Vortrag: Tuberkulose „Seuche“ einst und jetzt (inatura)

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Tuberkulose
„Seuche“ einst und jetzt
Erik Schmid
Fachtierarzt für Tierhaltung und Tierschutz
Dipl. ECVPH
Übersicht
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Einleitendes
Geschichtliches, Medizinisches
Diagnostik, gesetzliche Grundlagen
Risiko, Kommunikation
Schlüsse, Empfehlungen
10.04.2014
Erik Schmid: Fachtierarzt für Tierhaltung und Tierschutz; Dipl. ECVPH
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Geschichtliches
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1882 Entdeckung Erreger durch Robert Koch
Milch und Fleisch als Überträger vermutet
30-iger 40-iger 10% der Humanfälle durch Rind
jährlich 1000 Todesfälle (BRD)
ab 1947 generelles Pasteurisieren Milch
60% der Rinderbestände infiziert
1952 Beginn Bekämpfungsprogramm (TBC und Bang)
1998 EU Tuberkulosefreiheit (<0,1% Bestände in 6 Jahren)
Einstellung flächendeckende Überwachung; nur noch SFU
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Geschichtliches
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1970 Rosenberger „Krankheiten des Rindes“
Erreger: Tuberkelbazillus; Bezeichnung: Schwindsucht, Perlsucht
freiwilliges Ausmerzverfahren nach Bang; Intracutantest
nach 10 Jahren 99,7% der Betriebe frei (BRD)
Verhinderung Neuinfektionen über Kontakt zu Ausscheidern
3 Haupttypen: M bovis, M tuberculosis, M avium
unzählige apathogene Mycobakterien; Kreuzreaktionen
Hartkäse mit 4-5 Monaten Reifezeit erregerfrei
Ansteckung nur über Ausscheider („offene“ Formen der TBC)
Lunge, Darm, Euter, Tragsack; über Monate Kontakt, chron. Verlauf
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Medizinisches
• Typisch chronische Infektion, langsamer Verlauf
• Primärkomplex an Eintrittspforte: Lymphknoten „reagiert“
– Abheilung;
– isolierte (chronische) Organtuberkulose (Lunge, Darm, Euter)
– Niederbruchsform (Früh-oder Spätgeneralisation) „galoppierende“ TBC
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Verlauf hängt von Immunitätslage und Lebensbedingungen ab
„Arme Leute Krankheit“ (Irland 19 Jhdt); heute Sekundärinf. bei AIDS
mit AB (rel) gut behandelbar; keine Impfung (schlecht immunogen)
Diagnostik schwierig/aufwändig: Intracutantest/Allergietest= Reagent
negativ in Niederbruchsphase; Kreuzreaktionen (falsch positiv)
heute PCR: Genetischer Fingerabdruck; weist Bruchstücke nach
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Medizinisches-Gesetzliches
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Simultantest bovin/aviär; aktuell neuer Typ Caprae
Typendifferenzierung regional: Karwendel, Lechtal, Allgäu,
Humaninfektionen mit Caprae haben nichts damit zu tun
Tierseuchengesetz aus 1909:
– gilt ursprünglich nicht für Wildtiere
– Verdachtsfall wird gleich behandelt wie Seuchenfall
– Sperrmaßnahmen betreffen nur Viehverkehr
• TBC-VO 2008, Rotwild-TBC-VO 2011: Kontaktbestand=Verdacht
• früher: Verlust Anerkennung erst nach Erregernachweis
• heute: Kontaktbetrieb gilt als nicht mehr anerkannt frei, Sperre
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Medizinisches-Statistisches
„Montoring“ „Prävalenz“: was hat`s wo
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2010: 226 Proben 4 positiv = < 2%
