83 Rainer BORN, Linz Selbstbestimmt sterben: Ein Abriss wissenschaftsphilosophischer und ethischer Überlegungen „Als der Gipfelpunkt des Ordinären erscheint mir, sich solcher Argumente zu bedienen, die nur vor einem Publikum gelten - also vor einem Zuschauer und Zuhörer, der notwendigerweise nach dem jeweils Dümmsten der Anwesenden ausgerichtet ist - und die keinen Bestand haben vor dem kühlen und einsamen Menschen ... Man darf niemals im Hinblick auf einen Gegner - auch auf einen angenommenen nicht - Argumente gebrauchen und Ausfälle machen, die man, mit sich allein, vorzubringen nicht ertragen würde, die nicht wirklich gedacht werden können, die nur publikumswirksam sind, aber in der Nacht und der Einsamkeit uns in Schande und Elend stürzen.“1 “For all of the philosophers who have written on the evolution of scientific theories, no one [so far] has ever [really] touched on the fact that folk theories also evolve.”2 Gliederung I. Vorhang auf: Szenenbild - Problem - (Auf-) Stellung 1. Die Schatten der Vernunft 2. Zurück zum Paternalismus II. Fallbeispiele als Ausgangspunkt III. Freiwillige Euthanasie und ethische Begründungen IV. Allgemeine Reflexionen zum Thema Ethik und Medizin -- Rechnet sich Ethik wirklich nicht ? ________________ 1 2 Paul Valery, Tel Quel (1943); übersetzt in: Doderer, Die Dämonen (1973), 1148 f. Stuart Shanker, York University, Toronto. 84 V. Wozu dient Ethik überhaupt, wie könnte Ethik funktionieren? VI. Konsequenzen - Was könnte bzw kann eine Ethik „leisten”? VII. Kurzfassung des Zwei-Personen Gefangenendilemmas VIII. I. Ausblick: Denn erstens ist es anders und zweitens als man denkt. Vorhang auf: Szenenbild - Problem - (Auf-) Stellung Natürlich liegt der Schwerpunkt bei dem vorgegeben Thema auf der Ethik, aber keiner Ethik für den Sonntag, die am Montag keine Chance gegenüber den sogenannten Sachzwängen hat (wie zB in der Wirtschaft, wenn es um Entlassungen aus rein ökonomischen Überlegungen geht). Eine derartige Ethik ist, so möchte ich argumentieren, wert- und zahnlos, weil sie auf keinem Sachwissen aufbaut. Es geht aber hier im Sinne des obigen Zitates von Stuart Shanker darum, gerade die Veränderung des Alltags-Wissens in die ethischen Entscheidungen einzubinden. Ein gutes Fundament dafür ist ein realistisches Wissenschaftsverständis, dh eine Antwort auf die Frage, wie denn ein bestimmtes Wissen, das notwendigen Argumentationen zugrundeliegt, zustandegekommen ist, was denn die Ergebnisse bedeuten. Das ist für ein verantwortliches Handeln unumgänglich, weil man nämlich sonst nur die sogenannten Alltagsbedeutungen in den ethischen Argumenten berücksichtigen kann. Eine zentrale Fragestellung in diesem Zusammenhang ist, ob man ethisch motivierte Entscheidungen bzw Handlungsempfehlungen auf der Basis von Unwissenheit oder Missverständnissen sinnvoll fällen kann. Das Problem hier ist die vollständige Übersetzbarkeit in eine Benutzersprache und das Verständnis von sogenannten Fachgutachten, welche dem Inhalt gerecht werden sollten und gleichzeitig sinnvolle, verallgemeinerbare ethische Entscheidungen zulassen sollen. Nehmen wir als Beispiel einen Arzt, welcher [wir unterstellen langjährige Erfahrung und Beobachtung an anderen Menschen/Patienten] der Überzeugung ist, dass er selbst unheilbar krank ist und unter großen Schmerzen in wenigen Monaten sterben wird. Würden wir ihm dieselbe (eingeschränkte) Kompetenz zur Beurteilung seines Zustandes zugestehen wie einem 12-jährigen Kind? Kann er die volle Verantwortung für einen Sterbehilfewunsch übernehmen? Intuitiv würden wir wahrscheinlich sagen „ja”. Aber sind wir sicher? Sind wir wirklich der Ansicht oder besser wollen 85 wir der Ansicht sein, dass es keine Ausnahmen gibt? Bekanntlich hofft ein Mensch (zumindestens behaupten das viele Literaten) bis zum Schluss! Oder vielleicht doch nicht? Gibt es, zB durch Drogen oder Psychopharmaka verursachte psychische Zustände, in dem wir auch einem erfahrenen Arzt glauben (von außen gesehen = Aspekt der dritten Person, siehe unter Paternalismus) die volle Zurechnungsfähigkeit absprechen zu müssen? Ethische Enscheidungen (zum Unterschied von ethischen Argumentationen) sind immer, da sie personenbezogen sind, individuelle Entscheidungen, und niemand kann einem eine persönliche Verantwortung abnehmen. Schön formuliert findet man das bei Hilary Putnam auf den Punkt gebracht: „Wer nur dann handelt, wenn die ’geschätzten Nutzenwerte’ günstig sind, führt kein sinnvolles menschliches Leben. Selbst wenn ich etwas zu tun beschließe, dessen ethischer und sozialer Wert zweifelsfrei feststeht (...), geht es bei dieser Entscheidung nicht darum, ob es gut ist, dass jemand dergleichen überhaupt tut, sondern darum, ob es gut ist, dass ich -- Hilary Putnam -- das tue. Die Antwort auf diese Frage kann nicht von nachgewiesenen wissenschaftlichen Fakten abhängen, einerlei, wie großzügig die Bedeutung des Begriffs ’wissenschaftlich’ (auch) interpretiert wird (bzw werden mag).”3 1. Die Schatten der Vernunft Das Kernproblem eines „selbstbestimmten Sterbens" ist genau genommen die „ethische Argumentation", dh kann man moralische akzeptable Handlungen begründen oder gar rechtfertigen. Man kann empirisch herausfinden, was in einer bestimmten Zeit als sozial gesehen „gut" akzeptiert wird, aber dieser empirische Durchschnitt muss in einer ethischen Begründung gewissermaßen normiert werden. Dadurch kommen übergeordnete oder sogenannte metaethische Überlegungen ins Spiel, nämlich Überlegungen zur Begründung von Normen also gewissermaßen moralischen Regeln, die dann ihrerseits in historischen Zeiten zu unterschiedlichen Handlungen berechtigen. Wenn man an den hypokratischen Eid denkt, der es einem Arzt letztlich verbietet, aktiv oder auch passiv (durch Unterlassung einer Hilfe) einen Kranken zu töten, dann muss man daran denken, dass in der Zeit, als dieser Eid formuliert wurde, viele Menschen, die heute durch den Fortschritt der Medizin und der Technik am Leben erhalten werden können, nicht mehr leben würden. Die Technik ist also so________________ 3 Putnam, Renewing Philosophy. Erneuerung der Philosophie (1997), 245. 86 weit, dass Menschen mitunter auch unter großen Schmerzen am Leben erhalten werden, die unter natürlichen Umständen schon lange tot wären. Das Problem des selbstbestimmten Sterbens betrifft also letztlich genau genommen diesen Randbereich, indem künstlich verlängertes Leben von den Betroffenen mitunter als nicht mehr lebenswert empfunden wird, und die daher bitten, ihrer Situation ein Ende zu bereiten. Das Schwierigste ist trivialerweise das Problem des Missbrauchs, dh wie kann man verhindern, dass Sterbehilfe kriminell missbraucht wird. Ein wichtiger Punkt ist natürlich auch der Unterschied zwischen einer Selbstund Fremdbeurteilung. Dieser läuft in der Diskussion unter dem Titel „Paternalismus", dh die Außensicht eines ärztlichen Experten gegenüber der Innensicht bzw der persönlichen Betroffenheit eines Patienten. Mitunter kann ein Arzt der Ansicht sein, dass ein Patient keine Chancen mehr hat, während sich ein Patient selbst noch an den Strohhalm seines Lebens klammert. Aber es kann auch umgekehrt sein, dass ein Patient absolut verzweifelt ist und maximal durch Psychopharmaka noch zu einer Bewusstseinsänderung gebracht werden kann, sein Leben nicht aufzugeben. Das Problem ist also eher eine genaue Grenzziehung, wann ein Patient tatsächlich bei vollem Bewusstsein und in vollem Ausmaß der Abschätzung und Beurteilung der Konsequenzen seiner Handlungen einen Tötungswunsch äußert. Möglicherweise brauchen wir hier noch sehr genaue Bestimmungen, die etwa auf die ähnliche Problematik hinauslaufen wie seinerzeit bei den Herztransplantationen, als man den Gehirntod als das tatsächliche Kriterium für den Tod eines Menschen und damit „die Berechtigung", sein Herz anderweitig zu verwenden, bestimmen musste. Und selbst dieses Kriterium ist heute wieder umstritten. Damit komme ich noch einmal auf das Problem des „Paternalismus" zurück, denn wenn man weiß, dass auch wissenschaftliche Erkenntnisse in Randbereichen notwendig unvollständig sind, was im Übrigen nicht nur als Negativum zu sehen ist, sondern die evolutionären Entwicklungen, Anpassungsfähigkeiten und Flexibilitätsspielräume der Spezies Mensch ermöglicht, dann gibt es immer einen Unsicherheitsfaktor bei der Anwendung von Kriterien. Wir können eigentlich nur Kriterien mit einer mittleren Reichweite formulieren, dh jeweils nach besten Wissen und Gewissen handeln. Das hierbei im Bereich Euthanasie Ethik und Wissenschaftstheorie eine zentrale Rolle spielen, sollte unmittelbar einleuchten. 87 2. Zurück zum Paternalismus Es tauchen zwei zentrale wissenschaftsphilosophische Probleme auf. a) Lässt sich die Außenperspektive „vollständig" in eine entscheidungsbestimmende Innenperspektive eines Patienten übersetzen? Dies ist das Problem eines Arztgesprächs mit einem Patienten, wo er ihm gewissermaßen klarmachen möchte, wie es um ihn steht. Therapeutisch gesehen, ist es ganz entscheidend, dass dadurch auch die Selbstheilungskräfte eines Patienten aktiviert werden sollen. Etwas zynischer formuliert hat dies natürlich auch ökonomische Konsequenzen, da dadurch Krankenhausaufenthalte und medikamentöse Therapien positiv beeinflusst werden können. Das Problem ist, ob die Übersetzung der „Außenperspektive“ eines behandelnden Arztes in den Wissens- bzw Erfahrungshorizont eines Patienten eine ausreichende Grundlage für eine selbstbestimmte und selbstbegründete Entscheidung, etwa zu einem Sterbewunsch, ist. Das zentrale Thema ist hierbei die Autonomie von Patienten. Wenn man ihnen soviel Autonomie zugesteht, dass die Selbstheilungskräfte aktiv einbezogen werden (was sich auch ökonomisch positiv auswirkt), dann kann man einen Patienten nicht in anderen Entscheidungsbereichen vollständig entmündigen! Wenn ein Patient über sein eigenes Leben entscheiden soll, wenn zB zu versorgende Kinder vorhanden sind, oder wenn man sonstige Verantwortungen oder Verpflichtungen hat, dann kann sich daraus ergeben, dass im Sinne eines deontologischen Ansatzes in der Ethik daraus eine „Pflicht zu Leben" entsteht, die aber den Patienten bewusst gemacht werden muss. Hier mischen sich natürlich sehr schnell deontologische4, teleologische und konsequentialistische (grob