mietrechtspraxis/mp Heft: Ab Seite: 1/99 38 Amtliche Sammlung Droit du bail - Praxis Cahiers du bail 3/99 p. 91 Semaine Judiciaire 1999 p. 167 MietRecht Aktuell - http://www.mietrecht.ch Art. 254 OR Geschäftsübernahme als erlaubtes Koppelungsgeschäft Ein Kaufvertrag über Mobiliar, Ausstattung, Kundschaft etc. eines Gastbetriebes kann gültig mit dem Recht, einen Mietvertrag abzuschliessen verbunden werden, ausser wenn der Mieter für die Übernahme des Betriebs einen Phantasiepreis bezahlt, um den Abschluss des Mietvertrages zu erreichen. Aus den Tatsachen Der Vermieter und Eigentümer einer Bar schloss mit einem Angestellten einen Vertrag über die Übernahme des darin befindlichen Mobiliars, der Ausstattung, der festen und beweglichen Installationen und ganz allgemein des ganzen Betriebes. Der Vertrag beinhaltete auch die Berechtigung, einen Mietvertrag abzuschliessen sowie den Namen des Betriebes und die Betriebsbewilligung zu übernehmen. Der Verkaufspreis wurde auf Fr. 70'000.-- festgelegt, wovon eine erste Anzahlung von Fr. 20'000.-- sofort und der Rest später zahlbar war. Anschliessend wurde zwischen den Parteien auch der Mietvertrag abgeschlossen. Bereits nach kurzer Zeit kam es zu Streitigkeiten, weil der Mieter das Lokal ohne Erlaubnis des Vermieters untervermietet hatte. Schliesslich wurde der Mietvertrag gekündigt. Der Mieter verlangt die Rückerstattung der von ihm bezahlten Anzahlung von Fr. 20'000.--, weil es sich bei der Geschäftsübernahme in Wirklichkeit um die Bezahlung eines Handgeldes gehandelt habe. Der Vermieter verlangt die Bezahlung des restlichen Kaufpreises von Fr. 50'000.--. Aus den Erwägungen 3. b) Nach dem Wortlaut von Art. 254 OR ist ein Koppelungsgeschäft, das im Zusammenhang mit der Miete von Wohn- oder Geschäftsräumen steht, nichtig, wenn der Abschluss oder die Weiterführung des Mietvertrages davon abhängig gemacht wird, und der Mieter dabei gegenüber dem Vermieter oder einem Dritten eine Verpflichtung übernimmt, die nicht unmittelbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängt. c) Die erste Voraussetzung, damit ein Koppelungsgeschäft missbräuchlich ist, besteht darin, dass der Abschluss des Mietvertrages davon abhängig gemacht wird, dass der Mieter das damit gekoppelte Geschäft akzeptiert. Das Koppelungsgeschäft muss Voraussetzung für den Bestand des Mietverhältnisses (conditio sine qua non) sein (HIGI, Zürcher Kommentar, N. 17 zu Art. 254 OR; SVIT-Kommentar Mietrecht, 2. Aufl., Zürich 1998, N. 15 zu Art. 254 OR; LACHAT, Le bail à loyer, Lausanne 1997, Kap. 22 N., 2.4, S. 368). Der Übernahmevertrag enthielt im vorliegenden Fall namentlich auch die Berechtigung, den Mietvertrag abzuschliessen. Der Abschluss des Mietvertrages über das Lokal hing somit mit der Übernahme zusammen. Die Unterzeichnung dieses Vertrages war damit für den Kläger (Mieter) eine "conditio sine qua non", um den gewünschten Mietvertrag abschliessen zu können. d) Nach Art. 254 OR darf die Verpflichtung, die der Mieter mit dem Koppelungsgeschäft übernimmt, nicht unmittelbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängen. Art. 3 VMWG bezeichnet insbesondere die Verpflichtung des Mieters, die Mietsache, Möbel oder Aktien zu kaufen oder einen Versicherungsvertrag abzuschliessen, als Koppelungsgeschäft im Sinne von Art. 254 OR. Unter den zahlreichen in der Lehre aufgeführten Beispielen weisen zwei Ähnlichkeiten mit dem vorliegenden Fall auf: So weisen HIGI und der SVIT-Kommentar zu Recht darauf hin, dass die Verkoppelung eines Mietvertrages über eine Gaststätte mit einem Kaufvertrag über Mobiliar oder Gebrauchsgegenstände nicht zur Nichtigkeit des Kaufvertrags führt, denn entweder ist der direkte Zusammenhang mit dem Gebrauch der Mietsache gegeben oder, wenn man nicht davon ausgehen wollte, so hätte das Fehlen dieses Zusammenhangs keinen missbräuchlichen Charakter, was für die Nichtigkeit des Koppelungsgeschäftes Voraussetzung wäre. Zurecht gehen auch beide Autoren davon aus, dass die Übernahme eines Geschäftes mit Aktiven und Passiven im Sinn von Art. 181 OR, das heisst mit Maschinen, Inventar, Vorräten und Goodwill (Wert der Kundschaft), verbunden mit der mietweisen Übergabe der Lokalitäten durch den Vermieter und Verkäufer, nicht ein Koppelungsgeschäft im Sinne von Art. 254 OR ist (HIGI, op. cit., N. 16 zu Art. 254 OR; SVIT-Kommentar, N. 17 zu Art. 254 OR). Im vorliegenden Fall fand keine Geschäftsübernahme im Sinn von Art. 181 OR statt, da die Passiven nicht übernommen wurden. Indessen übernahm der Mieter Mobiliar und Gebrauchsgegenstände des Lokals. Dabei handelte es sich offensichtlich um eine mit dem Gebrauch der Mietsache unmittelbar zusammenhängende Verpflichtung. Damit fällt das Geschäft nicht unter die zweite Voraussetzung von Art. 254 OR. e) Ein an sich zulässiges Koppelungsgeschäft kann trotzdem missbräuchlich sein, wenn der vom Mieter verlangte Preis für den Erwerb von Gütern oder Vorteilen, an denen der Mieter wegen der Besonderheiten des Mietobjektes interessiert ist, in keinem Verhältnis mit dem tatsächlichen (viel tieferen) Wert dieser Güter ist. Ein derartiges Missverhältnis ist ein Indiz dafür, dass der Mieter die vertragliche Verpflichtung nur unter dem Zwang einging, den Mietvertragsabschluss zu erlangen. Der Beweis für ein derartiges missbräuchliches Missverhältnis zwischen Preis und Gegenleistung obliegt nach Art. 8 ZGB der Partei, die die Nichtigkeit des Koppelungsgeschäftes behauptet (SVIT-Kommentar N. 17 und 21 zu Art. 254 OR; Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, Basel 1992, N. 4 zu Art. 254 OR). Im vorliegenden Fall hat das Kantonsgericht in freier Kognition festgestellt, dass über den vereinbarten Preis für die Übergabe verhandelt worden war und er dem Wert des Mobiliars, dem Anspruch auf den Abschluss des Mietvertrages, dem Namen und den behördlichen Bewilligungen entsprach. Der Mieter hat nicht nachgewiesen, dass der Preis ohne Gegenleistung bezahlt worden wäre oder dass nur geringfügige Nebenleistungen erbracht worden wären. Das Kantonsgericht hat kein missbräuchliches Missverhältnis zwischen Preis und Gegenleistung festgestellt. Der Vertrag ist deshalb kein nichtiges Koppelungsgeschäft im Sinn von Art. 254 OR. Bundesgericht, 1. Zivilabteilung, 4C 187/1998, 2. Dezember 1998; Originaltext französisch