Verwaltungsmarketing Martin Brüggemeier und Manfred Röber 1 Verzeichnis: 1. Problemstellung und Stand der Entwicklung ................................ 2 2. Funktionen des Marketing für öffentliche Verwaltungen im Kontext des Public Management...................................................... 3 3. Marketingrelevante Spezifika öffentlicher Verwaltungen ............. 5 3.1 Leistungsadressaten und Leistungstypen................................ 5 3.2 Leistungszwecke.................................................................... 5 3.3 Entscheidung über Leistungserstellung und Handlungsspielräume .................................................................. 6 3.4 „Disziplinierung“ der Leistungserstellung und –abgabe.......... 6 3.5 Marketing-Sachverstand und Marketing-Akzeptanz ............... 7 4. Marketing in innovativen FH-Studiengängen für den öffentlichen Sektor.............................................................................................. 8 5. Fazit ..........................................................................................10 Literatur ........................................................................................11 (Manuskript, Berlin im Juli 2003) 1 Prof. Dr. Martin Brüggemeier ([email protected])/ Prof. Dr. Manfred Röber ([email protected]), Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften I, Arbeitsbereich Public Management, Treskowallee 8, D-10318-Berlin 2 1. Problemstellung und Stand der Entwicklung Vor dem Hintergrund des Tucholskyschen Bonmots, dass es das Ideal eines jeden Deutschen sei, hinter dem Schalter zu sitzen, und das Schicksal eines jeden Deutschen, vor dem Schalter zu stehen, stellt sich die Frage, warum man sich in öffentlichen Verwaltungen überhaupt mit dem Thema "Marketing" beschäftigen soll. Solange öffentliche Verwaltungen im wesentlichen Angebotsmonopolisten waren, die zudem über eine breite Palette rechtlicher Steuerungs- und Sanktionsinstrumente verfügten, schien hierzu wenig Veranlassung zu bestehen. Die Ursprünge des Marketing für öffentliche Verwaltungen können auf den 1969 erschienenen Beitrag „Broadening the Concept of Marketing“ von Kotler und Levy zurückgeführt werden (Kotler/Levy 1969). Die Diskussion über das Thema „Marketing in öffentlichen Verwaltungen“ setzte in der Bundesrepublik Deutschland erst mehr als zehn Jahre später ein (siehe z.B. Hasitschka/Hruschka 1982, Eichhorn/Buchholz 1983, Raffee/Wiedmann 1983, Homann/Meissner 1986, Röber 1987 und 1988, Braun / Töpfer 1989a und b, Töpfer 1990, Bargehr 1991, Rieger 1991). Betrachtet man allerdings genauer, was von dieser Diskussion in der Ve rwaltungspraxis angekommen ist, dann beschränkt sich dies bislang überwiegend auf professionellere Öffentlichkeitsarbeit (und Werbung). Lediglich beim Stadtmarketing gibt es mittlerweile umfassendere Ansätze, die die Bezeichnung „Marketing“ zumindest ansatzweise verdienen. Dies hängt offensichtlich damit zusammen, dass sich die St ädte und Regionen im Zuge der Globalisierung einem immer stärker werdenden Standortwettbewerb ausgesetzt sehen (Grabow/Hollbach-Grömig 1998). Ähnliche Entwicklungen in Richtung umfassender Marketingkonzepte sind auch bei (quasi-) privaten Nonprofit -Organis ationen überall dort zu beobachten, wo deren traditionell abgesteckte Claims durch Wettbewerbsstrukturen aufgebrochen wurden. Allerdings unterliegen Politik und Verwaltung weltweit einem immer größeren Effizienz-, Effektivitäts- und Legitimationsdruck bezüglich ihrer Produkte und Verfahren. Diesem Druck versuchten sie in den letzten Jahren unter anderem mit betriebswirtschaftlich orientierten Reformen, die unter der Überschrift „(New) Public