utilitaristische) Aspekte der Ethik. Im letzteren Fall wird sehr oft von Verantwortungsethik und im ersteren von Gesinnungsethik gesprochen. b) Wann darf nun die Außenperspektive (die medizinische/objektive Expertise bzw Perspektive) dazu benutzt werden, um einen Patienten (und sei es auch nur zu dessen eigenem Vorteil) zu „entmündigen", dh sie /ihn zB gegen ihren/seinen Willen am Leben zu erhalten, vor allem dann, wenn der „Lebens-Wille" gar nicht frei erkennbar ist? Wie ist es wenn der „Wille" bzw die subjektive Einsicht eines Patienten (unter Umständen medikamentös durch Psychopharmaka) „manipuliert" wird? ________________ 4 Siehe Kants kategorischen Imperativ: Handle stets nach der Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie zu einem allgemeinen Gesetz erhoben wird. 88 Das wirkliche Problem ist wie üblich die „Grenzziehung"! Man muss sehr genau überlegen, wo die Grenze zwischen künstlicher Lebensverlängerung und natürlicher Entscheidung zu identifizieren ist und wie man (1. medizinisch, 2. wissenschaftstheoretisch, 3. ethisch) argumentieren „soll“. Da Ethik prinzipiell mit einer Sensibilisierung gegenüber dem sogenannten „Sollen" zusammenhängt, sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: Einerseits müssen wertende Argumente in der Abschätzung von Pflicht, Konsequenz und Institution für die Beurteilung von Handlungsergebnissen eingesetzt werden, andererseits ist das Problem zu berücksichtigen, wie man wissenschaftliche Erkenntnisse in die Argumentationen nach einer geeigneten „Übersetzung“ in das Alltagswissen einbinden kann. Die sogenannten „Begründungen" für Handlungen haben schlussendlich kausale Konsequenzen. Auf eine wissenschaftstheoretische Diskussion von Konsequenzen folgt somit abschließend eine mehr oder minder abgehobenere ethische Beurteilung von Konsequenzen, wobei das Problem ist, dass die ethische Beurteilung nicht „empirisch" entschieden werden kann. Beispiel: Der Einfluss der sogenannten FCKWs auf das Ozonloch (inzwischen die Ozonlöcher) wird theoretisch argumentiert, ist aber empirisch nicht vollständig nachgewiesen bzw nachweisbar, weil zukünftige Situationen nicht vollständig modellierbar sind. Nun gibt es zwei Reaktionen von Firmen, die FCKWs in ihren Produkten benutzen: a) Man kann argumentieren, es sei nicht 100-prozentig bewiesen, also kann man weiterproduzieren. b) Es ist nicht 100 prozentig bewiesen, also soll man vorsichtig sein und die Produktion einbremsen bzw Treibgase durch andere technische Mittel ersetzen. Die Entscheidung lässt sich nicht empirisch im Vorhinein fällen, sondern letztendlich nur aufgrund von „Wertungen“ (3. Reflexionsebene)! Letztendlich haben wir drei Reflexionsebenen vorliegen, die in dem Schema LIR (Sprache/Information/Wirklichkeit)5 klargemacht werden. Zunächst muss man auf medizinischer Argumentationsbasis Konsequenzen disziplinintern beurteilen. Betroffen ist dabei die individuelle Lebens- und Handlungswelt von Patienten. Danach ist zu beurteilen, in welcher Weise diese Argumente (korrekt und) verallgemeinerbar und nachvollziehbar sind, was letztlich als wissenschaftstheoretische/s Bedeutungsanalyse/Bedeutungsverständnis angesehen werden kann. Die letzte Ebene ________________ 5 Siehe unten bei Abbildung 1. 89 betrifft dann die ethische Einbettung und Bewertung von medizinischen Handlungen und somit auch den sozialen Kontext, wobei ethische Positionen und deren Konsequenzen bzw Aspekte eine bedeutende Rolle spielen. Zu beachten ist, dass keine einzige der drei angesprochenen Beurteilungsebenen einen allein selig machenden Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben darf und dass man alle drei Bereiche argumentativ kombinieren muss. Verantwortung und Gesinnung sind wichtige Aspekte, aber ebenso individuelle Vorstellungen und Regeln, also die Verallgemeinerbarkeit bis hin zur Aufstellung von Normen bzw moralischen Regeln, wodurch Argumente durch Konsequenzen beurteilt werden. Ich komme damit zum Problem der Bezugsklasse des hypokratischen Eides zurück. Wenn die Klasse von Menschen, auf die sich dieser Eid bezieht, wesentlich, nämlich künstlich erweitert wird, ist mit der gebotenen Vorsicht die Frage zu stellen, in welcher Weise der ursprüngliche Eid auch in den neuen Randbereichen sinnvoll ist, selbst dann, wenn er wie dies unserem Gefühl bzw unserer Intuition entspricht, auf alle Fälle ethisch gültig bleibt. Nehmen wir ein botanisches Beispiel: Wenn wir etwas als einen trockenen Baum bezeichnen, erwarten wir, dass wir damit zB genügend Brennholz für ein Monat im Winter zur Verfügung haben. Wenn sich nun herausstellt, dass dieser Baum eine japanische Zierpflanze, ein Bonsai ist, dann werden sich unsere Erwartungen kaum bestätigen. In der Medizin hat man die Menge der Überlebenden künstlich vergrößert. Die neue Menge enthält „Menschen", die andernfalls voraussichtlich kaum überlebt hätten. Wenn nun diese Überlebenden enorme Schmerzen leiden und um den Tod bitten, was dann? Möglicherweise schaut man weg und unterlässt weitere lebensverlängernde Maßnahmen und versucht lediglich, die Schmerzen mit Morphium zu lindern. Aber wie ist es bei Kindern, wo wir fast nur eine Außenperspektive vorliegen haben und kaum von einer selbstbestimmten Entscheidung eines Kindes sprechen können? Natürlich spielt hier das Kriterium der vollen Zurechnungsfähigkeit des Bewusstseins der Beurteilungsfähigkeit eine zentrale Rolle, aber wo ist die Grenze wirklich, kann sie juridisch bestimmt werden? Damit komme ich auf einen ganz entscheidenden Punkt zu sprechen, der die Rolle der Ethik und der Wissenschaftstheorie bzw Wissenschaftsphilosophie in diesem Kontext betrifft. Es nützt zB nichts, von einer Definition von Ethik auszugehen, schon gar nicht einer der üblichen Definitionen bei Aristoteles oder Georg E. Moore. Viel wichtiger wäre es, die Frage zu stellen, welche Aufgabe Ethik hat, wozu sie dienen soll. Im vorliegenden Fall geht es eigentlich darum, uns für die Reichweite von Werten, die Beurteilung von Konsequenzen, Regeln, Normen, Auswirkungen 90 zu „sensibilisieren". Hier kommt ein wissenschaftstheoretischer Aspekt zum Tragen. Denn wenn man der Ansicht ist, dass wissenschaftliche Erkenntnisse unmittelbar in Handlungen umgesetzt werden können und keinerlei Interpretation, keinerlei Kontextsensitivität benötigen, dann ist klar, dass man die Verantwortung abgeschoben hat. Man hat sie aber auch in einem doppelten Sinn abgeschoben, weil man nicht die Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis als solche zur Kenntnis nehmen wollte und damit jegliche Korrekturspielräume eliminiert hat. Hier passt das das am Ende dieser Seite angeführte Zitat von Hilary Putnam, einer der bedeutendsten lebenden Wissenschaftsphilosophen aus Harvard, einem der letzten Europeans (im Sinne von Henry James), wie er sich selbst bezeichnet. Die persönliche Verantwortung kann uns nicht wirklich abgenommen werden. Trotzdem wird man sich bemühen, in einem Dialog (gemeint ist Dialog im Sinne von David Bohm) möglichst viele zusätzliche Aspekte (zur Beurteilung von begründenden Argumenten) einzubringen und zu benützen. In diesem Zusammenhang ist die Rolle von (Wissenschafts-) Philosophie und damit auch von Ethik zu unterstreichen, wobei folgendes Zitat von Hilary Putnam mit Bezug auf Stanley Cavell zum Verständnis und zum Einsatz von Philosophie eine grundlegende Rolle spielt: “Philosophy is not only concerned with changing our views, but also with changing our sensibility . . . Philosophers are ideally, educators -- not just eductors of jouth, but of themselves and their peers. Stanley Cavell once suggested as the definition of philosophy -- ‘the education of grown-ups‘. I think this is the definition I like best.”6 II. Fallbeispiele als Ausgangspunkt Angenommen, wie schon andiskutiert, ein erfahrener Arzt stellt fest, dass er selbst unheilbar krank ist. Unter welchen Umständen würden wir seinem Expertenwissen und der Annahme einer differenzierten Persönlichkeit soviel Autonomie zugestehen, dass wir einer freiwilligen Euthanasie zustimmen? Natürlich ergibt sich hier die Situation, dass wir juridisch gesehen nicht sicher sein können, dass wir dem zustimmen können. Wir werden aber sicher augenzwinkernd einen Weg finden, weil wir der Meinung sind, dass die Person soviel Erfah________________ 6 Putnam, Interview, in: cogito 3 (summer) 1989. 91 rung und Wissen hat, dass sie selbst entscheiden kann, was für sie gut und schlecht ist. Das Problem ist, ob das Expertenwissen, dass der Entscheidung des Arztes zugrundeliegt, für eine Nachvollziehbarkeit des Argumentes zugunsten einer freiwilligen Euthanasie auch tatsächlich „nachvollziehbar" ist. Wie würden wir reagieren, wenn es sich um keinen erfahrenen Arzt am Ende seines Lebens, sondern um eine 27-jährige Frau handelt, die als Alleinerzieherin ein 3-jähriges Kind zu versorgen hat? Würden wir auch ihr zugestehen, dass ihr „Expertenwissen" zur Abschätzung ihrer eigenen Situation ausreicht, um ihren Wunsch nach freiwilliger Euthanasie zu unterstützen, vor allem wenn die übereinstimmende Diagnose von Ärzten die ist, dass die Frau nur mehr ein halbes Jahr zu leben hat, und dies möglicherweise unter sehr großen Schmerzen, worunter auch das Kind in seiner Entwicklung letztendlich zu leiden hat? Natürlich ist gerade im deutschsprachigen Raum das Problem der Euthanasie mehr als politisch belastet, doch darf daraus nicht folgen, dass man sich in Zeiten wie diesen mit der Problematik nicht auseinandersetzt. Wodurch kommt die Problematik heute wieder zum Tragen? In Zeiten künstlicher Lebensverlängerung taucht das Problem dann auf, wenn es auch früher nicht aufgetaucht wäre. Diese Situation ist dadurch erzeugt worden, dass wir Leben künstlich verlängert haben (technische Möglichkeiten), was sich aus einer überotologisierten Interpretation des hypokratischen Eides „Leben unter allen Umständen erhalten" ergibt. Dh die technischen Möglichkeiten schaffen Probleme, die in einem normalen lebensweltlichen Bereich nicht gegeben sind. Gleichzeitig tauchen hier neue ethische Probleme auf, nach dem Motto „wer kann sichs leisten?". Drittens taucht zB das Problem auf, dass man aus medizinischen Gründen Sachen ausprobiert, Techniken einführt, Erfahrungen sammelt, die man dann in anderen Bereichen verwerten kann. Es wird