Ein neues Zeitalter für Marketingmaßnahmen

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Marketing
Ein neues Zeitalter für
Marketingmaßnahmen
Social-Media-Instrumente auf dem Vormarsch
chlag auf Schlag: Golfen für
neue Patientenzimmer“, so zwitscherten die Kliniken Essen
Mitte (KEM) jüngst eine Meldung
über den Mikroblogging-Dienst Twitter – eine Internet-Plattform, über die
mit maximal 140 Zeichen kurze Textmeldungen verbreitet werden können.
Mit dem Relaunch der Klinik-Website im Mai dieses Jahres haben die
KEM, zu denen das Krankenhaus
Evangelische Huyssens-Stiftung und
das Knappschafts-Krankenhaus gehören, auch Twitter und Facebook in
ihre Kommunikationsstrategie eingebunden. Damit folgen die KEM dem
Trend, Social-Media-Instrumente für
Klinik-Marketing zu nutzen. „Das
Schöne daran ist: Facebook und Twitter selbst kosten keinen Cent“, sagt
Björn Kasper, Marketing- und Kommunikationsleiter. Obgleich die Reichweite enorm ist: Twitter hat derzeit
2,1 Millionen und Facebook zwölf
Millionen Nutzer in Deutschland. Ein
Netzwerk muss natürlich erst aufgebaut werden: Bislang haben die KEM
rund 250 „Follower“ bei Twitter. Das
sind Leser, die über Twitter Nachrichten von anderen Benutzern abonniert
haben (engl. to follow = folgen). Bei
Facebook haben die Kliniken 163
„People like this“, also Nutzer, denen
der Inhalt der KEM-Seite gefällt. Prof.
Dr. Thomas Jäschke, Medizin-Wirtschaftsinformatiker der FOM – Hochschule für Ökonomie & Management
S
Foto: iStock
:
A. Schramm
Laut der aktuellen ARD/ZDF-Onlinestudie tummeln sich
fast 50 Millionen Deutsche im Netz. Verständlich, dass
daher auch Kliniken neue Marketingmaßnahmen des
Internets nutzen. Über Facebook, Twitter, YouTube oder
einen eigenen Blog kommunizieren erste deutsche
Kliniken tagesaktuelle Informationen zum Haus,
zu Ärzten oder zu Behandlungsangeboten. Kliniken aus
den USA, wie etwa das Henry Ford Hospital in Detroit,
gehen sogar noch einen Schritt weiter und twittern live
aus dem OP-Saal.
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Marketing
in Essen, sieht in Web 2.0 eine sinnvolle Marketingunterstützung: „Nicht als
Stand-Alone-Maßnahme, sondern als
Ergänzung zur klassischen Pressearbeit.“ Während in Amerika schon gut
550 Kliniken auf Social Media setzen
und sogar live aus dem OP-Saal über
den Stand des chirurgischen Eingriffs
twittern, machen deutsche Krankenhäuser die ersten Gehversuche. Bei
Twitter sind rund 50 Kliniken registriert. Einige davon zwar mit mehreren Accounts, doch von der Gesamtzahl aller deutschen Kliniken sind das
gerade einmal 2,5 Prozent.
Web 2.0 als Ergänzung zur
klassischen Pressearbeit
Für den Einstieg empfiehlt Jäschke
Twitter. Darüber hinaus sollen Kliniken
Journalisten etwa bei Presseinformationen die Möglichkeit anbieten, ihre
News als RSS-Feeds abonnieren zu
können. Ein RSS-Channel funktioniert
portalen kommentieren, Hintergrundinformationen zu Ursachen von Krankheiten liefern oder auf andere Operationsmethoden – natürlich die der
eigenen Klinik – hinweisen. „Für Akutoder Kommunalkliniken, die in der
Nachbarschaft einen Kettenriesen
haben, lohnt sich die Zeitinvestition in
Web-2.0-Marketingmaßnahmen weniger“, meint Jäschke. Kleinen Kliniken
hingegen, die eine eindeutige Unique
Selling Proposition (USP) haben und
sich besser aufstellen möchten, rät er
zu diesen Instrumenten. Hierfür sei
aber auch ein ausgereiftes Konzept notwendig.
wie ein Nachrichtenticker mit kurzem
Textanriss und einem Link zur Originalseite. Auch die KEM haben anfangs auf
Twitter gesetzt, weil die Plattform als
der innovative Kommunikationskanal
galt. Mittlerweile haben sie eine crossmediale Verknüpfung geschaffen: So
erscheinen eingestellte Beiträge auf
Facebook auch automatisch auf Twitter.
„Dies erspart einen Arbeitsschritt, und
trotzdem erreichen wir Ärzte, die Twitter nutzen, aber nicht Facebook“,
berichtet Björn Kasper.
Deutlich zeitaufwendiger ist ein eigener Internetblog – ein Webtagebuch.
