Interaktive Vorlesungsfragen Testfrage zum Gebrauch von “Clicker” Fachdidaktische Ansätze für die Kompetenzorientierung in ingenieurwissenschaftlichen Grundlagenfächern In welchem Umfang sind Sie bereits mit dem Einsatz von Hörsaalabstimmungssystemen (“Clicker”) vertraut? 1. 2. 3. 4. Christian H. Kautz „Clicker? … noch nie gehört.“ „schon mal irgendwo gesehen oder miterlebt“ „setze ich selbst häufig ein oder berate Dozenten bei deren Einsatz“ „Clicker … sind doch längst überholt.“ Technische Universität Hamburg-Harburg (TUHH) 2 TeachING-LearnING, Bochum, 19.06.2012 Interaktive Vorlesungsfragen Grundlagenfächer im Ingenieurstudium Testfrage zur Selbsteinordnung der Teilnehmer • setzen sich zusammen aus: – naturwissenschaftlichen Grundlagen (Physik, Chemie, ggf. Biologie) Welche Beschreibung trifft für Ihre tägliche Arbeit am besten zu? – ingenieurwissenschaftlichen Grundlagen (Mechanik, Grundl. ET, etc.) – Mathematik und Informatik – nicht-technischen Grundlagen (?) 1. 2. 3. 4. „Fachnah“: Geistes- oder Sozialwissenschaften „Fachnah“: Natur- oder Ingenieurwissenschaften „Hochschuldidaktisch“: mit Hintergrund wie 1 „Hochschuldidaktisch“: mit Hintergrund wie 2 • zeichnen sich durch überwiegend theoretische Ausrichtung und hohen Anteil an abstrakten Inhalten aus, • weisen häufig geringe Bestehensquoten in Prüfungen auf, • sind häufig Ursache von Studienabbrüchen: Heublein, U., Zwischen Studienerwartungen und Studienwirklichkeit – Gründe für den Studienabbruch: Ergebnisse einer bundesweiten Befragung von Exmatrikulierten in Maschinenbau-Studiengängen (Hannover, 2009). Derboven, W., und G. Winker, Ingenieurwissenschaftliche Studiengänge attraktiver gestalten (Berlin, 2010). Morsch, R.; Neef, W., und Waagemann, C.-H., Das Elend des Grundstudiums (Alsbach, 1986). Tobias, S., They’re not Dumb, they’re Different – Stalking the Second Tier (Tucson, 1990). 3 4 Beispiel 1: Zwei Aufgaben im Vergleich (E. Mazur) Fachdidaktisches Projekt an der TUHH Aktives Lernen im Ingenieurstudium Projektbeginn: Nov. 2008 Projektlaufzeit: 3 + 1 Jahre gefördert durch Quelle: E. Mazur, Peer Instruction: A User’s Manual, Prentice Hall, Upper Saddle River, 1997. Projektziele: • Identifizieren von fachspezifischen Verständnisschwierigkeiten Entwicklung von Lehr- und Lernmaterialien in ingenieurwissenschaftlichen Grundlagenfächern auf Grundlage der Ergebnisse fachdidaktischer Forschung • Unterstützung und Evaluation des Einsatzes der Materialien • • Wie ändern sich bei Schließen des Schalters: Berechnen Sie – die Helligkeit von Lampe A – den Strom durch den 2 Ω-Widerstand – die Helligkeit von Lampe C – die Potentialdifferenz zwischen den Punkten P und Q. – der Strom aus der Batterie – die Spannung an Lampe B – die gesamte umgesetzte Leistung Verallgemeinerung der Erfahrungen mit „Aktivem Lernen“ und Unterstützung ähnlicher Maßnahmen in anderen Fächern Welche der beiden Aufgaben zum Gleichstromkreis halten Sie für schwieriger (für Studierende im 1. oder 2. Semester)? 5 Beispiel 1: Zwei Aufgaben im Vergleich (E. Mazur) Beispiellösung für qualitative Aufgabe Welche der Aufgaben ist schwieriger? 