Technische Universität Darmstadt Institut für Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik Studienarbeit Betreuung: Dr. Olga Zitzelsberger WS 2007 „Sicher nichts für Frauenhände“ Fra enhände“ Eine Untersuchung begleitend zur Ausstellung „Der Frauenzoo der Werbung“ Meike Brill Pädagogik | Psychologie | Philosophie [email protected] Raphael Fetzer Pädagogik | Psychologie | Soziologie [email protected] Heike Smykalla Pädagogik | Kunstgeschichte | Soziologie [email protected] -1- Inhaltsverzeichnis Einleitung „Sicher nichts für Frauenhände“ ................................... 2 1. Schönheit Frauen Körper ...................................................... 5 2. Aktuelle Untersuchungen zu Frauen in den Medien ......................13 2.1 Darstellungen von Frauen in den Medien ..............................14 2.2 Wahrnehmung von Frauenbildern in der Werbung ...................19 2.3 Studie zum Gendermarketing ...........................................20 3. Ausstellung „Der Frauenzoo der Werbung“................................22 4. Konzeptionelle Überlegungen zum Fragebogen ..........................28 5. Qualitative Analyse: Auswertung der Fragen .............................39 6. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse ...........................42 7. Conclusio .......................................................................61 X. Quellen .........................................................................65 Abbbildungsverzeichnis ..........................................................66 -2- Einleitung „Sicher nichts für Frauenhände“1 Wir haben das Postulat der Gleichberechtigung. Alle Menschen sollen die gleichen Bildungsstätten nutzen können. Alle Menschen dürfen frei ihren Beruf wählen. Sie können heiraten oder nicht, Kinder kriegen oder nicht. Mit Männern, Frauen oder alleine leben. Frauen scheinen eine Freiheit erlangt zu haben wie in keinem Jahrhundert zuvor, was den Ausdruck ihrer Sexualität und Körperlichkeit angeht. Junge Mädchen, nach der Mode gekleidet, kokettieren mit ihren körperlichen Reizen: sie lassen tief in Dekolletés blicken, locken mit entblößten Bäuchen und zeigen den Ansatz ihres Gesäßes. Männer dürfen genauso mit ehemals weiblich konnotierten Accessoires ihren Körper schmücken, sich die Haare färben, Ohrringe und Piercings oder körperbetonte Kleidung tragen. Aus all dem ließe sich schließen, dass wir tatsächlich die Gleichberechtigung leben. Wenn man davon ausgeht, dass jede Zeit ihren verbildlichten Spiegel hat, so ist der für unsere wohl zum großen Teil die Werbung. Hier werden Bilder reproduziert, die sich in der Gesellschaft wiederfinden lassen. Wie wir in Kapitel 2.3 zeigen werden, bestätigt sich, dass Frauen und Männer auch heute noch zum großen Teil in traditionellen Rollen dargestellt werden. Frauen als Zuspielerin, Bespaßerin und Naturerlebnis des Mannes und der Mann als ihr omnipotenter Eroberer. Ist da ein Anachronismus in der Werbung: konserviert bzw. formiert Werbung sogar bestimmte Frauenbilder? Oder werden diese Formen der Darstellung als zeitgemäß wahrgenommen? Wird die weibliche Erscheinung überhaupt in der Bevölkerung so wahrgenommen? Vielleicht entspricht das zu Sehende den Vorstellungen über weibliche Äußerlichkeit und Rollen und man muss es quasi nur anders interpretieren. Mit dem Beginn der öffentlichen Werbung auf Litfaßsäulen und in Verkaufskatalogen wurden weibliche Körper als verkaufsförderndes Attribut der Ware dargestellt. Lässt sich hier eine Konstante beobachten, die die Frauen stets in ähnlicher und immer wiederkehrender Darstellung auf bestimmte Plätze in der Gesellschaft verweist? Entsprechen die Darstellungen der Werbebilder dem gesellschaftlichen Diskurs über Körper? Und 1 Zitat aus einer Werbung der Firma Panasonic, vgl. Abbildung 9, Seite 21 -3ist es heute zutreffend, dass Werbung auch Bilder reproduziert, die ein Großteil der Bevölkerung ablehnt oder akzeptiert? Ergeben sich hieraus Konsequenzen für Bildungsprozesse und Aufklärung? Eine Gruppe von Frauen aus Dresden hat sich über einen Zeitraum von zwei Jahren umgesehen und Werbung fotografiert, die sie als diskriminierend wahrgenommen haben. Aus diesen Fotos ist die Wanderausstellung „Der Frauenzoo der Werbung“ entstanden, die auf Initiative des Frauenbüros der Wissenschaftsstadt Darmstadt vom 31. August – 12. September 2007 auch in Darmstadt zu sehen war. Anlass für uns die vorangegangenen theoretischen Überlegungen im öffentlichen Raum unserer Stadt zu überprüfen. Hierzu haben wir sowohl Besucherinnen und Besucher der Ausstellung als auch Passantinnen und Passanten, die die Ausstellung nicht besucht hatten, interviewt, um einen stichprobenartigen Eindruck einzufangen: • Wird diskriminierende Frauenwerbung bei den Darmstädter Bürgerinnen und Bürgern als Problem wahrgenommen? • Hat die Ausstellung zu einem veränderten Denken und Wahrnehmen beigetragen? • Wünschen sich die Darmstädter Bürgerinnen und Bürger eine stärkere Problematisierung diskriminierender Werbung in der Öffentlichkeit? • Inwieweit sind die in der Werbung gezeigten Frauenbilder als Vorbilder erwünscht? Ein Ziel und Prämisse der Befragung war es, aus der Auswertung der Interviews wissenschaftlich begründbare Empfehlungen zum Umgang mit diskriminierender Werbung in der Öffentlichkeit abzuleiten, mit der Perspektive, diese in Kooperation mit dem Frauenbüro der Wissenschaftsstadt Darmstadt in die politische Arbeit der Stadt einfließen zu lassen. Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem historischen Körperbild und der Darstellung von Frauen, da wir es für nötig erachten aufzuzeigen, wie weit zurück diese historisch gewachsenen Vorstellungen gehen. Der darauffolgende Teil orientiert sich am aktuellen Umgang mit diskriminierender Werbung in unserer Stadt. -4- Abbildung 3: Werbung für Hansaplast, 1935, Baiersdorf Abbildung 2: Die „Clementine“, Jahr unbekannt, Procter und Gamble Abbildung 1: Atrix Handcreme, 1965, Baiersdorf -5- 1. Schönheit Frauen Körper „Ich legte Wert darauf, hübsch auszusehen. Ich hörte es gerne, wenn jemand es sagte, und beschäftigte mich bereitwillig mit dem, was mir diese Annehmlichkeiten verschaffen konnte.“2 So erzählte die Protagonistin, Madame Roland, in ihren biografischen Memoiren im Jahre 1793 und erläuterte auf weiteren Seiten alle ihre optischen Reize, von der Augenfarbe bis zu ihrer Art zu gehen. Aber all die Schönheit von der sie sprach, war immer mit dem Band der Tugendhaftigkeit verknüpft. Tugendhaftigkeit im Sinne der bereitwilligen Förderung des Glückes anderer. Schließlich beendete sie Ihre Reflexion über sich damit, dass es ihr gelungen war, dank ihrer Schönheit, ihr Glück zu finden, welches die Ehe ist. Hier hat sie ihre ganze Kraft dazu aufgewendet, um Mann und Kinder glücklich zu machen. Dieses Anliegen war aber nicht nur Aufopferungsbereitschaft. Ihren Einsatz sollte die Gesellschaft wahrnehmen und sie als tugendhaft, hübsch und vorbildlich titulieren. Das war Ihr Lohn.3 Dieser Lebensentwurf, der die Macht, sich ein glückliches Leben einzurichten, an Schönheit knüpft, war weit verbreitet im ausgehenden 18. Jahrhundert. Aber genauso gab es Stimmen, die bereits die Einschränkungen darin kritisierten. Die Einschränkung, dass Frauen aufgrund von Schönheit und Tugendhaftigkeit angesehene Mitglieder der Gesellschaft werden. Für Kritikerinnen wie Mary Wollstonecraft, die bereits Mitte des 18. Jahrhunderts die Befreiung darin zu sehen glaubt, den Frauen das gleiche Maß an Bildung zukommen zu lassen, wie den Männern, damit sie gleich den Männern geachtet werden.4 Aber viele wollten die Frauen auf den Platz der Passivität verwiesen sehen. Sie sollten annehmen, erdulden und erfreuen durch ihr Dasein. Sie konnten mit ihrer Macht, dem Aussehen, einen Mann an sich binden. Der Mann war für bürgerliche Frauen Garant eines Lebens in gesicherter sozialer Stellung. Zumindest solange der Mann diese Position innehatte. Um 1800 gab es fast keine 2 I. Riesen, Zürich, 1987, nach P. Schmid, S.50, in: F. Akashe-Böhme 3 Vgl. Ebd., S. 51f 4 Vgl. Ebd., S. 55 -6Möglichkeiten für Frauen selbst erwerbstätig zu sein. Aber Vermögen hatten die meisten auch nicht. Es gab nur wenige Berufe für Frauen aus bürgerlichen Schichten. Diese waren aber sehr schlecht bezahlt und galten als unqualifiziert.5 Sie waren in der Situation einen Mann finden zu müssen, ohne dabei aktiv auf die Suche gehen zu dürfen. Denn aktiv auf die Suche gehen, widersprach den Vorstellungen von Tugendhaftigkeit. Die Frau sollte eher einer Blume gleich sein, die am Wegesrand steht und gepflückt werden will, sittsam auf einen Mann wartend. Begehren zeigen war tabu.6 Frauen und ihr Glück werden also mit dem Band der Schönheit aneinander gefesselt. Aber nicht nur Schönheit, auch andere Eigenschaften werden in dieses Band und mit den Frauen verwoben. Mit dem Beginn des 19. Jahrhundert entsteht eine Auseinandersetzung in der Gesellschaft über die richtige Verteilung der Rollen von Mann und Frau, warum Frauen das zartere Geschlecht seien und sich deshalb dem Manne unterordnen müssten, zu ihrem eigenen Wohl. Hergeleitet werden diese „Erkenntnisse“, unter anderem über philosophische, pädagogische und medizinische Diskurse. Frauen waren davon ausgeschlossen oder konnten nur in Briefen und Romanen neue Entwürfe oder Gegenentwürfe aufschreiben. In der akademischen Diskussion galt ihr Wort nicht das Gleiche wie das eines Mannes, wenn es überhaupt gewürdigt wurde. „…Man stelle sich vor, von welchem Schlage die Seele eines Mannes sein muß, der sich einzig dem wichtigen Geschäft widmet, die Frauen zu unterhalten, und der sein ganzes Leben damit verbringt, für sie zu tun, was sie für uns tun sollten, wenn unser Geist, erschöpft von Arbeiten, zu denen sie unfähig sind, Entspannung braucht.“7 Soweit Rousseau, ein angesehener Pädagoge. Und bei Brandes, ein Mediziner, heißt es: “Eben das, worauf wir cultivierten Völker stolz sind, dass die Weiber in die Gesellschaft gezogen werden, darinn den Ton angeben, hat den Verfall der Sitten bewirkt, und die Weiber von ihrem wahren Standpunkt abgeführt. Sie, die von der Natur nicht dazu bestimmt sind, die erste Rolle zu spielen, stehen bey Uns in der Gesellschaft nicht auf ihrer rechten Stelle. Von der Natur war ihnen eine andere untergeordnete Bestim- 5 Vgl. ebd., S. 58 6 Vgl. ebd., S. 59 7 Honegger, S. 51, nach Rousseau, Schriften 1978, nach Honegger, S. 51 -7mung angewiesen. Auch das war der Fall bei den cultivierten Völkern des Altherthums.“8 Diese anthropologischen Betrachtungen wurden mit dem Aufkommen der „modernen“ Medizin und Fachgebieten, wie der Anatomie noch verstärkt und gestützt. Die Körper von Männern und Frauen wurden nicht mehr als ein Ding von der gleichen Art betrachtet, sondern miteinander verglichen. Es wurden Gegensätzlichkeiten in die Körper gelesen, die gleichzeitig moralische Bedingtheiten der Wesen offenbarten. „Roussel schickt sich an, den Körper der Frau nicht mehr isoliert zu betrachten oder - wie die Physiologie bisher – den Männerkörper allein, sondern die beiden zu vergleichen; und zwar in körperlicher wie moralischer Hinsicht.“9 Die Idee der Körper, wie dieser gebaut ist und funktioniert, wirke sich auf die Befindlichkeit der Seele und die Wesensart eines Menschen aus, wurde populär. Es bedinge seine Art des in-derWelt-seins genauso, wie seine intellektuellen Fähigkeiten. Aber das scheint nur für Frauen zu stimmen. Gleichzeitig wird der Mann als ein Wesen imaginiert, das zu großer Philosophie, Individualität und vor allem erhaben über das Diktat des Fleisches ist.10 Roussel beschreibt dann die Unterschiede, die in den Körpern zu lesen sind. „Und die unterschiedlichen Mittel determinieren den Geschlechtsunterschied. Das wesentliche liegt nicht in einem einzelnen Organ, sondern im ganzen beseelten Organismus, in dessen Organisationsgestalt eben. Fundament des Organismus ist der Knochenbau: Die Knochen der Frau sind unzweifelhaft kleiner und weicher. Auch die übrigen Teile des weiblichen Körpers, wie Nerven Gefäße, Muskeln, Bänder, sind dünner, feiner, kleiner und geschmeidiger und zeigen so schon <von Ferne> an, <zu was für Verrichtungen das weibliche Geschlecht berufen, zu was für einen leidenden Zustande dasselbe von der Natur bestimmt sei>.“11 Als die Gynäkologie, als die Wissenschaft von der Frau entsteht und etabliert wird, werden die Konstrukte radikal auf die Geschlechtsmerkmale hin ausgedeutet. „Das Unvollständige (des Weibes) ergiebt sich schon sattsam aus der äußeren Beschaffenheit der Geschlechtsorgane, indem die- 8 Ebd., S.51, nach Brandes 1787 9 Honegger,S.145 10 Vgl. Ebd., S. 147 11 Ebd., S. 147 -8selben ja das Nichtgeschlossene, also auch das Unvollendete deutlich beurkunden…….Dagegen erscheint gesellschaftlich der Mann auf einem weit höheren Standpunkte, daher vollkommener und weit weniger abhängig, als das Weib. Schon die Geschlechtsorgane desselben erstrecken sich zum Theil über die Peripherie des Körpers hinaus und deuten dadurch nicht allein den mehr geschlossenen, sondern sogar auch den überreichlichen Zustand desselben an.“12 Der Uterus seit Jahrtausenden das Organ, das Weiblichkeit definiert, wird durch die Entdeckung der Ovarien, abgelöst. Die Handlungsstrukturen der Frauen werden jetzt bestimmt durch den Zyklus. Die Gynäkologen entwickeln sich bis zum 20. Jahrhundert als die Experten in Frauenfragen. Um 1850 verschwindet die Anthropologie als Wissenschaft vom Menschen. Es entstehen Disziplinen wie Psychologie, Anatomie und Soziologie. Diese setzen den Mensch als Mann zum Allgemeinen. Die Frau wird als Besonderes in der Gynäkologie betrachtet.13 Die Körper und sozialen Rollen werden seit dem Umbruch der Gesellschaft im 19. Jahrhundert bis heute in diskursiven Praktiken gedeutet. Das heißt, auch bei heutigen Betrachtungen sollten wir nicht aus dem Blick verlieren, das Körper nicht nur einfach Körper eines Geschlechts sind und die mit ihm gleichgesetzten Eigenschaften einer immer schon da gewesenen Natur entsprechen. Diese Beschreibungen, Festsetzungen und Deutungen dienen immer auch dem Zweck, die Idee eines Körpers, mit der eine Norm einhergeht, zu materialisieren, um diese dann wieder zu reproduzieren. „Das ‚biologische Geschlecht’ ist demnach also ein regulierendes Ideal, dessen Materialisierung erzwungen ist, und zu dieser Materialisierung kommt es (oder kommt es nicht) infolge bestimmter, höchst regulierender Praktiken.