Wie das Ursprungswort schon sagt,
sollte im Idealfall täglich etwas Neues
auf dem Blog zu lesen sein. Mindestens jedoch zwei bis drei Beiträge pro
Woche. „Wenn dafür keine Kapazitäten
vorhanden sind, lieber die Finger davon
lassen und sich in fremden Blogs oder
Foren als Experte positionieren“, empfiehlt Jäschke. Klinikärzte verschiedener
Fachrichtungen können beispielsweise
im Internet Beiträge auf Gesundheits-
So macht es auch die Privatklinik
Proebstle in Mannheim. Obgleich sie
nur zwei Belegbetten hat, investiert
eine Mitarbeiterin wöchentlich durchschnittlich vier bis acht Stunden Zeit
in den eigenen Internetblog: die PLounge. „Es ist für uns keine Frage
des Aufwands, sondern des Selbstverständnisses“, sagt Geschäftsführer
Dr. Thomas Proebstle. „Als moderne
In fünf Schritten zu mehr Effizienz im OP
O
b ein Krankenhaus wirtschaftlich
arbeitet, entscheidet sich zu einem
großen Teil im OP. Hier fallen 28
Prozent der medizinischen Gesamtkosten an.
Dies betrifft den Eingriff sowie alle vor- und
nachgelagerten Prozesse. Mit dem OP-Effizienz-Programm von Mölnlycke Health
Care, das seit März 2010 erfolgreich in Kliniken eingesetzt wird (siehe Grafik), können
erstmals die Einsparpotenziale bezüglich
Zeit und Kosten im Operationssaal dargestellt werden. Basierend auf Kennzahlen bietet das Programm Lösungsvorschläge zur
Leistungssteigerung durch die effektive Nutzung der Ressourcen, die durch die Einführung von ProcedurePak OP-Trays frei
geworden sind. OP-Trays sind ein viel versprechendes Mittel, die Prozesse im OP zu
vereinfachen. Es handelt sich dabei um eine
kundenindividuelle Zusammenstellung verschiedener Einweg-Medizinprodukte und
-Komponenten für den OP; steril angeboten
in einer einzigen Verpackung.
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Mölnlycke bietet seinen Kunden einen OPEffizienz-Report rund um die individuell
zusammengestellten ProcedurePak OPTrays an. Dieser basiert auf den wissenschaftlichen Daten einer europäischen Studie, stellt evidenzbasiert die Potenziale
hinsichtlich Einsparungen in Zeit, Kosten
und Verpackungsmüll im OP dar und zeigt
das Potenzial der Erlössteigerung für jedes
Krankenhaus. Das Programm basiert auf
Kosten- und Zeiteinsparung in
der Klinik durch den Einsatz
von ProcedurePak OP-Trays
Die Abbildung stellt konkrete
Ergebnisse deutscher Kliniken aus
einer Studie des Instituts für
Workflow-Management im
Gesundheitswesen (IWiG) dar.
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Quelle: Greiling et al. (2008):
Materialwirtschaft im OP. Activity
based Costing (ABC) für die Verwendung von ProcedurePak Trays im
Vergleich zu der Nichtverwendung
am Beispiel von 11 unterschiedlichen
Trays (2.785 OPs gesamt)
einem kontinuierlichen Prozess, der die Verantwortlichen in OP und Klinik von Anfang
an aktiv einbezieht und für jede Klinik die
individuellen Arbeitsprozesse optimiert.
„Das Klinik-Management erhält hiermit
erstmalig eine Planungsgrundlage zur Kennzahlenentwicklung und Zielerreichung“, so
Christian Roleff, Marketing Manager Mölnlycke Health Care und Initiator
des OP-Effizienz-Programms.
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Marketing
medizinische Einrichtung haben wir
unter anderem Telefon, Fax, E-Mail
und eben einen Blog.“ Neue Meldungen gibt es täglich oder mindestens
einmal pro Woche. Dazu gehören
Neuigkeiten rund um die Privatklinik,
wie etwa Behandlungsschwerpunkte
und -methoden, neue Geräte, Terminhinweise und Informationen zu Presseauftritten, Kongressen und Vorträgen, Stellungnahmen zu aktuellen
oder kontroversen Themen wie beispielsweise der Botoxflatrate, Erfahrungsberichte von Patienten sowie
auch lokal orientierte Themen, etwa
Fasching in Mannheim. Im Vergleich
zu einer statischen Homepage und EMail-Serienbriefen biete ein Blog
viele Vorteile und ist zudem für Dr.
Proebstle derzeit seriöser als die sozialen Netzwerke. „Unsere Patienten
bekommen aktuelle Informationen,
die dennoch auf Dauer verfügbar bleiben und so auch später weiterempfohlen werden können.“ Auch aus Sicht der
Suchmaschinenoptimierung (SEO), um
also bei Google weit oben in der Trefferliste zu stehen, ist laut Mirko
Gründer, Projektleiter von MedizinSEO, ein Blog uneingeschränkt zu
empfehlen. „Blogs werden von den
Suchmaschinen gern gesehen, weil
unterstellt wird, dass sie aktuellere
und lesbarer aufbereitete Inhalte haben als andere Seiten.“ Zudem gäben
Blogartikel mit ihrer etwas laxeren
Sprache die Möglichkeit, Texte auf
Stichworte zu optimieren, die im normalen Marketing nicht genutzt würden.
