Roman von Alfred Kubin. Text von Hermann Schneider,
›› Landesgalerie Linz, Gotisches Zimmer
Musikalische Leitung: Dennis Russell Davies, Inszenie-
›› 27. April bis 27. August
rung: John Dew, Bühne und Kostüme: Dirk Hofacker,
Dramaturgie: Christoph Blitt
Unheilvoll, schattenhaft, dämonisch, abgründig – dies sind
›› Premiere: Samstag, 20. Mai, 19:30 Uhr,
nur einige Begriffe, die mit dem Werk Alfred Kubins in
weitere Vorstellungen: 24. und 27. Mai,
Verbindung gebracht werden. Doch Kubin hat noch weitere
6., 19., 24. und 29. Juni
Seiten, die mitunter übersehen werden – der Humor und die
›› Musiktheater Linz, Großer Saal
Ironie in seinen Zeichnungen. Humoristische, skurrile und
groteske Themen, die einen bedeutenden Anteil im Schaffen
Alfred Kubins Roman „Die andere Seite“ verlangt mit seiner
von Alfred Kubin haben, stehen im Mittelpunkt der Ausstel-
bizarren Fantastik, den emotionalen Extremsituationen, in
lung.
die die Protagonisten geraten, und nicht zuletzt wegen des
Zusammentreffens unterschiedlicher Welten geradezu nach
Kinderzimmer: Unter dem Thema „Der Magier von Zwick-
einer Überhöhung durch Musik. Und so brachte der Kompo-
ledt“ erfahren junge Besucher/innen Spannendes rund um das
nist Michael Obst 2010 sein Musiktheater „Die andere Seite“
Leben von Alfred Kubin.
zur Uraufführung. Er schuf eine Partitur, die verschiedene
fremd anmutende Elektronik; zarte A-Capella-Chorpassagen
„... wie eine seelige Insel im dröhnenden Ozean
europäischer Barbarei“
kontrastieren mit klanggewaltigen Massenszenen und Wild-
›› Alfred Kubin an Herbert Lange und Suzan Wittek,
Klangsphären mischt: Reale Farben des Orchesters treffen auf
Scharfes wechselt mit eindringlichen Episoden von morbid-
Briefe 1940–54, Mikro-Ausstellung
fragiler Schönheit. Nicht zuletzt dank dieser starken musika-
›› 27. April bis 27. August
lischen Faktur wurde das Werk von der Zeitschrift Opernwelt
›› StifterHaus
als „Uraufführung der Saison 2010/2011“ nominiert. Im
Linzer Musiktheater kann man nun ab dem 20. Mai 2017 die
Die im OÖ. Literaturarchiv im StifterHaus, Nachlass Her-
Österreichische Erstaufführung dieser Kubin-Oper erleben.
bert Lange befindlichen Briefe und Postkarten Alfred Kubins
Anlässlich dieser Produktion entfaltet das Landestheater noch
an den Journalisten und Autor Herbert Lange sowie an die
weitere Aktivitäten, um das Publikum mit Michael Obsts
Schriftstellerin und Japanologin Suzan Wittek umfassen unter
Oper und deren Thematik näher vertraut zu machen.
anderem die wechselvollen Jahre des Zweiten Weltkrieges und
„Alfred Kubin – Meilensteine seines Schaffens“
›› Landesgalerie Linz, Kubin-Kabinett
der unmittelbaren Nachkriegszeit. Mit der „verehrten“ nach
mehrjährigem Japanaufenthalt wieder in Österreich lebenden
Wittek pflegt Kubin einen angeregten Austausch, dem jungen
Dichter Lange fühlt er sich bald freundschaftlich verbunden.
Mit einem Einblick in das facettenreiche Werk Alfred Kubins
Unter anderem entsteht der Plan zu einem gemeinsamen
feiert die Landesgalerie Linz die Wiedereröffnung des Kubin-
Buchband – „Das poetische Zeitalter“ mit Illustrationen Ku-
Kabinetts. In den umfassend renovierten Räumlichkeiten wer-
bins, der kriegsbedingt jedoch erst 1948 erscheint. Verhandelt
den Meilensteine seiner Werkentwicklung gezeigt. Der Bogen
werden in den Briefen neben Bemerkungen zur politischen
spannt sich vom magisch-fantastischen Frühwerk, mit dem
Situation erschwerte Arbeits- und Publikationsmöglichkeiten
Kubin zu Weltruhm gelangte, über Beispiele der narrativen
bei steigender Nachfrage nach Zeichnungen sowie die schwin-
und literarischen Illustrationen bis hin zum expressionisti-
dende Schaffenskraft des Künstlers, die er in alljährlichen Auf-
schen Spätwerk.
enthalten im Böhmerwald zu erneuern sucht.
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Produktion: Brucknerhaus Linz; Marie-Therese Rudolph
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Marketing: Elisabeth Salwiczek
PR: Rafael Hintersteiner
Für den Inhalt verantwortlich:
LIVA Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH, Brucknerhaus
VD Prof. Hans-Joachim Frey
Redaktion: Peter Leisch, Marie-Therese Rudolph
Lektorat: Judith Pouget
Grafik: Werbeagentur Moremedia
Festival 4020 ist eine Veranstaltung der LIVA
gemeinsam mit Linz Kultur
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