2 (ca. 5 min) Durch Schließen des Schalters wird Lampe C kurzgeschlossen, d.h. die Spannung an Lampe C ist Null. Es ergibt sich dadurch eine Reihenschaltung von zwei (statt zuvor drei) Lampen mit einem geringeren Gesamtwiderstand. Die gesamte Spannung fällt nun an den Lampen A und B ab, also jeweils die Hälfte der Batteriespannung an jeder der beiden Lampen, im Unterschied zu einem Drittel der Batteriespannung zuvor. Daraus folgt: Bitte stimmen Sie ab: 1 Die qualitative. 6 Die quantitative. - Lampe A wird heller. - Lampe C erlischt. - Der Gesamtstrom nimmt zu. - Die Spannung an Lampe B nimmt zu. 3 Beide gleich. 4 - Die gesamte umgesetzte Leistung (P=U·I) nimmt zu, da die Spannung U gleich bleibt und der Strom I zunimmt. Weiß nicht. 7 8 Beispiellösung für quantitative Aufgabe Beispiellösung für quantitative Aufgabe Gewähltes Lösungsverfahren: Maschenstromverfahren Fortsetzung der Lösung mithilfe des Maschenstromverfahrens 1. Festlegen der Maschenumläufe: 2. Aufstellen der Maschengleichungen: Summe aller Widerstände in der Masche mal Maschenstrom minus Summe der gemeinsamen Widerstände mal Ströme der jeweils anderen Masche ist gleich Summe der vorzeichenbehafteten Spannungen im Maschenumlauf. IA IB 3. Lösen der Maschengleichungen: 8 Ω ⋅ I A − 2 Ω ⋅ I B = −8 V ·3 24 Ω ⋅ I A − 6 Ω ⋅ I B = −24 V −2 Ω ⋅ I A + 6 Ω ⋅ I B = −12 V damit folgt (2 Ω + 6 Ω)⋅ I A − 2 Ω ⋅ I B = −8 V −2 Ω ⋅ I A + (2 Ω + 4 Ω)⋅ I B = −12 V ⇒ 22 Ω ⋅ I A = −36 V I A = − 18 11 A I B = − 28 11 A und nach Einsetzen oben Aber leider sind wir noch nicht ganz fertig … 9 Beispiellösung für quantitative Aufgabe (10 – 15 min) Fortsetzung der Lösung mithilfe des Maschenstromverfahrens 10 Beispiel 1: Zwei Aufgaben im Vergleich (E. Mazur) Bitte stimmen Sie noch einmal ab: 4. Berechnen des gesuchten Stroms aus Maschenströmen: Welche der Aufgaben ist schwieriger? I 2Ω = I A − I B = 10 11 A = 0,91 A 5. Berechnung der Spannung nach dem Ohm’schen Gesetz: 1 Die qualitative. 2 3 4 Die quantitative. U PQ = I 2Ω · 2 Ω = 1,82 V Zur Erinnerung: Berechnen Sie – den Strom durch den 2 Ω-Widerstand – die Potentialdifferenz zwischen den Punkten P und Q. 11 Beide gleich. Weiß nicht. 12 Beispiel 1: Ergebnisse beider Aufgaben im Vergleich Punkteverteilung der Klausurteilnehmer (Physik als Nebenfach im ersten Studienjahr) qualitative Aufgabe quantitative Aufgabe Die Suche nach Fehlvorstellungen Source: E. Mazur, Peer Instruction: A User’s Manual, Prentice Hall, Upper Saddle River, 1997. Ergebnis der qualitativen Aufgabe deutet auf charakteristisches Fehlverständnis hin 13 Beispiel 2: Erwünschte Antwort und Ergebnis Beispiel 2: Der Fünf-Lampen-Test Die drei Stromkreise bestehen aus identischen Glühlampen und Batterien. Nehmen Sie an, daß die Batterien ideale Spannungsquellen sind (d. h. ihr Innenwiderstand ist Null). „An A, D und E liegt jeweils die (gleiche) Batteriespannung an. Da die Glühlampen identisch sind, müssen sie deshalb auch die gleiche Helligkeit haben. An B und C liegt jeweils die halbe Batteriespannung an. B und C sind deshalb im Vergleich zu einander gleich hell, aber weniger hell als A.“ Sortieren Sie die fünf Glühlampen A bis E entsprechend ihrer Helligkeit (unter Verwendung der Symbole >, <, und =). Quelle: McDermott and Shaffer, American Journal of Physics, 1992. 15 A=D=E>B=C Richtige Antwort (auch ohne Begründung) wird nur von 60% der Studierenden im zweiten Semester gegeben. 