hier sehr rasch das Problem auftauchen, dass eine starke Wechselwirkung zwischen Expertenwissen und Alltagswissen stattfindet, wobei die ethischen und unter Umständen auch juridischen Überlegungen, die letztendlich von einem lebensweltlichen common sense und durch die ethischen und juridischen Grundintuitionen und –intentionen fixiert (eingefroren) werden, auch einer Änderung unterliegen und somit die ethischen Regeln in einem gewissen Sinn obsolet werden. Hier wird es nötig sein, klarzustellen, dass die Evolution des common sense eine Revision von ethischen und juridischen Argumentationen erfordert und dass man sich prinzipiell nicht darauf verlassen kann, dass Expertenargumentationen voll- 92 ständig so in den common sense übersetzt werden können, dass die klassischen juridischen Argumentationen und Techniken einerseits greifen und andererseits im Sinne des Erfinders positiv wirken, weil zB die Anwendung von Gesetzen nicht mehr der ursprünglichen Intention entspricht, wie zB schlecht und stur argumentierte Sorgerechtsentscheidungen sich gegen das Wohl eines Kindes richten können, wenn man sich nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen auseinandersetzt. Was man also braucht ist prinzipiell eine Art der Argumentation, die man in der Literatur als Dialog bezeichnet, und zwar als Bohmschen Dialog, der zunehmend in wirtschaftlichen Bereichen [Wissensmanagement, organisatorisches Lernen] eingesetzt wird, wenn es zB darum geht, implizites Wissen sichtbar zu machen, das für menschliche Kreativität, Flexibilität und Innovation überlebensnotwendig ist. Das wissenschaftstheoretische Problem, das dieser Problematik zugrundeliegt, lässt sich am besten durch den Ausdruck „Grenzen der Formalisierung" oder besser der Begrenzung von Problemlösungshandlungen durch „Reduktion auf Handlungs-Regeln oder Handlungs-Rezepte" verdeutlichen. Kein Arzt kann [oder sollte] es sich zB leisten, einem bestimmten Menschen stur nur ein einziges Medikament (im Rahmen einer Therapie) zu verschreiben. Man weiß um die Unterschiede der Elemente von Klassen/Mengen, auf die sich eine Therapie bezieht. Man weiß, dass die Klassen nicht vollständig durch ein einziges, durchgängiges Charakteristikum erfassbar sind. In diesem Punkt müssen wir uns im Übrigen von der Aristotelischen Logik (Syllogistik) verabschieden und mit dem durch Frege endgültig eingebrachten „funktionalistischen" Ansatz (Prädikatenlogik und modelltheoretischer Ansatz in der Logik, wie sie im Dialog zum Tragen kommt) Ernst machen. Eine Klasse von Objekten besitzt nicht notwendig eine durchgehende gemeinsame Eigenschaft, sondern die einzelnen Elemente erfüllen eine bestimmte Funktion. Eine alte Hupe und eine moderne Lichthupe haben nur die Funktion gemeinsam. Letztere wird man aber kaum für ein Hupkonzert bei einer ausgelassenen Hochzeitsparty im Mühlviertel verwenden können. Warum ist das im vorliegenden Kontext wichtig? Weil man keine endgültigen Regeln angeben kann, die mit einem Alltagsverständnis angewandt werden könnten, sondern ständig offen sein muss gegenüber neuen Aspekten und Begriffsverschiebungen, die neue Beispiele oder Anwendungsfälle zulassen. Nach den ersten Herztransplantationen war es nötig den Gehirntod als „Kriterium" zu spezifizieren, wobei man heute wieder etwas verunsichert ist. 93 Dh wenn man nach Regeln oder Kriterien sucht, muss man zuerst die Intuitionen und Zielvorstellungen aufdecken, die durch spezielle Regeln erfasst und in ihrer Bedeutung für Entscheidungen bzw Handlungsempfehlungen „reproduziert" werden sollen. Dies ist insoferne ein wissenschaftstheoretisches Problem, als die Frage auftaucht ob Entscheidungen, die auf Grund-Intuitionen aufbauen, durch „Regeln" [bzw Argumente] vollständig und kontrolliert reproduziert und dadurch in gewissem Sinn (dh verallgemeinerbar und nachvollziehbar) begründet werden können. Michale Quante hat argumentiert7, dass zB die personale Identität eines Menschen ein zentrales Prinzip der biomedizinischen Ethik ist, da sie unsere ethischen Intuitionen leitet und als Begründungsressource explizit verwendet werden sollte. Dazu benötigt man ein Konzept von „Persönlichkeit", durch das einem Prinzip des „Respektes vor der Autonomie" eines Menschen ein zentraler Stellenwert zugeordnet werden kann. Sofort taucht natürlich das Konstanzproblem oder konkret die biographische Dimension einer Persönlichkeit auf. Unter diesem Aspekt kann dann die ethische Zulässigkeit freiwilliger Euthanasie und das Problem der „Verbindlichkeit von Patientenverfügungen" diskutiert werden. Quante nennt dies „diachrone Identität menschlicher Personen" und versucht zB zu zeigen, dass sich aus der „biografischen Identität" ein Argument für die ethische Zulässigkeit freiwilliger Euthanasie entwickeln lässt. Am besten wird man sich (auch in praktischer und pragmatischer Hinsicht) der Auffassung von Childress/Beauchamp8 anschließen und um ein System offen und korrigibel zu halten, von Prinzipien „mittlerer Reichweite und Geltungstiefe" ausgehen, wie sie in dem allgemeinen modelltheoretischen Ansatz unten9 verdeutlicht werden können. Quante selbst formuliert dies folgendermaßen10: „,Mittlere Reichweite’ bedeutet zum einen, dass ein solches Prinzip nicht zu den obersten Prinzipien einer speziellen ethischen Theorie gehört, sondern sich aus unterschiedlichen solcher Hintergrundethiken als eine Art Konsensprinzip entwickeln lässt. Zum anderen ist ein solches Prinzip in seinem Inhalt offen und muss je nach Kontext durch speziellere Regeln spezifiziert werden. Mittlere Geltungstiefe kommt diesen Prinzipien deshalb zu, weil jedes von ihnen prima facie Gültigkeit hat, jedoch auch durch ________________ 7 8 9 10 Quante, Personales Leben und menschlicher Tod (2002), 27 und Kap 6. Childress/Beauchamp, Biomedical Ethics (2001). Siehe Abbildung 1. Quante, Personales Leben und menschlicher Tod (2002), 16. 94 andere Prinzipien bzw weitere ethisch relevante Aspekte oder Ansprüche eingeschränkt werden kann.“ Die Pointe von Prinzipien mittlerer Reichweite, durch die Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, korrigibles Verhalten und flexible Einstellung ermöglicht werden soll, kann durch folgendes Bild klar gemacht werden: Wenn man eine beliebige zweidimensionale Karte der Welt benutzt und einen geraden Strich (die kürzeste Verbindung in der euklidischen Geometrie) zwischen zB Wien und Tokyo einzeichnet und dann diese Route fliegen würde, so würde man später ankommen als jemand, der die Projektion eines Geodäte fliegt, also die kürzeste Verbindung unter Berücksichtigung der Erdkrümmung. Projektion auf unserer zweidimensionalen Karte wäre übrigens eine gekrümmte Linie, die in der euklidischen Geometrie länger wäre als die ursprüngliche eingezeichnete Gerade. Fazit: Es gibt keine universelle zweidimensionale Karte des dreidimensionalen Gebildes „Erde". Wie kann man sich (be-)helfen? Charles Lindbergh hat bei seinem ersten Transatlantikflug mit der Spirit of St. Louis zB verschiedene Karten kombiniert, in die er mühselig die tatsächliche Route mit Korrekturen so eingezeichnet hat, dass die Erdkrümmung berücksichtigt werden konnte. Er hat dann jeweils in die nächste Karte „gewechselt", wenn es nötig war. Auf unser Problem übertragen bedeutet das, dass wir eben keine universellen Prinzipien verwenden dürfen, sondern um flexibel und anpassungsfähig zu sein und auf Veränderungen in unserer Wissenslandschaft reagieren zu können zB mit einer Mehrkomponenten-Semantik arbeiten zu müssen, damit sowohl die fachlichen, medizinischen, als auch die reflexiven wissenschaftstheoretischen, bedeutungsanalytischen sowie die ethischen Argumente nachvollziehbar gemacht werden können und damit, und das ist das Entscheidende, eine lokale Übersetzbarkeit bzw Kommunikation zwischen den einzelnen lokalen Karten möglich wird. Nochmals, eine universelle Karte kann es nicht geben, so dass die entscheidende Lösung der Dialog zwischen den Karten ist, wodurch auch eine wechselseitige Korrektur und insgesamt bessere Annäherung an die sogenannte Realität ermöglicht wird, allerdings eine Anpassung die flexibel, offen, korrigibel und reaktionsfähig ist. Für die allgemeine Argumentationslinie und speziell die für Quante ist wichtig, das in Abbildung 1 benutzte modelltheoretische Analyseschema zu benutzen, das im Schema LIR erweitert wird. Den drei oben angeführten Reflexionsebenen (medizinisch/wissenschaftstheoretisch/ethisch) entsprechen drei Argumentationsstränge, die sich auf unterschiedliche Wissenskomponenten beziehen. Gemeint sind die Beurteilungen von Konsequenzen aufgrund von Expertenhintergrundwissen E, auf- 95 grund von wissenschaftstheoretischen Überlegungen A (M/K) und Alltagshintergrundwissen F inkl ethischer/wertender Reflexionen. Das unten angegebene allgemeine modelltheoretische (formal-semantische) Grundschema (LIR = language/information/reality) zur Analyse von Argumentationen lässt sich folgendermaßen entwickeln. Der entscheidene Punkt ist, dass Argumentationen aufgrund ihres Bezugs auf Modelle oder Situationen, also verallgemeinerbares Hintergrundwissen, analysiert werden. Argumentationen /Schlüsse M E Strukturmodelle A Expertenwissen C allgemeines & K formales Regelwissen abstrakes, erklärendes Wissen F Commonsense Wissen Alltagswissen Q P Ereignis-Folgen Abbildung 1 Das Problem ist, dass die Argumentationen, genauer die Gültigkeit letzterer sich aus Hintergrundwissensfacetten zusammensetzen sollte, weil wir kein universelles Hintergrundwissen, dh keine einzige universelle Wissenslandkarte voraussetzen können und demzufolge wissenschaftliche Erkenntnisse A mit Alltags- oder Common-Sense-Wissen kombinieren müssen, um die Konsequenzen zu beurteilen. Diese beiden Komponenten lassen sich nochmals aufteilen in rechts C = reines Alltagswissen F und spezielles Expertenwissen E sowie links formal-logisches Regelwissen K und abstraktes Strukturwissen M. Das bedeutet, dass für die Akzeptanz einer Konsequenz grob vier Bedeutungskomponenten und deren Beziehungen zueinander bei der Nachvollziehbarkeit eines Argumentes zu berücksichtigen sind. Etwas komplizierter dargestellt ergibt sich daraus das modelltheoretische Schema LIR unten, das der wissenschaftstheoretischen Analyse von begründenden, 96 also auch ethischen Argumenten dient. Aus