“14 Noch einmal der Blick auf die Schönheit, diesmal aus anderer Perspektive. Was spricht dagegen sich einem ästhetischen Körper nähern zu wollen? Sei es mit Blicken oder Gesten? Vom Schönen (oder was dafür definiert wird) fühlen sich Männer und Frauen angezogen. Die Kunst und die Werbung sind voll mit Bildern von schönen Frauen. Aber was ist das Be12 Honegger, S. 205f, nach Jörg 1819, kursiv bei Honegger 13 Vgl. Ebd., S.211 14 Butler, 1997 S.21 -9sondere an ihnen? Diese Schönheit ist selten. Die als allgemein gültig definierte Schönheit ist nicht jeder geschenkt. Aber ein anderer Aspekt spielt noch mit. Frauen können sich in unserer Gesellschaft immer noch nicht „gleichberechtigt in Schlüsselpositionen gesellschaftlicher Macht und Geltung“ finden und „…den Erfolg und Einfluss, den Frauen erringen können, (hängt) nicht unwesentlich davon ab, daß sie von Männern akzeptiert werden.“15 So ergeht eine Aufforderung an Frauen16, sich zu verschönern, damit sie sich dem Ideal wenigstens annähern, gesehen und akzeptiert werden. Zeugnis davon geben die verschieden Kleidungsstücke, Accessoires, Pflege- und Schminkprodukte bis hin zu kosmetischen Operationen. Die Macht von Frauen wird auf Schönheit reduziert, der ein Mann erlegen sein kann.17 Die oben aufgezählten Hilfsmittel täuschen Frauen vor, Schönheit ist etwas, das prinzipiell jederzeit herstellbar wäre. In jedem Kaufhaus zu erwerben. Aber das ist eine Täuschung. „Die Schönheit widersetzt sich der Demokratisierung.“18 Schönheit und die Anziehung der Geschlechter, die andere sinnliche Elemente als die optischen ausblendet, reduziert sich auf Äußerlichkeiten. Abbildung 4. Sisley Werbekampagne für Las Vegas 2005 15 Sichtermann 1981, S.22 16 Die Tendenz in der Gesellschaft geht eindeutig dahin, dass Männer in eben gleicher Weise aufgefordert werden, ihr optisches Bild zu perfektionieren. Gründe könnten sein, dass sie als kaufkräftige Zielgruppe erkannt wurden und der Trend zur Gestaltung des Körpers sich weiter verstärkt. 17 Vgl. Ebd., S. 25 18 Ebd., S 28 -10Denn was dort zu erwerben ist, sind Produkte die Schönheit und mit deren einhergehender Anziehung auf einer Fassade begründen. Sinnlichkeit wird auf Blicke beschränkt.19 So ist es nicht verwunderlich, das die Werbung mit stereotypen Frauenbildern arbeiteten kann, die die Blicke auf sich ziehen will. Sie gaukelt vor, mit bestimmten Produkten zu individueller Schönheit zu gelangen. Um sich damit abheben zu können von der Masse. „Im Rahmen strenger sozialer und ästhetischer Normen den Schein von Persönlichkeit zu erzeugen, ist eine wesentliche Aufgabe nicht nur der Frauenmode, sondern von Mode überhaupt.20 Die so gestylten Körper begegnen uns überall: in Zeitschriften, auf Plakatwänden, im Internet und Fernsehen. Es gilt zu erinnern, dass es Männerblicke sind (Davon wird im 2. Kapitel noch genauer zu sprechen sein, wenn es um die Verteilung der Ressourcen in den Medien geht), die auswählen, was alle sehen sollen: Eine Schönheit wird gestattet, die „nicht ergreift, nicht bannt, nicht bedroht, sondern bezaubert.“21 Und diesem prüfenden Blick scheinen wir uns nirgends entziehen zu können. Nicht einmal bei Selbstbetrachtungen vor dem Spiegel: „…Der Spiegel, das sind die Blicke der Anderen, die vorweggenommenen Blicke der Anderen.“22 Frauen dürfen demnach schön sein, aber im passiven Sinne. Begehren, als aktives Wollen ist bei Frauen nicht erwünscht. Die Bilderflut, die uns mit Beispielen dazu versorgt, ist sehr groß. Und sie zeichnet eine Spur in uns. Es sind nicht nur Abbildungen, sondern auch literarische Statements und Entwürfe, Musik und alle anderen Techniken zur Materialisierung von Vorstellungen gemeint. Verfolgt man die Spur dieser Bilder, die mittlerweile 200 Jahre reicht, wundert es nicht, wie tief diese mit uns verwachsen sind. Wir erinnern an das 18. und 19. Jahrhundert am Beispiel des Begehrens, bei dem Frauen ein Tabu ihres Begehrens auferlegt wurde. Bis heute finden sich immer wieder Deutungen über weibliche Sexualität, die damit übereinstimmen. In einer Untersuchung über die Zeitschrift Eltern aus den 70iger Jahren lassen sich folgenden Empfehlungen finden: 19 Vgl. Ebd., S. 28 20Vgl. Blättler, 1992, S. 119 21 Blättler, S. 126 22 Akashe-Böhme, S.46, nach Lenk 1983 -11„Ein außereheliches Verhältnis des Mannes kann Ausdruck einer Lebenskrise sein, und wenn auch die persönliche Eitelkeit darunter leidet, die Frau sollte daran erkennen, dass ihr Mann nicht seinem schlechten Charakter, sondern einem Naturereignis erlegen ist.“ Aber für Frauen gilt: “Tatsache ist jedenfalls, das für die meisten Ehemänner schon allein der Gedanke an die Untreue der Partnerin zutiefst verletzend ist….untreu zu werden kann eine sehr mächtige aber auch für die Ehe sehr gefährliche weibliche Waffe sein.“23 Hier wird wieder die duldsame Frau, die eigene Bedürfnisse zu Gunsten des Mannes zurückstecken soll, reproduziert. Aber die Bilder kommen schon viel früher auf uns zu. In scheinbarer objektiver Wissenschaftlichkeit wird bereits in Schulbüchern ein Bild weiblicher Sexualität konstruiert, das dem oben gesagten den Grund bereitet. In Sexualkundebüchern wird beispielsweise Geschlechtsverkehr nur von Seiten des Mannes erläutert. Alle Anzeichen von Erregung des Mannes werden beschrieben und als Voraussetzung für Verkehr erläutert. Die der Frau werden nicht erwähnt. Trotzdem wollen beide Sex, haben beide Spaß und Freude, wenn der Mann will. Die Bedürfnisse und Erfüllung der Wünsche der Frau bleiben unerwähnt. Und der Höhepunkt des Mannes wird dargestellt, als wäre es auch die Erfüllung der Frau. (Fichte grüßt).24 In einem aktuellen Schulbuch für das Fach Biologie, welches an hessischen Schulen verwendet wird, ist die Darstellung des Geschlechtsakts ambivalent beschrieben. Mittlerweile wird die sexuelle Begegnung zwischen Mann und Frau von beiden als lustvoll empfunden dargestellt: „Wenn sich ein Mann und eine Frau sehr mögen, sind sie zärtlich miteinander, streicheln und küssen sich.“25 Der Schwerpunkt der Darstellung liegt aber auf dem eigentlichen Akt, der als ausschließlich mechanisch dargestellt wird, sodass es den Anschein hat, dass Mann und Frau ihrer sexuellen Lust beraubt werden. Aber gerade in der Herstellung von anderen Bildern läge eine Chance, Frauen nicht länger zum Objekt der Begierden und Phantasmen des Mannes zu machen. Untersuchungen über Kinder und Jugendliche, die den Fernsehbildern in unterschiedlicher Intensität ausgesetzt waren, zeigen, 23 Vgl. Schmerl, 1984, S. 63 24 Vgl. Schmerl, S. 90 25 Bender, A. et. al., S. 99 -12dass „Vielseher“, deutlich mehr zu stereotypen Berufswünschen neigen. Eine andere Untersuchung zeigt auf, dass Mädchen und Jungen, die im Fernsehen gegengeschlechtliches Modellverhalten sahen, bei ihrem Spielverhalten jeweils auch mit gegengeschlechtlich konnotierten Spielzeug spielten.26 Auch der Einfluss von Werbung auf Kinder ist untersucht worden. In einer Untersuchung mit 400 Kindern wurden diesen verschiedene Spots, die die üblichen Stereotypen umkehren, gezeigt. Die Wirkungen auf Mädchen waren, dass sie generell für sich in Anspruch nahmen, „männliche“ Berufe ausüben zu können. Untersuchungen dieser Art gab es einige. Eines der wichtigsten Ergebnisse im Zusammenhang mit der Produktion und Reproduktion von Bildern ist, unserer Meinung nach, die Erkenntnis, dass sich Einstellungen schon änderten, wenn die Kinder die Spots nur einmal sahen.27 Das Betrachten von Bildern und welchen Einfluss sie auf Menschen haben, wird im Untersuchungsteil fortgesetzt. 26 Vgl. Schmerl, S. 115f 27 Vgl. Schmerl, S. 116f -13- 2. Aktuelle Untersuchungen zu Frauen in den Medien Das vorige Kapitel dieser Studienarbeit ist eine Einführung in den historischen Kontext der Körpergeschichte und Körperdarstellung von Frauen in den Medien. Dieses Kapitel soll nun den Wandel der Darstellung von Werbung mit Frauenbildern in der Öffentlichkeit von der Zeit der Einführung der Litfaßsäule bis heute untersuchen. Der erste Teil wird sich mit der eigentlichen Darstellung von Frauen in den unterschiedlichen Medien beschäftigen, während der zweite Teil des Kapitels die Wahrnehmung von stereotypen Frauen- und Männerbildern untersucht und deren Gefahren aus den unterschiedlichen Perspektiven aufzeigt. Eine entscheidende Erfindung in der Werbebranche machte Ernst Theodor Amandus Litfaß im Jahr 1846, in dem die gleichnamige Litfaßsäule Einzug in die Bilderwelt der Plakatwerbung an öffentlichen Plätzen nahm, aus dem Grund, da ihn die wilden Plakatierungen in der Berliner Innenstadt störten. Diese erfolgreiche Idee verlieh der Stadt Berlin bereits im Jahr 1855 100 Litfaßsäulen, aktuell sind es ungefähr 67 000 in ganz Deutschland! Diese neue Art Werbung in der Öffentlichkeit zu betreiben, schaffte Ernst Litfaß nicht nur großen Ruhm, es änderte auch dauerhaft die Möglichkeiten für die Reklamewelt. Nun fand mit der Hilfe von Bildern an Litfaßsäulen eine Werbung von Produkten statt, die vorher in dieser Form in der Öffentlichkeit nicht möglich gewesen war. Ein wichtiger Aspekt, da ab diesem Zeitpunkt Werbung nun an jedem öffentlichen Ort anzutreffen war. Dies beinhaltet auch, dass die Bürger sich dieser kaum mehr entziehen konnten. Auch hatten nun alle Generationen Zugang zu den werbenden Bildern, egal ob Kinder oder Erwachsene. -14- 2.1 Darstellungen von Frauen in den Medien Wie in Kapitel 1 über die Geschichte der Ästhetik und dem Zugang zum weiblichen Körper bereits erwähnt, wurden Frauen im Laufe der Werbegeschichte schnell zu einem gewinn-versprechenden Medium der Reklame; so manche von Plakaten lächelnde Dame überzeugte die Gesellschaft von der Notwendigkeit eines Mundwassers oder anderen Produkten. Die Attribute, die einer Frau in dieser Zeit Abbildung 5: Kokett blickende Frau mit lasziver Körperhaltung und wenig Bekleidung wirbt auffordernd für ein Mundwasser zugeordnet werden konnten, sind klar dargestellt. Aber auch in den Anfängen der Werbekultur im öffentlichen Bereich gab es klare Unterschiede zwischen der idealisierten, verkaufsfördernden Frau, die adrett, hübsch, hilflos, erotisch, wenig angezogen und ein wenig devot von den Plakaten zu sehen war, und der „Realfrau“, die so einige dieser von der Werbung auferlegten stereotypen Attribute nicht erfüllte. Auch aktuell lässt sich feststellen, dass Frauen einen großen Bereich in der Werbebranche und der Plakatdarstellung einnehmen. Wer aber vermutet, dass stereotype Darstellungen „der“ Frau im Verlauf der Werbegeschichte Abbildung 6: verschwanden, der irrt. Da Werbung einen Die schicke, zierliche und hilflos lächelnde Dame lässt sich von einem Mann in den Mantel helfen und wirbt dabei für Zahnpasta immer größer werdenden Teil unseres Lebens einnimmt, werden wir alle täglich mit einer Vielzahl von Darstellungen von Frauen konfrontiert, genauer sind das seit den 90er Jahren ungefähr 3000 Werbebotschaften pro Tag28. Seit Beginn der 70er Jahre werden einzelne Untersuchungen zum Thema Frauen als Bilder in den Massenmedien ge- 28 Frauen und Männerbildung in der Werbung, S. 5 -15macht.29 Bei diesen Untersuchungen wurde beispielsweise festgestellt, „daß die drei am meisten gewählten Darstellungsformen für eine Frau die als Sexualobjekt, als attraktive Schönheit und als Abhängige von einem Mann waren.“30 Im Vergleich dazu wurden Männer häufig als Politiker, Fachleute usw. dargestellt. 1976 untersuchte der Soziologe Erving Goffman die Darstellungsstrategien, die in der Werbung verbreitet sind. Er untersuchte anhand von 508 Fotos aus Zeitungen und Illustrierten die geschlechtsunterschiedliche Darstellungen dieser Abbildungen, die sich bezüglich der Körperhal- Abbildung 7: Wenig bekleidete und sonnengebräunte Dame leckt sinnlich an einem Eis. tung, der Gestik oder der nonverbalen Verhaltensweisen unterscheiden. So „werden Frauen gern in abhängigen oder ehrfurchtsvollen Posen gezeigt [...] während [...] Männer oft so postiert [werden], dass sie mit ihrem Körper die Frauen überragen.“31 „Frauen sind danach jung, kindlich, abhängig, zart, hilflos, gefühlvoll und romantisch. Männer sind stark, überlegen, hart, sachlich, kompetent, unabhängig, beschützend und bestimmend.“32 Erschreckend scheint die Tatsache, dass sich bis heute nur wenig in dieser Hinsicht geändert hat. In einer aktuelleren Studie von Hans-Bernd Brosius und Joachim Staab wird evaluiert, dass in den untersuchten Werbeanzeigen zwei Drittel aller Frauen lächelnd abgebildet werden, rund 10 % der Frauen unterwürfig ihren Hals präsentieren, 21% der Frauen nackt waren oder spärlich bekleidet und die Frauen auf den Werbefotos häufiger jung waren im Vergleich zu den Männer (77,3% der Frauen waren zwischen 21 und 30 Jahren alt).33 Während 23,7 % der Frauen in der Werbung leicht bekleidet war, waren dies bei den Männern nur 0,1%. Ein großer Darstellungsunterschied zeigte sich auch im Vergleich der Figur; Frauen wurden in der Regel sehr schlank und eher sehr schön dargestellt, 29 S. Winter, S. 9 30 Ebd. 31 Schmerl, S. 54 32 Frauen und Männerbildung in der Werbung, S. 10 33 Ebd., S. 55 -16während Männer „auch mal normal“ und „nicht immer jung sein mussten“34. Auch bei der Körperhaltung lassen sich Geschlechtsunterschiede ausmachen, dies fällt besonders bei der Haltung des Kopfes auf, der bei den Frauen meistens eher von unten hochschauend abgebildet wird, der Mann schaut eher aufrecht und nach vorne geneigt, außerdem sehen Frauen den Bildbetrachter eher an. Die Körperhaltung der Frau ist oftmals unnatürlich und verrenkt, der Hals wird häufig als Zeichen der Hingabe dargestellt. Der Mann erscheint gelassen, stehend und aufrecht mit entschlossenem und überlegenem Gesichtsausdruck. Oft werden Frauen auch mit halboffenen Mund oder halboffenen Augen gezeigt, was noch einmal ihren Genuss und ihre Sinnlichkeit verdeutlichen soll. Wenn bei einer Werbung sowohl Frauen als auch Männer zu sehen sind, sind grundlegende Unterschiede, beispielsweise in der Stellung zueinander, zu erkennen. Der Mann ist oftmals höhergestellt als die Frau, häufig ist zu sehen, wie diese sich an den Mann kuschelt. Äußerliche Vorschriften, die an die Frau gestellt werden, sind: sie soll jung sein, schlank, keine Falten haben, exakte Proportionen haben, volle Lippen, kleine Nase, große Augen und einen enthaarten Körper. Bei Männern sehen diese Vorschriften so aus: Muskeln sind erwünscht, Waschbrettbauch, keine Glatze und keine Brusthaare.35 Aus all diesen verschiedenen Untersuchungsergebnissen schließt die Forscherin Regina Hasenteufel, „Männer und Frauen in der Werbung werden dem Produkt häufig nur als ´Zierrat´ beigegeben.