16 Beispiel 2: Antwortbeispiele von Studierenden Ergebnisse des Fünf-Lampen-Tests im Vergleich Etwa 20% richtige Antworten bei – Studierenden in Einführungsvorlesung Physik an amerikanischen Hochschulen (N > 1000) – Lehrkräfte in Naturwissenschaften und Physik an amerikanischen Schulen (N > 200) – Hochschul-Lehrenden in nicht-technischen Fächern (N > 50) Begründungen für „A>D=E“: „Strom fließt komplett über A. [Bei D, E] teilt sich… der Strom.” „A bekommt die volle Leistung der Batterie. D und E werden nur vom halben Strom durchflossen.” Etwa 40% richtige Antworten bei – Studierenden im Lehramt Physik in Deutschland (N = 20) Begründung für „A=B=C“: Etwa 60% richtige Antworten bei „In einer Reihenschaltung mit beliebig vielen Glühlampen ist [der Strom] I immer gleich groß. Bei Parallelschaltung teilt sich der Strom.“ – Studierenden der Ingenieurwissenschaften in Deutschland nach einem Semester Grundlagen der Elektrotechnik (N = 150) – Lehrkräfte der Physik an Gymnasien (N = 28) Etwa 70 % richtige Antworten bei Fehlvorstellung: Batterie als Quelle eines konstanten Stroms. – Doktoranden und Post-Docs (Physik) (N > 100) 17 noch einmal: Beispiel 1 Vorstellung von Batterie als Quelle konstanten Stroms führt zu richtiger Beantwortung genau einer Teilaufgabe. 18 Erstes Fazit • Herkömmliche, d.h. meist quantitative Aufgabenstellungen in den Grundlagenfächern des Ingenieurstudiums – sind häufig sehr rechenintensiv und prüfen nur wenig Verständnis – entsprechen kaum den Tätigkeiten des späteren Berufsalltags – werden häufig als uninteressant und wenig motivierend empfunden • – enthalten kaum Rechnungen, testen dafür aber Verständnis – werden von Lehrenden bzgl. ihrer Schwierigkeit häufig unterschätzt – können verbreitete Fehlvorstellungen bei Studierenden aufdecken Bildquelle: E. Mazur, Peer Instruction: A User’s Manual, Prentice Hall, Upper Saddle River, 1997. Wie ändern sich bei Schließen des Schalters: Berechnen Sie – die Helligkeit von Lampe A – den Strom durch den 2 Ω-Widerstand – die Helligkeit von Lampe C – die Potentialdifferenz zwischen den Punkten P und Q. – der Strom aus der Batterie Qualitative (konzeptuelle) Aufgabenstellungen – müssen auch Gegenstand von Prüfungen sein – testen vermutlich einige der Fähigkeiten, die auch im späteren Berufsalltag gebraucht werden. – die Spannung an Lampe B – die gesamte umgesetzte Leistung 19 20 Interaktive Vorlesungsfragen (“Clicker-Fragen”) Qualitative Fragen in der Vorlesung „Clicker“-Fragen 22 Interaktive Vorlesungsfragen Beispiel Thermodynamik Interaktive Vorlesungsfragen Frage zur Hydrostatik (Woche 1-2) Beispielfrage zur Hydrostatik In ein auf beiden Seiten oben offenes U-Rohr mit Schenkeln unterschiedlicher Durchmesser (> 1 cm) wird Wasser so eingefüllt, dass im linken Schenkel die eingezeichnete Füllhöhe erreicht wird. Die Füllhöhe im rechten Schenkel (nicht eingezeichnet) … Füllhöhe rechts ist Antwortverteilung Thermodynamik I 2006, N = 158 Thermodynamik I 2007, N = 178 Techn. Mechanik II 2000, N = 168 Clicker Clicker schriftlich … höher 1 % 3 % 1 % … geringer 25 % 21 % 24 % 1. ist höher als im linken Schenkel 2. ist niedriger als im linken Schenkel … gleich 73 % 72 % 75 % 3. ist gleich hoch wie im linken Schenkel … unbestimmt 1 % 2 % 0 % 4. Ich bin mir nicht sicher, welche Antwort richtig ist. Füllhöhe links Folgerung 1: Clicker-Befragungen zeigen valide Ergebnisse. Wasser Folgerung 2: Dominante Fehlantwort deutet Fehlverständnis an. Loverude, M., P. Heron und C. Kautz, Identifying and addressing student difficulties with hydrostatic pressure. Am. J. Phys. 78, 75-85 (2010). 