2011: 280 Proben 8 positiv = < 3%
2012: 265 Proben 7 positiv = < 3%
2013: 303 Proben 7 positiv = 2,3% (Hege 27%)
– Rate, Regionen stabil („hot spots“), keine Ausbreitung
– kein Zusammenhang mit Humanfällen WTM
– Übertragung Rotwild-Rind (sehr) wahrscheinlich
– bisher nur Einzelfälle/Einzeltiere: ‰-Bereich
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Medizinisches-Technisches
• „Trefferquote“ diagnostische Tötung zu PCR positiv:
Land
Anzahl getötet
PCR positiv
Trefferquote %
BRD
851
4
0,5%
CH
120
6
5%
FL
25
0
0%
Vbg
11
6
55%
• Operationale Datenbank AMA-Rinderdatenbank seit 1998
– alle Rinder bis zu Großeltern erfasst
– jede Verbringung innert 7 Tagen zu melden (auch Alpung)
– Segen bei BSE (Viehverkehr), Fluch bei TBC (Kontaktbetriebe)
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Risiko Kommunikation
WHO: One Health Ansatz; Gesundheit Mensch und Tier
ECVPH: European College of Veterinary Public Health
2 Sektionen: Epidemiologie und Food Science (Lebensmittel)
3 Prinzipien: Risikoanalyse, Bewertung, Kommunikation
Risikoanalyse: Übertragungswege; wo entsteht Risiko
Risikobewertung: Berechnung des Risikos; wie groß ist Risiko
Risiko = Eintrittswahrscheinlichkeit x Schadensausmaß
• Kommunikation: was bedeutet das für uns, Folgenabschätzung,
Verantwortung klarstellen/übernehmen, Maßnahmen erklären
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Risikoanalyse
• wo entsteht Risiko? Infektionskrankheit = Infektionskette
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Risikoanalyse
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in Natur entstehen immer wieder neue Erreger
„Überschwappen“ Wildtiere -Haustiere- Mensch möglich
„Zirkulieren“ innerhalb Gruppe: Passagen – Anpassung
besondere Risiken bei:
– Massenansammlungen; „Populationsdruck“, „Crowding Disease“
– schlechte Hygiene, Lebensverhältnisse; Stress (macht krank)
– internationaler Personen, Tier- und Warenverkehr (Globalisierung)
• HACCP-Konzepte: Hazard Analysis Critical Control Point
• Kritische Punkte erkennen; Maßnahmen setzen
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Risikoanalyse
• wo kann/soll ich eingreifen? Was bringt welche Maßnahme?
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Risikoanalyse
• wo ist der Kontrollpunkt? Erfahrungen aus dem Lechtal
• Rotwildfütterung konzentriert:
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Massenansammlung von Rotwild (200-300 Stück)
Futter/Rangordnungsstress
unphysiologische Fütterung (Konzentrat in Winterruhe)
Kot/Dünger; Mäuse/Nager/andere Wildtiere
• Control Maßnahme im Sinne von Steuerung
– Umstellung Rotwildfütterung
– dezentral (Verteilung auf mehrere Stellen < 100 Stück)
– Notfütterung = Heufütterung; kein Kraftfutter
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Risikobewertung
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wie hoch ist das Risiko?
R = Eintrittswahrscheinlichkeit x Schadensausmaß
Wenn einer der Faktoren riesig/unkontrollierbar: R = untragbar
Wenn einer der Faktoren 0/unmöglich: R = 0; nicht vorhanden
Beispiel: Fukushima
Kernschmelze Schadensausmaß riesig/unkontrollierbar
Zunami: Erdbeben + Flutwelle = unmöglich?
Angela Merkel: unsere (deutschen) Anlagen sind sicher???