“36 Aber es wird in der Frauenforschung auch die Meinung Abbildung 8: Beispiel für eine sexistische weibliche Darstellung inklusive fehlendem Produktbezug vertreten, dass die Darstellungen von Frauen in der Werbung sich mehr zur Gleichberechtigung entwickelt habe, so etwa Gabriele Huster: „Unter den 34 Frauen und Männerbildung in der Werbung, S. 56 35 Ebd., S. 60 36 Ebd., S. 12 -17Leitbildern der 50er und 60er Jahre dominierte die adrette, tüchtige Hausfrau und der patriarchalische Familienvater und Leistungsmensch. Seit den 80er Jahren befleißigt sich die Werbung einer auffälligen Emanzipationsrhetorik: Bilder der mit Kreditkarte zahlenden Karrierefrau und des ´emanzipierten´ Mannes mit Baby werfen ein Schlaglicht auf den weiten Weg, den Werbung und Gesellschaft seither zurückgelegt haben.“37 Ein weiterer Kritikpunkt, den Christiane Schmerl formuliert, ist die verbale Verbreitung von falschen Fraueninteressen oder anderer stereotyper Klischees. Eine Ursache hierin sieht Schmerl hauptsächlich in der Unausgewogenheit zwischen Männer und Frauen in journalistischen Berufen: „Die verzerrende und unterbelichtete Darstellung der Medien von Frauen, ihren Leistungen, Problemen und Interessen hat viele Ursachen. Eine sehr direkt wirksame Ursache ist die mangelnde Beteiligung und Einflussnahme von Frauen als Journalistinnen und Redakteurinnen in Redaktionsstuben, Ressorts und Chefetagen der Medienfabriken.“38 Die erhebliche Unterrepräsentation von Frauen in der Berichterstattung von Printmedien lag 1989 gerade mal zwischen 14,1% und 29,8%. Schmerl untersuchte weiterhin die vorrangigen Inhalte der Frauenberichterstattung in den unterschiedlichen Journalen, und stellte fest, dass Frauen, im Gegensatz zu Männern, in journalistischen Bereichen wie der Politik unterrepräsentiert sind, zumindest als agierender Part. „Ansonsten trifft man auf Frauen im Dunstkreis der Politik als Politikergattin (so z.B. Hannelore Kohl, die mit ihrem Helmut in der Küchenessecke frühstückt und den Kanzlerbungalow `eine Hypothek für die Hausfrau`) in Schwung hält (Welt vom 29.6.83)), oder als Glamourmädchen zwecks Auflockerung des tristen Graue-Eminenzen-Alltags.“39 Aktuelle Zahlen ermittelte das statistische Bundesamt: 2005 sind demnach von 58 300 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten 42,4% Frauen. Mit 55,1% ist der größte Teil von ihnen im Alter zwischen 35 und 50 Jahren. Ganze 821 Publizistinnen und Publizisten (Schriftsteller, Drama- 37 Ebd., S. 13 38 Schmerl, S. 2 39 Ebd., S. 45 -18turgen, Lektoren, Redakteure, Journalisten, Rundfunk-, Fernsehsprecher) sind darunter zu finden.40 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine aktuelle Untersuchung des Journalistinnenbundes von 2005. Die Studie ist im Rahmen der seit 1995 durchgeführten internationalen Medienbeobachtungen entstanden. Ziel dieser Medienbeobachtung ist, die Präsenz von Frauen in den Medien festzustellen. 2005 wurde dieses Monitoring zum 3. Mal durchgeführt. „In die internationale Untersuchung flossen rund 13.000 Nachrichten aus Zeitungen, Hörfunk- und Fernsehsendungen in 76 Ländern ein. Die Ergebnisse zeigen: Weltweit hat sich der Anteil der Frauen in den Nachrichtenberichten seit 1995 von 17 Prozent über 18 Prozent im Jahr 2000 auf 21 Prozent im Jahr 2005 erhöht. Die deutschen Ergebnisse zeigen: Der Anteil von Frauen in den Nachrichten ist innerhalb von zehn Jahren deutlich gestiegen - und zwar von 12 Prozent im Jahr 1995 auf 22 Prozent im Jahr 2005“41 Weiterhin verdeutlicht die Untersuchung die Unterrepräsentanz von Frauen in den Medien und ihr überdurchschnittliches Erscheinen in bestimmten Ressorts. „Am Stichtag wurden 162 TV-Beiträge und 46 RadioMeldungen aus insgesamt 20 elektronischen Medien sowie 116 Artikel aus 10 Tageszeitungen plus der Netzeitung kodiert. In den 324 Beiträgen wurde über insgesamt 524 männliche und 147 weibliche Personen nachrichtlich berichtet. Daraus ergab sich ein Geschlechterverhältnis von 78 Prozent männlichen zu 22 Prozent weiblichen Personen. Damit zeigte sich am Stichtag 2005 eine höhere Frauenrepräsenz als in früheren Untersuchungen. Allerdings stellte sich das Bild bezogen auf die drei Medien unterschiedlich dar. Während bei den TV-Nachrichten ein Frauenanteil von 24 Prozent ermittelt wurde, betrug er bei den RadioMeldungen 23 Prozent und bei den Zeitungsartikeln nur 20 Prozent. Somit war im Fernsehen immerhin jede vierte Person, in den Zeitungen nur jede fünfte Person, über die berichtet wurde, weiblich. Schon frühere Untersuchungen haben ergeben, dass in der Presse am wenigsten Frauen ‚nachrichtenwürdig’ sind.“42 40 http://www.pallas.iab.de/bisds/Data/seite_821_BO_a.htm 41 http://www.journalistinnen.de/projekte/monitoring.html 42 Hesse, S. 13 (Vgl. auch den Beitrag zur Presseanalyse, ebd., S. 27) -19Aber als Hauptperson in der Nachricht kommen Frauen nur selten vor. Am Tag der Untersuchung war dies 20-mal der Fall. Frauen als Opfer: „Insgesamt wurde über neun Prozent aller Personen als Opfer berichtet, darunter etwas mehr Männer (31) als Frauen (28). Dabei erscheinen weibliche Opfer mit 47 Prozent im Vergleich zur allgemeinen Frauenpräsenz (22%) überproportional: Dieser Befund wird in erster Linie durch das Fernsehen verursacht. Rund jede vierte Frau, aber nur jeder zehnte Mann wird in der Opferrolle zum Nachrichtensubjekt der Fernsehbeiträge. Weibliche Opfer stehen auch mehrfach im Zentrum von TVNachrichten. Insofern relativiert sich das gute Abschneiden des Fernsehens beim gesamten Frauenanteil, ist es doch teilweise der weiblichen Opferrolle geschuldet.“43 Aber auch bei der Autoreninne- und Autorenschaft sind Frauen seltener als Männer: „Von den namentlich ausgewiesenen Beiträgen kamen zwölf aus der Feder einer Autorin, dagegen 28 von Männern (30 zu 70%).“44 Abschließend kann mit einem Zitat von Marlies Hesse und Jutta Röser gesagt werden: „Gemessen an ihrer Vielfalt und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung werden Frauen medial unzureichend abgebildet. Insbesondere in den Zeitungen scheint Stagnation zu herrschen.“45 Zu aktuellen Daten, was die Männer- und Frauenverteilung in den Chefredaktionen betrifft, lag zur Fertigstellung dieser Arbeit kein geeignetes Material vor. Aber ein Blick zu den großen Nachrichtenzeitungen zeigt, dass diese noch von Männern dominiert werden. 2.2 Wahrnehmung von Frauenbildern in der Werbung Dass unsere Wahrnehmung in Bezug auf Werbung bereits abgestumpft ist, ist bei den 3000 Werbebotschaften, die uns täglich erreichen, kaum ein Wunder. Neben der Kritik des fehlenden Produktbezugs bestimmter Werbung, lässt sich auch die Art kritisieren, wie die künstliche und fiktive Darstellungen der Frauen es schafft, Wünsche in die Realität zu transpor- 43 Ebd., S. 16 44 Ebd., S. 17 45 Ebd. -20tieren, die so kaum wünschenswert sind. Die Werbeindustrie kreiert auf diese Art nicht nur eine verkaufsfördernde Verbildlichung, sondern schafft damit auch ein neues Bild vom Menschen. Dieses meist fiktive Bild von „der Frau“ oder „dem Mann“ schafft eine Auffassung über das Geschlechterverhältnis, das als real eingestuft wird. Holtz-Bacha stellte fest, „dass die mangelnde Repräsentanz von Frauen und die Art ihrer Darstellung dazu führen dass Frauen in der Gesellschaft für weniger wichtig gehalten werden und ihre Rolle weniger ernst genommen wird. Die Präsentation von stereotypen Frauenbildern erweckt den Eindruck, dass es sich bei diesen Rollen um die Norm handelt, anderes Verhalten die Abweichung von der Norm darstellt.“46 Wenn wir uns das bereits erwähnte Beispiel für ungleiche Darstellung von Männer und Frauen in den Medien nehmen, welches besagt, dass von Männern eher das Gesicht größer dargestellt wird, während von Frauen eher das Augenmaß auf den Körper gerichtet ist, so erscheint ein Experiment Archers interessant, bei welchem 60 Studentinnen Werbung beurteilen sollten, auf der unterschiedlich große Köpfe dargestellt waren. Es stellte sich heraus, dass die Menschen, deren Köpfe größer abgebildet waren, „positiv bezüglich ihrer Intelligenz, ihres Ehrgeizes und ihrer äußeren Erscheinung eingeschätzt wurden.“47 Mit der nachfolgenden Untersuchung und Interpretation, die wir auf unsere in Darmstadt geführten Interviews stützen, möchten wir einige, in den beiden Theorieteilen bereits erwähnten Klischees, Rollenverteilungen und vor allem die Wahrnehmungen der Befragten Passantinnen und Passanten untersuchen und nach deren Aktualität hinterfragen. 2.3 Studie zum Gendermarketing Eine aktuelle Studie über die Darstellung von Frauen und Männern in der Werbung hat die Marketingfirma UngleichBessser Diversity Consulting erstellt. Hier wurden im Zeitraum von 3 Monaten (Juni 2007 - August 2007) insgesamt 686 Printanzeigenmotive „in den auflagenstärksten Nachrichtenmagazinen Deutschlands“48 namentlich Spiegel, Focus, Stern 46 S. Winter, S. 9 47 S. Winter, S. 12 48 Studie Gendermarketing, S.1 -21und Wirtschaftswoche unter verschiedenen Fragestellungen untersucht. Die Anzeigen wurden qualitativ sowie quantitativ ausgewertet. Unter anderem gab es folgende Fragestellungen, die auch einen direkten Bezug zu unserer Untersuchung haben: • Hat sich die Darstellung der Geschlechterrollen verändert? • Wie werden Frauen in der Werbung gezeigt? • Wie werden Männer in der Werbung gezeigt?49 Die Gendermarketing-Studie kam zu folgenden Ergebnissen: Abbildung 9 In 76% aller Anzeigen werden Männer gezeigt, hingegen Frauen nur bei 47% der Anzeigen. Hinzu kommt, dass Frauen häufig gemeinsam mit Männern abgebildet werden. Von allen Motiven mit Frauen zeigten 36% auch Männer.50 Die Rollenbilder, die in 36% der Anzeigen dargestellt werden, zeigen ein traditionelles Frauenbild. Dieses wird u.a. mit folgenden Adjektiven beschrieben: weich, schwach, verletzlich, abhängig, fürsorglich, mitfühlend, bescheiden, sanft, putzend, kochend, passiv, untergeordnete Position, braucht Anerkennung vom Mann.51 In 20% der Anzeigen werden Frauen als Objekt dargestellt. Dies wird als Verfügbarkeit, Verführung, Wildheit und sexueller Aufgeschlossenheit dargestellt. Während 24% ein neutrales Frauenbild im Beruf präsentieren, zeigen nur 29% der Anzeigen ein anderes Frauenbild. Hier wird der Terminus „Moderne Frau“ eingeführt. Diese ist gekennzeichnet durch selbstkontrollier- 49 Ebd. 50 Ebd. 51 Ebd., S.2 -22te Freizeitgestaltung, aktive Frau, gleichberechtigt, entschlossen, offen, kommunikativ, gebildet, intellektuell.52 Die Darstellung von Männern ist ebenfalls sehr tradiert. 46% repräsentieren das traditionelle Rollenbild, das mit folgenden Attributen beschrieben wird: Beschützer, Versorger, Familienvater, Held, sportlich, dominant, überlegen, unabhängig.53 Abbildung 10 In 28% der Anzeigen wird der Mann als „modern“ beschrieben. Seine Merkmale sind Gleichstellung, Hausarbeit, fehlende Perfektion, Sinnlichkeit, soziale Aufgeschlossenheit.54 Abschließend kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass nach wie vor ein traditionelles Rollenbild, und die damit einhergehende Hierarchisierung der Geschlechter gezeigt werden. Andere Kategorien, wie beispielsweise Alter, Ethnizität, oder Homosexualität finden keine Beachtung in der aktuellen Werbung.55 3. Ausstellung „Der Frauenzoo der Werbung“ Marianne Schulz, Gleichstellungsbeauftragte Dresdens hat gemeinsam mit Frauen des Vereins Henriette Hebers über zwei Jahre sexistische öffentliche Werbeplakate, sei es durch die Reduktion der Frau auf ein Sexobjekt oder die Darstellung in überholten, tradierten Rollen, in Dresden fotografiert. Im Oktober 2002 wurden hieraus 75 Bilder als Wanderausstellung „Der Frauenzoo der Werbung“ veröffentlicht, die vom 31. Au- 52 Ebd., S.2 53 Ebd. 54 Ebd., S.3 55 Ebd., S.4 -23gust – 12. September 2007 durch die Initiative des Frauenbüros Darmstadt auch im Darmstädter Luisencenter56 gezeigt wurde. Wissenschaftlich gestützt wird die Ausstellung durch die bereits in Kapitel 2 zitierte Bielefelder Professorin Christiane Schmerl, die einen Leitfaden entwickelte, nach dessen Kriterien geschlechterdiskriminierende Werbung vermieden werden kann. Die für die Ausstellung ausgesuchten Bilder verstoßen demnach gegen ein oder mehrere der insgesamt neun Kriterien sexistischer Werbung: • Soziale Geschlechterrollen • Künstliche Polarisierung von Menschen und Produkten • Blickfangwerbung • Frauen und Produkte • Sexistische Werbung und herabsetzende Sprache • Negative Frauenklischees • Ängste und falsche Hoffnungen • Verharmlosung von Gewalt • Werbung mit Kindern für Kinder Einige der oben genannten Punkte, wie zum Beispiel negative Frauenklischees, beschränken sich als Seximuskriterien nicht nur auf die Werbung, sondern sind universal übertragbar auf andere gesellschaftliche Bereiche. Sexismus ist daher nicht nur ein Werbephänomen, sondern gesamtgesellschaftlich immanent. An Werbung lassen sich Sexismen besonders deutlich ablesen, da diese im Umlauf befindliche Vorurteile überzeichnet und für ihre Zwecke nutzbar macht. Deshalb verbinden Schmerl und die Initiatorinnen der Ausstellung mit den oben genannten Kriterien die Forderung an die Werbetreibenden diese einzuhalten, um geschlechterdiskriminierende Werbung zu vermeiden, aber insbesondere auch die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung für das Thema zu sensibilisieren. 