1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Grundlagen der Versicherungsproduktion Dr. Andrea Boos Bitte beachten Sie, dass dieser Foliensatz in keiner Weise den Besuch der Vorlesung ersetzen kann. Die Folien bilden das Gerüst für die Vorlesung und werden in den Veranstaltungen um wesentliche Inhalte und Beispiele ergänzt. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 1 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen 1.1. Stochastische Prozesse Charakteristika der Dienstleistung Versicherung: zeitraumbezogen (Zeit) und stochastisch (Zufall) Modellierung: dynamische und stochastische Beschreibungsmodelle Stochastische Prozesse INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 2 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Denn: stochastische Prozesse modellieren stochastische Zeitabläufe. Beispiel: (endliche) Zeitreihe x1 = x(t1), x2 = x(t2), ... , xn = x(tn), wobei xi der Wert einer Zufallsgröße zum Zeitpunkt ti ist, also z.B.: Schadenzahl einer versicherungstechnischen Einheit in gleichlangen Beobachtungsintervallen oder Gesamtschadensumme eines Kollektivs zu bestimmten Zeitpunkten. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 3 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Abb. 1.1.: Zeitreihe N(ti) t1 t2 t3 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München t4 t5 t VP Kapitel 1. Seite 4 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Zeitreihe (Abb. 1.1.) ist Beispiel für stochastischen Prozess {N(ti) i} mit diskretem Zeitparameter t. Beispiel für einen stochastischen Prozess {X(t) t 0} mit stetigem Zeitparameter t: die Gesamtschadensumme eines Kollektivs im Zeitintervall [0,t] (Abb. 1.2.). INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 5 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Abb. 1.2.: stochastischer Prozess X(t) t1 t2 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München t3 t4 t VP Kapitel 1. Seite 6 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Es sei N(t) die Anzahl der Schäden im Zeitintervall [0,t]. Dann geben die Realisationen des stochastischen Prozesses {N(t)t 0} eine Antwort auf die Frage: Wieviele Schäden sind im Zeitintervall [0,t] eingetreten? Die Realisationen des Schadenzahlprozesses können in Form von Punktprozessen bzw. Zählprozessen abgebildet werden. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 7 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Der Punktprozess bildet Eintrittszeitpunkte ti der zufälligen Ereignisse (Schäden) ab, der zugehörige Zählprozess gibt an, wieviele zufällige Ereignisse (Schäden) innerhalb eines bestimmten Zeitintervalles eingetreten sind. Der Zählprozess ist also die Summe der zufälligen Ereignisse eines Punktprozesses. Abb. 1.3.: Punktprozess n(ti) 1 t1 t2 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München t3 t4 t VP Kapitel 1. Seite 8 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Abb. 1.4.: Zählprozess n(ti) t1 t2 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München t3 t4 t VP Kapitel 1. Seite 9 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Charakteristika stochastischer Prozesse bzw. von Punkt- und Zählprozessen sind die Eigenschaften der Zuwächse eines Zählprozesses Für s < t ist N(t) – N(s) die Anzahl der Schäden im Zeitintervall (s,t]. Insb.: N1 = N(1) – N(0), N2 = N(2) – N(1), .... N1, N2, N3, ... modelliert die Schadenzahl eines Versicherungsnehmers oder eines Kollektivs im Jahr 1, 2, 3, .... INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 10 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Sind für alle disjunkten Zeitintervalle (ti-1,ti], i = 1,..., n, die Zuwächse N(ti) – N(ti-1) stochastisch unabhängig, d.h. Schadenzahl im Jahr ti-1 beeinflusst Schadenzahl im Jahr ti nicht, dann ist dies ein Prozess mit Unabhängigen Zuwächsen Prozesse mit unabhängigen Zuwächsen lassen epidemische Effekte (Wahrscheinlichkeitsansteckung) oder Lerneffekte (“aus Schaden wird man klug”) nicht zu. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 11 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Ist die Wahrscheinlichkeit von n Schäden in einem Zeitintervall nur abhängig von der Länge des Intervalls, nicht aber von dessen Lage auf der Zeitachse (“Stationarität in der Zeit”), d.h., ist die Eintrittswahrscheinlichkeit von Schäden im Sommer im Vergleich zum Winter gleich, dann ist dies ein Prozess mit stationären Zuwächsen (homogenen Zuwächsen) Gegenbeispiel: Wahrscheinlichkeit von Waldbränden oder die bei winterlichen Straßenverhältnissen höhere Unfallwahrscheinlichkeit INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 12 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Die Zuwächse N(t + h) – N(s + h) haben für alle h 0 die gleiche Verteilung wie N(t) – N(s) für alle s t, d.h. h h ( ] ( ] s t s+h t+h INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 13 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einem kleinen Zeitintervall mehr als ein Ereignis eintritt, klein im Vergleich zur Länge des betrachteten Zeitintervalls, d.h. es gibt keine “Massenkarambolagen”, also mehrere Schadenereignisse gleichzeitig, dann ist dies ein Regulärer Prozess Folge: Der zu einem regulären Prozess zugehörige Zählprozess ist eine Treppenfunktion mit Sprunghöhe 1 (vgl. Abb. 1.3. und 1.4.). INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 14 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Sind in einem Zeitpunkt mehrere Ereignisse möglich, ist die Höhe der Treppenstufe im Zählprozess also nicht mehr notwendigerweise gleich 1, erhält man Modelle für die Schadensumme bzw. den Gesamtschaden in einem Kollektiv innerhalb bestimmter Zeitintervalle oder für das Phänomen der Massenkarambolage, das durch das zeitgleiche Eintreten mehrerer zufälliger Ereignisse (Schäden) charakterisiert ist. Modellierung: Verallgemeinerter Punktprozess Verallgemeinerter Zählprozess INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 15 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Abb. 1.5.: Verallgemeinerter Punktprozess n(ti) t1 t2 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München t3 t4 t VP Kapitel 1. Seite 16 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Abb. 1.6.: Verallgemeinerter Zählprozess n(ti) t1 t2 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München t3 t4 t VP Kapitel 1. Seite 17 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER 1.2. Homogener Poisson-Prozess und gemsichter PoissonProzess Ein Zählprozess {N(t) t 0} heißt homogener Poisson-Prozess, wenn 1. 2. 3. 4. 5. N(0) = 0 N(t) besitzt unabhängige Zuwächse, N(t) besitzt stationäre Zuwächse, N(t) ist ein regulärer Prozess, für alle t > 0 gilt: 0 < P(N(t) > 0) < 1. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 18 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Aus diesen Axiomen kann gefolgert werden, dass es eine Konstante > 0 gibt, mit e t (t ) n P( N( t ) n ) n! Die Anzahl der Schäden im Intervall [0,t] folgt somit einer PoissonVerteilung: E(N(t)) = Var(N(t)) = t INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 19 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Zu den Bedingungen 1. bis 5.: 1. Normierung 2. unabhängige Zuwächse, also keine Kettenreaktionen, 3. stationäre Zuwächse, also Ausschluss saisonaler Effekte, 4. regulärer Prozess, also Ausschluss multipler Ereignisse, 5. im Intervall [0,t] kann ein Schaden eintreten, muss aber nicht. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 20 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Gemischter Poisson-Prozess Erweiterung des homogenen Poisson-Prozesses: Heterogenitätsmodell oder Modell der schwankenden Grundwahrscheinlichkeiten homogene Kollektive sind durch für alle Risiken (versicherungstechnische Einheiten) identische Zufallsgesetzmäßigkeiten charakterisiert. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 21 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Jeder VN eines homogenen Kollektivs besitzt den gleichen Schadenerwartungswert, die gleiche Schadenvarianz usw.. Rechtfertigung homogener Kollektive: Die Kollektive werden auf der Basis objektiver, messbarer Kriterien, die ex ante bekannt sind also auf der Basis: objektiver Risikofaktoren bzw. Tarifvariablen, gebildet. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 22 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Subjektive Risikofaktoren, also solche Kriterien, die i.d.R. ex ante unbekannt sind, die meist nicht messbar sind, da an eine Person gebunden sind, bleiben bei dieser Form der Risikoklassifikation unberücksichtigt. Konsequenz: Die Kollektive sind nicht so homogen, wie unterstellt. Das Kollektiv ist relativ homogen bzgl. der objektiven Risikofaktoren. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 23 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Die individuellen Zufallsgesetzmäßigkeiten, der individuelle Schadenerwartungswert, die individuelle Schadenvarianz usw. sind nicht für alle Risiken des Kollektivs gleich, vielmehr rufen die unberücksichtigten Risikofaktoren eine beträchtliche Heterogenität in dem Kollektiv hervor. In einem homogenen Kollektiv ist die durchschnittliche Schadenzahl für alle Risiken des Kollektivs identisch. Liegt als Schadenzahlmodell der homogene Poisson-Prozess zugrunde, gilt für alle Risiken des homogenen Kollektivs pro Periode: E(N) = Var(N) = . INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 24 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Um die durch subjektive Risikofaktoren hervorgerufene Heterogenität abzubilden, wird die durchschnittliche Schadenzahl als Zufallsvariable mit Verteilungsfunktion U aufgefasst. Die Verteilungsfunktion U heißt: Strukturfunktion oder mischende Verteilung INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 25 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER 1. Risiken eines homogenen Kollektivs sind identisch bzgl. der objektiven Risikofaktoren. Die vorhandene relative Homogenität wird durch eine für alle Risiken des Kollektivs identische Strukturfunktion modelliert. 2. Die durch subjektive Risikofaktoren hervorgerufene Heterogenität wird durch die für jedes Risiko unterschiedliche ex-post Ausprägung (Realisation) der Zufallsvariablen modelliert. spiegelt die individuelle Schadenneigung wieder. U(): Wählt man aus einem Kollektiv zufällig ein Risiko aus, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die individuelle Schadenneigung dieses Risikos kleiner oder gleich einem 0 ist, gerade gleich U(0) . INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 26 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Für die Schadenzahlverteilung eines solchen Risikos gilt: P( N( t ) n ) t n e t dU() n! 0 Falls U eine Dichte u besitzt: P( N( t ) n ) t n e t u ()d n! 0 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 27 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Ist die Strukturfunktion eine Gammaverteilung mit Dichte u() 1 ckeck 1 (k) Dann gilt: p n (t) t 0 e (t ) n 1 c k e c k 1d n! ( k ) k n 1 c t c t t c n k INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München n VP Kapitel 1. Seite 28 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Dies ist eine negative Binomialverteilung, mit kt E( N( t )) c kt t Var ( N( t )) 1 c c Ein mit einer Gammaverteilung gemischter Poisson-Prozess heißt: Pólya-Prozess INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 29 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER 1.3. Schadensummenverteilungen Exponentialverteilung nur ein Parameter, wenig flexibel, theoretisches Interesse (n-fache Faltung ist berechenbar, vgl. Kap. 1.3. Modelle des Gesamtschadens) 0 f ( x ) x e 1 E(X) , x0 , x0 Var (X) INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München 0 F( x ) x 1 e ,x0 ,x0 1 2 VP Kapitel 1. Seite 30 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Exponentialverteilung für = 2 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 31 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Logarithmische Normalverteilung Zufallsgröße X ist lognormalverteilt mit Parametern µ und σ2, wenn die Zufallsvariable Y mit Y = logX normalverteilt mit Parametern µ und σ2 ist. E(X) 1 2 e 2 Var (X) e E(Y) 2 2 2 e 1 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München Var (Y) 2 VP Kapitel 1. Seite 32 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Logarithmische Normalverteilung für verschiedene Parameter INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 33 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Gammaverteilung hohe Flexibilität, 2 Parameter (a,b), für a = 1: Exponentialverteilung, häufige Anwendung z.B. als Strukturfunktion beim gemischten Poisson-Prozess (vgl. VT II, Kap. 1.1.5. und 1.2.2.) b a a 1 bx f (x) x e , (a ) E(X) a b x0 a und Var (X) 2 b INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 34 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Gammaverteilung für b = 1 und verschiedene a a=1 a=2 a=5 a = 0,5 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 35 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Pareto-Verteilung logarithmische Form der Exponentialverteilung f (x) x E(X) 1 1 F( x ) 1 x ( x ) 2 Var (X) 2 1 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München 2 VP Kapitel 1. Seite 36 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Pareto-Verteilung für β = x0= 1000 und α = 3 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 37 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Betaverteilung Definitionsbereich: ]a,b[ mit Parametern p,q (p,q > 0). Sehr flexibel; Modell für Schadensatzverteilung, falls a = 0 und b = 1. Für a und b beliebig, ideal als Modell für den Gesamtschaden. 1 x a p 1 b x q 1 f (x) B(p, q) b a pq 1 E(X) a b a p pq a x b; p, q, a , b 0 Var (X) b a 2 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München pq p q 2 p q 1 VP Kapitel 1. Seite 38 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Betaverteilung für verschiedene Verteilungsparameter INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 39 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Normalverteilung: „Gaußsche Glockenkurve“. Normalverteilung hat zentrale Bedeutung als Schadensummen- und Gesamtschadenverteilung. (Zentraler Grenzwertsatz). Definitionsbereich: ]-,+ [ bzw. [0, + [. 2 Parameter: = E(S) und 2 = Var(S). Standardnormalverteilung: = 0 und = 1. Transformation u = (x-)/ führt jede Normalverteilung in die Standardnormalverteilung über. f (x) 1 2 2 e x 2 2 2 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 40 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Standardnormalverteilung Φ(0,1) INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 41 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER 1.4. Gesamtschadenprozesse Möglichkeiten der Modellierung des Gesamtschadens bzw. der Gesamtentschädigung eines Versicherungsnehmers bzw. eines Kollektivs. 1. Diskrete Modellierung: S1, S2, S3, ..., Sn Gesamtschaden im Jahr 1, 2, 3, ..., n. Kritik: großer Informationsverlust bezüglich der Zusammensetzung des Gesamtschadens aus Schadenzahl und Einzelschadenhöhe. Darüber hinaus werden Schwankungen innerhalb einzelner Perioden nicht erfasst. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 42 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER 2. Zeitstetige Modellierung: S(t) Gesamtschaden im Zeitintervall [0,t] Zusammenhang zwischen diskreter und zeitstetiger Modellierung: Betrachte Zuwächse: S(t) – S(t-1) = Gesamtschaden in der Periode t, d.h. aus zeitstetiger Modellierung folgt die diskrete Modellierung des Gesamtschadens. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 43 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER 3. zeitstetige Modellierung unter Berücksichtigung der Komponenten des Gesamtschadens, der Schadenzahl und der Schadensumme Es sei: N(t) Schadenzahlprozess Xi Höhe des i-ten Schadens. Dann ist der Gesamtschaden S(t) die Summe der Einzelschäden Xi: N(t) S(t) X i i 0 Problem: doppelt stochastische Summe INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 44 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Beachte: Schadenhöhe ist zeitunabhängig, d.h. z.B. inflations- oder trendbereinigt. Realisationen eines Gesamtschadenprozesses S(t) darstellbar als verallgemeinerte Punkt- und Zählprozesse. Stochastische Gesetzmäßigkeit von S(t)? Annahmen: 1. Schadenhöhe zeitunabhängig 2. Einzelschadenhöhen Xi sind i.i.d. (identically, independent distributed), X ~ F 3. Schadenzahl N und Schadenhöhe X sind stochastisch unabhängig INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 45 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER P(S(t) 1000) = ? Das Ereignis, dass die Gesamtschadensumme im Zeitintervall [0,t] kleiner gleich 1000.