diesem Grund sind weiter unten auch die wichtigsten ethischen Positionen in dieses Schema eingebettet, so dass bei der Beurteilung begründender ethischer Argumente die verschiedenen Komponenten bis hin zu spieltheoretischen Aspekten des Gefangenendilemmas Berücksichtigung finden können. Das Kernargument von Quante läuft darauf hinaus, dass die biographische Identität einer Person sich in ihrer Persönlichkeit manifestiert und die Zuordenbarkeit von Autonomie für Entscheidungen entgegen einen paternalistischen Eingriff darauf aufzubauen ist. „Personen“ konstituieren ihre Persönlichkeit durch die – positive wie negative – Identifikation mit ihrer erlebten Vergangenheit und ihrer antizipierten Zukunft11. Daraus ergibt sich für Quante ein direktes Argument für die prima facie Zulässigkeit von Euthanasie, da die „Bewertung des eigenen Lebens in das personale Leben eingeschrieben“ ist12. Eine Persönlichkeit muss nämlich faktisch „aus einem konsistenten Set von Überzeugungen und Wertannahmen bestehen“13. Der wichtigste Punkt allerdings, der dann auch im allgemeinen wissenschaftstheoretischen Argumentationsschema expliziert werden kann, ist die „Kooperation“ zwischen Arzt und Patienten. Wenn sich nämlich medizinisches, paternalistisches Handeln als der „Eingriff in die kompetente Entscheidung oder Handlung eines Patienten“14 verstehen lässt, wodurch ein ethischer Dissens zwischen Arzt und Patient entstehen kann, geht es darum, das wohltuende Autonomieprinzip entsprechend zu gewichten. Das Wohl einer menschlichen Person lässt sich nach Quante nicht nur auf ihre experiental interests reduzieren, sondern „muss zugleich die Ermöglichung, ein eigenes Leben als Person zu führen und die Wahrung ihrer persönlichen Integrität einschließen“15. Andererseits aber darf menschliche Autonomie argumentativ (nachvollziehbar in LIR) „nicht einfach auf die Fähigkeit zur Ausübung von freien Entscheidungen oder Handlungen reduziert werden“16. Besonders wichtig ist die von Quante betonte Tatsache, dass die personale Autonomie vielschichtig ist und entsprechend dem im Schema LIR angegebenen ________________ 11 12 13 14 15 16 Quante, Personales Leben und menschlicher Tod (2002), 230. Quante, Personales Leben und menschlicher Tod (2002), 130. Quante, Personales Leben und menschlicher Tod (2002), 130 FN 10. Quante, Personales Leben und menschlicher Tod (2002), 333. Quante, Personales Leben und menschlicher Tod (2002), 233. Quante, Personales Leben und menschlicher Tod (2002), 333; Miller, Autonomy and the refusal of lifesaving treatment, in: Hastings Center Report II (1981), 22 – 28. 97 Wissensfacetten auch die Persönlichkeit eines Patienten viele Facetten hat, die den Wissensanalyseaspekten in gewissem Sinne entsprechen. „Die Ethik des Respekts vor personaler Autonomie mit ihrem Schwerpunkt auf der Integrität menschlicher Personen ist in der Lage, [insbesonders mit dem Schema LIR] diese Facetten sichtbar werden zu lassen und sie als ethisch relevant auszuweisen“17 (siehe Abbildung 2). Entscheidend ist, dass „paternalistisches Handeln“ soweit wie möglich durch Kooperation [Dialog sowie verallgemeinerbare und nachvollziehbare Argumentation, mittels LIR], wechselseitige Anerkennung und ein „enviroment of trust“18 überflüssig gemacht wird. Prinzipiell sind für die Rekonstruktion und Nachvollziehbarkeit von begründeten Argumentationen neuere Ansätze eines semantischen Aufbaus von Logik zu berücksichtigen. Dafür sind vier Analysefaktoren maßgeblich: 1. (F) der Anknüpfungskontext - die ethischen Intuitionen, die gewissermaßen aus dem Bauch heraus, das Ergebnis einer Handlung als gut oder schlecht bewerten 2. (K) formale Analyse, juridische Überlegungen und Konsequenzen von Handlungen 3. (M) Beurteilung von Regeln zur Erreichung von Zielen (Teleolo- gie/Regelutilitarismus) 4. (E) Expertenwissen, kategorischer Imperativ (Kant), Regeln und Pflichten (Kant und Newton: über mir der gestirnte Himmel in mir das Sittengesetz) ________________ 17 18 Quante, Personales Leben und menschlicher Tod (2002), 336. Caplan, If I were a rich man could I buy a pancreas? (1992), 279. 98 Repräsentation (-en) und die Welt oder : Zum Verhältnis von Theorie und Wirklichkeit Repräsentationen ANALYSE / denken Strukturen Gründe Φ WISSENS - bzw. D Struktur-Wissen HINTERGRUNDSWISSEN (Beschreibungen) z. B. NATÜRLICHE SPRACHE (Repräsentationsmittel) (E Operatives-Wissen [effektives Wissen ] [abstraktes Wissen] l Situationen Modelle/Theorien Handlungs-Wissen A C V T Algorithmen Alltagsregeln / Folklore Fertigkeiten (skills) formalsprachlicheSätze Ausdrücke [formales / materiales Wissen] K [konkretes Wissen] Regel-Wissen B Alltags-Wissen ) j j=1,...,n (F P Ursachen (kausale) Zusammenhänge WIRKLICHKEIT Rainer P. Born, Johannes-Kepler-Universität, Linz, Austria Abbildung 2 Q Ausschnitte von Wirklichkeit ) l=1,...,q E theoriengeleitetes Wissen (abstrakte) (K Ψ Infor- mationsVerarbei- tung (M k ) k=1,...,p M Prozesse HINTERGRUNDSWISSEN (Erklärungen) SYNTHESE/handeln F i ) i=1,...,m 99 III. Freiwillige Euthanasie und ethische Begründungen Unter Berücksichtigung differenzierterer Aspekte von Persönlichkeit und personaler Autonomie lässt sich ein ethisches Argument finden, nachdem eine freiwillige Euthanasie unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Repräsentation (- en) und die Welt oder : Zum Verhältnis von Theorie und Wirklichkeit Strukturen Prozesse HANDELN (Beschreibungen) Gründe NATURALISMUS NON-NATURALISMUS REGELÜBERLEGUNGEN + + ( 3/3 ) ( 0/5 ) E Pflicht zu sterben [Selbstbestimmtes Sterben] Struktur-Wissen Operatives-Wissen A - AUTONOMIE ( 5/0 ) Regel-Wissen Pflicht zu leben / Leben zu erhalten Recht zu leben Alltags-Wissen ( 1/1 ) K B TELEOLOGIE // RECHTE VERANTWORTUNGS-ETHIK (Moralische Regeln) P F NON-KOGNITIVISMUS HANDLUNGSÜBERLEGUNGEN C PATERNALISMUS T KOGNITIVISMUS M DENKEN METAETHIK (Bsp.: Bio-Ethik/Euthanasie) (Erklärungen) V DEONTOLOGIE // PFLICHTEN (GESINNUNGS-ETHIK) (kausale) Zusammenhänge Q [ Handlungs - ] WIRKLICHKEIT META-ETHIK [ LIR 2 Cl_Dr_ETHIK] Rainer P. Born, Johannes-Kepler-Universität, Linz, Austria Abbildung 3: Verbindung von Wissenschaftsphilosophie und Ethik 100 Die Zahlenpaare in Klammern bedeuten die Bewertungen in einer Gefangenendilemma-Situation, wobei + jeweils Kooperation und - Defektieren bedeuten. Dies spielt bei der Überwindung des Paternalismus eine Rolle, wenn die Bedeutung von Kooperation, Vertrauen usw ins Spiel kommen, was sich auf den Heilungserfolg, aber auch auf die Beurteilung und Überwindung von Euthanasiesituationen auswirkt. Wenn man alle diese Analysen in LIR rekonstruiert und ausführt, was hier aus Platzgründen nicht möglich ist, dann lässt sich zeigen [und das ist vor allem auch in der Rehabilitationsmedizin wichtig, in deren Rahmen der schon oben erwähnte Patientenbeitrag zur Heilung auf der Basis von Kooperation eine Rolle spielt], dass unter Voraussetzung der schon erwähnten differenzierten Persönlichkeitskonzepte und weiters einer Betonung von personaler Autonomie einerseits paternalistisches Handeln durch Kooperation (und wechselseitige Anerkennung) ersetzt werden sollte und andererseits ein „environment of trust"19 aufgebaut werden sollte. IV. Allgemeine Reflexionen zum Thema Ethik und Medizin -Rechnet sich Ethik wirklich nicht ? Im Kontext des (so genannten) Alltagsdenkens findet sich sehr oft folgende Meinung: „Ethik rechnet sich NICHT!“20 bzw „Ethik ist etwas für den Sonntag und für unverbindliche Festreden!” Dieser Meinung möchte ich (zumindest teilweise) vehement widersprechen21. Sie beruht auf einem Alltags-SKEPTIZISMUS und einer Art von WissensRelativismus (vgl Putnam und Cavell), die beide für das Handeln in einer modernen, dh technologisch geprägten und wirtschaftlich dominierten „Lebenswelt/Lebensform” als Grund–Einstellungen tödlich sind. Sie verstellen uns nämlich den Blick für neue Lösungen und untergraben das Bemühen sich mit den inhaltlichen Grundlagen 22 des modernen Lebens auseinander zu setzen und vor allem ________________ 19 Caplan nach Quante, Personales Leben und menschlicher Tod (2002), 336. 20 Wobei natürlich die bestätigenden Instanzen für eine derartige Behauptung im Sinne einer selffulfilling prophecy sehr oft auch mutwillig erzeugt und manipuliert werden, ein Verhalten, das selbst keineswegs als wissenschaftlich einwandfrei oder als „ethisch" bezeichnet werden kann. 21 Nämlich insofern als Ethik auch unter der Woche ein aktuelles Thema ist! 22 Das gilt auch für die Grundlagen und Anwendungsbedingungen der modernen ÖKONOMIE und deren Modelle. Nur in letzteren haben wir es mit vollständigen Informationen und 101 „vertraut” zu machen. Jene mangelnde (oder eingeschränkte) Vertrautheit 23 (vgl Saint Exupéry: der Fuchs [und demgegenüber unsere Regeln, durch die wir die Vertrautheit zu ersetzen/eliminieren] trachten) macht es möglich, uns der Verantwortung für unser Handeln (wir berufen uns nur allzu leicht und allzu gerne auf Regeln und Sachzwänge) zu entheben! Nehmen wir folgendes Bild: Ein hungriger Hund sitzt vor einem Maschenzaun, hinter dem ein großes Stück Fleisch liegt! Er versucht immer wieder auf dem kürzesten Weg durch den Zaun „hindurch” zu kommen. Erst wenn man den Hund gewaltsam ein paar Meter vom Zaun zurücknimmt, kann er erkennen (unsere Deutung), dass etwas weiter links (oder rechts) ein Loch im Zaun ist, durch das er zum Fleisch gelangen kann. -- Erst der Abstand von den „Sachzwängen", den Regeln, innerhalb derer (als Rahmen gesehen) man die Lösung eines Problems zu suchen sich gezwungen fühlt, ermöglicht es, auch andere Lösungen24 zu finden. Nicht zuletzt Lösungen, die mit einem "menschlichen Augenmaß" verträglich sind. Man kann letzteres auch "reflexive Distanz" oder "reflexive Korrektur" nennen. ________________ scharfen Begriffen zu tun. In der Praxis des Lebens müssen wir Entscheidungen auf der Basis von unvollständigen Informationen und mit unscharfen Begriffsbildungen fällen und brauchen dringend so etwas wie (reflexive, auf Sachverständnis aufbauende) „KorrekturSPIELRÄUME” um flexibel (aber auch kreativ, innovativ und wettbewerbsfähig) reagieren und handeln zu können. 