56 Das Luisencenter ist das größte Einkaufszentrum in der Innenstadt von Darmstadt. -24- 3.1 Soziale Geschlechterrollen Der Leitfaden konstatiert als wesentliches Element zur Vermeidung diskriminierender Werbung, dass die Darstellung sozialer Geschlechterrollen auch dem gesellschaftlichen Wandel Rechenschaft tragen muss. Dazu gehört speziell eine ausgewogene Darstellung von Frauen und Männern in ihren sozialen Rollen. Zwar ist es durchaus zulässig Frauen in traditionellen Rollen zu zeigen, doch durch die „quantitative KuAbbildung 11: Frauen und Technik-Stereotyp mulation und qualitative Übertreibung“57 entstehen aus einzelnen Darstellungen ditioneller Rollen letztendlich Diskriminierungen, die durch unrealistische Überzeichnungen konventioneller Rollenbilder58 noch gesteigert werden. Zum gesellschaftlichen Wandel zählt darüber hinaus eine umfassende Darstellung heutiger Familienstrukturen in allen ihren Ausprägungen abseits der traditionellen Idealvorstellung einer Familie, in der die Frau zu Hause bleibt und allein für die Versorgung der Kinder zuständig ist. 3.2 Künstliche Polarisierung von Menschen und Produkten „Geschlechterpolarisierende und Geschlechterstereotype vergröbernde oder idealisierende Werbung (hyperfeminine Frauen, supermaskuline Männer) und Werbung, die überdies auf die Sexualisierung/sexuelle Überhöhung von neutralen Produkten zielt, ist zu vermeiden.“59 Der Aspekt der künstlichen Polarisierung denkt die Problematik überzeichnender Rollenbilder aus dem vorangegangen Kapitel einen Schritt weiter. Die Ergänzung durch das Künstliche betont, dass eine solche Polarisierung der Geschlechter eben nicht natürlich und damit auch nicht un- 57 Schmerl, Leitfaden zur Ausstellung 58 Gängige Rollenbilder sind bspw. Frauen, die kein Auto fahren können oder bei tech- nischen Fragen auf die Hilfe eines Mannes angewiesen sind und in denen sich dadurch ein Herrschaftsverhältnis zwischen dem stets überlegenen, unabhängigen Mann und der untergeordneten und vom Mann abhängigen Frau konstituiert. 59 Schmerl, Leitfaden zur Ausstellung -25abänderlich ist. Indem Frauen und Männer bzw. Menschen und Produkte bewusst durch unrealistische Stereotype polarisiert werden, konstruiert Werbung darüber künstliche Gegensätze, um diese für ihre Zwecke auszunutzen. 3.3 Blickfangwerbung Mit dem Begriff der Blickfangwerbung greift Schmerl solche häufige Formen von Werbung auf, die Frauenkörper als Objekte der Werbung instrumentalisieren und somit als Blickfang oder bloße Dekoration degradieren. Eine gerechte Darstellung äußert sich demnach darin, dass ein eindeutiger Bezug zwischen Produkt und Werbung besteht und Frauenkörper nicht durch eine suggerierte permanente Verfügbarkeit sexuell ausgebeutet werden. Schmerl weist an dieser Stelle explizit darauf hin, dass auch ein Produktbezug noch lange keine sexuelle Ausbeutung rechtfertigt. Denkbar wäre, dass Firmen einen vermeintlichen Produktbezug konstruieren, um diesen Aspekt des Leitfadens zu umgehen. Abbildung 12: Blickfangwerbung ohne Produktbezug -26- 3.4 Frauen und Produkte Wenn im Kapitel zuvor der Produktbezug eingefordert wurde, muss er an dieser Stelle konkretisiert werden. Weder kann der Produktbezug wie erwähnt jedwede Form von Diskriminierungen rechtfertigen, noch darf der Produktbezug als Gleichsetzung von Frau und Produkt verstanden werden. Eine solche Gleichsetzung wird in der Werbung in der Regel dadurch versucht, dass als typisch oder ideal angesehene Eigenschaften einer Frau auch dem Produkt zugeschrieben werden sollen. 3.5 Sexistische Werbung und herabsetzende Sprache Sexistische Werbung kann sich besonders auch durch die Verwendung einer abwertenden oder sexuell anzüglichen Bezeichnung sowohl gegenüber Frauen als auch Männern gegenüber ausdrücken. Schmerl führt diesbezüglich exemplarisch Bezeichnungen wie „Girls“, „Mieze“, „junges Gemüse“, „junges Ding“, etc. für Frauen an. Für Männer könnte man analog „Boys“, „Jungs“, „Süßer“, etc. ergänzen. Abbildung 13: Sexuell anzügliche Werbung Abbildung 14 – „Junges Gemüse“ -27- 3.6 Negative Frauenklischees Als besondere Akzentuierung der diskriminierenden Darstellung sozialer Geschlechterrollen60 nennt Schmerl die Verwendung negativer Frauenklischees wie die der bösen Schwiegermutter, Schlampe, Nutte, falsche Schlange, Luxushyäne und der monströsen Emanze61 und betont damit die Bedeutung, wenn die Darstellung der tradierten Rolle der Frau durch negativ konotierte Frauenklischees flankiert wird. Abbildung 15 3.7 Ängste und falsche Hoffnungen Unter Werbung, die geschlechtsspezifische Ängste oder Vorurteile weckt, kann unter anderem auch solche Werbung verstanden werden, die durch die Darstellung unrealistischer Körperideale die Angst schürt, der eigene Körper sei nicht perfekt genug für das andere Geschlecht. Neben diesem Angstaspekt gibt es Werbung, die an die Verwendung des beworbenen Produkts falsche, weil nicht erreichbare, Hoffnungen knüpft. So wird das Deodorant AXE beispielsweise regelmäßig mit einer Verführungsgarantie des Produkts beworben. 3.8 Verharmlosung von Gewalt Ein Tabu für Schmerl sind die „ästhetisierenden, verniedlichenden oder belustigenden Inszenierungen [bestehender Gewaltverhältnisse]“62. Denn tatsächlich erlebte Situationen körperlicher und seelischer Gewalt dürfen nicht kommerziell „als Anspielung oder als ‚witziger Gag’“63 ausgebeutet werden. 60 Vgl. Kapitel 3.1.1, Soziale Geschlechterrollen 61 Schmerl, Leitfaden zur Ausstellung 62 ebd. 63 ebd. -28- 3.9 Werbung mit Kindern für Kinder Neben der Sexualisierung von Kindern durch „kleine, geschminkte Lolitas, die Vätern und Onkeln den Kopf verdrehen; Schulbuben-Machos, die erwachsenen Frauen unter die Röcke schauen“64 reproduziert und festigt Werbung durch die gezielte Bewerbung technischer Spielzeuge für Jungen bestehende Geschlechterstereotype, nach denen Jungen traditionell „Denk- und Konstruktionsfähigkeit anregendes Spielzeug“65 bevorzugen. Durch diese Stereotypenreproduktion sowohl bei den Männern als auch den Frauen vergibt die Werbung die Chance, durch eine ausgewogene und beide Geschlechter ansprechende Werbung bestehende Stereotypen aufzubrechen. 4. Konzeptionelle Überlegungen zum Fragebogen Begleitend zur Ausstellung „Der Frauenzoo der Werbung“ konzipierten wir einen Fragebogen, um die Wirkung und Wahrnehmung von sexistischer Werbung sowohl bei Besuchern der Ausstellung, als auch bei Passanten, die die Ausstellung nicht besucht hatten, zu untersuchen. Eine zu treffende Entscheidung war die Art der Befragung; entweder durch die Auslage eines Fragebogens in der Ausstellung oder direkte Befragung der Passantinnen und Passanten. Ebenso im Vorfeld zu klären, war die dieser Arbeit zugrunde liegende Sexismus-Definition. Hierbei stützen wir uns im Wesentlichen auf die bereits in Kapitel 3 vorgestellten Thesen Schmerls. Für die Auslage der Bögen sprachen der deutlich geringere Arbeitsaufwand für uns und die höhere Anonymität für die Befragten, gewichtigstes Gegenargument war allerdings der zu erwartende geringe Rücklauf der Fragebögen. Ferner hätte die durch ausliegende angesprochenen Gruppe problematisch werden können, spricht man doch dadurch nur eine bestimmte Gruppe von Menschen an, die zum einen eine niedrige Hemmschwelle und Interesse bzw. Zeit haben, überhaupt einen Fragebogen schriftlich auszufüllen. 64 ebd. 65 ebd. -29Argumente für die direkte Befragung der Passanten waren, dass wir gezielt Passanten ansprechen konnten, um eine möglichst ausgeglichene Gruppe bezüglich Alter und Geschlecht zu erreichen66. Bei der Konzeption der Fragen mussten wir uns entscheiden, ob wir einen qualitativen oder einen quantitativen Schwerpunkt in der Art der Fragestellung setzen wollen. Qualitative und quantitative Sozialforschung werden häufig als Gegensatzpaar genannt, da beide Methoden unterschiedliche Ansätze in der empirischen Sozialforschung verfolgen. Quantitative Methoden werden in der Regel eingesetzt, um bestehende Hypothesen zu überprüfen, indem zählbare Eigenschaften gemessen werden. Ein Beispiel hierfür wäre die Zufriedenheit der Befragten bezüglich eines Sachverhalts über eine Antwortskala zu erfassen67: Nicht zufrieden Wenig zufrieden mittelmäßig zufrieden Ziemlich zufrieden Sehr zufrieden Die Antworten hierzu lassen sich auszählen, also quantitativ erfassen und anschließend zur Hypothesenverifizierung bzw. –falsifizierung einsetzen. Der Vorteil quantitativer Erhebungen liegt darin, dass man durch die starke Standardisierung und die Einschränkung gut gewählter Antwortmöglichkeiten Ergebnisse erhält, die sich durch stochastische Verfahren analysieren und auswerten lassen. Mayring sieht das Problem quantitativer Methoden darin, dass diese „die ‚Versuchspersonen’ nicht zu Wort kommen [lassen], sondern sie auf das Reagieren auf vorgegebene Kategorien [reduzieren].“68 Dem gegenüber stehen (halb-)offene Fragen, die den Befragten die Möglichkeit offenlassen frei auf eine Frage zu antworten. Qualitative Fragen werden oft zur Erforschung eingesetzt, um eine Hypothese zu generieren. Die prinzipielle Offenheit der Fragen und das zu Wort kommen lassen qualitativer Fra- 66 Nach Abschluss der Befragung sollten wir feststellen, dass wir keine große Freiheit bei Auswahl der Passanten hatten, da die Bereitschaft an einem Interview teilzunehmen, insgesamt relativ gering war. Auch wenn die Bandbreite der Ablehnungsgründe variierte, wurde am häufigsten Zeitmangel als Grund angegeben. Über die Ursachen kann man nur spekulieren, eine Rolle mag hierbei der Ausstellungsort gespielt haben, da das große Darmstädter Einkaufszentrum des Luisencenters in der Regel mit Kaufinteresse besucht wird, welches mit der Bereitschaft an einem Interview teilzunehmen konkurrieren dürfte. 67 Vgl. Schnell, S. 309 68 Mayring, S. 1 -30gen bedingen aber auch einen erheblichen Mehraufwand in der Weiterverarbeitung der Interviews. Während bei quantitativen Fragen durch ihre starke Vorstrukturierung eine Kategorisierung entfällt, muss bei den qualitativen Fragen eine solche Kategorisierung und Systematisierung erst erfolgen. Da eine sinnvolle Quantifizierbarkeit eine wichtige Säule auch in der qualitativen Forschung ist69, haben wir uns schlussendlich auf eine Mischung beider Verfahren mit einem starken Akzent auf die qualitativen Fragen entschieden. Da wir mit unseren Fragen auch stets Begründungen für getroffene Aussagen erhalten wollten, die über ein stark strukturiertes Antwortschema hinausgehen, ermöglicht uns diese Vorgehensweise die Ergebnisse der qualitativen Fragen zu quantifizieren und somit auch diese Ergebnisse in Zahlen zu fassen. Wir verbinden damit die Hoffnung, mehr in die Tiefe gehen zu können und von uns unerwartete Perspektiven bzw. Deutungen eröffnet zu bekommen, die wir bei einer rein quantitativen Vorgehensweise möglicherweise nicht erhalten würden. Dadurch, dass wir stets auch Begründungen erfragen, schufen wir Raum für Reflexionen und möglicherweise authentischere Antworten, die uns helfen, gesellschaftliche Strukturen im Zusammenhang mit Diskriminierung und Werbung aufzudecken. Somit wählten wir für die Befragung eine halboffene, standardisierte Interviewsituation70, die sich zum einen dadurch kennzeichnet, dass alle Befragten dieselben Fragenformulierungen in derselben Reihenfolge gestellt bekommen71 und zum anderen die Befragten je nach Frage Antwortvorgaben vorgegeben bekamen oder nicht. Ziel dessen war es für alle Befragten eine gleiche Interviewsituation zu schaffen und somit die Ergebnisse vergleichbar zu machen. Zu dieser Konstanz in der Fragestellung gehörte ebenfalls, dass wir uns in der Rolle der Interviewer zurückhielten, um eine Beeinflussung der Befragten zu minimieren. Schnell et. al. führen in Anlehnung an Payne eine Reihe von Faustregeln an, an denen wir uns bei der Konzeption der Fragen orientiert haben72. So haben 69 Mayring, S. 24 ff. 70 Mayring, S. 49 71 Schnell, S. 301 72 Schnell, S. 313 -31wir bewusst einfache Worte gewählt und auf nicht gebräuchliche Fachausdrücke verzichtet (bspw. durch die Operationalisierung des Sexismusbegriffs73 durch Umschreibungen anstatt diesen als bekannt vorauszusetzen), da eine hinreichende Bekanntheit des Begriffs mit seinen verschiedenen Facetten bei den Befragten nicht vorausgesetzt werden konnte. Die Fragen 13-17 (25% des Fragebogens insgesamt) nehmen explizit Bezug auf die Ausstellung und wurden daher nur Passanten gestellt, die auch die Ausstellung besucht hatten. 4.1 Sozialstatistische Daten Daten zur Kontaktaufnahme und persönliche Daten zu dem/der Befragten: Alter: ____________ Jahre Geschlecht: weiblich □ männlich □ Familienstand: ledig □, verheiratet □, geschieden □, getrennt lebend □, eheähnliche Lebensgemeinschaft □ Sonstiges: _______________________________ Kinder: Ja □ Nein □ Fragebogenfrage A Den obligatorischen Beginn des Fragebogens stellte die Aufnahme sozialstatistischer Daten dar. Laut Schnell et. al. „muss die theoretische Bedeutung des durch die Frage operationalisierten theoretischen Konstrukts auf seine Relevanz für das spezifische Forschungsinteresse geprüft werden. Eine lediglich ‚routinemäßige’ Abfrage von demographischen und/oder personalen Eigenschaften empfiehlt sich keinesfalls.“74 Da unser Fragebogen zum Teil aus qualitativen und zum Teil aus quantitativen Fragen besteht, mussten wir uns die Frage stellen, welchen Zweck wir mit der Erhebung der sozialstatistischen Daten verfolgen wollen. Da die kleine Stichprobengröße nicht erwarten ließ, dass wir aus den sozialstatistischen Daten signifikante Korrelationen zu den Aussagen finden würden, operationalisiert sich in der Erhebung dieser Daten unser Anliegen, einen möglichst breiten Querschnitt der befragten Bürgerinnen und Bürger zu erhalten, sei es im Alter, Geschlecht oder Familienstand. 