-- ist, kann auf verschiedene Weise eintreten: 1. im Zeitintervall [0,t] kein Schaden oder 2. im Zeitintervall [0,t] ein Schaden und die Schadenhöhe dieses Schadens ist kleiner gleich 1000 (x1 1000) oder 3. im Zeitintervall [0,t] zwei Schäden und die Schadenhöhe dieser beiden Schäden ist kleiner gleich 1000 (x1 + x2 1000) oder INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 46 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER 4. im Zeitintervall [0,t] drei Schäden und die Schadenhöhe dieser drei Schäden ist kleiner gleich 1000 (x1 + x2 + x3 1000) oder 5. usw. P(S(t) x) = P(N(t) = 0) + P(N(t) = 1)P(X1 1000) + P(N(t) = 2)P(X1 + X2 1000) + P(N(t) = 3)P(X1 + X2 + X3 1000) + ... „“ entspricht „und“ (stochastische Unabhängigkeit) „+“ entspricht „oder“ INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 47 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER n P(S(t) x) P(N(t) n) P Xi x i 0 n 0 n P Xi x ist die bedingte Wahrscheinlichkeit , dass die i 0 Gesamtschadensumme x ist, wenn die Anzahl der eingetretenen Schäden gleich n ist. Diese Wahrscheinlichkeit wird über die n-fache Faltung F*n(x) berechnet INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 48 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen P(S(t) x) INRIVER n P ( N ( t ) n ) F * (x ) n 0 F*n(x) = F F F F F (n-mal) F G G(z x)dF(x) F(z y)dG(y) z z 0 0 f g g(z x)f (x)dx f (z y)g(y)dy INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 49 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Beispiel: Berechnung der 2-fachen Faltung der Exponentialverteilung Dichte der Exponentialverteilung: f(x) = ae-ax z a (z x ) f f ae ax ae z 2 az dx a e 0 2 az dx a e x z 0 a 2eaz z 0 Die n-fache Faltung einer Verteilung ist nur in selten Fällen - wie z.B. bei der Exponentialverteilung - in einer geschlossenen Form, hier eine Gammaverteilung, darstellbar. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 50 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Verallgemeinerter Poisson-Prozess Gesamtschadenprozess, bei dem der Schadenzahlprozess ein Poisson-Prozess ist. P(S(t) x) n P ( N ( t ) n ) F * (x ) n 0 mit et (t)n P(N(t) n) n! INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 51 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Gemischter verallgemeinerter Poisson-Prozess Gesamtschadenprozess, bei dem der Schadenzahlprozess ein gemischter Poisson-Prozess ist. P(S(t) x) n P ( N ( t ) n ) F * (x ) n 0 e t t n P( N( t ) n ) dU() n! 0 INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 52 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen INRIVER Kontrollfragen zu “Schadenprozesse und Schadenverteilungen ” 1. Gegeben sei der folgende Punktprozess. Leiten Sie den assoziierten Zählprozess ab. Abb.1: Punktprozess f(ti) t1 t2 t3 t4 t5 t 2. Erläutern Sie an mindestens zwei Beispielen, welche zufälligen Ereignisse durch den Punktprozess der Abbildung 1 modelliert werden können. 3. Beschreiben Sie die Eigenschaften des homogenen Poisson-Prozesses. 4. Erläutern Sie anhand von drei Beispielen, inwieweit der homogene Poisson-Prozess ein idealtypisches Abbild der Realität ist. 5. Beschreiben Sie das Konzept des gemischten Poisson-Prozesses. 6. Beschreiben Sie den Pólya-Prozess. 7. Was wird mit der Strukturfunktion modelliert? 8. Beschreiben Sie drei allgemeine Formen zur Modellierung des Gesamtschadens. Erläutern Sie die Vor- und Nachteile dieser Modelle. 9. Erklären Sie charakteristische Eigenschaften der Exponentialverteilung, der Pareto-Verteilung und der Gammaverteilung. 10. Beschreiben Sie die Komponenten des Gesamtschadenprozesses. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München VP Kapitel 1. Seite 53 1. Schadenprozesse und Schadenverteilungen 11. Beschreiben Sie den verallgemeinerten Poisson-Prozess. 12. Beschreiben Sie den gemischten verallgemeinerten Poisson-Prozess. INRIVER Institut für Risikomanagement und Versicherung der LMU München INRIVER VP Kapitel 1. Seite 54