Management“ im wesentlichen aus einer Mischung von Public Choice Theorie und Managementtheorie bestehen, zu begegnen (vgl. Pollitt/Bouckaert 2000, Budäus/Finger 1999, Brüggemeier 2001). Verwaltungsmarketing 3 Insgesamt muss bei allem Respekt festgehalten werden, dass sich der Stand der Entwicklung in bezug auf das Marketing für öffentliche Ve rwaltungen - mehr als 30 Jahre nach Kotlers „Broadening-Initiative“ - noch immer als relativ unbefriedigend darstellt. Die grundlegenden Arbeiten sind zu allgemein, die speziellen Arbeiten zu speziell, und es mangelt an jener integrierten Perspektive, die das moderne Marketing fordert. Auffällig ist weiterhin, dass nicht selten entweder auf der institutionenbezogenen oder auf der funktionsbezogenen Seite zu kurz gegriffen wird: Marketingexperten kennen und verstehen die Verwaltung oft unzureichend - Verwaltungsexperten scheinen mitunter resistent gegenüber der fortgeschrittenen Diskussion im (Dienstleistungs-)Marketing (vgl. dazu z.B. Meffert/Bruhn 2000). Im Folgenden werden wir zunächst die Funktionen des Marketing im Kontext des Public Management skizzieren, ohne dabei auf den konkreten Einsatz der Instrumente des Marketing-Mix in öffentlichen Verwaltungen einzugehen (vgl. hierzu z.B. Kotler 1979, Homann 1995). Danach werden wir die Spezifika des Verwaltungsmarketing aufzeigen. Anschließend werden wir einen kurzen Überblick über die Verankerung des Themas „Marketing“ in Studiengängen des Public Management geben und unseren Beitrag mit einem kurzen perspe ktivischen Fazit beenden. 2. Funktionen des Marketing für öffentliche Verwaltungen im Kontext des Public Management Für welche Probleme der öffentlichen Verwaltungen hat Marketing Lösungen zu bieten? In allgemeiner Form können die vorrangigen Probleme öffentlicher Verwaltungen im entwickelten demokratischen und sozialen Rechtsstaat als Effizienz-, Effektivitäts- und Legitimationsdefizite beschrieben werden. Dabei stehen die genannten „Probleme“ zugleich auch für formale Ziele öffentlicher Verwaltungen. Jenseits der mit vordergründiger Kunden- und Dienstleistungs -Rhetorik garnierten Verfreundlichung von Zumut ungen liegen unseres Erachtens genau hier die wirklich relevanten Funktionen eines Marketing für öffentliche Verwaltungen. Dessen einschlägige Problemlösungsbeiträge gründen auf einer Abkehr von der vorherrschenden Angebotsorientierung zugunsten einer Nachfrageorientierung – wobei uns in diesem Abschnitt zunächst nur die Funktionen – gerade auch im Sinne von Chancen und Möglichkeiten – interessieren (zu Spezifika und Restriktionen siehe weiter unten). Folgt man dem Leitgedanken der Nachfrageorientierung, dann geht es zunächst darum, den „Markt“ zu segmentieren (vgl. z.B. Sandberg 1995), 4 Zielgruppen zu bilden und die Leistungsangebote so weit und so konsequent wie möglich an den Bedürfnissen der Adressaten bzw. Zielgruppen auszurichten. Statt einer fürsorglichen Zwangsbeglückung und einer Fixierung auf die Produkte (sogenannte Marketing-Kurzsichtigkeit) wäre auf die Bedürfnisse und den mit einem spezifischen Leistungsangebot diesbezüglich verbundenen Kundennutzen abzustellen. Zur Nachfrageorientierung gehört selbstverständlich auch die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Nachfrage bzw. auf die Einstellungen und das Verhalten der Adressaten. Dies gilt beispielsweise dann, wenn Präferenzen für Individualgüter im Allgemeininteresse korrigiert werden sollen („meritorische Güter“). Generell kann eine wesentliche Aufgabe von Marketing darin gesehen werden, das Niveau, das temporäre Auftreten sowie das Wesen der Nachfrage so zu beeinfussen, dass damit zur Erreichung der Ziele öffentlicher Verwaltungen