73 Vgl. Kapitel 3 74 Schnell, S. 305 -32- 4.2 Wahrnehmung von Unterschieden in der Darstellung von Frauen und Männern (nackt vs. angezogen) 1. Frauen werden in der Werbung häufig weniger bekleidet als Männer gezeigt. Nehmen Sie das auch so wahr? Empfinden Sie das als normal? Warum? Fragebogenfrage 1 Als inhaltlichen Einstieg in unsere Befragung haben wir das Ungleichgewicht gewählt, das sich in der Art der Darstellung von Frauen und Männern ausdrückt. Dies ist eine Frage, die sich aus dem persönlichen Erfahrungsschatz gut beantworten lässt, auch wenn man sich zuvor noch keine ausgiebigen Gedanken dazu gemacht hat. Schnell et. al. weisen auf die hohe Bedeutung der Einleitungsfrage hin75, da sie Interesse am Thema wecken und nicht zu schwierig zu beantworten sein sollte. Ist die befragte Person gleich bei der ersten Frage gezwungen zu passen, fördert dies das Desinteresse und das Gefühl, „dass das gesamte Interview ihn [oder sie] eigentlich nur wenig betrifft.“76 Somit bezieht sich die Einleitungsfrage auf die Wahrnehmung der Befragten und kann einen Hinweis geben auf das Verhältnis zwischen der Feststellung eines Unterschieds in der Darstellung und ob bzw. wie dieser Unterschied tatsächlich wahrgenommen wird (als naturgegeben, zwangsläufig, normal, nicht normal, usw.). 4.3 Wahrnehmung von Unterschieden in der Darstellung von Frauen und Männern (traditionelle Rollenbilder) 2. Oft werden Frauen auch in anmachenden Posen und sexuell aufreizenden Stellungen gezeigt, während Männer eher coole Geschäftsmänner darstellen. Was sind Ihre Empfindungen hierzu? Fragebogenfrage 2 Diese sich an die Frage nach der Wahrnehmung der Darstellung von Frauen und Männern anschließende Frage, ergänzt diese um den Aspekt der 75 Schnell S. 321 76 ebd. -33Wahrnehmung von traditionellen, in diesem Fall sexistischen Rollenbildern. Auch in diesem Fall zielt diese Frage darauf ab, das Vorhandensein traditioneller Rollenbilder und Geschlechterstereotypen in der Werbung bei den Befragten festzustellen. Unsere in der Einleitung geäußerte Vermutung, dass aktuelle Werbung Frauen und Männer immer noch in traditionellen Rollen verweist und damit vorhandene Strukturen verfestigt, haben wir durch diese Frage operationalisiert, um unsere Vermutung zu bestätigen oder zu widerlegen. 4.4 Erinnerung konkreter, diskriminierender Werbung 3. Gibt es Werbung, die Sie als abwertend gegenüber bestimmten Personen empfinden? (Z.B. gegenüber Frauen, farbigen Menschen, Muslimen)? Fragebogenfrage 3 In der Frage nach konkreter Werbung, die als diskriminierend empfunden wird, ist die theoretische Überlegung abgebildet, welche der wahrgenommen Bilder besonders erinnert werden oder welche Werbeformen generell als abwertend gegenüber bestimmten Personen oder Gruppen wahrgenommen werden. 4.5 Wahrnehmung diskriminierender Werbung in der Öffentlichkeit 4. Wo ist Ihnen solche Werbung insbesondere an öffentlichen Plätzen aufgefallen? Fragebogenfrage 4 Wo wird Werbung platziert und an welchen Orten der Öffentlichkeit wird solche Werbung wahrgenommen? Wird dadurch der Raum verändert? Macht es einen Unterschied, wenn überall permanent nackte Frauen dargestellt werden? Kann man sich solchen Darstellungsformen entziehen bzw. wie omnipräsent sind Plakate? -34- 4.6 Emotionale Wirkung diskriminierender Werbung 5. Wie hat diese Werbung auf Sie gewirkt (unangenehm berührt, hat mir gefallen, war mir egal, …)? Fragebogenfrage 5 Die rationale Einschätzung von Werbebildern wird durch die emotionale Reaktion auf die wahrgenommene Werbung ergänzt. Der Fokus auf die dadurch provozierten Emotionen lässt die Wahrnehmung der Werbung plastischer erscheinen und hat dadurch eine andere Qualität. So können Adjektive wie unangenehm, ekelhaft, ästhetisch oder erotisch ein deutlich differenziertes, intensiveres Bild abgeben, als nur die bloße Aussage man störe sich an diskriminierender Werbung. Unter anderem mit dieser Frage operationalisiert sich unsere Fragestellung aus der Einleitung, ob die Werbung auch Bilder reproduziert, die die Darmstädter Bevölkerung ablehnt. 4.7 Gewünschter, öffentlicher Umgang mit sexistischer Werbung 6. Wie sollte mit sexistischer Werbung in der Öffentlichkeit umgegangen werden? Sollte verboten werden □ Sollte reglementiert werden □ Sollte überhaupt nicht reglementiert werden □ 7. Warum? Fragebogenfragen 6 + 7 Während die vorangegangen Fragen auf die unterschiedlichen Wahrnehmungsformen von sexistischer Werbung ausgerichtet waren, schließen sich nun Fragen an die konkreten Maßnahmen und Reaktionen an. Denn aus der Feststellung eines Missstands resultiert nicht zwangsläufig die Forderung nach Veränderung. Dies hängt zum einen von der subjektiv wahrgenommenen Schwere des Missstands ab (wie viel Bedeutung messe ich persönlich der Behebung des Missstands bei) und zum anderen davon, ob ein Handeln (beispielsweise durch den Staat in Form eines Gesetzes) überhaupt erwünscht ist. Hieraus ergeben sich grundsätzlich folgende -35Handlungskonsequenzen: zum einen je nach Schwere des Missstands ein Verbot oder zumindest eine Reglementierung sexistischer Werbung und zum anderen überhaupt keine öffentliche Reglementierung. An die Multiplechoice-Frage schloss sich eine Ergänzungsfrage an, in der den Befragten die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Entscheidung zu begründen. 4.8 Öffentliche Problematisierung sexistischer Werbung 8. Sollte sexistische Werbung in der Öffentlichkeit problematisiert werden (z.B. in Schule oder Politik)? Ja □ Nein □ 9. Warum? Fragebogenfragen 8 + 9 Neben der staatlichen Reglementierung war uns auch wichtig die Frage zu stellen, inwiefern es bei den Bürgerinnen und Bürgern gewünscht ist, sexistische Werbung durch die Bildungseinrichtung Schule oder die Politik zu problematisieren. Dadurch operationalisiert sich unsere Eingangsfrage nach möglichen Konsequenzen für Bildungsprozesse und Aufklärung. Die Beantwortung dieser Frage spielt zum einen die bei Frage 6 und 7 angesprochene persönliche Wahrnehmung der Schwere des Missstands, aber auch das Vertrauen in die Schule und die Politik mit hinein. Ihre Ja- oder Nein-Antwort konnten die Befragten ebenfalls begründen. 4.9 Frauen in der Werbung, die für gut gefunden werden 10. Gibt es Frauen in der Werbung, die Sie gut finden? Ja □ Nein □ 11. Wenn ja, welche? Wenn nein, wieso nicht? Fragebogenfragen 10 + 11 -36Ob die Befragten grundsätzlich alle Darstellungen von Frauen nicht gut finden, war Thema dieser Frage. Ziel war es auch aus den Nennungen auf Widersprüchlichkeiten aufmerksam zu werden. Wird sexistische Werbung für nicht gut erachtet, aber dennoch bestimmte Frauen aus sexistischen Darstellungen für gut befunden? 4.10 Zusatzfragen für Besucher der Ausstellung 12. Haben Sie sich die Ausstellung im Luisencenter angesehen? Ja □ Nein □ Fragebogenfrage 12 Frage 12 ist eine Filterfrage und wurde daher in der Auswertung lediglich dazu verwendet, die Befragten nach sensibilisierten und nicht sensibilisierten zu trennen. Die Fragen 13 bis 17 wurden ausschließlich den Passanten gestellt, die auch die Ausstellung besucht hatten. 4.11 Einschätzung als sexistische Werbung 13. Wie viel Prozent der gesehenen Werbung nehmen Sie als sexistische wahr? Fragebogenfrage 13 Ausgangspunkt dieser Frage war die Überlegung, in welcher Form sich die in der allgemein gestellten Frage 2 Einschätzungen in der Wahrnehmung der in der Ausstellung gezeigten Bilder widerspiegelt. Ferner lässt die Beantwortung der Frage Schlüsse über den Schwellenwert zu, wann die sexistische Werbung der Ausstellung auch als sexistisch wahrgenommen wird. -37- 4.12 Sind die Werbebilder der Ausstellung zeitgemäß? 14. Halten Sie die eben gesehene Werbung für zeitgemäß? Ja □ Nein □ 15. Wenn ja, wieso? Wenn nein, was würden Sie an der Werbung verändern? Fragebogenfrage 14 + 15 Mit der Frage, ob die zuvor in der Ausstellung betrachteten Bilder auch als zeitgemäß wahrgenommen werden, beabsichtigten wir in Erfahrung zu bringen, inwiefern das Gesehene den eigenen Vorstellungen einer zeitgemäßen Werbung entspricht, also ein Ideal, was für sie einer adäquate Darstellung für den Menschen entspricht77. In diese Vorstellungen spielt aber auch hinein, wie die Rolle der Werbung gedacht wird: agiert oder reagiert Werbung? Legt Werbung fest, was zeitgemäß ist oder reagiert Werbung lediglich auf den Zeitgeist? Somit waren mit dieser Frage zwei Zielebenen verbunden: Was bedeutet für die Befragten „zeitgemäß“ und wie definiert sich der dessen Inhalt? 4.13 Auswirkungen der Ausstellung 16. Sehen Sie Werbung, auf der Frauen abgebildet werden, jetzt mit anderen Augen? Ja □ Nein □ 17. Wie sehen Sie jetzt Werbung, auf der Frauen abgebildet werden? Fragebogenfrage 16 + 17 Ein Ziel der Ausstellung war es, Bürgerinnen und Bürger zuerst in Dresden und anschließend an den Orten der Wanderausstellung mit dem Thema vertraut zu machen und zu sensibilisieren. Daher war unser Anliegen nur konsequent, zu hinterfragen inwiefern die Befragten unmittelbar nach der Ausstellung bereits angeben können, ob sich die eigene Sicht- 77 Man kann sich an der Stelle auch fragen, ob die traditionelle Rollenklischees und diskriminierenden Darstellungen der Ausstellung weiterhin als zeitgemäß wahrgenommen werden. -38weise geändert hat und wie sich diese ausdifferenziert. Die Ergebnisse auf diese Frage können aber dennoch nur einen Hinweise geben, denn durch solche angestoßene Reflexionsprozesse sind mit großer Wahrscheinlichkeit im direkten Anschluss an den Besuch der Ausstellung noch nicht abgeschlossen und konnten daher auch im Rahmen unserer Befragung nicht erschöpfend erhoben werden. Es ist also durchaus möglich, dass sich der Reflexionsanstoß erst zu einem späteren Zeitpunkt bei den befragten Personen durchsetzt. 4.14 Frauenbilder der Werbung als Vorbild? 18. Würden Sie die in der Werbung gezeigten Frauenbilder als Vorbilder für Ihre Tochter/Freundin/Enkelin/Nichte wünschen? Ja □ Nein □ 19. Warum? Fragebogenfrage 18 + 19 Diese Frage unterschied sich je nach Alter der Befragten marginal darin, welche der Beziehungspersonen genannt wurde. Während bei älteren Befragten mit Kindern eher die Tochter bzw. die Enkelin in der Frage genannt wurde, kamen bei jüngeren kinderlosen die Freundin oder bei älteren die Nichte vor. Die Entscheidung diese Frage zu stellen, hatten wir aus mehreren Gründen getroffen. Bewusst haben wir die Frage an das Ende des Fragebogens gestellt, da zum Ende des Fragebogens zumindest teilweise über das Problem nachgedacht wurde. Denn ein Großteil der Fragen versuchte bei den Befragten die Angabe von Begründungen anzuregen, wodurch die Aussagen möglicherweise teilweise reflektierter sind als zu Beginn des Interviews. Das Besondere an dieser Frage ist, dass sie sich qualitativ von den anderen unterscheidet. Sie verlangt von den Befragten, die Werte, die als wünschenswert für nahe stehende Frauen wie die Tochter, Freundin, Enkelin, Nichte etc. angesehen werden, in Bezug zu setzen mit den durch die Werbung transportierten Werten in Form von Frauenbildern. Dieser an sich kompliziert anzuregende Prozess des Nachdenkens für ein Interview wird durch den persönlichen Bezug zu der nahe stehenden Person authentischer gemacht. Denn unsere Vermu- -39tung ist, dass es einen qualitativen Unterschied dadurch gibt, dass eine Frage ohne oder explizit mit persönlichem Bezug gestellt wird. Uns ging es in dieser Frage auch darum, die Frage über den gesellschaftlichen Diskurs zu beantworten. Theoretische Überlegungen zu Körperdarstellungen78 lassen sich nur schwierig schablonenartig auf Frauen übertragen. Bricht man diese Theorien jedoch mit der konkreten Frage nach Vorbildern und der Lebenswirklichkeit auf den Alltag herunter, lassen sich hieran Auswirkungen sichtbar machen. 4.15 Offene Abschlussfrage 20. Wurde noch etwas bisher nicht angesprochen, das Sie noch sagen möchten? Fragebogenfrage 20 Jeder noch so gut abgestimmte Fragebogen läuft Gefahr, ein zentrales Anliegen der Befragten zu ignorieren, da es nicht möglich ist, alle denkbaren Aspekte umfassend zu berücksichtigen. Daher bietet die offene Abschlussfrage den Interviewpartnern die Möglichkeit zum einen noch nicht angesprochenen Aspekten Gehör zu verschaffen und zum anderen einen bereits erwähnten Aspekt zu wiederholen und damit zu bekräftigen. 5. Qualitative Analyse: Auswertung der Fragen Die Auswertung der Fragebögen, die größtenteils aus qualitativen Fragen bestehen79, erfolgte nach dem Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse von Philipp Mayring80, speziell nach der inhaltsanalytischen Zusammenfassung. Dieses Verfahren beschreibt eine systematische Herangehensweise, bei der ausgehend vom Material ein Kategoriensystem entwickelt wird. Kennzeichnend hierfür ist eine schrittweise Zergliederung und Bearbeitung des zugrunde liegenden Materials, in diesem Fall konkret die beantworteten Fragen der Passanten. Ziel dieses heuristischen Verfah- 78 Vgl. Kapitel 1 79 Vgl. Kap. Konzeptionelle Vorüberlegungen 80 Mayring 1996 -40rens ist es, die Antworten systematisch zu ordnen und einzuschätzen und in diesem konkreten Fall die vielfältigen offenen Antworten so zu ordnen, sodass letztendlich reliable Aussagen nach wissenschaftlichen Maßstäben getroffen werden können. Die inhaltsanalytische Zusammenfassung wurde zur induktiven Kategorienbildung genutzt, dabei wurden die Antworten der Fragebögen zuerst abgetippt und anschließend systematisch durchgearbeitet und kategorisiert. Die nach diesem Verfahren geforderte Festlegung der Selektionskriterien wurde nicht berücksichtigt, da ein Fragebogen aufgrund seiner systematischen und teilvorstrukturierten Anordnung von Natur aus die Selektionskriterien bestimmt: Jede Antwort auf eine Frage wird in die Kategorienbildung einbezogen. Wie wurde nun vorgegangen? Die Fragebögen bildeten 20 Fragen ab, die größtenteils qualitativ zu untersuchen waren, weswegen jede dieser Fragen einzeln behandelt und Antwort für Antwort bearbeitet wurde. Dabei wurde jede Antwort entweder in eine bereits bestehende Kategorie eingeordnet (Subsumption81) oder es wurde, falls keine passende Kategorie existierte oder modifiziert werden konnte, eine neue Kategorie erstellt (Kategorienformulierung82). Nach diesem Verfahren wurde der erste Teil der Fragen aller Fragebögen kategorisiert. Das Ablaufmodell der induktiven Kategorienbildung83 fordert nach Erarbeitung von ca. 10-50% des Materials eine Revision des Materials84, um zu überprüfen, ob die Fragestellung hinreichend berücksichtigt wurde und keine logischen Fehler, wie beispielsweise eine Überlappung der Kategorien, vorhanden sind. Dem wurde durch eine intensive diskursive Validierung in der Gruppe Rechnung getragen, in der die Kategorien überarbeitet und logische Fehler korrigiert wurden. Es folgte die abschließende Kodierung der übrigen Fragen, die wiederum diskursiv validiert wurden. Es bleibt die Erkenntnis, dass sich ein starr lineares Verfahren zur Analyse von Fragebögen nicht vollständig aufrechterhalten lässt. Wie in Abbildung 1 ersichtlich, gibt es viele Rückverweise auf ein früheres Bearbeitungsstadium, die stellenweise eine Revision der Kategorien erforderlich machte. 