— Material — Text Lucas Arnhold, Johannes Haidn Bild Andreas Meyer SYSTEMVERGLEICH E-Bike-Antriebe Früher war der Rahmen das Herzstück eines Bikes und es hieß, Komponenten könnten bei Verschleiß oder Nichtgefallen ausgetauscht werden. Bei E-Bikes sieht das nun anders aus und neben dem Rahmen ist der Antrieb ebenso wichtig. Rahmen und Antrieb sind die Basis des Bikes und unterschiedliche Anbaustandards machen es fast unmöglich, zwischen verschiedenen Antrieben zu wechseln. Die Entscheidung sollte somit gründlich überlegt sein, denn die Unterschiede zwischen den Systemen sind teilweise erheblich. Darum sollte man sich vorher vor allem die Fragen stellen: Wo fahre ich? Sollte der Antrieb kräftig, ausdauernd oder am besten beides sein? Natürlich gibt es auch noch andere Kriterien wie Geräuschentwicklung, Dauerhaltbarkeit, Funktionen etc., die in die Entscheidung miteinfließen können und sollen. Die größte alle Fragen haben wir für Sie aufgegriffen: Hinterradnabenmotor, Mittelmotor oder doch lieber das alte Rad mit einem Nachrüstmotor aufrüsten? Auf den nächsten Seiten stellen wir Ihnen je ein Modell der drei Gattungen vor. 54 Fahrrad News — E-Bike-Antriebe — CONTINENTAL Conti eBike System Antriebsart Mittelmotor Gewicht Antriebseinheit, kg < 4 Dauerleistung, W 250 Max. Drehmoment, Nm 90 Energiegehalt Akku, Wh bis 612 (je nach Akku-Variante) Unterstützung bis, km/h 25 Pedelec (EU) oder 32 (USA) Max. Reichweite, km 130 (je nach Akku-Variante) Schiebehilfe Ja www.conti-ebike-system.com Continental, im Mountainbike-Bereich vor allem durch seine Reifen bekannt, hat 2013 beziehungsweise 2014 bereits einen eigenen Antrieb für E-Bikes auf der Eurobike-Messe präsentiert. Der Produktionsanlauf beziehungsweise die Auslieferung der ersten Einheiten erfolgte dann 2015. Bekannte Firmen wie Rose Bikes, BH und Trek zählen zum Kundenkreis des Traditionsunternehmens. Continental will dabei seinen Kunden kein „starres“ System anbieten, es sollte sich um ein individuelles und optimal auf die Bedürfnisse abgestimmtes Antriebssystem handeln. So sind zum Beispiel verschiedene Lösungen der Akkuplatzierung am oder im Rahmen möglich und es stehen verschiedene Akku-Varianten zur Auswahl. Für den Hersteller eFlow wurde beispielsweise der Sitzrohr-Akku in das Conti eBike System integriert. Flexibel ist man auch bei der Wahl der Übersetzung. Der Fahrradhersteller kann eine Kurbel mit einem oder zwei Kettenblättern für seine Kunden wählen. Aktuell sind noch wenige Bikes mit dem neuen Antrieb verfügbar. Für die Antriebsvorstellung beziehungsweise den Fahrtest haben wir von Conti eBike System ein Musterrad bekommen. Der Motor unterstützt sehr sanft und geräuscharm auf 25 km/h. Besonders an steilen Passagen zieht der Conti gut und kraftvoll durch. Das Display ist gut zu erkennen und das Bedienteil, welches direkt neben dem Griff montiert ist, ist kinderleicht zu bedienen. Die Reichweite mit dem 418-Wattstunden-Akku ist gut vergleichbar mit ähnlich großen Akkus anderer Hersteller. Volker Stützinger, Sales und Marketing Manager Conti eBike System „Das Conti eBike System ist ein modulares Antriebssystem, welches OEM-Partnern Flexibilität bei der Systemzusammenstellung, unterschiedliche Integrationsmöglichkeiten und eine individuelle Systemabstimmung ermöglicht. Dadurch können unterschiedliche Fahrradkonzepte mit individuellen Antriebssystemen ausgestattet werden, um hier einen bestmöglichen ,Fit‘ zwischen E-Bike und Antriebssystem zu erlangen.“ Fahrrad News 55 — Material — GO SWISSDRIVE G25s Antriebsart Hinterrad-Nabenmotor, bürstenloser Direktläufer Gewicht Antriebseinheit, kg 5,3 inkl. Freilaufkörper Dauerleistung, W 250 Max. Drehmoment, Nm 45 Energiegehalt Akku, Wh 558 Unterstützung bis, km/h 25 Max. Reichweite, km 180 (ideale Bedingungen im Unterstützungsmodus 1) Schiebehilfe Ja www.go-swissdrive.com Immanuel Seeger, Produktmanager Marketing & Vertrieb bei der Schweizer GO SwissDrive AG „Die Automobilindustrie hat seit 125 Jahren auf die Frage nach dem ,besten Motor‘ immer dieselbe Antwort: ,Es kommt darauf an.