beigetragen wird (Marketing als „Nachfrage-Management“, vgl. Kotler/Bliemel 2001). Es versteht sich von selbst, dass es bei der Einflussnahme auf das Nachfrageverhalten auch darum geht, das Leistungsangebot öffentlicher Verwaltungen und die Nachfrage derart in Einklang zu bringen, dass die verfügbaren Ressourcen möglichst wirtschaftlich genutzt werden (z.B. durch Abbau punktueller Spitzennachfragen, durch Vermeidung von Leerzeiten/-kapazitäten, durch Inanspruchnahme von Vorsorgemaßnahmen etc.). Freilich darf nicht ve rgessen werden, dass ein professionelles Verwaltungsmarketing Kosten verursacht. Aus ökonomischer Sicht betrachtet macht es in öffentlichen Verwaltungen nur dort Sinn, wo unter jeweils konkreten Rahmenbedingungen die Opportunitätskosten eines Verzichts auf Marketing die Kosten des Marketing überschreiten. Die mit dem Übergang von der Angebotszur Nachfrageorientierung einher gehenden Veränderungen bei der Finanzierung öffentlicher Aufgaben weisen auf eine weitere wichtige Funktion des Marketing hin. Es geht nicht mehr nur um Kosteneffizienz, sondern um eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, die natürlich auch durch höhere Einnahmen zu erreichen ist. Darüber hinaus kann mit Marketing nicht nur die Effizienz, sondern auch die Effektivität von politisch-administrativen Programmen verbessert werden. Im Prinzip geht es dabei um eine wirkungsorientierte Verwaltungssteuerung auf der Basis eines Policy-Marketing, indem die gesellschaftsbezogene Problemlösungsfähigkeit insbesondere durch Einstellungs- und Verhaltensänderungen erhöht wird. Damit besteht auch die Chance, die kollektiven und die individuellen Legitimationsgrundlagen öffentlichen Handelns zu stärken (vgl. auch Schedler/Proeller 2000). Insgesamt können wir konstatieren, dass Marketing in öffentlichen Verwaltungen überall dort angebracht ist, wo eine konsequente und systematische Berücksichtigung der Bedürfnisse, Wünsche, Probleme, Einstel- Verwaltungsmarketing 5 lungen und Verhaltensweisen der Adressaten des Verwaltungshandelns (Bürger, Unternehmen) bei der Gestaltung und Steuerung der Leistungsprozesse zu einer besseren Erreichnung der Verwaltungsziele beitragen kann. Darüber hinaus kann Marketing auch bei der zielbezogenen Gestaltung von weiteren Austauschbeziehungen öffentlicher Verwaltungen mit anderen externen (z.B. Beschaffungs- und Arbeitsmärkte, Auftragnehmer, Kooperationspartner, Öffentlichkeit) und internen (insbesondere Mitarbe iter) Tauschpartnern helfen, die nicht in einer Kundenrolle auftreten (vgl. hierzu auch Palupski 1997). 3. Marketingrelevante Spezifika öffentlicher Verwaltungen 3.1 Leistungsadressaten und Leistungstypen Bei einer stärkeren Nachfrageorientierung im Handeln öffentlicher Verwaltungen darf nicht übersehen werden, dass der Bürger nicht eindimensional auf die Rolle des Verwaltungskunden reduziert werden kann. „Kunden“ sind kaufkräftige Nachfrager, die zwischen unterschiedlichen Anbietern wählen können – ebenso wie sich private Anbieter zumindest im Prinzip auch ihre Kunden aussuchen können. Allenfalls in den Fällen, in denen die Verwaltung individualis ierbare Dienstleistungen anbietet, die von den Bürgern freiwillig nachgefragt und bezahlt werden und bei denen die Verwaltung mit anderen (öffentlichen, gemeinnützigen oder privaten Anbietern) konkurriert, kann die Metapher vom Kunden uneingeschränkt auf den öffentlichen Sektor übertragen werden. Jenseits der Metaphernfunktion des Kundenbegriffs (vgl. Schedler/Proeller 2000, S.55ff.) dürfen andere Rollen von Leistungsadressaten nicht übersehen (wie z.B. Wähler, Steuerzahler, Hilfeempfänger, Antragsteller, Subventionsempfänger, Normenverletzer) und unterschiedliche Leistungstypen nicht über einen Kamm geschoren werden (wie z.B. individuelle Dienstleistungen mit und ohne Entgelt, Infrastrukturleistungen, begünstigende und belastende Verwaltungsakte). 