81 Vgl. ebd., S. 92 82 Vgl. ebd. 83 Vgl. Abbildung 11 84 Vgl. Mayring 1996, S. 92 -41- Gegenstand der Analyse Fragestellung, Theorie Zeilenweiser Durchgang der Antworten: Kategoriendefinition: Subsumption oder neue Kategorienformulierung Revision der Kategorien nach 10-50% der Antworten (Diskursive Besprechung) Endgültiger Durchgang der Antworten Revision/Zusammenfassung der Kategorien (Diskursive Besprechung) (Interpretation/Auswertung) Abbildung 16: Modifiziertes Ablaufmodell induktiver Kategorienbildung -42- 6. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse 6.1 Sozialstatistische Daten Altersstruktur der Bevölkerung Darmstadts (18 Jahre und älter) 17,5% 20,0% 18-24 25-40 41-64 28,4% 34,1% 65 und älter Alter der Befragten keine Angabe 6% 1% 13% 18-24 25-40 45% 35% 41-64 65 und älter Familienstand 1% 7% verheiratet 1% 6% 2% 2% 44% ledig eheähnliche Lebensgemeinschaft geschieden getrennt lebend keine Angabe 37% alleinstehend verwitwet Geschlecht Kinder? 53% 47% 47% weiblich männlich 53% Ja Nein -43Wie in Kapitel 4.1 angesprochen, sollte mit der Erhebung der sozialstatistischen Daten lediglich überprüft werden, ob wir einen guten Querschnitt haben. Insgesamt wurden 85 Bürgerinnen und Bürger aus Darmstadt befragt, darunter 49, die die Ausstellung besucht und 36, die diese nicht besucht hatten. Die vorangestellten Diagramme machen deutlich, dass sowohl Frauen als auch Männer, Jüngere und Ältere, Eltern und Kinderlose bei der Befragung in ausreichender Zahl zu Wort kamen. Der Vergleich mit der Altersstruktur Darmstadts85 legt nahe, dass die Altersstruktur der befragten Personen weitestgehend der Altersstruktur der Darmstädterinnen und Darmstädter entspricht. Somit lassen sich mit Einschränkungen Rückschlüsse auf die Darmstädter Bevölkerung ziehen. 6.2 Frage 1: Frauen werden in der Werbung häufig weniger bekleidet als Männer gezeigt. Nehmen Sie das auch so wahr? Empfinden Sie das als normal? Warum? Nehmen Sie das auch so wahr? Anzahl der Nennungen Ja Nein 67 6 Empfinden Sie das als normal? Anzahl der Nennungen Ja 40 Nein 32 Kategorie86 Anzahl Gleichberechtigung, Rollenklischees, Diskriminierung 20 Sex Sells, fehlender Produktbezug 16 Frauen sind ästhetischer als Männer 10 Ist nicht gut so, falscher Trend (nicht natürlich) 8 Omnipräsenz von Frauen in der Werbung 6 Rund 90% nehmen wahr, dass Frauen in der Werbung weniger bekleidet sind als Männer. Werbebilder werden demnach mit einer Tendenz wahrgenommen, die Frauenkörper in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. 85 Die Daten wurden aus dem Dokument Sozialstatistik Darmstadt mit Stand 31.12.2005 entnommen und auf die befragte Zielgruppe der Volljährigen umgerechnet: http://www.darmstadt.de/statis/JahrbuchInternet/K2Bevoelkerung/K2-18.pdf 86 Die erste Spalte enthält alle zu einer Frage gebildeten Kategorien. In der zweiten Spalte sind die Anzahl der Nennungen enthalten. -44Die Aussagen der Befragten zu der Frage, ob dies als normal empfunden wird, sind zweigeteilt: den 32 Nennungen, dass dies nicht normal sei, standen 40 Nennungen gegenüber. Unter diesen ist ein beträchtlicher Teil, der die Normalität mit Bedauern darin sieht, dass man sich an diese Darstellungen mittlerweile gewöhnt hat. Unter den Befragten führen 17 Frauen und 3 Männer als Gründe an, dass Fragen der Gleichberechtigung, Rollenklischees und Diskriminierung (20)87 nicht ihren Vorstellungen entsprechend dargestellt werden, weil diese ihren „Gleichheitsvorstellungen widersprechen“88 oder die „Frau als Lustobjekt“89 dargestellt wird. Die nächst kleinere Gruppe von 11 Männern und 5 Frauen sieht im Verkaufsschema Sex Sells und dem fehlenden Produktbezug (16) eine Widersprüchlichkeit, da es „nicht um das Produkt [geht], sondern um die Frau“90. Ein Befragter äußert dazu: „Normal ist das nicht, aber so lässt sich gut verkaufen.“91 8 Männer und 2 Frauen geben an, dass grundsätzlich Frauen ästhetischer als Männer sind (10). Hier wird dem weiblichen Körper die Rolle des Ästhetikobjekts zugeschrieben.92 Die Frage nach der Normalität einer solchen Darstellung hat sich im Nachhinein als unglücklich erwiesen, da die Befragten mit dem Begriff „normal“ unterschiedliche Vorstellungen verbinden. Eine einheitliche Begriffsklärung im Sinne einer Definition ist kaum möglich, weswegen die Ergebnisse widersprüchlich sind und wir die Antworten auf die Frage „Empfinden Sie das als normal“ in die Auswertung nicht mit einfließen lassen. 87 Fettgedruckte Passagen sind aus den Interviews hervorgegangene wortwörtlich oder sinnwahrend angegebene Kategorien. Die dahinter notierte Zahl gibt die Anzahl der Nennungen zu dieser Kategorie an. 88 Interview H3. Da die Interviews anonym geführt wurden, hat jedes Interview eine eindeutige Kennziffer je nach Transkription erhalten. 89 Interview M34 90 Interview R05 91 Interview M31 92 Vgl. Kapitel 1 -45- 6.3 Frage 2: Oft werden Frauen auch in anmachenden Posen und sexuell aufreizenden Stellungen gezeigt, während Männer eher coole Geschäftsmänner darstellen. Was sind Ihre Empfindungen hierzu? Kategorie Anzahl Gesellschaftliche Rollenverteilung, Ästhetik, Körperwahrnehmung 23 Finde ich nicht gut, unangenehm, aufdringlich, abwertend 23 Ja, dem ist so 20 Teilweise in Ordnung (Produktabhängig, zielgruppenorientiert) 11 Werbung reagiert und schafft Bedürfnisse (Kaufanreize) 9 Immer mehr Männer sind nackt (Angleichung) 5 Neutrale Empfindungen, noch keine Gedanken darüber gemacht 4 Macht nichts aus, stört nicht 4 Wird ignoriert oder nicht registriert 3 Insgesamt 77 Nennungen bestätigen die Wahrnehmung, dass Frauen eher in anmachenden Posen und Männer eher als coole Geschäftsmänner dargestellt werden. Hiervon fühlen sich jeweils ca. 25% aller Nennungen an der klischeehaften, gesellschaftliche Rollenverteilung, Ästhetik und Körperwahrnehmung (23) gestört, darunter sind 16 Männer und 7 Frauen. Ebenfalls knappe 25% finden derartige bildhafte Darstellungen nicht gut, unangenehm, aufdringlich, abwertend (23), welche sich in 18 Frauen und 5 Männer teilen. Weitere nahezu 25% (11 Frauen, 9 Männer) bestätigen diesen Sachverhalt ohne Wertung. Es zeigt sich eine Ambivalenz der Interpretation von Ursache und Wirkung in 9 Nennungen, in denen dieser Sachverhalt darauf zurückgeführt wird, dass Werbung sowohl auf gesellschaftliche Verhältnisse reagiert, als auch Bedürfnisse und insbesondere Kaufanreize schafft (9). 11 Befragte finden die Werbung je nach Produkt und Zielgruppe in Ordnung (11) und insgesamt lediglich 11 weitere Nennungen haben neutrale Empfindungen (4), stören sich an der Darstellung nicht (4) bzw. ignorieren diese (3). Die große Anzahl von bestätigenden Nennungen in der Wahrnehmung zeigt, dass die Präsenz von Bildern über Rollenverteilungen und Körperdarstellungen in unserer Gesellschaft in einem kollektiven Bildgedächtnis vorhanden ist. Beachtenswert ist, dass sich 25 Frauen und 21 Männer (rund 50% aller -46Nennungen) durch die Darstellungsform gestört oder sogar bedrängt fühlen. Dies kann als Ausdruck einer sich wandelnden Vorstellung von Rollen- und Körperverhältnissen sowohl bei Männern als auch bei Frauen gedeutet werden oder zumindest dem Wunsch nach einem Wandel. Die ablehnende Haltung gegenüber der gängigen Darstellungsform spiegelt sich auch in den geäußerten Emotionen von Frage 5 wieder. 6.4 Frage 3: Gibt es Werbung, die Sie als abwertend gegenüber bestimmten Personen empfinden? (Z.B. gegenüber Frauen, farbigen Menschen, Muslimen)? Kategorie Anzahl Ja (u.a. Benetton, BILD, Media Markt, Toffifee) 46 Wenn es gegen Religion, Geschlecht oder Werte verstößt 14 Nicht bewusst wahrgenommen, fällt keine bestimmte ein 13 Nein 11 Keine Antwort 4 Abhängig vom persönlichen Standpunkt 1 In der Summe 73 Nennungen entfallen auf Werbung, die als abwertend empfunden wird, darunter sind 46 Nennungen, die sich auf konkret erinnerte Werbung wie BILD, Media Markt, Benetton oder Toffifee (46) beziehen. 14 Befragte empfinden Werbung, in der es generell gegen Religion, Geschlecht und Werte geht (14), als abwertend, wohingegen 11 weitere Personen keine Werbung als abwertend wahrnehmen. Dass sich dennoch die Befragten an konkrete Beispiele erinnern, zeigt, wie lange positive als auch negative Bilder in uns nachwirken und dass diese abrufbar sind. Die in Kapitel 1 ausgeführte Studie von Schmerl zeigt, dass sich die Einstellung über Rollenverhältnisse schon bei Kindern und Jugendlichen bereits durch das Ansehen eines bis weniger Werbespots ändert. -47- 6.5 Frage 4: Wo ist Ihnen solche Werbung insbesondere an öffentlichen Plätzen aufgefallen? Kategorie Anzahl Ja (u.a. Benetton, BILD, Media Markt, Toffifee) 46 Wenn es gegen Religion, Geschlecht oder Werte verstößt 14 Nicht bewusst wahrgenommen, fällt keine bestimmte ein 13 Nein 11 Keine Antwort 4 Abhängig vom persönlichen Standpunkt 1 Kategorie Anzahl Plakate an Straßen oder Haltestellen 28 Nicht an öffentlichen Plätzen (Fernsehen, Zeitung, Illustrierte) 16 Plakate an Geschäften, Kioske, Kinos 9 Werbung wird ignoriert, achte nicht darauf 4 Begegnet öfter (in allen Medien, überall) 3 Kein konkreter Ort, bei entsprechender Größe 2 Davon gehört (Media Markt) 1 Keine Angabe 14 Die Platzierung an stark frequentierten Plätzen oder belebten Verkehrspunkten wie beispielsweise Haltestellen, großen Kreuzungen (28) oder an Geschäften, Kiosken oder Kinos (9) wird mit insgesamt 37 Nennungen am häufigsten erwähnt. Darüber hinaus wird solche Werbung außerhalb öffentlicher Plätze wahrgenommen (Fernsehen, Zeitung, Illustrierte) (16). Durch diese permanente Präsenz kann man sich den Bildern kaum entziehen. Hier stellt sich die Frage, welche Auswirkungen diese Omnipräsenz der Bilder auf unser Verhalten gegenüber und der Wahrnehmung realer Personen hat, wenn wir auf unseren täglichen Arbeitswegen andauernd stereotypen Frauenbildern ausgesetzt sind. Die Untersuchung von Christiane Schmerl legt nahe, dass auch hier eine Beeinflussung und Übernahme vorgegebener Bilder stattfindet. Somit wird stets ein Bild von Frauen durch Plakate in der Öffentlichkeit präsentiert, das nicht der Wirklichkeit der realen Frauen entspricht. -48- 6.6 Frage 5: Wie hat diese Werbung auf Sie gewirkt (unangenehm berührt, hat mir gefallen, war mir egal,...)? Kategorie Anzahl Negative Emotionen (ärgerlich, nervig, ekelhaft, obszön) 38 Stört nicht, langweilig (Spiegelbild der Gesellschaft) 10 Schaue ich mir gerne an, wenn ästhetisch, lustig, erotisch 6 Ambivalenz, man denkt erst später darüber nach 1 Interessant was manche denken, was Leute anspricht 1 Man soll keinen Missstand vermarkten 1 Erstaunt, was Werbung und Produkt miteinander zu tun haben 1 Produktboykott wenn diskriminierend 1 Fördert Magersucht, will trotzdem auch so aussehen 1 Keine Angabe 11 Mit 23 weiblichen und 15 männlichen Befragten entwickelt der Großteil der Befragten negative Emotionen und ist ärgerlich, genervt, angeekelt oder obszön berührt (38). Die Befragten, unter den sich jeweils nur eine Frau befand, gaben an, dass sie sich nicht daran stören (10) oder sogar Gefallen an dieser Werbung finden, wenn diese ästhetisch, lustig oder erotisch ist (6): „Dezente Erotik gefällt, wenn [diese] zu plump, dann nicht“93 Somit stehen sich die Gruppen der negativen oder mindestens neutralen Wertung in einem Verhältnis von gut 2:1 gegenüber. Den 15 Männern, die negative Emotionen mit der Darstellung assoziieren stehen Männer in nahezu gleicher Anzahl (14) gegenüber, die sich daran nicht stören oder Gefallen daran finden. Dass insgesamt 38 der Befragten deutliche negative Emotionen (Ärger, Ekel, Obszönität, …) damit verbinden, weist deutlich auf einen Handlungsbedarf hin, mit solchen Werbeformen anders zu verfahren. 6.7 Fragen 6 und 7: Wie sollte mit sexistischer Werbung in der Öffentlichkeit umgegangen werden? Auf die Frage nach möglichen Reglementierungen konnten die Befragten unter drei Möglichkeiten wählen. Während sich 15 Befragte für ein Ver- 93 Interview M35 -49bot (15) sexistischer Werbung aussprechen, wünschen sich die meisten Befragten eine Reglementierung (38). 30 Nennungen beziehen sich darauf, dass überhaupt keine Form von Reglementierung (30) einzuführen sei. Kategorie Sollte verboten werden Anzahl 15 Wg. Sex und Appell an niedere Instinkte (menschenverachtend) 7 Zu intim, hat nichts in der Öffentlichkeit zu suchen 3 Wegen der Kinder (Diskriminierungen wirken unbewusst) 3 Kriterien des Werberats unter Beteiligung verschiedener Gruppen 1 Gefahr des Voyeurismus 1 Rollenklischees sollen nicht eingeprägt werden 1 Für 7 Befragte kommt ein Verbot in Frage, da sexistische Darstellungen an niedere Instinkte appellieren und menschenverachtend (7) sind, wo die „Frau kein Mensch, sondern Objekt der Begierde [ist]“94. 3 empfanden dies als zu intim (3) und weitere 3 wünschten sich ein Verbot der Kinder wegen (3). Kategorie Anzahl Sollte reglementiert werden 38 Einhaltung gewisser Grenzen, aber keine Überregulierung 26 Reglementierung wegen der Kinder und Jugendlichen 8 Handhabe gegen Diskriminierungen und für Gleichberechtigung 5 Ungleichgewicht ausgleichen zw. Werbung & Produkt (Täuschung) 3 Es ist ja schon geregelt über den Werberat 1 Werbung ist zu eintönig 1 Produkt bei sexistischer Werbung nicht kaufen 1 Keine Antwort 2 Für den Großteil der Befragten ist die Einhaltung gewisser Grenzen (26) wichtig, allerdings wünschen einige Befragte keine Überregulierung, sondern einen Umgang „mit Takt und Fingerspitzengefühl, schöne Menschen 94 Interview R33 -50sind wunderbar, ohne Minderwertigkeit [zu erzeugen]“95. 