23 24 Validierung von Clicker-Fragen durch schriftliche Test Validierung von Clicker-Fragen durch schriftliche Test Einblick erhalten in das Denken der Studierenden Einblick erhalten in das Denken der Studierenden • durch Zuhören während der Peer-Diskussionen • durch Zuhören während der Peer-Diskussionen • durch Vergleich mit schriftlichen Fragen • durch Vergleich mit schriftlichen Fragen Clicker-Fragen können bekannte Fehlvorstellungen aufdecken. 25 Interaktive Vorlesungsfragen (“Clicker-Fragen”) • Ziele 26 Vorteile von Clickern gegenüber informellen Fragen Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrer Nachbarin oder Ihrem Nachbarn, welche Vorteile der Einsatz von Clicker-Systemen gegenüber informellen Fragen in der Vorlesung bietet. [2 min] – Aktive Beteiligung der Studierenden – Zeitnahe Lernerfolgskontrolle (formative assessment) – Rückmeldung an den Dozenten • Methode und Technik Häufig genannte Vorteile: – Präsentation und individuelle Beantwortung von Multiple-Choice-Fragen • Mögliche Beteiligung aller Studierenden • Individualität und Gleichzeitigkeit der Antworten Vorteile • Anonymität (gegenüber Mitstudierenden und Dozenten) Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrer Nachbarin oder Ihrem Nachbarn, welche Vorteile der Einsatz von Clicker-Systemen gegenüber informellen Fragen in der Vorlesung bietet. [2 min] • Automatische Ergebnis-Registrierung und -Archivierung • Reiz der Technik und des Neuen – Erfassung mit Hörsaal-Abstimmsystem (H-ITT, TurningPoint, eInstruction) – Eventuell Fragestellung in zwei Durchgängen (Mazur, Peer Instruction) – Diskussion der Antwort(en) im Plenum • 27 28 Interaktive Vorlesungsfragen • Akzeptanz Bisherige Erfahrungen Peer Instruction (by Eric Mazur, Harvard) • – Beteiligung der Anwesenden nahezu 100% – „Schwund“ gegen Semesterende geringer als in früheren Jahren • Funktion – Lernende, die einen Sachverhalt gerade verstanden haben, können die Schwierigkeiten häufig besser nachvollziehen als Dozent(inn)en. (Vgl. Threshold Concept) Bewertung durch Studierende – nahezu einstimmig sehr positiv (n. 1. Sem: 97% für Fortsetzung) – Vorlesungsfragen stärken Interesse „sehr“ oder „ziemlich“ (95%), bzw. „machen Vorlesung attraktiver“ (95%). – nach eigener Wahrnehmung „sehr” oder „ziemlich” hilfreich für das Erlernen des Stoffes (85%) • Motivation Einfluss auf Lernerfolg • Ziele (über einfachen Clicker-Einsatz hinausgehend) – Lernen in Peer-Diskussionen ist vermutlich nachhaltiger als bei Erklärung durch Dozenten – Studierende üben das Verbalisieren von Inhalten und fachliches Argumentieren – Ergebnisse eines Kurztests gegen Ende des Semesters zeigen geringere Häufigkeit charakteristischer Fehlvorstellungen. – Klausurergebnisse (mehr „gute” und „sehr gute” Leistungen) scheinen dies zu bestätigen 29 30 Literatur zu Clicker-Fragen (Auswahl) Beatty, Gerace, Leonard, Dufresne (2006), Designing effective questions for classroom response system teaching, AJP 74, 31: Goals of clicker questions and mechanisms of attaining them. Reay, Li, Bao (2008), Testing a new voting machine question methodology, AJP 