23 24 Ich benutze gerade hier, wo es um Ethik und damit die Möglichkeit einer wertenden, reflexiven Beurteilung und mögliche Korrektur unserer Handlungen geht, die störenden!!! Klammerausdrücke absichtlich, um einerseits den Lesefluss zu hemmen und andererseits durch ein reflexives Innehalten zusätzliche (implizite) Aspekte eines Themas sichtbar werden zu lassen, wirken zu lassen, ohne sie immer explizit anzusprechen. Die eigentliche Botschaft sind die Konsequenzen, die ein Leser selbst zieht. Ich bitte den Leser um Verzeihung für diese Willkür! Bekannt ist das von Watzlawick, Lösungen 46 ff diskutierte Beispiel der Verbindung von neuen Punkten durch einen Strich, und zwar ohne dabei abzusetzen. Erst durch ein Heraussteigen aus dem vorhanden System und die Einbettung in einen übergeordneten Rahmen springt die tatsächliche Lösung ins Auge und fällt auf, welche falschen Annahmen als Voraussetzung für die Suche nach einer Lösung gemacht wurden. 1 2 4 3 102 Und eben darum geht es in der Ethik (auch25). Ethik selbst liefert zwar keine unmittelbaren Lösungen für konkrete (zB Entscheidungs-)Probleme26, aber sie kann unsere Einstellungen und unsere Motivationen so beeinflussen, dass wir nach Lösungen suchen (insbesondere im Kontext wirtschaftspolitischer Entscheidungsprozesse), Lösungen, die langfristig gesehen, wesentlich fruchtbarer sind und das Überleben von uns allen (im Sinne einer Maximierung auch des sog „Gemeinwohles” einer Familie/einer Gruppe/eines Staates, einer Nation [als ethisch begründbarem, expliziten Wert] und nicht nur kurzfristiger, individueller/egoistischer Vorteile27) in einem gewissen Sinn unterstützen. Damit habe ich schon einen wesentlichen Punkt der praktischen Bedeutung von Ethik genannt, nämlich langfristige Lösungen und die Motivation, diese „auch” zu suchen, begründet durch die Übernahme von Verantwortung für die Konsequenzen unserer Handlungen. Dies ist ein Punkt, an dem Ethik (als praktische Anregung, Regelung des Verhaltens mit und zueinander auf der Grundlage moralischer Regeln28) in das tägliche Leben eingreifen kann. ________________ 25 26 27 28 Ua nämlich um eine angemessene Reflexion der Bedeutung dessen, was einen Menschen ausmacht (im Sinne eines menschlichen Augenmaßes). Dieser wird entgegen der „europäischen Perspektive" auch im hinteren Teil, in der Tiefe des Bildes, in seiner „Bedeutung ALS Mensch" gleich groß dargestellt wie die Menschen im Vordergrund. Man darf eine derartige Metapher natürlich nicht überziehen. Die wissenschaftsphilosophische Konsequenz der „japanischen Perspektive” habe ich schon angesprochen. In diesem Zusammenhang mag es auch interessant sein, auf das Buch von Nonaka/Takeuchi, The Knowledge-Creating Company, 1995 hinzuweisen, in dem die Bedeutung des reflexiven „Wissensmanagements" für die „DYNAMIK DER INNOVATION" in der japanischen Wirtschaft untersucht wird. Schließlich sollte man Entscheidungen nicht ohne Berücksichtigung von inhaltichem Wissen fällen. Umweg-Rentabilität, wobei man den unmittelbaren Nutzen einer Handlung nicht erkennen kann, geht in den Kosten-Nutzen-Kalkül normalerweise nicht ein. Denn diese setzt ja so etwas wie einen „ungeschriebenen" Vertrag der Nachbarschaftshilfe voraus, also implizite ethische Normen, die aus diversen Gründen in den Rechnungen nicht aufscheinen, aber, so lange sie noch vorhanden sind, das soziale Netz zusammenhalten. Dh die (wissenschaftstheoretisch gesehen) „notwendige" Unvollständigkeit (Makro-)Ökonomischer Theorien bedarf der Korrektur durch das „menschliche Augenmaß" in der Praxis mikroökonomischen Handelns. Wenn wir dort die „Ethik" oder unser natürliches „moralisches Empfinden" eliminieren und ökonomisch instrumentalisieren, zerstören wir einerseits die „Gültigkeit" der Theorien (weil die Mikro-Daten für die Makro-Theorie nicht mehr erzeugt werden) und zerstören andererseits unsere Überlebenschancen (nämlich die Motivation zu Innovation und Kreativität). Siehe dazu unten das Musil-Beispiel. Ethik (von griechisch Ethos, Sitte, Gewohnheit) und auch Moralphilosophie beschäftigen sich ua mit den sogenannten moralischen Phänomenen und Werten. Die normative Ethik diskutiert, welche Moral die richtige ist. Die Moralwissenschaft untersucht zB die psychologischen, biologischen, sozialen und historischen Grundlagen moralischer Erscheinungen. In der Meta-Ethik beschäftigt man sich mit der Abgrenzung moralischer von nicht-moralischen Phänomenen und untersucht die erkenntnistheoretischen, sprachphilosophischen und ontologischen Grundlagen moralischer Urteile/Behauptungen. 103 Dh primär sollte man nicht die (klassische/ontologische, in der Entstehung der griechischen Philosophie verankerte) Frage stellen: „Was IST29 Ethik", sondern: „WOZU DIENT ETHIK?" Welche Aufgabe, welche Funktion hat Ethik (und das ist durchaus auch empirisch gemeint) zu erfüllen. In der Praxis geht es um einen „verständigen30", diskreten, verantwortungsvollen Umgang mit Wissen. Dabei ist klar, dass das klassische Instrumentarium der Ethik mit einer gewissermaßen reflexiven Distanz, einem menschlichen Augenmaß in die BEWERTUNG von AnwendungsErgebnissen einzubringen ist. Dies ist der Ort an dem sich Ethik „praktisch" nützlich machen könnte, indem zB ähnlich den (eingeschränkten) UmweltverträglichkeitsÜberlegungen eine Werte-Verträglichkeit in die Beurteilung der „wirtschaftlichen” Maßnahmen und in die Abschätzung der Rezeption und deren Auswirkungen und Konsequenzen eingeht. Die besten Maßnahmen (etwa die einer absolutistischen wirtschaftlichen Aufklärung) nützen nichts, wenn sie „torpediert” werden, weil die Ausführenden nicht dahinter stehen. Das gilt für ökonomische Zusammenhänge genauso wie für die Betriebsleitung eines Atomkraftwerks, deren Mitglieder nur an der Maximierung ihres persönlichen Nutzens interessiert sind und nicht auch das Gemeinwohl und die besondere Verantwortung bei der Bewältigung ihrer Aufgaben vor Augen haben. Die Reduktion ihres Verhaltens auf Handlungs-Regeln bzw Problemlösungsrezepte ist zu wenig 31, weil sie Verantwortung, Motivation und Ethik eliminiert -- und damit wesentliche Momente unserer Reaktions- und Korrekturmöglichkeiten. ________________ 29 30 31 Es hat sich heute durchgesetzt (mit Ausnahme von ein paar unverbesserlich ewig gestrigen - aber auch das gehört zum Genpool der menschlichen Geistesentwicklung), dass die klassische „Was IST?" -Frage, zunächst durch die Frage „Was kann ich Wissen?" (Descartes) ersetzt wurde und schließlich, seit der Entwicklung der modernen Logik durch die Frage (und der darauf aufbauenden Entwicklung der Computerwissenschaften) vor allem im Gefolge der Philosophie Wittgensteins (der selbst hervorragende Beiträge zur Entwicklung der Einzelwissenschaften lieferte) zu der modernen Frage führte „Was kann ich verstehen?" (als Grundlage reflexiver Korrektur im Alltagsdenken). Diese sogenannte „linguistische" Philosophie berücksichtigt vor allem den Ausdruckreichtum und die Grenzen der von uns benutzten Mittel zur Darstellung von Wissen und führt weiter zum Thema „Umgang mit Wissen!". Daher ist das Hauptthema der modernen angelsächsischen, von Österreich ausgegangenen sogenannten analytischen Philosophie: Die „Bedeutungsanalyse", das inhaltliche „Verstehen" von Behauptungen mit Erkenntnis-Anspruch. Das theoretische Problem (das in der Fachliteratur intensiv diskutiert und auch mit Hilfe von Computersimulationen analysiert wird) ist, ob sich aus der Maximierung des individuellen „Nutzens" und der Wechselwirkung der Individuen auf der Makroebene tatsächlich „Gemeinwohl" einstellen kann. Die vielzitierte Maxime des Utilitarismus („Gut ist das, was der größtmöglichen Zahl von Menschen nützt!") sollte nicht als Handlungsanweisung auf der individuellen Ebene verstanden werden, weil sie nämlich sonst genau das Gegenteil bewirkt, was sie erreichen oder erklären möchte. 104 Zur Motivation (aller Beteiligten) gehört also auch ein Verständnis und eine Verträglichkeit von Handlungen mit dem jeweiligen (internalisierten) Wertesystem einer Gruppe (auf der Basis ethischer Begründungen, die zu moralischen Regeln führen können)32 von Menschen. Dazu gehört aber sicher auch die Bereitschaft zu einem offenen, verständnisbereiten Dialog zwischen unterschiedlichen Systemen (siehe dazu die Schwierigkeiten in der Arbeit der UNO bei den Umsetzungen der Menschenrechts–Deklarationen!) Vorweg ein „Bild" von Saint-Exupéry. Bekannt ist wahrscheinlich das Zitat (beim Abschied des kleinen Prinzen vom Fuchs), dass man nur mit dem Herzen gut sieht. Nur dann kann man sich auch auf jemanden (anderen) einlassen, sich mit dessen Wissen vertraut33 machen, ihn zu „verstehen" versuchen, sich einen Reim auf sein Verhalten machen. Natürlich ist damit auch die Spannung von rationalem und emotionalem Denken gemeint (in dieser Form ist es ja inzwischen wieder modern, siehe das Schlagwort von der „emotionalen Intelligenz") - ein Thema das schon in B. Pascals „Le Coeur et ses Raisons/Pensées” anklingt. Aber im Allgemeinen wird Saint Exupéry nicht vollständig zitiert. Nur wenn man sich zuvor mit einer Sache vertraut gemacht hat, ist man „gewillt", die Konsequenzen seines eigenen Handelns zu sehen, und zwar mit dem Herzen (zu sehen), weil man etwas spüren kann, weil die persönliche Betroffenheit eine Rolle spielt. Diese Betroffenheit aber ist es, die einerseits das Herz (als Metapher), dh genauer die Emotionen, anspricht (welche ja in der ökonomischen Rechnung auszuschalten sind und dann offenbar in der Bewertung von Rechenergebnissen keine Rolle mehr spielen dürfen). Der Fuchs aber sagt zum kleinen Prinzen (und zu dessen Verhältnis zu seiner Rose): „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut ________________ 32 33 Amartya Sen, Rational Fools 109, argumentiert gegen die klassische Unterscheidung von Egoismus und universalisierten (mH) moralischen Systemen, insbesondere bei der Beurteilung von (ökonomisch analysierbarem) Verhalten, da Gruppen zwischen Individuum und allen anderen vermitteln und den tatsächlichen „focus of many actions involving commitment” liefern. Egoismus als Beschreibung von Motivation (und Basis von Ökonomie) wird abgelehnt, aber nicht zugunsten einer fundamentalistischen (mE) universalisierten Moralität. Die Rolle der Gruppenaktivität ist es auch, die letztlich Kooperation ermöglicht, so dass entgegen der gängigen Anayse durch das Gefangenendilemma selbst in kontrollierten Experimenten und unter [sterilen (mE)] Laborbedingungen „people playing the Prisoner’s Dilemma frequently do the unselfish thing”. „Man kennt nur die Dinge, die man zähmt” sagte der Fuchs. Zähmen ... bedeutet sich >vertraut machen<” (sich mit einer Sache inhaltich auseinandersetzen -- mE). „Die Menschen haben keine Zeit mehr irgendetwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr”. [Ein Versuch auch diesen Aspekt unseres Lebens zu instrumentalisieren und ökonomisch verwertbar zu machen sind die sogenannten Partnerschaftsinstitute und deren Praktiken.] 