3.2 Leistungszwecke Bei den Leistungszwecken im Kontext öffentlicher Verwaltungen geht es primär um die Befriedigung kollektiver Bedürfnisse – selbst wenn damit auch individuelle Bedürfnisse (wie z.B. bei Bildung und Kultur, Gesund- 6 heit, Sicherheit) befriedigt werden können. Dieses Kollektivbedürfnis ist in der Regel konstitutiv für öffentliche Leistungsangebote. Im Kern geht es dabei darum, mit politisch-administrativen Programmen übergeordnete politische Ziele zu verfolgen und auf die Gesellschaft einzuwirken bzw. sie zu verändern (wie z.B. soziale Kohäsion, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit). In diesem Zusammenhang kann es durchaus zu Konflikten zwischen individuellen Bedürfnissen und Erwartungen, die z.B. aus der Kundenrolle abgeleitet werden, und anderen legitimen Ansprüchen, die der Leistungsabgabe zugrunde liegen, kommen. Hierzu gehören insbesondere fachliche Standards, rechtliche und ressourcenmäßige Restriktionen, übergeordnete politische Zwecksetzungen und gesellschaftliche Bedürfnisse. 3.3 Entscheidung über Leistungserstellung und Handlungsspielräume Über Art und Umfang öffentlicher Leistungen, die auf die Gesellschaft einwirken sollen, wird im Rahmen des politischen Diskurses von politisch legitimierten Akteuren entschieden. Dies hat in der Praxis zu einer primär (von Verwaltungsfachleuten bestimmten) angebotsorientierten Leistungspolitik geführt, die der Verbreitung von Marketingkonzepten bislang im Wege stand. Aus der Reformperspektive des Public Management ist der Zusammenhang zwischen der Sicherung des politischen Primats von Entscheidungen über öffentliche Leistungen und der ausschließlichen Angebotsorientierung jedoch keineswegs zwingend. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass einzelne öffentliche Verwaltungen immer Teil einer übergeordneten (gebiets-)körperschaftlichen Einheit sind und sich demzufolge an einheitliche Regularien dieser Einheit zu halten haben. Hieraus resultieren – im Vergleich zu privaten Unternehmen – in der Regel deutlich eingeschränktere Handlungsspielräume, die sich insbesondere in Bezug auf den Einsatz der marketingpolitischen Instrumente als Restriktion erweisen können (vgl. Röber 1987, Raffée/Fritz/Wiedmann 1994, S.201ff.). 3.4 „Disziplinierung“ der Leistungserstellung und –abgabe Anders als private Unternehmen, deren Leistungserstellung und –abgabe durch den Marktwettbewerb reguliert und diszipliniert wird, unterliegen öffentliche Verwaltungen nur in Ausnahmefällen vergleichbaren externen Rahmenbedingungen. Die disziplinierende Wirkung basiert bei privaten Unternehmen darauf, dass Kunden Wahlmöglichkeiten haben und zu Konkurrenten abwandern können (Exit-Option - bis zur Strafe des Untergangs Verwaltungsmarketing 7 eines Unternehmens). Der Erfolg bzw. Mißerfolg von Unternehmen wird in der Regel rasch und unmittelbar über Marktsignale rückgekoppelt. Über ein vergleichbares Informationssystem verfügen öffentliche Verwaltungen nicht, weil den Bürgern im traditionellen (angebotsorientierten) Verwaltungssystem nicht die Exit-Option, sondern bestenfalls die des Widerspruchs („Voice“) zur Verfügung steht. Zudem unterliegen öffentliche Verwaltungen bislang in der Regel keinem Bestandsrisiko. Daraus folgt, dass Politik und Verwaltung in Bezug auf konkrete Leistungsangebote nur diffuse Signale (Mobilisierung der Politik, Wahlergebnisse) erhalten, die im politischen Wettbewerb „verarbeitet“ werden. Die disziplinierende Wirkung dieses