76, 171: Three-question sequence, varying context or boundary cond’s. Fachdidaktische Untersuchungen Ding, Reay, Lee, Bao (2009), Are we asking the right questions? Validating clicker questions by student interviews, AJP 77, 643: Four-stage response model: comprehend, retrieve, judge, map. mit empirischen Methoden Smith, Wood, Adams, Wieman, Knight, Guild, Su (2009), Why Peer Discussion Improves Student Performance on In-Class Concept Questions, Science 323, 122: Testing the effectiveness of Peer Instruction through isomorphic questions. Schmidt (2011), Teaching engineering dynamics by use of peer instruction supported by an audience response system, EJEE 36, 413: Changing the role of lectures through advance reading and peer instruction (i.e. aspects of Just-in-Time-Teaching) 31 Untersuchungsmethoden der Fachdidaktik an der TUHH • Untersuchungsmethoden der Fachdidaktik an der TUHH Informelle Methoden Informelle Methoden • - eigene Erfahrungen in Sprechstunden für Studierende - informelle Beobachtungen im Unterrichtsgeschehen • - eigene Erfahrungen in Sprechstunden für Studierende - informelle Beobachtungen im Unterrichtsgeschehen Systematische qualitative Methoden Systematische qualitative Methoden • - Fachbezogene semi-strukturierte Interviews mit Studierenden - Modell-geleitete Beobachtungen in Lehr/Lern-Situationen • - Fachbezogene semi-strukturierte Interviews mit Studierenden - Modell-geleitete Beobachtungen in Lehr/Lern-Situationen Quantitative Methoden - Quantitative Methoden • Vortests und Quizzes (kurze schriftl. Tests mit qualit. Fragen) Interaktive Vorlesungsfragen (Clicker-Fragen) Klausuraufgaben Diagnostiktests und Concept Inventories (Multiple-Choice) - Vortests und Quizzes (kurze schriftl. Tests mit qualit. Fragen) Interaktive Vorlesungsfragen (Clicker-Fragen) Klausuraufgaben Diagnostiktests und Concept Inventories (Multiple-Choice) 33 34 Beispiel 4: Interview zur Mechanik (nach P. Steif, CMU) Das eingezeichnete Moment von 60 Nm im Uhrzeigersinn hält das dargestellte Bauteil im Gleichgewicht. Alle anderen Kräfte auf den Körper wirken in der Zeichenebene und sind schematisch durch die drei Pfeile links oben dargestellt. Die vier eingezeichneten Punkte liegen auf einer vertikalen Linie und haben jeweils den Abstand d = 2 m vom benachbarten Punkt. Alle Kräfte in den Bildern unten wirken horizontal. andere Kräfte 60 Nm Welche Kräfte und/oder Momente können das gegebene Moment von 60 Nm ersetzen und das Bauteil im Gleichgewicht halten, wenn alle anderen Kräfte gleich bleiben. 2m Markieren Sie alle zutreffenden Situationen. andere andere andere andere 10 N 15 N (a) 10 N (b) andere andere andere 30 N 15 Nm (c) 60 Nm 30 N (d) (e) andere andere 30 N 60 N 30 N 10 N 15 Nm 15 N (f) 35 andere 10 N Beispiel 4: Exzerpt aus Interview 1 Student 1: Proband zeigt auf Antwortmöglichkeit (c): ”Dieses Moment wird am falschen Ort ausgeübt, was zu einer Rotation um diesen Punkt führt, und nicht um den Punkt um den es [im Original] rotiert.” Proband zeigt auf Antwortmöglichkeit (d) ... “Das ist auch falsch, weil das Moment am falschen Punkt ausgeübt wird.” Interviewer: „Kann ich mir das irgendwie mit dem Moment vorstellen?