8 Befragte wünschen sich dies wegen der Kinder und Jugendlichen (8) oder um eine Handhabe gegen Diskriminierungen zu haben (5). Dies zeigt, dass diese Gruppe der Befragten sich eine moderate Reglementierung der Werbung wünscht, in denen die Respektierung der Grundwerte berücksichtigt wird. Sie haben Vertrauen in den demokratischen Prozess, aber mit dem Vorzeichen einer Stärkung seitens des Staates der schwächeren Gruppen. Kategorie Anzahl Sollte überhaupt nicht reglementiert werden 30 Verbote helfen nicht, Frage der Grenzziehung (Nacktheit) 11 Frage der Bildung und Aufklärung, Umdenken der Gesellschaft 8 Gesellschaft muss sich selbst organisieren 7 Stört nicht, Werbung wird nicht als sexistisch empfunden 4 Werbung müsste witziger sein 1 Es kommt auf Vorbilder an 1 Werbung zeigt, was die Menschen sehen wollen 1 Keine Antwort 1 11 Nennungen begründen ihre Abneigung gegen Verbote damit, dass Verbote nichts helfen (11), „weil Regeln und Gesetze meist unterwandert werden“96 und damit auch die Frage nach der Grenzziehung aufkommt. 8 Befragte erklären die Lösung des Problems als Frage und Aufgabe der Bildung und der Aufklärung (8), 7 weitere fordern eine Selbstorganisation der Gesellschaft (7) ohne Verbot ein. Mit 53 Nennungen gegenüber 30 Nennungen wünschen sich nicht ganz doppelt so viele Männer und Frauen eine Reglementierung oder ein Verbot. Bemerkenswert ist hierbei, dass sich die 54 Befragten nahezu paritätisch in Frauen (29) und Männer (25) teilen. Aber unter den 30 Nennungen, die sich gegen eine Reglementierung aussprechen, befinden sich fast doppelt so viele Männer (19) als Frauen (11). 95 Interview R17 96 Interview R31 -51Die Idee, dass eine Gesellschaft ihre Anliegen selbstständig in demokratischen Prozessen löst, ist eine idealisierte Vorstellung. Denn es stellt sich hierbei die Frage, wer in welchem Maße an den Diskursen der Demokratie beteiligt ist. Es liegt auf der Hand, dass nicht alle gleichberechtigt an diesen Diskursen beteiligt sind. Als Beispiel sei hier die Studie „In die Presse geraten“ von Christiane Schmerl angeführt, die aufzeigt, wie Machtressourcen in Medienbereichen wie Nachrichtenredaktionen, Zeitschriften, Zeitungen usw. verteilt sind. Auch hier sitzen an den Entscheidungsstellen fast ausschließlich Männer, die bestehende Machtgefüge durch die Rekrutierung ihrer potenziellen Nachfolger und die Gewichtung der Themen durch stereotype Rollenbilder reproduzieren und damit selbst erhalten.97 Als weiteres Beispiel sei hier auch noch auf die diskursive Praxis, in der über Körper und Rollen verhandelt wird98, hingewiesen. Reglementierungen scheinen hierzu Alternativen für die Befragten zu bieten, sofern die Reglementierungskriterien maßvoll sind und einen Verhandlungsspielraum dafür bieten, welche Darstellungsformen toleriert und welche abgelehnt werden. Das an dieser Stelle Handlungsbedarf besteht, verstärkt sich durch den Rückblick auf die Ergebnisse der Frage 5, in der 38 Befragte mit negativen Emotionen auf Werbung reagieren. 97 Vgl. Kapitel 2 98 Vgl. Kapitel 1 -52- 6.8 Fragen 8 und 9: Sollte sexistische Werbung in der ÖffentÖffen lichkeit problematisiert werden (z.B. in Schule oder Politik)? Warum? 21; 25% 1; 1% Keine Angabe Ja Nein 61; 74% Kategorie (Wenn ja geantwortet wurde) Anzahl Bewusstmachen, nachdenken, sensibilisieren 29 Schule der richtige Ort um Kinder aufzuklären, klarstellen 18 Wird vereinzelt schon problematisiert, müsste mehr sein 3 Kein Eingreifen der Politik (bspw. solange Werberat funktioniert) 3 Damit vor allem Jungen sensibilisiert werden 2 Frage der Aufmerksamkeit (Generationenproblem) 2 Bei den Werbemachern problematisieren 2 Mädchen sollen selbstbewussten Umgang lernen 2 Problematisierung in Politik (muss Weichen stellen) 2 Bei Verstößen einfacher zur Rechenschaft ziehen 1 Gefahr des Voyeurismus 1 Kategorie (Wenn nein geantwortet wurde) Anzahl Es gibt wichtigere Themen, ist kein Problem 9 Selbstregulierender Prozess, Eigenverantwortung 3 Reden bringt wenig, schaut niemand hin 2 Nicht übertreiben, erst dann wird Werbung erfolgreich 2 Übertriebenes Emanzentum, Emanzengeschwätz 2 Nicht in Schulen 1 Diskriminierung allgemein, nicht nur bezogen auf Werbung 1 Nicht mehr störend durch öffentliche Kontrolle 1 Solange es keine Pornos sind 1 Grenzfrage: Wer empfindet Werbung als sexistisch? 1 Während 15 Männer und 6 Frauen (∑=21) (∑=21) keine Problematisierung sexistisexist scher Werbung wünschen, ist es bemerkenswert, dass 31 Frauen und 30 Männer (∑=61) ∑=61) der Befragten dies bejahen, um einen Prozess des Bewusstmachens, Nachdenkens, Sensibilisierens (29) anzustoßen, „damit -53dass Thema ‚Nackte Frauen, die überall zu sehen sind’ nicht selbstverständlich wird.“99 Ein „Dialog darüber trägt zur Mündigkeit bei, darüber zu entscheiden.“100 18 der Befragten sehen die Schule für diesen Prozess als richtigen Ort an (18), denn „Schulen sollten das kritische Hinterfragen und Verstehen von Werbung zum Thema machen.“101 Die Mehrheit der Befürworter einer Problematisierung (62%) hatte die Ausstellung besucht und die Minderheit derer, die die Problematisierung ablehnen (38%), hatte die Ausstellung nicht besucht. Dass ein so großer Teil der Befragten die Problematisierung befürwortet, zeigt, dass ein grundsätzlicher Handlungsbedarf in der Öffentlichkeit bei der Diskriminierung von Frauen in der Werbung gesehen wird und dass die Ausstellung eine direkte Wirkung auf die Einstellung bezüglich der Problematisierung hatte. Diese Tendenz zeigt sich auch in den in Frage 9 genannten Begründungen, da auch hier jeweils die Mehrheit der Befürworter einer Problematisierung die Ausstellung besucht hatte. Als mögliche Handlungsorte wurden vor allem Schulen genannt, aber auch alle anderen Bildungsstätten, die zur Reflexion über das Thema beitragen, sollten im Blickfeld bleiben. Dennoch geben 9 Befragte an, es gäbe wichtigere Themen (9) und „[…] andere Schwierigkeiten“102 oder dass der beschriebene Prozess selbstregulierend bzw. in der Eigenverantwortung (3) der Bürgerinnen und Bürger liegen sollte. 99 Interview H1 100 Interview H3 101 Interview M36 102 Interview M15 -54- 6.9 Fragen 10 und 11: Gibt es Frauen in der Werbung, die Sie gut finden? 4; 5% 25; 30% Ja Nein 55; 65% Keine Angabe Kategorie (Wenn ja geantwortet wurde) Anzahl Bekannte Frauen (Heidi Klum, Veronica Ferres, ...) 16 Optisch ansprechende Frauen und Bilder (Ästhetik) 13 Fällt keine bestimmte ein 10 Ausgewogene Darstellung der Frauen (Alter, Hautfarbe, ...) 8 Selbstbewusste, angezogene Frauen (modernes Frauenbild) 5 Wenn es gut herübergebracht wird, mit gutem Witz 3 Bei Produktzusammenhang, wenn Informationen gegeben werden 2 Es gibt Menschen, die sympathisch sind (egal ob m/w) 1 Frauen verkaufen sich des Geldes wegen 1 Oliver Pocher nicht gut, zu laut 1 Für Hilfsorganisationen 1 Kategorie (Wenn nein geantwortet wurde) Anzahl Fällt keine ein 9 Frauen stellen nichts positives dar, nur Mütter oder Sexobjekt 3 Das Produkt wird teurer, wenn bekanntes Modell wirbt 2 Schaut zu wenig Fernsehen, wenig werbeaffin 2 Fallen nicht auf, werden nicht beachtet 2 Keine Angabe 6 Während mehr als zwei Drittel der Befragten angeben, dass es Frauen in der Werbung gibt, die sie gut finden, verneint ein knappes Drittel dies. Konkret genannt sind bekannte Frauen wie bspw. Heidi Klum, Claudia Schiffer, Veronica Ferres (16) oder allgemein Frauen, deren ErscheiErsche nung als ästhetisch ansprechend wahrgenommen wird (13) und damit dem heute gängigen Bild von Schönheit entspricht. Diese Aussagen scheische nen im Widerspruch zur vorherigen Frage zu stehen. In Frage 8 wünscht sich ein Großteil Großteil der Befragten die Problematisierung des Rollenbildes -55und der Körperinszenierung der Frau. Hier jedoch nennen zwei Drittel der Befragten Frauen, die eben diesen Bildern entsprechen. Es stellt sich die Frage: Gibt es ein allgemeines und ein persönliches Schönheitsempfinden, die in uns als Ambivalenz nebeneinander existieren? Eine kleinere Gruppe der Befragten führt als Kriterium an, dass die DarDa stellung der Frauen ausgewogen in Bezug auf Alter, Hautfarbe oder KörKö pergewicht ist oder die Frauen den Vorstellungen Vorstellungen eines modernen RolRo lenbildes entsprechen. Unter den 25, die keine Frauen in der Werbung gut finden, fielen 11 Befragten keine konkreten Beispiele (9) ein oder fielen nicht auf (2).. 3 Nennungen beanstandeten die Darstellungen eines traditionellen Rollenbildes Rol der Frau als Mutter oder Sexobjekt (3). 6.10 Frage 13: Wie viel Prozent der gesehenen Werbung in der Ausstellung nehmen Sie als sexistisch wahr? 2; 4% 15; 31% 6; 12% 11; 22% 15; 31% keine Angabe 0-24 25-49 50-74 75-100 Die persönlichen Einschätzungen, in welchem Umfang die in der AusstelAusste lung gezeigte Werbung sexistisch ist, sind weit gefächert. Ein knappes Drittel (15) stimmt den Ausstellerinnen zu, dass der überwiegende Teil der Werbung sexistisch ist. Während für ein weiteres Drittel die Hälfte der Werbung und mehr sexistisch ist, geben etwas weniger als ein Drittel an, dass ein gutes Drittel der Werbung sexistisch ist. 6 Männer bewerten 0-24%, 24%, sowie 7 Männer und 4 Frauen 25-49% 25 49% der Werbung als sexistisch. Die Einschätzung, dass 50-74% 50 74% der Werbung sexistisch sind, verteilt sich paritätisch auf die Geschlechter. Geschlechte Aber 75-100% 100% der Werbung nehmen 11 Frauen und lediglich 4 Männer als sexistisch wahr. Es fällt somit auf, dass deutlich mehr Männer die Werbung als nicht sexistisch bewerten als Frauen. -56- 6.11 Fragen 14 und 15: Halten Sie die eben gesehene Werbung für zeitgemäß? itgemäß? Wenn ja, wieso? Wenn nein, was würden Sie verve ändern? 2; 4% 4; 8% 23; 47% 20; 41% Kategorie (Wenn ja geantwortet wurde) Werbung reproduziert lediglich gesellschaftliche Vorgaben Ja Nein Teilweise Keine Antwort/weiß nicht Anzahl 10 Positive Bewertung von Optik und Rollenbild 6 Ambivalenz: Manche Sachen in Ordnung, keine mit "Sex sells" 3 Werbung ist teilweise überholt 2 Werbung bestimmt, was zeitgemäß ist 2 Produkte wg. Z.T. veralteter Rollenbilder nicht zeitgemäß 1 Einfallslos und von Männern gemacht 1 Kategorie (Wenn nein geantwortet wurde) Anzahl Überholte Rollenbilder von Frauen 7 Nacktes Fleisch überholt, plump, zu offensiv 5 Manche Werbung ist in Ordnung 2 Transportiert nicht die gewünschten Werte 2 Zigarettenwerbung ist überholt, eher ermahnend 2 Produktboykott 1 Mehr Werbung für Soziales und Hilfe (nicht nur für Genuss) 1 Mehr Emanzipation für Gleichberechtigung 1 Produkte sind veraltet 1 Werbung ist zu langweilig 1 Gestaltung der Werbung wenig digital bearbeitet (nostalgisch) 1 Ist sehr unterschiedlich, z.T. überholt und z.T. zeitgemäß 1 Die Interpretation der Antworten auf diese Frage gestaltet sich schwieschwi rig, da aus den Antworten hervorgeht, dass die Befragten unterschiedliunterschiedl che Vorstellungen davon haben, was denn für sie zeitgemäß bedeutet. Ein Teil der Befragten deutet es in der Hinsicht, dass alles all das zeitgemäß ist, was die Werbung aktuell als Trends aus der Gesellschaft präsentiert. -57Ein anderer Teil hingegen bezeichnet die Werbebilder als zeitgemäß, die mit dem persönlichen Idealbild Idealbild der eigenen Wertevorstellungen überübe einstimmen. Belegen lässt sich dies dadurch, dass unabhängig davon, ob Frage 14 bejaht oder verneint wurde, ein Teil der Befragten angab, dass die Werbung überholt, in ihrer Darstellung ambivalent oder langweilig bzw. zw. einfallslos ist. Daher lassen sich aus dieser Frage lediglich Tendenzen ableiten. Die Hälfte der Befragten, die die Ausstellung besucht hatten, empfinden die dort gezeigte Werbung als zeitgemäß, weil Werbung lediglich gesellgesel schaftliche Vorgaben reproduziere reprodu (10) geben Optik und Rollenbildern eine positive Bewertung und 5 Befragte tendieren zu positiver Bewertung trotz Ambivalenzen. Die andere Hälfte der Befragten empfinden die geg zeigte Werbung als nicht zeitgemäß, da sie überholte Rollenbilder (7) oder zu viel nacktes Fleisch (5) transportiere: „Alte Alte Rollenbilder enten sprechen nicht der eigenen Vorstellung der modernen Frau. Frau.“103 6.12 Fragen 16 und 17: Sehen Sie Werbung jetzt mit anderen Augen? Wie sehen Sie jetzt Werbung? Sehen Sie Werbung jetzt mit anderen Augen? 1; 2% 13; 27% Ja Nein keine Angabe 34; 71% Kategorie (Wenn ja geantwortet wurde) wu Anzahl Achten mittlerweile mehr auf Diskriminierung (Sensibilisierung) 7 Einige Aspekte sind genauer 2 Um was es geht, Interesse 1 Kategorie (Wenn nein geantwortet wurde) habe ich schon vorher so gesehen Anzahl 15 Schöne Frauen = cooles Produkt 1 Frauen machen ihren Job freiwillig 1 keine Angabe 6 103 Interview M33 -58Bei mehr als zwei Drittel der Befragten hat die Ausstellung nach eigenen Angaben in der Wahrnehmung der Werbung nichts verändert. Auf den ersten Blick verwundert dieses Ergebnis. Aber bei Aufschlüsselung Aufschlüss der Begründungen in der folgenden Frage zeigt sich, dass 15 Befragte als ArA gument anführen, dass sie es vorher schon so gesehen haben (15) und solchen Darstellungsformen kritisch gegenüber standen. Das übrige DritDri tel stellt eine Veränderung bei sich fest, sei es dadurch, dass sie mittlerweile mehr auf Diskriminierungen achten (Sensibilisierung) (7) oder sie nun von einigen Aspekten der Diskriminierung ein genaueres Bild haben (2).. An dieser Stelle zeigt sich die Bedeutung qualitativer ForFo schungsmethoden. Bei ausschließlicher Berücksichtigung der quantitatiquantitat ven Antworten aus Frage 16 könnte man der Ausstellung ihre WirksamWirksa keit und damit evtl. auch die Legitimation absprechen. Erst die FlankieFlanki rung durch qualitative Fragen, die auf eine Begründung Begrün abzielen, erscheinen die gegebenen Antworten in einem differenzierten Licht. 6.13 Fragen 18 und 19: Würden Sie die in der Werbung gezeiggezei ten Frauenbilder als Vorbilder für Ihre Toc Toch- ter/Freundin/Enkelin/Nichte wünschen? Warum? 