Mechanismus kann aber durchaus sehr zweischneidig sein, weil dies auch zu politischem Opportunismus und Klientelpolitik führen kann (vgl. auch Lamb 1987). Hiervon zu unterscheiden ist die disziplinierende Wirkung des Rechtmäßigkeitsgebots, das auf der Ebene des operativen Verwaltungshandelns für die Adressaten eine berechenbare, korrekte und juristisch überprüfbare Leistungserstellung und –abgabe sichern soll. 3.5 Marketing-Sachverstand und Marketing-Akzeptanz Nach den bisherigen Ausführungen kann es nicht überraschen, dass profunde Kenntnisse über Marketingphilosophie, -methoden und –instrumente in den öffentlichen Verwaltungen nur selten vorhanden sind. Auch in den Behörden, die unter Wettbewerbsbedingungen zu arbeiten haben (ohne j edoch in ihrem Bestand gefährdet zu sein), wird Marketing weitgehend ignoriert. Damit fehlt es in öffentlichen Verwaltungen an einer wichtigen Voraussetzung für ein professionelles Marketingmanagement. Selbst in Fällen, in denen einzelne Marketinginstrumente mit durchaus beachtlichem Erfolg eingesetzt werden, wird bisweilen der Bezug zum Marketing als ganzheitlichem Steuerungsansatz als mit dem „Geist des öffentlichen Dienstes“ bzw. der spezifischen Fachaufgabe unvereinbar angesehen. Unter dem Gesichtspunkt der oben kurz angedeuteten weitreichenden Bestrebungen zur ökonomisch orientierten Verwaltungsmodernisierung ist die Hochschulausbildung für den öffentlichen Dienst besonders herausgefordert, die konstatierte Lücke im Marketing-Know-how zu schließen. 8 4. Marketing in innovativen FH-Studiengängen für den öffentlichen Sektor Obwohl das Fach Marketing in den FH-Studiengängen der Betriebswirtschaftslehre fest etabliert ist, spielen nach unserem Eindruck die Spezifika des Marketing für öffentliche Verwaltungen und für andere nichtkommerzielle Institutionen in diesen Studiengängen eine allenfalls untergeordnete Rolle. Unabhängig von der wachsenden Praxisbedeutung wird dieses Thema nicht selten als exotische Randerscheinung oder aufgrund des „Not-for-profit“- Charakters der Branche vielleicht sogar als ein wenig bizarr und „unanständig“ empfunden. Diese Wahrnehmung findet in der traditionellen Ausbildung für den gehobenen nicht -technischen Verwaltungsdienst eine eigentümliche Entsprechung. Die FH-Ausbildung für die Verwaltungsgeneralisten erfolgte bislang in sogenannten internen Studiengängen an Verwaltungsfachhochschulen. Im Rahmen dieses primär auf Rechtsanwendung ausgerichteten Studiums besteht meist die Möglichkeit, sich für einen Studienschwerpunkt, ein Wahlpflichtfach oder ein Wahlfach aus dem Bereich der Öffentlichen Betriebswirtschaftslehre zu entscheiden. Von Ausnahmefällen abgesehen ist Marketing hier - selbst in zwischenzeitlich externalisierten Studiengängen - nach wie vor bestenfalls in Spurenelementen anzutreffen. Anders verhält es sich hingegen bei den meisten grundständigen Reformstudiengängen, die seit der ersten Hälfte der 90er Jahre als innovative Beiträge zu einer umfassenden Modernisierung des öffentlichen Sektors konzipiert und an Fachhochschulen eingeführt wurden (vgl. Reichard 1998). Sie sind curricular und vom akademischen Abschluss her mehr oder weniger klar als betriebswirtschaftliche Studiengänge positioniert, die vom ersten Semester an auf managementbezogene Tätigkeiten in einem mehr oder weniger breiten Spektrum unterschiedlicher Felder und Organisationsformen öffentlicher Aufgabenwahrnehmung vorbereiten. Die nachfolgende Tabelle gibt - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - einen groben Überblick über das Marketing-Angebot in einschlägigen (grundständigen) Regelstudiengängen für den öffentlichen Sektor, die bereits seit mehreren Jahren durchgeführt werden (vgl. Bischoff 2000). Verwaltungsmarketing 9 Fachhochschule FH für Technik und Wirtschaft Berlin und FH für Verwaltung und Rechtspflege Berlin Studiengang/ Marketing im Marketing im akademischer Grad Grundstudium Hauptstudium Öffentliches Dienstleis- Pflichtfach Funktionaler Stutungsmanagement (4 Sws) dienschwe rpunkt (Public Management); (Wahlpflicht 20 Dipl.