105 gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich ... ” - Es ist interessant, um die nüchterne Rationalität unseres normalen wissenschaftlichen Diskurses wieder zum Zug kommen zu lassen, dass genau dieses Denken, nämlich sich inhaltlich mit den Bildern/Metaphern auseinander zu setzen, die im so genannten diskursiven (im Unterschied zum poetischen) „Diskurs” der Vermittlung von Wissen dienen, eigentlich schon seit längerem im „modelltheoretischen Ansatz der modernen Wissenschaftstheorie” (und den sich daraus ergebenden Folgen für die Ethik34) berücksichtigt wird. Man versteht nur das (um nochmals an Saint Exupéry anzuknüpfen) wirklich gut, wovon man sich ein Bild/Modell machen kann und eine Situation vorstellen/konstruieren kann, in der das fragliche Wissen relevant ist, so dass man gewissermaßen - horribile dictu35 - davon betroffen sein kann. Damit gelangen wir zunächst in den Themenkreis einer Verantwortungsethik, die sehr wichtig ist, aber für sich alleine genommen zu kurz greift. Ein Aspekt ist (gerade heute) besonders wichtig: Um Konsequenzen (von Handlungen) ALS „Konsequenzen" erkennen zu können und um sich dafür verantwortlich fühlen zu können, muss man die kausalen Zusammenhänge sehen „wollen”. [Wenn man den Blick dafür in der universitären Ausbildung eliminiert (anders als etwa an den diversen „business schools" im anglo-amerikanischen Bildungsbereich, wenn auch cum grano salis), wenn man die Antennen dafür kappt, dann darf man sich einerseits nicht über mangelnde Innovationsbereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit in der Wirtschaft wundern aber auch nicht über fehlendes Verantwortungsbewusstsein beklagen!] Eine klassische Immunisierungsstrategie dagegen (Zusammenhänge sehen zu können) ist, nicht hinzuschauen, wie es „wirklich” ist und sich auf einen Alltags________________ 34 35 Putnam, Realism with a Human Face. Ethics and Aesthetics 135 - 217: Insbesondere “Objectivity and the Science/Ethics Distinction" (163 – 179). Interessant wäre eine Untersuchung von Top Managern hinsichtlich ihrer Beurteilung von Erfolg bei Beurteilung der eingesetzten Mittel unter ethischem Gesichtspunkt. Hat man lieber einen Erfolg, der mit einem guten Gewissen vereinbar ist, auch wenn man sich dabei ein bisschen mehr anstrengen musste -oder geht man lieber den Weg des geringsten Widerstandes, dh hält sich an etablierte Rezepte und klammert Ethik prinzipiell aus? Anne Michaels hat dieses Problem der persönlichen Betroffenheit, die uns durch keine Wissenschaft (egal wie weit gefasst) abgenommen werden kann, in Ihrem Buch „Fluchtstücke” in der Figur des Geologen „Athos” auszudrücken versucht. Im einem Fall spricht sie sogar von „lyrischer Geologie” (225), welche die Studenten besonders ansprach, begeisterte und „formte”. Aber all das ist natürlich für einen Universitätslehrer besonders schwer (und zum Teil verpönt), denn es wird eine Vertrautheit mit dem Stoff und einem Verständnis vorausgesetzt, welches über ein unpersönliches, instrumentelles Wissen, das nicht unter die Haut geht, weit hinausgeht. In der feministischen Philosophie wird die Problematik unter dem Stichwort „caring” behandelt. Siehe dazu auch das Problem der „sozialen Kompetenz” im Bereich des internationalen Managements. 106 Skeptizismus oder Relativismus36 hinauszureden. Die tatsächliche Funktion des Skeptizismus ist aber eine ganz andere! Man kann nämlich den Skeptizismus (in seiner breiten Form als die Verneinung der Möglichkeit jedweden Wissens und dem Dilemma, welchem Wissen wir trauen sollen) zwar nicht intellektuell oder argumentativ widerlegen, wohl aber kann man dem skeptischen Impuls insofern widerstehen, als man die überzogene Fragestellung und deren Ursprung durchschaut (Wittgensteins philosophischer Ansatz). Vor allem aber kann man den Skeptizismus (Cavell und Putnam in Weiterführung von Wittgenstein) als positive Aufforderung zur Reflexion insofern annehmen und als Herausforderung akzeptieren, nämlich als „Aufforderung zur Offenheit gegenüber Korrekturen und als Aufforderung zur Zusammenarbeit und zur Toleranz gegenüber anderem 'Wissen‘", Wissen, das man sich in seinem Zustandekommen (und seiner Nachvollziehbarkeit - nicht zuletzt auch durch konstruktive Kritik) „zugänglich” machen kann, und zwar ohne deshalb in einen Relativismus/Subjektivismus verfallen zu müssen, etwa nach dem Feyerabendschen (vielfach missverstandenen) Motto „anything goes” (und ist erlaubt, solange es nur der Maximierung meines persönlichen Nutzens dient!)37. Es ist klar, dass wir damit in die Schere fachinterner klassischer ethischer Diskussionen geraten, nämlich eine Diskussion um die Wahl „der” richtigen Moral [besser einer geeigneten], die im biomedizinischen Entscheidungs- Findungsprozess [der ja heute vor allem spieltheoretisch diskutiert, analysiert und umgesetzt wird38] zweifach eingreifen kann: einerseits zur Beurteilung von Konse________________ 36 37 38 Alles ist relativ, es gibt kein objektives, verlässliches Wissen und außerdem kann man sowieso nichts ändern! Leider steckt da sehr viel „gemachte" Wahrheit drinnen! Denn einerseits steigt die Frustration derer, die etwas tun wollen und nicht können bzw dafür bestraft werden, zum anderen aber ist es schlecht, wenn sich niemand mehr bemüht. Wir sind dann in einer Schulklasse in der alle schwindeln wollen aber niemand mehr da ist, von dem man abschreiben könnte, der tatsächlich etwas gelernt hat. Die auf dem Utilitarismus aufbauende Formel von der Nutzenmaximierung ist eine vielfach missverstandene theoretisch-explanantorische Makro-Behauptung, die keinesfalls als unmittelbare Handlungsanweisung auf der individuellen Ebene des täglichen Lebens verstanden werden sollte. Der Bezug zum Skeptizismus aber erhellt nicht zuletzt aus folgendem Zitat von Stanley Cavell, Conditions handsome and unhandsome 24 - 25: “... skepticism is neither true nor false but a standing human threat to the human condition; … this absence of the victor (in der Diskussion zwischen Skeptiker und Antiskeptiker) is to help to articulate the fact that, in a democracy embodying good enough justice, the conversation over how good its justice is must take place and must also have no victor, that is not because agreement can or should always be reached, but because disagreement, and separateness of position, is to be allowed its satisfactions, reached and expressed in particular ways. … Responsibility remains a task of responsiveness." Siehe dazu das Modell des Gefangenendilemmas als Definitionsgrundlage für individuelles, egoistisches Verhalten. 107 quenzen (Verantwortungsethik) [Teleontologie/Konsequentionalismus] und andererseits als Gesinnungsethik [Deontologie/Pflichtethik, darunter fällt Kants berühmter Kategorischer Imperativ als formales Kriterium39]. Die Pflichtethik geht von den/unseren Pflichten aus, die unsere Handlungen nach deren „Güte" bestimmen sollen. Die Antwort auf die Frage, was „SOLL" ich in einer bestimmten Situation tun, hängt aber sowohl von unserem Wissen, als auch von unseren internalisierten Werten (in entscheidender Weise) ab. In Ergänzung zum obigen Zaunbeispiel möchte ich zur Rolle der Ethik noch folgende Überlegung und folgendes Beispiel anführen: Viele von uns haben sicher schon die Erfahrung gemacht, dass wir einem Freund etc in einer kritischen Situation dadurch geholfen haben, dass wir das Umfeld dieser Situation mit ihr/ihm „besprochen" haben und kontroverse Sichtweisen aufgelöst haben. Dadurch haben wir zu einer Lösungsfindung (für sie/ihn) beigetragen. Später hatten dann unsere Bekannten/Freunde etc den Eindruck, die Lösung hätten sie ganz alleine gefunden. Dies führt dann gelegentlich in ähnlichen (Problem-)Situationen dazu, dass sie nur noch die technischen Lösungsansätze/Regeln (ihrer Erfahrungen) in eine neue Situation übertragen und die Analyse des Umfeldes übersehen und mit niemanden mehr darüber diskutieren/reden. Das Ergebnis sind häufig Fehlanwendungen ihrer „(Lösungs-)Technik"40. Dazu ein positives historisches Beispiel: John Maynard Keynes, der unter anderem auch Mitglied der Literatengruppe „Bloomsbury Group" (mit Virgina Woolf als einer der bekanntesten Vertreterinnen) war [der Mentor dieser Gruppe war der Philosophie/Ethikprofessor und Wittgenstein-Freund G. E. Moore aus Cambridge], hat bekanntlich mit seiner „Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" wesentlich zur Lösung der in den dreißiger Jahren zustande gekommenen Wirtschaftskrise beigetragen. Entscheidend war dabei, dass seine ethische Motivation ihn dazu geführt hat, technische Lösungen zu suchen und zu finden, mit deren Hilfe die ursprünglichen Sachzwänge bzw wirtschaftspolitischen Argumentationen der etablierten Ökonomen überwunden werden konnten. Keynes lieferte eine ethisch motivierte, wissenschaftliche Begründung für ________________ 39 40 Der Kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. ... So könnte der allgemeine Imperativ der Pflicht lauten: Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum ALLGEMEINEN NATURGESETZE werden sollte. Man muss die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit beachten, dh entsprechend beurteilen, analysieren und interpretieren. 