LW-Minister UK: British beef is safe (BSE)
M caprae: - Übertragung Rotwild-Rind möglich/wahrscheinlich
– Humanfälle haben keinen Zusammenhang mit Tierfällen
– keine Ausscheider beim Rind; Milch und Hartkäse absolut sicher
– R (Wild) = gering; R (Rind) = minimal; R (Mensch) = 0
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Risikobewertung
TBC Fälle Human Österreich
1800
1600
1400
1200
1000
Gestorben
Erkrankt
800
600
400
200
0
1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
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Risikokommunikation
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fehlt in BRD und AUT, in CH dank BSE viel besser BLV Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen
Lebensmittelsicherheit, öffentliche Warnung: Listerien in Gorgonzola Dolce, verkauft bei Migros
Bern, 24.01.2014 - Bei Gorgonzola Dolce, verkauft bei Migros, wurden Listerien nachgewiesen. Eine Gesundheitsgefährdung kann nicht ausgeschlossen werden. Das
Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen empfiehlt, diesen Gorgonzola nicht zu konsumieren. Das Produkt wurde sofort vom Markt genommen.
Migros hat das Kantonale Laboratorium Zürich und das Bundesamt für Lebensmittel und Veterinärwesen (BLV) über das Vorhandensein von Listeria monocytogenes in Gorgonzola
Dolce informiert und die Rücknahme aus den Verkaufsregalen umgehend veranlasst.
Betroffen ist folgendes Produkt:
Gorgonzola Dolce
Verpackung à 200g
Verbrauchsdatum: 24.02.2014
Lotnummer: 160214015
Artikelnummer: 2125.843
Verkauft bei: Migros
Das BLV empfiehlt den Konsumenten, das Produkt nicht zu konsumieren.
Listerien können gesundheitliche Konsequenzen haben. In Einzelfällen könnten nach dem Verzehr des fraglichen Produktes grippeartige Symptome (Fieber, Kopfschmerzen,
Übelkeit) auftreten. Schwangeren Frauen sowie Personen mit einem geschwächten Immunsystem, bei denen die beschriebenen Symptome auftreten, empfehlen wir, einen Arzt
aufzusuchen.
Adresse für Rückfragen:
Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Kommunikation,
Sabina Helfer
Tel. 031 324 80 34
[email protected]:
Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und VeterinärwesenInternet: http://www.blv.admin.ch
VolltextsucheSuchen im BLV
Zusätzliche Verweise:Warnungen – Rückrufe
Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV
[email protected] | Rechtliche Grundlagen | Webanalyse
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Risikokommunikation
• Absolute Sicherheit gibt es nicht, das Leben ist lebensgefährlich
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Beispiel BVD: Infektionskette Virusausscheider trifft kleinträchtiges Rind
Test für Persistent Infizierte hat 99,98% Sicherheit
2 von 10.000 Tests ist falsch negativ; bei Alpung 10 Kontaktbetriebe
Frische Infektion massive Auswirkungen; Einzelfälle mit 14 PI`s
Politik braucht „Schuldige“ (Labor, Tierazt)
• Die Biologie/Natur lebt von der Vielfalt/Wandel
– Monokulturen sind störanfälliger
– Risiko steigt mit Größe (Listerienkäse Steiermark; EHEC Sprossen)
– (optimale) Anpassung an Standort ist evolutionäres Prinzip
– gilt auch für Vieh-und Pflanzenzucht (ein Muss fürs Ökoland)
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Schlüsse Empfehlungen
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Monitoring = Beobachtung; Controlling = Steuerung
Befunde erst nach Abklärung (Kultur, nicht PCR) veröffentlichen
Kontaktbetrieb ist kein Verdachtsfall = in Abklärung
diagnostische Tötung nicht Regelfall; wenn, dann Schlachtung
keine Entsorgung von Milch/Fleisch als vorbeugender K-Schutz
Botschaft im Sinne von Sicherheit kontraproduktiv
kein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzes
Widerspruch zu Kampagne sorgsamer Umgang mit Lebensmitteln
Novelle Tierseuchengesetz; Überarbeitung TBC-VO
Standortangepasste Tierzucht und Jagd (Biotop definiert Besatz)
10.04.2014
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