-Kaufmann/-frau Sws); Marketing in (FH) Nonprofit Organisationen (Wahlpflicht 2 Sws); Emp. Markt- und Sozialforschung (Pflichtfach 2 Sws) FH für öffentliche Verwaltung NRW, Abteilung Münster Hochschule Bremen Verwaltungsbetriebswirtschaftslehre; Dipl.Verwaltungswirt/in (FH) Europäischer Studiengang Wirtschaft und Verwaltung; Dipl.-Verwaltungsbetriebswirt/in (FH) FH Osna- Verwaltungs brück management; Dipl.-Kaufmann/-frau (FH) Wahlpflichtfach (6 Sws) Pflichtfach (4 Sws) Problemfeld „Kunde und Verwaltung“ im Rahmen von Pflichtfächern (ca. 4 Sws) Hochschule Verwaltungsökonomie / Pflichtfach „BeÖffentliches Harz, schaffung / Ve rDienstleistungsmanaFachwaltungsmarkegement; bereich ting“ (2 Sws) Dipl.-VerwaltungsVerwalökonom/-in (FH) tungswissenschaft, Halberstadt Wahlpflichtfach (16 Sws) Vertiefungsrichtung „Kommunikation und Marketing“ (Wahlpflicht 12 Sws) 10 Im funktionalen Schwerpunkt „Marketing“ des hochschulübergreifenden Studiengangs „Öffentliches Dienstleistungsmanagement (Public Management )“ der FHTW Berlin und der FHVR Berlin sind beispielsweise im Hauptstudium folgende Lehrveranstaltungen jeweils mit einer Prüfung abzuschließen (insgesamt 20 Sws): • Marketing-Management I (4Sws) • Marketing-Management II (2 Sws) • Rechtliche Aspekte des Marketing (4 Sws) • Verhaltensbezogene Aspekte des Marketing (2 Sws) • IT-Anwendungen im Marketing (2 Sws) • Kommunales Marketing (2 Sws) • Qualitätsmanagement (2 Sws) • Marketing-Seminar (2 Sws) Darüber hinaus ist die Pflichtlehrveranstaltung „Empirische Markt - und Sozialforschung“ (2 Sws) zum Marketingangebot zu zählen und für alle Studierenden obligatorisch. Der Studienschwerpunkt stößt seit dem Start des Studiengangs im Jahre 1994 bei den Studentinnen und Studenten auf großes Interesse. Bei den Diplomarbeiten der bisher fünf AbsolventenJahrgängen des Berliner Studiengangs Public Management lag der Anteil von Marketing-Themen im Durchschnitt bei ca. 30 %. 5. Fazit Angesichts der dramatischen Finanzkrise und der anhaltenden Diskussion über Staatsversagen zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die traditionelle angebotsorientierte Handlungslogik der öffentlichen Verwaltung zumindest durch einige Elemente einer stärker nachfrageorientierten Handlungsrationalität ergänzt werden wird. Dies wird voraussichtlich dazu beitragen, dass die bislang vorherrschende Binnenorientierung der Verwaltungsreform von externen Strukturreformen (wie Wahlmöglichkeiten der Leistungsempfänger, Wettbewerb und Wettbewerbssurrogate, nachfrageorientierte Finanzierungssysteme) abgelöst wird (vgl. zu Möglichkeiten und Grenzen des Wettbewerbs im öffentlichen Sektor Röber 2000 und zu Konsequenzen einer wettbewerbsorientierten Organisationsgestaltung Brüggemeier/Röber 2003). Wenn diese Entwicklung eintritt, dann werden sich die Rahmenbedingungen des öffentlichen Handelns grundlegend ve rändern – mit der Folge, dass das Zeitalter der „Unsterblichkeit“ öffentlicher Verwaltungen der Vergangenheit angehören wird. Unter diesen Be- Verwaltungsmarketing 11 dingungen werden es sich öffentliche Verwaltungen nicht länger leisten können, die Anwendungspotentiale des Marketing zu ignorieren. Literatur Bargehr, B. (1991) Marketing in der öffentlichen Verwaltung. Ansatzpunkte und Entwicklungsperspektiven. Verlag für