108 Handlungsalternativen in der Wirtschaftspolitik. Einen wesentlichen persönlichen Beitrag dazu leistete der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein, der nicht nur mit Keynes eng befreundet war sondern in den zwanziger Jahren wochenlang bei Keynes zu Gast war und mit ihm und Frank Ramsey diverse Grundlagen (etwa zur Wahrscheinlichkeitstheorie, die für Keynes Theorien relevant waren) intensiv diskutierte (und damit Keynes Revisionen beeinflusste). V. Wozu dient Ethik überhaupt, wie könnte Ethik funktionieren? Julian Nida-Rümelin zB betont in seiner angewandten Ethik, dass die Abschätzung der Folgen unserer Handlungen und der Umgang mit Risikosituationen ein wesentlicher Bestandteil jeder anwendungsbezogenen ethischen Theorie sein muss. Und gelegentlich ist es sicherlich (angesichts empirischer Unsicherheiten, die wissensabhängig sind) sehr schwierig, zu entscheiden, welche konkrete Handlung moralisch richtig ist. Deshalb braucht man ein Spektrum von Handlungsmöglichkeiten, die unter einem übergeordneten „ethischen Gesichtspunkt" akzeptabel (und zielkonform) erscheinen können und man braucht einen entsprechenden „KorrekturSpielraum". Das ist genau das, was ich mit „reflexiver Korrektur” meine, einer Korrektur, die nicht nur (siehe oben Watzlawick: Lösungen) systemintern vor sich geht, sondern Kontext, Einbettung und Außenwirkung mit41 berücksichtigt. Der Korrekturspielraum setzt zwei Dinge voraus: Den Willen zum Dialog und den Willen zur Kooperation42. Im Bereich der Kooperation ist entscheidend, dass von außen gesehen (aber nicht notwendig von innen, dh wenn man nur eine kurzfristige Beurteilung von Handlungskonsequenzen berücksichtigt), folgendes der Fall ist: Die individuelle Optimierung für die Beteiligten, kann zu einem Ergebnis führen, „das alle schlechter stellt als eine mögliche andere Kombination individueller Entscheidungen"43. Das klassische Paradigma zu dieser Situation ist das sogenannte Gefangenendilemma. Dieses hat sowohl bei Projektion in den Alltag, wie auch bei politischen, unternehmerischen Entscheidungen genau folgende Struktur: „Individuelle Optimie________________ 41 42 43 Das bedeutet natürlich nicht, dass man handlungsunfähig werden soll, sondern nur, dass man in Krisenoder Ausnahmesituationen das ganze Spektrum von berücksichtigungswürdigen Faktoren zur Verfügung hat. Siehe die Literatur: Hartkemeyer/Dhority und Spektrum der Wissenschaft Digest: Kooperation und Konkurrenz. Nida-Rümelin, Theoretische und angewandte Ethik. Paradigmen, Begründungen, Bereiche, in: Angewandte Ethik (1996), 2 - 85 (18). 109 rung führt zu einem Ergebnis, das pareto-ineffizient ist, dh das mindestens eine Person schlechter stellt, ohne eine andere Person besser zu stellen als eine andere mögliche Kombination individueller Entscheidungen"44. Kooperatives Verhalten scheint also „kurzfristig gesehen – aus rein theoretischer und damit eingeschränkter Sicht" nicht „individuell" optimierend zu sein (wenn man kein Gemeinwohl vor Augen hat). Hier muss man aus dem Diskussionsrahmen heraussteigen, um das langfristig bessere Ergebnis für uns alle (theoretisch kann es von einer höheren Warte gerechtfertigt werden, siehe Nigel Howard) sichtbar zu machen. Dieses Heraussteigen ist im Allgemeinen reflexiver Natur und setzt die Benutzung etablierter Wertvorstellungen/moralischer Grundüberzeugungen voraus. Dh würden wir uns nur den lokaloptimierten ökonomischen Theorien überlassen, würden wir langfristig Nachteile für uns alle in Kauf nehmen müssen. Pointiert gefragt: Können medizinische oder juridische rationale Entscheidungen zu unmoralischen Handlungen führen? VI. Konsequenzen -- Was könnte bzw kann eine Ethik „leisten”? Jurisprudenz/medizinische Ethik kann meiner Ansicht nach nur unter der Voraussetzung der Berücksichtigung oder Schaffung „reflexiver Korrekturspielräume” (für die konkreten medizinische Maßnahmen) erfolgreich sein, wobei reale Leitlinien – durchaus im Sinne einer Wettbewerbsfähigkeit, Marktwirtschaft – „Flexibilität, Innovationsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, Kreativität" sein müssen. Daher ist nochmals zu betonen, dass Ethik dazu „DIENT", Anwendungsfehler (von Wissen) zu vermeiden, dadurch langfristig unsere „Investitionskosten" zu senken, die Suche nach besseren praktischen Lösungen zu „motivieren” und sogenannte wirtschaftliche Sachzwänge zu durchschauen und in Dissenssituationen (zwischen verschiedenen Interessensgruppen) durch „Dialog” (siehe Bohm/Hartkemeyer/Dhority) eine „reflexive Korrekturmöglichkeit" [viele Außenkontakte der Studierenden und in deren Ausbildung] und ein „menschliches Augenmaß” für den Einsatz von diversen Maßnahmen zur Realisierung von Zielen einbringen zu können. Ferner geht es auch darum, die Wertesysteme sichtbar zu machen, die den diversen Dissenssituationen zugrunde liegen oder dafür verantwort________________ 44 Nida-Rümelin, aaO (FN 38), 19. 110 lich sind. Ethik kann dazu unter anderem „ethische Beurteilungsverfahren” zur Abschätzung der Auswirkungen (und langfristigen Konsequenzen45) von Handlungen einbringen. Dh man hat (wissenschaftstheoretisch gesprochen) Theorien als unmittelbare Beschreibungen und damit als direkte Handlungsanweisungen für die Praxis gehandhabt46. Man glaubt häufig als Sachzwangkonsequenz aus dem Gefangenendilemma den Schluss ziehen zu müssen, dass nur ein rein egoistisches Verhalten zum Ziel führen könne. Nämlich den persönlichen Nutzen zu maximieren. Ursprünglich [sachlogisch gesehen] aber war das nur ein technisches Mittel zur Steuerung und Vorsorge. Es handelt sich hier aus wissenschaftsphilosophischer Sicht um einen typischen Fall von Missverständnis und Fehlanwendung von Theorien! Die Handlungen, die mit dem theoretischen Verständnis „verträglich" sind, sind nicht identisch mit den Analysen, die man den Situationen zugrundelegt. Unser Modell-Verständnis legt Sachzwänge als Konsequenzen von falschen Modellen oder fehlerhaften Abbildungen (der Realität auf diese Modelle) nahe, welche ua die realen Bedürfnisse von realen Menschen nicht berücksichtigen (so wie beim „idealen Gas" in der Physik). ________________ 45 46 Dabei spielen zwei Dinge eine Rolle: Zum einen muss man überhaupt gewillt sein, Konsequenzen als Konsequenzen erkennen zu wollen, zum anderen muss man sich bemühen, Zusammenhänge argumentativ sichtbar, dh nachvollziehbar zu machen, wobei aber wiederum theoretische Überlegungen eine entscheidende Rolle spielen. - ZB die tatsächliche Übersetzbarkeit - kann man alles übersetzen, so dass es aus einem ‚Weltdurchschnittswissen und auf derartige Erfahrungen aufbauend ableitbar/argumentierbar ist (Voraussetzung eines universellen common sense) oder ist es so, dass man versuchen muss sich auch um ein Verständnis zu bemühen, dh dass man bemüht sein muss, etwas dazuzulernen. Dazu aber bedarf es einer Öffnung und des Willens vorhandene eingefleischte etablierte Sichtweisen zumindestens zu relativieren (ohne in einen Skeptizismus [letzterer ist meistens das Ergebnis von zu wenig Differenzierung und dem Unwillen sich auf inhaltliches Wissen einzulassen] zu verfallen). Hier spielt der sogenannte Dialog herein. Worauf es dabei ankommt ist, dass man eingefleischte Kategorisierungen aufgeben muss. Man muss und das ist die zentrale Aufgabe philosophischen Reflektierens, nämlich die etablierten Lösungen dann in Frage stellen, wenn man neue Lösungen braucht (Watzlawick, Lösungen). Siehe dazu unten die missverständliche Konsequenzen aus dem sogenannten Gefangenendilemma. 111 VII. Kurzfassung des Zwei-Personen Gefangenendilemmas A hält dicht singt B hält dicht + - singt (-2/-2) (-5/0) (0/-5) (-4/-4) Nutzen-Matrix für wirkliche Gefangene und ihr Dilemma (adaptiert nach Hofstadter) Spieler A (-x/-y) bedeutet, daß A x und B y Jahre Gefängnis bekommen Spieler B + 3/3) 0/5) - 5/0) 1/1) Kanonische Nutzen-Matrix im Zwei-Personen GefangenenDilemma (adaptiert nach Hofstadter) Abbildung 447 Es gibt seit der Erfindung und Formalisierung des Gefangenendilemmas (1950) zur Illustration spieltheoretischer Entscheidungen im Anschluss an ”Theory of Games and Economic Behavior” (J. v. Neumann und O. Morgenstern) zahlreiche Interpretationen und Diskussionen darüber, wie es zu verstehen ist und was daraus für die Praxis folgt. Eine Voraussetzung aber wird oft unterschlagen. Für die beiden „Partner” (im Zwei-Personen-Spiel) gibt es kein „Gemeinwohl”, das sie beide zu mehren trachten. Beide sind (im landläufigen Sinn) Egoisten reinsten Wassers48. Man kann die theoretische Analyse [die von sich aus noch keine Handlungsempfehlung enthält!] in der Kosten-Nutzen-Matrix (denn darum geht es letztlich) aber auch als Definition des Egoisten und damit als einen wesentlichen Faktor „ökonomischer Rationalität”49 auffassen. Daraus folgt, dass man Mittel und Einsichten finden muss, um der Logik dieses Kosten-Nutzen-Modells zu entgehen und der Idee der „Kooperati________________ 47 48 49 Kurzversion: A und B haben ein „Ding” gedreht und wurden erwischt. Der Staatsanwalt hat Indizien, die beide für je zwei Jahre [ (-2/-2) in der Graphik] ins Gefängnis bringen würden (dh wenn beide „dicht" halten). Spielt einer der beiden Kronzeuge, so geht er frei und sein Komplize bekommt 5 Jahre Gefängnis [(0/-5) oder (-5/0)]. Gestehen beide, so bekommen sie je 4 Jahre [in der Nutzen-Matrix: (-4/-4)]. Addiert man überall 5 hinzu, so bekommt man die allgemeine Lösung (rechtes Bild). "+" bedeutet dann „kooperieren", "-" bedeutet „defektieren". Hofstadter, Tit for Tat. Kann sich in einer Welt voller Egoisten kooperatives Verhalten entwickeln?, in: Spektrum der Wissenschaft. Digest; Kooperation und Konkurrenz. (1998), 60 - 66 (61). Siehe dazu nochmals die Diskussion von A. Sen in „Rational Fools”. 