0; 0% 3; 4% 1; 1% Vielleicht, nur unter bestimmten Bedingungen eher weniger Nein 80; 95% Ja Kategorie Anzahl Werbung als Vorbild ungeeignet wegen falscher Ideale und Werte 27 Reduktion auf Äußerlichkeiten (Magersucht, Komplexe, Stereotypen) 18 Werbung stellt künstliche Welt dar, realitätsfremd 9 Keine Prostitution, Verkauf des Körpers oder Sexobjekt 8 Zu nackt, zu freizügig 7 Nicht jede Werbung ist schlecht, manche ist ausgeglichen 6 Entwicklung eigener Persönlichkeit bedarf keiner Vorbilder 5 Werbung lesen lernen (z.B. durch die Eltern) 2 -59Keine Ahnung, noch nicht darüber nachgedacht 2 Für Vater immer Problem wenn Tochter sexy wird 1 Möchte Freundin nicht nackt auf Plakat sehen 1 Weil nicht mit öffentlicher Person mitgehalten werden kann 1 Würde mich stören 1 Generationsunterschiede: Junge nehmen anders wahr 1 Keine Angabe 1 Ein eindeutiges Ergebnis: Mehr als 90 Prozent der Befragten wünschen nicht, dass sich ihre Tochter/Freundin/Enkelin/Nichte die in der Werbung gezeigten Rollenbilder als Vorbild nehmen sollen. Nahezu gleichviel Frauen als auch Männer nennen als Hauptgrund hierfür, dass die Werbung falsche Werte transportiere (27) und eine Reduktion auf Äußerlichkeiten stattfindet (18), mit all ihren möglichen Konsequenzen wie Magersucht, Komplexen, Stereotypen und dem Wecken von Ängsten oder falschen Hoffnungen104. 15 Befragte stören sich konkret an der zu nackten Darstellung der Körper (15), die sie mit Prostitution und zu starker Sexualisierung verbinden. 8 Männer und eine Frau führten an, dass Werbung eine realitätsfremde, künstliche Welt produziert (9). Es gibt zum Teil deutliche Unterschiede, die sich in den 80 Nennungen verglichen bspw. zu den Nennungen, die sexistische Werbung bagatellisieren oder den ästhetischen Wert der Darstellungen hervorheben, niederschlagen. Diese lassen sich dadurch erklären, dass in dieser Frage ein persönlicher Bezug hergestellt wurde. Es scheint demnach einen Unterschied auszumachen, ob man eher unbeteiligt und abstrakt bis hypothetisch über Frauenbilder nachdenkt oder ganz konkret eine Verbindung mit dem persönlichen emotionalen Umfeld herstellt. Die Operationalisierung von Frauenbildern dient als Platzhalter für bestimmte Werte, die die patriarchalen Machtverhältnisse unserer Gesellschaft widerspiegeln. 104 Vgl. Kapitel 3.1.7, Ängste und falsche Hoffnungen -60- 6.14 Frage 20: Wurde noch etwas bisher nicht angesprochen? Kategorie Anzahl Nein 18 Feedback zur Ausstellung 13 Wunsch nach Aufklärung und Bildung in Bezug auf das Thema 5 Werbung als Ausdruck des Zeitgeistes 3 Es ginge auch ohne Werbung, Werbung überbewertet 2 Medienwelt nährt mit falschen Erwartungen/Rollenbildern 2 Werbung ist zu aggressiv 1 Man sollte sich zurücknehmen, Achtung alter Werte 1 Werbung ist unangenehm für Frauen 1 Wünscht sich, auf EU-Ebene etwas zu tun 1 Werbeform mit anderen Werte/Gleichwertigkeit der Partner 1 Warum nur Diskriminierung von Frauen thematisiert?(Männerbüro?) 1 Deutsche Werbung ist zu eintönig, zu stupide 1 Man muss Mann oder Frau darstellen 1 Interessiert, wie andere Länder mit dem Thema umgehen 1 Auf die abschließende Frage nach persönlichen Ergänzungen nutzten 13 Befragte für ein Feedback zur Ausstellung (13): „Gute Ausstellung, Ort ist gut gewählt, weil viele erreicht werden. Gut, dass nicht viel Text da ist.“105 den Gedankenanstoß über das Thema, kritisierten aber auch die schwer verständlichen Bildunterschriften („zu intellektuell“106) oder wünschen sich eine drastischere Darstellung: „Ausstellung ist zu zurückhaltend, müsste auffälliger sein/nur durch Zufall wahrgenommen.“107 Weiteres Feedback war, dass die „Ausstellung nicht schlecht [sei], meist keine Gedanken zur Werbung gemacht [wurden]“108 und dass „solche Ausstellungen generell gut sind, da Werbung alltäglich präsent ist“109 5 Befragte bekräftigten ihren Wunsch nach mehr Aufklärung und Bildung (5) in Bezug auf das Thema. „Thema sollte mehr thematisiert werden“110 und „muss noch mehr in die Schulen“111 105 Interview R28 106 Interview M5 107 Interview M12 108 Interview R15 109 Interview M19 110 Interview M6 111 Interview M37 -61- 7. Conclusio In diesem abschließenden Kapitel möchten wir unsere eigenen Eindrücke, die wir während der Studienarbeit gesammelt haben, wiedergeben. Des Weiteren werden wir unsere Untersuchungsergebnisse mit unseren in der Einleitung formulierten Zielfragen vergleichen und diese, soweit im Rahmen dieser Arbeit möglich, hier beantworten. Im Anschluss daran werden wir einen Ausblick auf mögliche Handlungsoptionen geben, die wir in einem Empfehlungskatalog vorstellen. Als wir im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen der Technischen Universität Darmstadt und dem Frauenbüro der Wissenschaftsstadt Darmstadt die Möglichkeit bekamen, eine Studienarbeit zum Thema Sexismus in der Werbung zu schreiben, nahmen wir diese Gelegenheit gerne wahr, uns mit diesem wenig thematisierten Bereich der pädagogisch- soziologischen Forschung, speziell am pädagogischen Institut der TUD, zu beschäftigen. Im Laufe unserer Forschungsarbeit stießen wir auf so manche ungeklärte Frage und stellten häufig fest, dass das Thema weniger Beachtung in der Öffentlichkeit findet, als von uns vorher vermutet. Aus diesem Grund war die Ausstellung Der Frauenzoo der Werbung eine gute und spannende Gelegenheit, die Darmstädter Bürgerinnen und Bürger zu diesem Thema zu befragen und so die Chance auf einen bürgernahen Eindruck zu erhalten. Aufgrund der sowohl inhaltlichen als auch zeitlichen Begrenzung einer Studienarbeit konnten wir lediglich einen Einblick mit Hilfe einer Stichprobenuntersuchung geben. Die Untersuchungsergebnisse aus den von uns geführten Interviews sollten uns Aufschluss geben, die in der Einleitung gestellten Zielfragen zu beantworten. Zu Beginn unserer Arbeit kam die Frage auf, ob Werbung bestimmte Frauenbilder und Stereotypen sowie Rollenklischees reproduziert, konserviert oder herstellt112. Ein weiteres Anliegen der Interviews 112 Vgl. Kapitel 6, Fragen 1, 2, 3, 5 und 18 -62war, ob dies bei den Darmstädterinnen und Darmstädtern in Bezug auf sexistische Werbung auch so wahrgenommen wird.113 Unübersehbar ist, dass eine absolute Mehrheit der Befragten eine Omnipräsenz von leicht bekleideten Frauen und stereotypischen Rollenbildern beobachtet. Diese Sichtweise wird darüber hinaus durch das Untersuchungsergebnis der Gendermarketing-Studie unterstützt.114 Weiterhin gibt eine große Anzahl der Befragten an, dass ihnen diese Art der weiblichen Darstellung missfällt und diese mit negativen Emotionen belegt ist. Dies wird insbesondere dadurch hervorgehoben, dass sich 95% der Befragten solche Abbildungen nicht als Vorbildfunktion für ihre Tochter, Freundin oder Nichte wünschen. Hieraus lässt sich der Wunsch nach einem Aufbrechen stereotyper Rollenbilder ablesen. Auch die Frage, ob diskriminierende Frauenwerbung bei den Darmstädter Bürgerinnen und Bürgern als Problem wahrgenommen wird, konnte eindeutig durch die Auswertung der von uns geführten Interviews beantwortet werden. Die bereits angeführten Ergebnisse zur Wahrnehmung diskriminierender Werbung sind hier noch einmal zu betonen. Weiterhin konnte diese Anfangsfrage, ob die Befragten Werbung kennen, die sie als abwertend gegenüber bestimmten Personengruppen empfinden, einen eindeutigen Einblick verschaffen115. Da die große Anzahl der Befragten diese Frage bejahte, lässt sich daraus schließen, dass viele Darmstädterinnen und Darmstädter eine nicht unbeträchtliche Anzahl der Werbung als diskriminierend empfinden und hierin Handlungsbedarf fordern, der sich in unserem Empfehlungskatalog widerspiegelt. Eines der Anliegen der Organisatorinnen der Ausstellung war es, auf das Problemfeld sexistischer Werbung aufmerksam zu machen. Dieses Problemfeld darf man nicht nur auf die aktuelle Perspektive beschränken. In den ersten beiden Kapiteln haben wir den historischen Verlauf der Körperdarstellungen im Zusammenhang mit Werbung nachgezeichnet. Neu daran war nicht die stereotype Rollenverteilung, sondern die Festschreibung der Rollen auf die Körper. Diese wurden in den letzten 200 Jahren 113 Ebd. 114 Vgl. Kapitel 2.3 115 Vgl. Kapitel 6.4 -63stets aufs Neue konserviert und tradiert.116 Zwar haben Frauen heute im Umgang mit ihrem Körper größere Freiräume als beispielsweise noch vor 50 Jahren, werden aber, wie gezeigt, immer noch von der Werbung auf diese Rollen festgeschrieben117. Hier lässt sich eine Konstante beobachten, die zwar durch gesellschaftliche Strukturen produziert wird, aber durch gezieltes Eingreifen verbessert werden kann.118 Hier müssen durch das gezielte Eingreifen der Politik neue Handlungsspielräume geschaffen werden, die wir konkret in unserem Empfehlungskatalog benennen. Uns stellte sich die Frage, ob die Ausstellung in diesem Zusammenhang zu einem veränderten Denken und Wahrnehmen beigetragen hat. Die Interviewfragen, ob und in welcher Weise Werbung jetzt mit anderen Augen gesehen wird119, sollten Auskunft darüber geben, inwieweit dies gelungen ist. Obwohl eine große Anzahl der Befragten angab, durch die Ausstellung habe sich für sie nichts verändert, ergänzten jedoch viele, dass sie vorher bereits kritisch darüber nachgedacht hatten.120 Ferner wünschten sie sich eine stärkere Problematisierung, wofür sie als richtigen Ort die Schule ansehen. Diese Forderung gibt einen Hinweis auf die in unserer Einleitung gestellte Frage, welche Konsequenzen sich aus den Wahrnehmungen und Empfindungen der Befragten für Bildungsprozesse und Aufklärung ergeben. In diesem Sinne fordern die Bürgerinnen und Bürger explizit eine stärkere Thematisierung im Schulkontext ein, beispielsweise durch Schulprojekte oder im Regelunterricht. Der Ausschnitt des in dieser Arbeit betrachteten gesellschaftlichen Diskurses verweist auf die Relevanz eines Ortes, der Reflexionen und Diskussionen im Sinne eines Bildungsprozesses ermöglicht und anregt. Aus den Antworten lässt sich schließen, dass es ein operationalisiertes Frauenbild gibt, mit dem wir täglich umgehen, das aber im Widerspruch zu unserer Vorstellung und Wahrnehmung in unserem persönlichen Lebenskontext stehen kann. Dieser Widerspruch äußert sich in Frage 19, in dem die Befragten nach Herstellung eines persönlichen Bezugs angeben, die dargestellten Frauenbilder abzulehnen. 116 Vgl. Kapitel 1 117 Vgl. Kapitel 2.2 118 Vgl. Kapitel 1 119 Vgl. Kapitel 6.12, Fragen 16 und 17 120 Vgl. ebd. -64Prämisse unserer Forschungsarbeit war es, am Ende der Untersuchung einen Empfehlungskatalog im Umgang mit sexistischer Werbung in Städten auszuarbeiten, wodurch Handlungsoptionen aufgezeigt und entwickelt werden können. Zunächst möchten wir einen kleinen Ausblick zu den folgenden Empfehlungen geben. Gewährleistung für die positive Resonanz bei der Darmstädter Bevölkerung bezüglich der Umsetzung der Empfehlungen ist, dass wir anhand der Auswertung der Fragebögen diese Empfehlungen so bürgernah als möglich gestalten konnten. Die Umsetzungsmöglichkeiten der von uns erarbeiteten Empfehlungen sehen wir erstens auf politischer Ebene und zweitens in pädagogischen Handlungsfeldern. Beispiele dieser pädagogischen Handlungsfelder sind neben den bereits angesprochenen Schulen auch Volkshochschulen, Mädchen- und Jugendtreffs, Familienbildungsstätten und Institutionen für Gewaltprävention. Hier stellen wir uns Maßnahmen im Rahmen von thematischen Seminaren, Workshops und Kursen vor, um auf diesen Wegen einen kritischen Umgang mit den durch Medien an uns herangetragenen Körperbildern zu lernen. Auf politischer Ebene kann man den Weg ebnen, um derartige Projekte umzusetzen und jedem zugänglich zu machen. Empfehlungskatalog: 1. Jede Form von Werbung muss in jeder Hinsicht mit den Grundgesetzen insbesondere der Unantastbarkeit der Würde des Menschen übereinstimmen 2. Die Politik soll vor Ort Reglementierungen erlassen, die die Gewährleistung von Punkt 1 sichert 3. Es müssen schulische und außerschulische Orte und Möglichkeiten geschaffen werden, die den Umgang mit sexistischer Werbung thematisieren 4. Sensibilisierung muss durch kritische Ansätze in der Ausbildung der Werbemacherinnen und Werbemacher ermöglicht, sowie ein Dialog mit der Werbelobby gesucht werden 5. Die Einspruchmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger beim deutschen Werberat muss bekannter gemacht werden -65- X. Quellen Akashe-Böhme, F. (1992), Hrsg. Reflexionen vor dem Spiegel. Frankfurt: Surkamp Verlag. Bender, A. et. al. (2004). Biologie 5/6 Grundausgabe Hessen. Berlin: Cornelsen Verlag. Hesse, M. et. al. (2006). Präsenz von Frauen in den Nachrichten. http://www.journalistinnen.de/verein/pdf/jb_gmmp_2005.pdf Honegger, C. (1991). Die Ordnung der Geschlechter, Die Wissenschaft vom Menschen und vom Weib. Frankfurt: Campus Verlag Magistrat der Universitäts Marburg (2005). Frauen- und Männerbilder in der Werbung - Eine Begleitbroschüre zur Ausstellung. Mayring, P. (1996). Einführung in die qualitative Sozialforschung. Weinheim: Psychologie Verlags Union. Röser, J. (2000). Fernsehgewalt im gesellschaftlichen Kontext. Westdeutscher Verlag. Schmerl, C. (1984), Das Frauen- und Mädchenbild in der Werbung. Opladen: Leske Verlag und Budrich GmbH Schmerl, C. (1989), In die Presse geraten - Darstellung von Frauen in der Presse und Frauenarbeit in den Medien. Böhlau Verlag. Schmerl C. Leitfaden zur Vermeidung geschlechterdiskriminierender Werbung. Schnell, R. et. al. (1995). Methoden der empirischen Sozialforschung. München: R. Oldenbourg Verlag. UngleichBesser - Diversity Consulting (2007). Studie Gendermarketing. http://www.ungleich-besser.de Winter, S. (2001): Sexismus in deutschen Nachrichtenmagazinen - geschlechtsspezifische Darstellungskonventionen in SPIEGEL und FOCUS, 2001. Münster: LIT Verlag. -66- Abbbildungsverzeichnis Abbildung 1: http://www.brunnerp.de/custom/clement.jpg Abbildung 2: http://magazine.web.de/images/340/1040340.jpg Abbildung 3: http://magazine.web.de/images/364/1040364.jpg Abbildung 4: http://www.investis.com/il/images/benetton/3785.jpg Abbildung 5: http://weblog.koewi.net/odol_2.jpg Abbildung 6: http://images.derstandard.at/20070418/colgate3.jpg Abbildung 7: http://allesalltaeglich.de/images/kunde/200707/2007071801.jpg Abbildung 8: http://spam.weltretter.de/wpcontent/uploads/2007/03/alice-flatrate.jpg Abbildung 9: Aus Studie Gendermarketing Abbildung 10: Aus Studie Gendermarketing