Wissenschaft und Forschung, Stuttgart Bischoff, D. (Hrsg.) (2000) Modernisierung durch Ausbildung. Innovationen in Studiengängen für den öffentlichen Sektor. Hitit, Berlin Braun, G. E., Töpfer, A. (Hrsg.) (1989a) Marketing im kommunalen Bereich. Stuttgart Braun, G. E., Töpfer, A. (Hrsg.) (1989b) Marketing im staatlichen Bereich. Stuttgart Brüggemeier, M. (2001) Public Management. In: Hanft, A. (Hrsg.) Grundbegriffe des Hochschulmanagements, Luchterhand, Neuwied, S.377-383 Brüggemeier, M., Röber, M. (2003) Stand und Entwicklungsperspektive der Arbeitsorganisation im öffentlichen Dienst - auf dem Weg zu einem neuen Produktionsregime? In: Koch, R., Conrad, P. (Hrsg.) New Public Service. Öffentlicher Dienst als Motor der Staats- und Verwaltungsmodernisierung. Gabler, Wiesbaden, S.123-153 Budäus, D., Finger, St. (1999) Stand und Perspektiven der Verwaltungsreform in Deutschland. In: Die Verwaltung, S.313-343 Eichhorn, P., Buchholz, W. (1983) Marketing in öffentlichen Verwaltungen. In: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, S.209-221 Grabow, B., Hollbach-Grömig, B. (1998): Stadtmarketing – eine kritische Zwischenbilanz. Berlin 1998 Hasitschka, W., Hruschka, H. (1982) Nonprofit -Marketing. Vahlen, München Homann, K. (1995) Marketing für Kommunalverwaltungen. Eine abnehmerorientierte Marketingkonzeption für den kommunalen Bereich. Erich Schmidt Ve rlag, Berlin Homann, K., Meissner, G. G. (Hrsg.) (1986) Marketing in Kommunalverwaltungen. Dortmund Kotler, P. (1979) Marketing für den öffentlichen Bereich. Ansatzpunkte, Instrumente und Anwendungsbeispiele, In: Die Betriebswirtschaft, S.421-430 Kotler, P., Bliemel, F. (2001) Marketing-Management. 10. Aufl., SchäfferPoeschel, Stuttgart Kotler, P., Levy S. J. (1969) Broadening the Concept of Marketing. In: Journal of Marketing , Vol. 33, S.10-15 Lamb, C. W. (1987) Public Sector Marketing Is Different. In: Business Horizons, Vol. 30, Heft 4, S.56-60 Meffert, H., Bruhn, M. (2000) Dienstleistungsmarketing. 3. Aufl., Gabler, Wiesbaden Palupski, R. (1997) Marketing kommunaler Verwaltungen. Oldenbourg, München, Wien 12 Pollitt, C./Bouckaert, G. (2000) Public Management Reform. A Comparative Analysis. Oxford Raffee, H., Fritz, W., Wiedmann, K.-P. (1994) Marketing für öffentliche Betriebe. Kohlhammer, Stuttgart Raffée, H., Wiedmann, K.-P. (1983) Nicht-kommerzielles Marketing – ein Grenzbereich des Marketing? In: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, S.185-208 Reichard, C. (1998) Public Management. Ausbildung für die mittlere Ebene - Die Rolle der Fachhochschulen. In: Schedler, K., Reichard, C. (Hrsg.) Die Ausbildung zum Public Manager. Haupt, Bern, Stuttgart, Wien, S 105-136 Rieger, F. H. (1991) Die Beschaffungs- und Absatzpolitik öffentlicher Verwaltungsbetriebe. In: Jahrbuch für Absatz und Verbrauchsforschung, H. 2, S.92113 Röber, M. (1987) Marketing - ein Konzept für öffentliche Institutionen? Theoretische Ansätze und empirische Ergebnisse. Publikationen der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege: Empirische Verwaltungsforschung Nr. 61, FHVR Berlin, Berlin Röber, M. (1988) Möglichkeiten und Grenzen des öffentlichen Marketing - Anmerkungen aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht. In: Die Öffentliche Verwaltung, S.1029-1035 Röber, M. (2000) Competition – how far can you go? In: Public Management. An International Journal of Research and Theory, S.311-335 Sandberg, B. (1995) Mikrogeographische Marktsegmentierung in öffentlichen Betrieben und Verwaltungen. Gabler, Wiesbaden Schedler, K., Proeller, I. (2000) New Public Management. Haupt, Bern Töpfer, A. (1990) Marketing im öffentlichen Sektor. In: Die Verwaltung, S.409424