112 on” als besserer, langfristig wirksamerer Problem-Lösungsstragie den Weg zu ebnen. Robert Gilpin 50 weist darauf hin, dass „uns blinde Abläufe [„nur?" : mE ] langsam (wie für evolutionäre Vorgänge üblich) in Richtung beiderseitig vorteilhafter Strategien auf der Grundlage der Zusammenarbeit lenken”. In der Biologie hat Lynn Margulis51 seit den 60-er Jahren (verkürzt formuliert) darauf hingewiesen, dass entgegen der rein (neo-)darwinistischen Auffassung der blinden Evolution (beinharter Konkurrenz, survival of the fittest, natürliche Selektion) Kooperation bei der Entstehung von Leben (grob gesprochen) eine viel größere Rolle gespielt hat als man gemeinhin angenommen hat. Interessant, sowohl sachlich als auch historisch, ist vielleicht, dass Darwins Evolutionstheorie explizit bei Adam Smith, dem Begründer der modernen Ökonomie und dessen „Marktphilosophie” Anleihen macht. Robert Gilpin, der vorschlägt „die Evolution der Kooperation zu beschleunigen” kann daher zur Unterstützung der These eines reflexiven Momentes (konkret in Form einer Berücksichtigung ethischer Aspekte) in der Wissenschaft und damit der Idee einer reflexiven Korrektur, herangezogen werden. Die langsame, zeitliche Evolution eines Systems, lässt sich nur „in einer oder mit Hilfe einer Theorie” (also einem strukturalen Wissen über die Welt) ÜBERHOLEN. Wenn man an dieser Stelle die ethischen Beurteilungsverfahren einbringt, so ist klar, dass man damit die klassischen Ansätze (insbesondere auch von Ethik) sprengt.52 Hier spielt zudem unser (schon angesprochenes) „europäisches Wissenschaftsverständnis" herein! Putnam hat in diesem Zusammenhang den missverstandenen „algorithmischen Wissenschaftsbegriff” zB von Rudolf Carnap kritisiert, wobei das eigentliche Problem die Projezierbarkeit und Operationalisierbarkeit theoretischer Begriffsbildungen ist. Theorien sind eben keine unmittelbaren Beschreibungen (von Realität) und liefern somit, wenn man etwa das Gefangenendilemma betrachtet, keine unmittelbaren (sondern nur indirekte) Handlungsanweisungen, die uns also aus unserer Verantwortung im Umgang mit Wissen nicht entlassen können. Putnam betont demgegenüber, anknüpfend an Dewey, die besondere Bedeutung von Demokratie und Dialog auch in der Wissenschaft (und dann wohl auch in der Wirtschaftstheorie und deren Umsetzungen). ________________ 50 51 52 Robert Gilpin, Krieg und Wandel in der Weltpolitik, zitiert in Hofstadter (FN 42), 66. Lynn Margulis, Symbiosis in Cell Evolution (1993). Hier geht es darum, die Rolle von Institutionen zu beachten. Es bleibt aber das Problem, dass man versuchen muss die ethischen Beurteilungen ja doch wieder auf individueller Ebene zu argumentieren. 113 Für Dewey und Peirce ist, um es nochmals herauszustreichen, „Forschung eine kooperative, menschliche Interaktion mit einer Umwelt; und beide Aspekte, das aktive Eingreifen, die aktive Beeinflussung der Umwelt und die Zusammenarbeit mit anderen Menschen sind entscheidend”53. Wenn zB neue Testbedingungen (zur Überprüfung wissenschaftlicher Theorien) eingeführt werden sollen, so hängt das „gleichfalls von Zusammenarbeit ab, da jedem Menschen, der sich den Anregungen von anderen Menschen verschließt, früher oder später die Ideen ausgehen und er nur noch die [eigenen] Gedanken ernst nimmt, die seine eigenen Vorurteile wiederspiegeln. Zusammenarbeit ist zur Bildung neuer Ideen und deren vernünftiger Überprüfung [unbedingt] notwendig.” Vor allem aber gilt, dass „die bloße Interpretation der nicht algorithmischen Standards, nach denen wissenschaftliche Hypothesen beurteilt werden, von Zusammenarbeit und Diskussion abhängt, die [letztlich] durch dieselben [auch ethischen] Normen strukturiert werden.” – „Für ihre volle Entfaltung und für ihre volle Anwendung auf menschliche Probleme benötigt Wissenschaft die [ethisch motivierte und geleitete] Demokratisierung der Forschung.”54 Das bedeutet aber auch, dass man die sogenannten klassischen Ansätze in der Ethik insofern sprengen muss, als man versuchen muss auch wissenschaftstheoretische Gedanken über das Zustandekommen und die Signifikanz von Wissen zu berücksichtigen. Man kann noch so gute ethische Argumente haben, wenn man an den „Sachzwängen" der Einzelwissenschaften scheitert, nützt das alles nichts. Allerdings ist es das Schicksal dieser Lösungsvorschläge, dass man dann nicht für die Lösungen belohnt wird, sondern als Hilfspunkt einer geometrischen Konstruktion zum Schluss wieder eliminiert wird. Es ist dies ein Schicksal diverser hochschuldidaktischer Situationen, wo man auch das Vorwissen eliminiert und glaubt nur noch aus der unreflektierten Sachlogik eines einzelnen Gebietes heraus, gute Wissenschaft leisten zu können. Man übersieht das Vorwissen (die Erfahrungen, den Anwendungs- und auch Vermittlungskontext) und man übersieht auch, dass man das, was man für die Umsetzung von Wissen in der Praxis dann tatsächlich braucht, eigentlich nur in einem Team und unter Berücksichtigung von diversen verschiedenen Ansätzen lösen kann. Team-Teaching wäre die effektivste Lösung. Wenn man also eine Ethik- oder Werte-"Verträglichkeit" einbauen will - wobei es ein zentrales Ziel sein muss Aversionen und das Unterlaufen von Maßnahmen zu ________________ 53 54 Putnam, Pragmatismus - Eine offene Frage (1995), 79. Putnam, Pragmatismus - Eine offene Frage (1995), 81. 114 verhindern, gleichzeitig aber so viel Motivation aufzubauen, dass versucht wird (nicht nur im Sinne einer inzwischen lahmen und an kompetenten Sachlösungen eher schwach oder gar des-interessierten Sozialpartnerschaft) kreative Sachlösungen zu finden und mit den Interessen aller Betroffenen abzustimmen. Wir brauchen, praktisch gesehen, eine „sozialverträgliche und ethisch motivierte Sach- und Kompetenzpartnerschaft". VIII. Ausblick: Denn erstens ist es anders und zweitens als man denkt. NACH DEM ÜBERZEUGEN KOMMT DAS ÜBERREDEN: „Ich sagte, ich würde den Andern ‚bekämpfen’, - aber würde ich ihm denn nicht Gründe geben? Doch; aber wie weit reichen die? Am Ende der Gründe steht die Überredung. (Denke daran was geschieht, wenn Missionare die Eingeborenen bekehren.)”55 Abschließend möchte ich noch auf folgende veränderte Situationen in der heutigen Zeit hinweisen, die sich vor allem aus der intensiven Wechselwirkung von Wirtschaft, Wissenschaft und Ethik bzw allgemein „philosophischer Reflexion” ergeben: Kant hat bekanntlich drei zentrale Fragen zur Charakterisierung des philosophischen Denkens formuliert: Was können wir wissen, was sollen wir tun, was dürfen wir hoffen. Aufgrund der oben angesprochenen Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft, Praxis und Philosophie56 glaube ich, dass wir die ersten beiden Fragen aus praktischer Sicht und für unsere Zwecke etwas umformulieren sollten: Was sollen wir wissen? Was können wir tun? Letztlich um in verantwortungsvoller Weise das Gute „tun zu können", das für uns alle nützlich ist (Allgemeinwohl), allen ein lebenswertes Leben ermöglicht, und den Einklang zwischen Natur und Mensch-Sein als mögliches Ziel berücksichtigt. Diese sehr komplexe Problemlage erfordert ua eine MehrkomponentenSemantik (-Pragmatik), um die vielfältigen Wechselwirkungen, die hier in der Praxis eine entscheidende Rolle spielen, verstehen, berücksichtigen und um aktiv darauf ________________ 55 56 Ludwig Wittgenstein, Über Gewissheit. § 612 (1990). Dazu wurde in Linz vom 1. - 4. Juni 2000 ein Kongress mit dem Titel „Philosophie Wissenschaft - Wirtschaft” abgehalten, zu dem namhafte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland eingeladen waren; siehe dazu den Tagungsband Born/Neumaier (Hrsg), Proceedings. Philosophie-Wissenschaft-Wirtschaft (Miteinander denken - voneinander lernen), Wien 2001. 115 eingehen zu können. Das Analyse-Schema LIR ist ein möglicher Ansatz dazu. Mit seiner Hilfe lassen sich unter Berücksichtigung der empirischen Grundlagen und der entsprechenden medizinischen, psychologischen und sonstigen dazu notwendigen empirischen Theorien, einerseits die vorhandenen Phänomene in ihrem Zustandekommen erklären und verstehen (im Nachhinein ist man ja immer klüger, selbst wenn man schon vorher auf mögliche Probleme hingewiesen hat), andererseits aber kann man ganz konkret Empfehlungen über die weitere Steuerung eines Systems machen, dh die geeigneten „Parameter/Stellgrößen” identifizieren und die dazu passende Implementierung(en) von Maßnahmen und deren Konsequenzen in ihrer „kausalen" Wechselwirkung zu anderen Maßnahmen und Reaktionen darauf abschätzen. Vor allem können dadurch auch „falsche Parametrisierungen” bzw Steuerungsversuche von Systemen bewusst gemacht werden und zu unseren „impliziten Wertvorstellungen” in Bezug gesetzt werden (nämlich hinsichtlich einer Warnung vor dem überzogenen Einsatz von problematischen Mitteln, einer Warnung, welche die Grenzen unserer Handlungen sichtbar zu machen versucht, die uns sagt, WIE WEIT MAN GEHEN DARF, ohne sich selbst und andere nachhaltig zu gefährden oder zu schädigen). Dadurch erhält Ethik eine eminent „empirische” Bedeutung, deren Grundlage die Möglichkeit zur „reflexiven Korrektur” unserer Handlungen auf der Basis von begründbaren Wertesystemen, Kooperationsverträgen, Wert-Einsichten uva ist. Nur wenn wir die Rationalität (und Umsetzung) wissenschaftlicher Analysen mit der (uU auch emotionalen) ethischen Beurteilung und persönlichen Betroffenheit im täglichen Leben verbinden, kann gelingen, was Anne Michaels in „Fluchtstücke” (der Bezug zu Saint Exupéry ist klar) so treffend auf den Punkt bringt: „Der beste Lehrer verankert einen Vorsatz nicht im Verstand, sondern im Herzen57.” Saint Exupéry fasst das Thema der „falschen Parametrisierungen” im „Kleinen Prinzen" auf andere Weise ebenso eindrucksvoll zusammen und bringt unser Empfinden auf den vielleicht entscheidenden Punkt: „Wenn ihr zu den großen Leuten sagt: Ich habe ein sehr schönes Haus mit roten Ziegeln gesehen, mit Geranien vor den Fenster und Tauben auf dem Dach ... dann sind sie nicht imstande, sich dieses Haus vorzustellen. Man muss ihnen sagen: Ich habe ein Haus gesehen, das hunderttausend Franc wert ist. Dann schreien sie gleich: Ach, wie schön!" ________________ 57 Anne Michaels, Fluchstücke (1999) 134. Siehe auch 126: „Athos, wie groß ist das Herz?” ... „Stell dir die Größe und Schwere einer Handvoll Erde vor.” 116 Literatur Tom L. Beauchamp/ James F. Childress, Prinziples of Biomedical Ethics, Oxford 2001. John Berger, Another Way of Telling, London 1985. John Berger, Und unsere Gesichter, mein Herz, vergänglich wie Fotos, A. L. Caplan, If I were a rich man could I buy a pancreas? Bloomington 1992. David Bohm, Der Dialog. Das offene Gespräch am Ende der Diskussionen, Stuttgart 1998. John Brockmann, Die dritte Kultur. Das Weltbild der modernen Naturwissenschaft, München 1996. Stanley Cavell, Consitions Handsome and Unhandsome, Chicago 1990. Stanley Cavell, The Claims of Reason. Dietrich Dörner, Die Logik des Mißlingens (Strategisches Denken in komplexen Situationen), Reinbek 1993. Antoine de Saint-Exupéry, Der Kleine Prinz, Düsseldorf 1993 (Karl Rauch Verlag). Rafael Ferber, Philosophische Grundbegriffe, München 1994. M. Hartkemeyer/J.F. Freeman/L. Dhority, Miteinander Denken. 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Weakland/Richard Fisch, Lösungen (Zur Theorie und Praxis menschlichen Wandels), Bern 1979. J. Winterson, Art Objects (Essays on Ecstasy and Effrontery), London 1996. 118