“ Student 1: ”Ich versuche den [Körper] um diesen Punkt zu drehen … Proband deutet auf den Punkt, an dem das Moment eingezeichnet ist. Der Punkt bleibt aber kontinuierlich da stehen. Wenn ich hier versuche, zu drehen, Proband deutet auf Antwortmöglichkeit (d) verschiebe ich auch den Punkt, um den ich ursprünglich ein Moment erzeugen wollte.” 37 Beispiel 4: Exzerpt aus Interview 2 Interviewer: ”Kann ich mir das mit dem Moment irgendwie vorstellen? Können Sie mir das darstellen … mit dem Blatt Papier, wenn das das Bauteil wäre?” Student 2: ”Ich stelle mir unter dem „Momentenschwerpunkt“ … also da, wo das Moment angreift … eine Drehachse vor, um die das System durch dieses Moment gedreht wird.” Proband stellt seinen seinen Stift am Angriffspunkt des Moments senkrecht auf das Papier, um die Drehachse anzuzeigen. Interview-Ergebnisse legen nahe, dass freies Moment als „Drehwirkung um festen Punkt (Angriffspunkt des Moments)“ missverstanden wird. Vorstellung im Zusammenhang mit der Dynamik hat Auswirkungen auf die Lehre zum Thema Äquivalenz in der Statik. 39 Qualitative Fragen in Übungen „Tutorial“-Arbeitsblätter 3 Äquivalente Kräftesysteme 3.1 Ersetzen eines freien Moments durch eine Kraft? Kira bearbeitet die Aufgabe, für das gegebene System VIII ein äquivalentes System IX Arbeitsblätter fürihre Hörsaalanzugeben, und begründet Lösung wieund folgt: Gruppenübungen Entwicklung von Lehr- bzw. Lern-Materialien Technische Mechanik I • Arbeitsblatt 4 Äquivalenz von Kräftesystemen 23.-27. November 2009 Beantworten Sie die folgenden Fragen anhand Ihrer Ergebnisse in Abschnitt 1.1. b. Teilen Sie die Situationen I bis VII in Gruppen ein, welche die gleichen resultierenden Kräfte und Momente besitzen. c. Ist es möglich, anhand der Auswirkungen auf den Körper zwischen den Situationen in einer Gruppe zu unterscheiden? ⌫ Zwei Kräftesysteme heißen äquivalent, wenn die zugehörigen resultierenden Kräfte und Momente gleich sind. • d. War es um die Äquivalenz der Systeme I-VII zu prüfen, nötig, das resultierende Moment bezüglich aller Bezugspunkte zu vergleichen? Wenn ja, warum? Wenn nein, wie viele sind ausreichend, wenn die resultierende Kraft bekannt ist? 2 Konstruktion von äquivalenten Kräftesystemen Kira: „Mein System II ist zu dem gegebenem System I äquivalent, ⌃ = d⌃ F⌃ das Moment da wegen M von 12 N m bezüglich P durch eine Kraft von 3 N im Abstand d = 4 m von P ersetzt werden kann.“ Viertes von zehn Arbeitsblättern für Kleingruppenübungen in der Mechanik I Kräfte, Momente und freie Momente wurden in Vorlesung und früheren Arbeitsblättern behandelt 12Nm • 6N P Q 1m 6N II P Q 3N 1m Stimmen Sie dieser Aussage zu? Begründen Sie. b. Vergleichen Sie die resultierenden Kräfte der beiden Systeme. P 6N Q 1m 6N P Q Vorliegendes Blatt soll falsche Vorstellung von Vertauschbarkeit von Kräften und freien Momenten überwinden helfen c. Vergleichen Sie die resultierenden Momente der beiden Systeme bezüglich Punkt Q . a. Stimmen Sie dieser Aussage zu? Begründen Sie. b. Vergleichen Sie die resultierenden Kräfte der beiden Systeme. Confront* c. Vergleichen Sie die resultierenden Momente der beiden Systeme bezüglich Q. Resolve* 41 * McDermott, American Journal of Physics, 2001. Evaluation des Lernerfolgs durch Diagnostiktests Messung der Kenntnisse bzw. Fähigkeiten der Studierenden mithilfe standardisierter Tests am Beginn und Ende einer Lehrveranstaltung ermöglicht … • Elicit* d. Ist es möglich, ein freies Moment durch eine Einzelkraft an einem (gezielt gewählten) Angriffspunkt zu ersetzen? Begründen Sie. 2 • 3N 1m a. Hannes bearbeitet die Aufgabe, dem gegebenen System I ein ihm äquivalentes System II zu erstellen und seine Antwort zu begründen: I 12Nm II 2.1 Beispiel eines Studierenden Hannes: „Mein System II ist zu dem gegebenem I äquivalent, da wegen M = d F das Moment von 12 Nm bezüglich P durch eine Kraft von 3 N im Abstand d = 4 m von P ersetzt werden kann.