Vertrieb Verkauf Erfolgreich verkaufen durch zufriedenheitsorientierte Beratung FACHINFO • • • • • • • Vertrieb Persönlicher Verkauf Verkaufserfolg Mystery Shopping Beziehungsmarketing Beratungsqualität Personalauswahl Dr. Alexander Haas ist Habilitand am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbes. Marketing an der Universität Erlangen-Nürnberg. Eine ausführliche Dokumentation der Studie gibt es in dem Arbeitspapier Nr. 92 “Erfolgreich verkaufen durch zufriedenheits orientierte Beratung” des Lehrstuhl für Marketing der Universität Erlangen-Nürnberg; Euro 40. Kontakt: Lange Gasse 20 90403 Nürnberg Tel.: 0911/ 5302 214 Fax: 0911/ 5302 210 absatzwirtschaft Allein im deutschsprachigen Raum findet man in über 1000 Veröffentlichungen "totsichere" Tipps, Tricks und Empfehlungen für das Verkaufsgespräch. Belege und Begründungen sind jedoch Mangelware. Vor diesem Hintergrund präsentiert Dr. Alexander Haas die Ergebnisse einer Studie zum Verkäufereinfluss, Aufbau von Beratungszufriedenheit und zu Unterschieden zwischen erfolgreichen und erfolglosen Beratungsgesprächen. Tag für Tag betreten zahlreiche Kunden ein Geschäft, ohne bis zu diesem Zeitpunkt entschieden zu haben, ob sie dort auch kaufen werden – geschweige denn, welches Produkt sie im Falle eines Kaufs nehmen werden. Vor diesem Hintergrund hängen Wohl und Wehe von Handelsunternehmen nicht selten von den jeweiligen Verkäufern und ihrer "Kunst" ab, möglichst viele dieser (potenziellen) Kunden zum Kauf in diesem Geschäft zu bewegen. Will man wissen, wie man das Verkaufspersonal dazu bringt, derartige Verkaufssituationen erfolgreich zu meistern, kann man allein im deutschsprachigen Raum auf über 1000 Veröffentlichungen zurückgreifen, in denen selbsternannte Verkaufsprofis "totsichere" Tipps, Tricks und Empfehlungen geben. Belege und Begründungen sind dagegen Mangelware. Und auch die Wissenschaft kann die Frage, wodurch genau Verkaufsgespräche erfolgreich werden, bisher nicht befriedigend beantworten. Insofern ist der Lehrstuhl für Marketing dieser Frage im Rahmen eines empirischen Forschungsprojektes nachgegangen. Forschungsdesign Ausgangspunkt der Studie war die Überlegung, dass die Zufriedenheit der Kunden mit der Beratung die Kaufentscheidung der Kunden beeinflusst. Darauf aufbauend, wurden insbesondere drei Fragen untersucht: • Wie eng ist der Zusammenhang zwischen Beratungszufriedenheit und Kauf? • Welche Faktoren führen zu Beratungszufriedenheit? • Was macht den Erfolg einer Beratung insgesamt aus? Um Verkaufssituationen trotz der erhebungstechnischen Probleme – so führen zum Beispiel sowohl das sensible Themenfeld ("Manipulation der Kunden") als auch die nachträgliche Versachlichung des zuvor an den Tag gelegten Verhaltens zu Antwortverzerrungen, die reine Beobachtung schließt dagegen das Erheben inhaltlicher Aspekte des Gesprächsverlaufs aus – inhaltlich korrekt erfassen zu können, wurde ein MultiMethoden-Design auf Basis des Mystery Shopping entwickelt. Das Forschungsdesign sah vor, Testkun- Science Factory 3/2002 1 Vertrieb den in Elektro-Fachgeschäfte und -Fachmärkte zu schicken, die dort Interesse am Kauf eines bestimmten technischen Gebrauchsguts simulieren und sich beraten lassen sollten. Im Anschluss an die Beratung erfolgte eine Befragung der Testkunden mittels eines Fragebogens. Um objektive Daten für die Auswertung zu erhalten, wurden die geführten Verkaufsgespräche auf Tonband