‘ Praktisch das Gleiche gilt auch für Pedelecs. Hinterrad-Nabenmotoren, wie wir sie bei der GO SwissDrive AG fertigen, haben gegenüber Mittelmotoren systembedingte Vorteile: Sie sind praktisch unhörbar und gleichzeitig dynamisch und kräftig mit einer satten Beschleunigung und hoher Elastizität und Laufruhe.“ 56 Fahrrad News Beim G25s von GO SwissDrive handelt es sich um einen typischen Nabenmotor. Die GO SwissDrive AG ist eine Tochter der weltweit operierenden deutschen Ortlinghaus-Gruppe und wurde 2011 gegründet. Das Unternehmen kann auf mehr als 100 Jahre Ingenieurserfahrung zurückblicken, die Motoren werden im Schweizer Produktionsstandort Gams gefertigt. Um bei Wartungs- oder Reparaturarbeiten kurze Reaktionszeiten zu realisieren, wurde 2013 ein Servicestandort in Deutschland gegründet. Bisher hat sich der Antrieb vor allem einen Namen gemacht, weil er in High-End-E-Bikes verbaut wurde. Im MTB-Bereich ist er aber auch bisher noch wenig vertreten. Zu den weiteren Vorteilen des Antriebssystems zählen Rekuperation (Energierückgewinnung in Abfahrten), Fahrdynamik, eine geringe Geräuschentwicklung und kein erhöhter Verschleiß auf Antriebskomponenten. Seit 2015 gibt es einen 558-Wattstunden-Akku für größere Reichweiten. Die Vorteile des Systems werden unmittelbar nach dem Start deutlich. Der Antrieb ist extrem leise, man nimmt ihn nur bei genauem Hinhören wahr. Zudem zieht er auf der Ebene und bei leichten Steigungen sehr gut durch und regelt die Leistung bei 25 km/h dabei sehr sanft ab. Schaltvorgänge sind problemlos und jederzeit möglich. Das Nahbedienteil ist ergonomisch positioniert und die Tasten sind gut zu erreichen. Außerdem gibt es neben dem normalen LCD-Display neuerdings das EVO-Display mit diversen Zusatzfunktionen, Bluetooth-4.0-Schnittstelle und Lademöglichkeit für USB-Geräte bis zu einem Ampere. — E-Bike-Antriebe — PENDIX Nachrüstmotor Antriebsart Bürstenloser Tretlagermotor Gewicht Antriebseinheit, kg 6,5 Dauerleistung, W 250 Max. Drehmoment, Nm 50 Energiegehalt Akku, Wh 300 Unterstützung bis, km/h 25 Max. Reichweite, km 105 (abhängig von Fahrer, Fahrstil, Topografie und der Antriebsstufe) Schiebehilfe Nein 1.490 € + ca. 50–100 € Anbau www.pendix.de E-Bikes sind toll, aber dafür das geliebte Rad abgeben? Das ist für einige eine schlechte Option. Warum nicht einfach das geliebte Rad aufrüsten? Wo einst der Trabant vom Band gerollt ist, werden heute hochwertige Nachrüstmotoren entwickelt. Die Rede ist von Zwickau in Sachsen. Genauso automobilgeprägt wie die Stadt ist auch die Firma Pendix selbst. Viele Mitarbeiter haben früher selbst in dieser Branche gearbeitet und können nun ihr Wissen in der Akku/Antriebstechnik anwenden. Pendix hat vor allem auf drei Dinge bei der Entwicklung geachtet: einfache Integration in jedes Fahrrad, Geräuschlosigkeit und einfache intuitive Bedienung. Der 50 Newtonmeter starke Motor passt praktisch an jedes herkömmliche Rad. Einzige Voraussetzung dafür: Der Rahmen muss ein klassisches BSA-Innenlager besitzen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, unterstützt er sanft seinen Fahrer bis auf 25 km/h. Zudem hat der Motor eine eigene Kalibrierung und das von uns bemerkte, leichte Nachschieben des Motors auf die Pedale wird mit zunehmenden Fahrkilometern weniger und sanfter. Der Akku, der im Erzgebirge und im Dresdner Raum produziert wird, wird einfach anstelle eines Flaschenhalters montiert. Mit diesem Gesamtkonzept sprechen die Zwickauer an erster Stelle die urbane Kundschaft an, die ihr bestehendes Rad liebt. Aber auch Rennradler und Mountainbiker haben bereits den Pendix-Motor für sich entdeckt. Um eine fachgerechte Montage zu gewährleisten, wird der Pendix-Motor seit August 2015 ausschließlich über den Fachhandel vertrieben. Thomas Herzog, Kaufmännischer Geschäftsführer „Wir wollten die Welt des E-Bikes einfacher machen. Deswegen haben wir einen Antrieb für alle Fahrräder entwickelt. Damit revolutioniert unsere typunabhängige Antriebskomponente die Idee des elektrischen Fahrradfahrens. Dabei haben wir vor allem auf drei Dinge bei der Entwicklung des Pendix-Motors geachtet: einfache Integration in jedes Fahrrad, Geräuschlosigkeit und einfache intuitive Bedienung. Darüber hinaus war uns eine regionale Produktion sehr wichtig.“ Fahrrad News 57