“ I Vergleich des Eingangsniveaus mit früheren Jahrgängen Bewertung des Lernerfolgs bei Veränderungen in der Lehre am Beispiel des Statics Concept Inventory in der Mechanik 1 Arbeitsblätter +JiTT 43 Der lange Weg zur Kompetenzorientierung … 42 Der Weg zur Kompetenzorientierung (1) Der Weg zur Kompetenzorientierung (2) Qualitative Aufgaben stellen höhere Anforderungsniveaus in den üblichen Lernziel-Taxonomien als herkömmliche Aufgaben Bloom (1956) Bewertung Synthese Analyse Anwendung Verständnis Faktenwissen Dubs (2004) Bologna Handbuch Beurteilen … aber die beiden höchsten Niveaus werden auch mit solchen konzeptuellen Fragen vermutlich nicht erreicht Bloom (1956) Bewertung Information Synthetisieren erzeugen Analysieren Kompetenzen „Verstehen” Information Anwenden verarbeiten Sinn erfassen Fertigkeiten „Können” Information Wiedergeben erinnern Wiedererkennen Kenntnisse „Kennen” Synthese Analyse Anwendung Verständnis Faktenwissen Dubs (2004) Bologna Handbuch Beurteilen Information Synthetisieren erzeugen Analysieren Kompetenzen „Verstehen” Information Anwenden verarbeiten Sinn erfassen Fertigkeiten „Können” Information Wiedergeben erinnern Wiedererkennen Kenntnisse „Kennen” 45 46 Die nächsten Schritte (1): “FERMI-Aufgaben” Die nächsten Schritte (2): Beurteilungs-Aufgaben Aufgaben, in denen Informationen nicht vollständig gegeben sind und deshalb selbst ausgewählt und abgeschätzt werden müssen: Aufgaben, in denen ein Lösungsansatz auf seine Tauglichkeit oder Vereinbarkeit mit anderen Annahmen geprüft wird: Ein Containerschiff fährt mit etwa 8 Knoten (≈ 4 m/s), wenn seine Motoren gestoppt werden. Die Geschwindigkeit nimmt dann innerhalb von 10 Minuten auf die Hälfte ab. Es soll angenommen werden, dass die (negative) Beschleunigung proportional zum Quadrat der 2 Geschwindigkeit ist, also a(v) = −cv . Bestimmen Sie die Geschwindigkeit in Abhängigkeit von der Zeit. Bestimmen Sie den Ort in Abhängigkeit von der Zeit. v(t) = 2400 m t + 600 s s(t) = 2400 m · ln(1 + t ) 600 s Überprüfen Sie die Antwort auf Konsistenz (keine Widersprüche). Überprüfen Sie die Antwort auf Validität (keine unrealistischen Ergebnisse). 47 48 Zweites Fazit Herkömmliche, quantitative Aufgaben in den technischen Grundlagenfächern sind aus verschiedenen Gründen unzureichend. • Qualitative (d.h. konzeptuelle) Fragen eignen sich besser zur Entwicklung des Verständnisses der fachlichen Inhalte. • Fachdidaktische Untersuchungen können wertvolle Hinweise für die Formulierung guter qualitativer Aufgaben geben, indem sie verbreitete Fehlvorstellungen aufdecken. • Das Erreichen höherer Niveaustufen der Lernziel-Taxonomien (Kompetenzen) kann auch in Grundlagenfächern angestrebt werden. Hierzu müssen jedoch neue Aufgabentypen entwickelt werden. • Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 49