mitgeschnitten. Als Ergebnis der Erhebung standen 60 "Test-Verkaufsgespräche", die im Raum Würzburg/Nürnberg/Regensburg im Zeitraum August/September 2000 durchgeführt worden waren, für die Auswertung zur Verfügung. Erfolgseinfluss der Beratung Mit Blick auf die Frage, inwiefern die Zufriedenheit mit der Beratung dazu beiträgt, vorhandene Marketingziele (besser) zu erreichen, lässt sich als Ergebnis der Analysen festhalten, dass Beratung einen hohen Einfluss auf den Kunden ausübt. Insbesondere die Kaufentscheidung scheint sich fast ausschließlich unter dem Eindruck der Beratungsleistung des Verkäufers zu vollziehen. So beträgt die Kaufwahrscheinlichkeit bei Kunden, die mit der Beratung zufrieden sind, annähernd 70 Prozent. Das heißt: Von zehn mit der Beratung zufriedenen Kunden kaufen sieben. Ein Einfluss geschäftsspezifischer Faktoren – etwa der Auswahl an Geräten, der ansprechenden Gestaltung der Geschäftsräume oder der übersichtlichen Produktpräsentation – auf die Kaufwahrscheinlichkeit ließ sich dagegen in der vorliegenden Studie nicht feststellen. Analysiert man das Empfehlungsverhalten von Kunden, so wird dieses zwar auch in hohem Maße vom Verkäufer bestimmt. Allerdings ist der Einfluss auf die Weiterempfehlung bei weitem nicht so stark wie auf die Kaufwahrscheinlichkeit. Zudem hängen kundenseitige Empfehlungen nicht nur von der Verkäuferleistung, sondern auch von der Übersichtlichkeit der Produktpräsentation ab. In den genannten Ergebnissen absatzwirtschaft scheint sich die unterschiedliche Art der kundenseitigen Urteilsbildung widerzuspiegeln: Während sich die Kaufentscheidung als Ergebnis der unmittelbaren Interaktion des Kunden mit dem Verkäufer – und somit möglicherweise als Ergebnis eines unterbewusst ablaufenden Beeinflussungsprozesses – herausbildet, führt die Frage nach einer zukünftigen Empfehlung des Geschäfts dazu, sich die Beratungssituation grundsätzlich in Erinnerung zu rufen; der zugrundeliegende Beurteilungsprozess ist sehr viel stärker rational geprägt. In diesem Fall ist es nicht nur der Verkäufer, sondern auch die Produktpräsentation, die gleichsam als Schlüsselinformationen beim Kunden nachwirken. Diese beiden Aspekte prägen somit das Geschäftsimage in hohem Maße. Aufbau von Beratungszufriedenheit Stellt man sich nunmehr die Frage, wie Beratungszufriedenheit bei den Kunden entsteht, zeigt die Analyse der empirischen Daten, dass der Aufbau von Kundenzufriedenheit speziell von zwei Faktoren beeinflusst wird: zum einen durch das Ausmaß, mit dem der Kunde in den verkäuferseitigen Ausführungen eine Entscheidungshilfe sieht; zum anderen durch den verkäuferseitigen Versuch, ein positives Gesprächsklima aufzubauen (s. Abb. 1). Vergleicht man diesbezüglich die innerhalb der Studie als erfolgreich identifizierten Verkäufer mit den erfolglosen, lässt sich erkennen, dass ersteren nicht nur eine erheblich besser an den Kundenproblemen ausgerichtete Beratung gelingt, sondern dass sie sich auch deutlich stärker um ein positives Gesprächsklima bemühen. Betrachtet man statt dessen die erfolglosen Verkäufer (s. Abb. 2), erkennt man zunächst, dass es diesen nicht gelingt, in den Aufgabenbereichen, welche die Beratungszufriedenheit stark beeinflussen, namentlich die Entscheidungshilfe der Ausführungen sowie das Bemühen um Abb. 1: Ursachen der Beratungszufriedenheit Ursachen der Beratungszufriedenheit Entscheidungshilfe der Ausführungen Zufriedenheit mit der Beratung Bemühung um positives Gesprächsklima (Stärke der Pfeile = Stärke des Einflusses; n=57) Quelle: Dr. Alexander Haas Science Factory 3/2002 2 Vertrieb Abb. 2: Beurteilung des erfolglosen Verkäufers aus Kundensicht Beurteilung des erfolglosen Verkäufers (Kauf = „sehr unwahrscheinlich“; Mittelwerte ) Entkräftung der Kundeneinwände Fachwissen 3,1 Bemühung um positives Gesprächsklima 2,8 Ähnliche Meinungen Entscheidungshilfe der Ausführungen 4,9 3,0 2,7 2,1 Erfolgreicher Verkäufer (Skala: 1 („trifft gar nicht zu“) - 5 („trifft völlig zu“); n=9) Quelle: Dr. Alexander Haas ein positives Gesprächsklima, zufriedenstellend abzuschneiden. Darüber hinaus wird den erfolglosen Verkäufern deutlich weniger Fachwissen als ihren erfolgreichen Kollegen attestiert. Schließlich scheinen sie einen Großteil ihrer Bemühungen darauf zu konzentrieren, die im Verlauf der Beratung vorgebrachten Einwände der Kunden zu entkräften. Als Folge derartiger Verkaufsgespräche fühlen sich die Kunden nicht zum Kauf angeregt. Darüber hinaus legen zusätzliche regressionsanalytische Analysen nahe, dass durch den Fokus auf die Behandlung der Kundeneinwände Reaktanz seitens der Kunden entsteht. Insgesamt führen die erfolglosen Verkäufer die Beratung in dysfunktionaler Weise: Sie vernachlässigen diejenigen Aktivitäten, die zu Beratungszufriedenheit führen, konzentrieren sich dagegen auf solche, die einen Kauf unwahrscheinlich werden lassen. Fazit Alles in allem verweisen die vorgestellten Ergebnisse auf den starken Einfluss, den der Verkäufer auf die Kunden ausübt. Während dieser Einfluss in der Vergangenheit häufig nur in seiner unmittelbaren Wirkung auf den Verkaufsabschluss hin gewürdigt wurde, scheint der Verkäufer darüber hinaus auch das Unternehmensimage und die Mund-zu-MundWerbung der Kunden in erheblichem Maße zu beeinflussen. Damit hängt nicht nur der kurzfristige, sondern auch der langfristige Unternehmenserfolg zu großen Teilen vom Ver- kaufspersonal ab. Als Folge wird der Verkäufer zum erfolgskritischen Faktor eines auf den Endkunden gerichteten Beziehungsmarketing. Dass dabei dem Aufbau einer effektiven Verkaufsmannschaft eine hohe Bedeutung zukommt, ist offensichtlich. Nach wie vor fassen Unternehmen diese Aufgabe jedoch nicht selten als Problem der Personalauswahl auf. Dem steht entgegen, dass die für den Aufbau von Beratungszufriedenheit als nötig identifizierten Tätigkeiten erlernbar sind. Die entsprechenden Schulungsmaßnahmen müssen sowohl auf den Aufbau sozialer Kompetenz abzielen (Aspekt: positiv empfundene Beratung) als auch jenes Know-how vermitteln, das die Probleme der Kunden produktspezifisch zu beantworten erlaubt. Gerade hier ist speziell das Marketing der Hersteller gefragt, um den Verkäufern nicht nur die richtigen Argumente, sondern diese auch in der für die Beratung richtigen Form an die Hand zu geben. Auf diese Weise können Unternehmen, denen dies besser gelingt als der Konkurrenz, die Effektivität des eigenen Produktmarketing wirkungsvoll und nachhaltig steigern. ESSENTIALS • Verkäufer üben einen hohen Einfluss auf die Kunden, insbesondere auf deren Kaufentscheidung aus. • Die Kundenzufriedenheit hängt von der Entscheidungshilfe der Beratung und dem Gesprächsklima ab. • Erfolglosen Verkäufern gelingt es nicht, die Kunden zum Kauf anzuregen. © 2002 Verlagsgruppe Handelsblatt. Alle Rechte vorbehalten. 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