Der Trend geht zum
bewegten Bild
Die KEM gehen noch zwei Schritte
weiter: Zum einen ist ein eigenes Bewertungsportal als Feedbackkanal geplant, und zum anderen soll im nächsten Jahr ein YouTube-Channel eingerichtet werden. „Der Trend im Web
geht vom Text weg und hin zum bewegten Bild, und dies werden wir einsetzen“, sagt Kasper. Das belegt auch
die ARD/ZDF-Onlinestudie 2010.
Video- und Fernsehinhalte im Netz
werden immer beliebter, wobei das
Anschauen der Videos für die meisten
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Nutzer weitaus wichtiger ist (65 Prozent) als viele Web-2.0-Aktivitäten
(40 Prozent). Die KEM möchten dann
Interviews mit Chefärzten zeigen,
neue Behandlungsverfahren erläutern
oder über Veranstaltungen berichten.
Jäschke hält YouTube für weniger
sinnvoll: „Diese Videoplattform ist
überwiegend auf Spaß ausgerichtet.
Das passt nicht zu einem Krankenhausimage.“
Das Verbundklinikum Landkreis Ansbach hat auf seinem Blog „fränkischgesund“ gleich das Bewegtbild mit
integriert. Jährlich werden zwölf bis
15 Podcasts produziert. So gab es beispielsweise im Oktober einen 18minütigen Film über die Wiedereröffnung des renovierten Klinikums
Feuchtwangen zu sehen. „Wir verfolgen auf der einen Seite die Information von Zuweisern und Patienten, auf
der anderen Seite sollen auch Mitarbeiter die Möglichkeiten haben, die
verschiedenen Informationen gebündelt nachzulesen oder anzusehen“,
sagt Dr. Andreas Goepfert, Vorstand
des Verbundklinikums. Wobei es für
den Verbund zusätzlich eine interne
Kommunikationsplattform über Intranet gibt. Explizites Ziel sei, eine externe interaktive Kommunikation für
Interessierte und Partner zu etablieren. „Wir haben uns für diese Marketingmaßnahmen entschieden, weil wir
überzeugt sind, dass künftig die
neuen Medien immer mehr Bedeutung an der Informationsübermittlung
gewinnen werden“, sagt Goepfert.
„Gerade im Gesundheitswesen wird
das Internet mit den Möglichkeiten
ein Schlüsselmedium bei der Marktverteilung sein.“
Fast 50 Millionen Deutsche sind gelegentlich im Internet und 76 Prozent der
Onliner sogar täglich, so die ARD/
ZDF-Onlinestudie. Und die MS&L-
Gesundheitsstudie 2010 zeigt: Mit
80,8 Prozent ist das Internet die Nummer 1, wenn es um Informationen
zum Thema Gesundheit geht. Printmedien und Fernsehen folgen auf den
Plätzen 2 und 3, der Arzt mit 58,6
Prozent auf Platz 4. „Ich finde es
fatal, wenn Kliniken dieses Medium
für sich noch nicht erkannt haben“,
sagt KEM-Marketingleiter Kasper.
Sie könnten im Internet mit der Zielgruppe in den Dialog treten und auf
Wünsche und Fragen eingehen. „Der
Patient wird zum Kunden, und dies
geschieht nicht erst, wenn er sich
schon in der Klinik befindet.“ Goepfert sieht vor allem in den einzelnen
freien Kommentaren zu verschiedenen Themen einen wichtigen Feedbackkanal für die Kliniken. Täglich
beschäftige sich eine Mitarbeiterin
mit der Sichtung der Kommentare auf
dem eigenen Blog. Diese sollten Kliniken auch stets im Auge behalten.
Schließlich ist das Web 2.0 ein Mitmach-Web, in dem auch kräftig kritisiert werden kann. Bei KEM seien
über Facebook bislang noch keine
Beschwerden eingegangen, Anregungen kommen derzeit über das Onlineformular „Lob & Tadel“. Wenn es jedoch so wäre, würde Kasper Kritik
nicht löschen, sofern sie konstruktiv
und nicht beleidigend ist. „Wir würden versuchen, im Beschwerdemanagement das Problem zu lösen.“
Das Internet
als Schlüsselmedium
Selbst wenn Kliniken kein Profil auf
Facebook, keinen Account bei Twitter
oder keinen eigenen Blog haben, sollten sie die Sozialen Netzwerke als
Rechercheinstrument nutzen. Werkzeuge dafür sind beispielsweise
search.twitter.com, technorati.com
oder socialmention.com. Was wird
überhaupt über die eigene Klinik im
World Wide Web geschrieben? Über
welche Gesundheitsthemen diskutieren potenzielle Patienten? Und was
treibt die Konkurrenz? So gibt es beispielsweise einen professionell geführten Blog von einer Privatperson
zur Klinik in Feuchtwangen, von dem
Marketing
der Klinikverbund erst aufgrund dieser Artikelrecherche erfahren hat.
„Wir werden jetzt Kontakt mit dem
Blogbetreiber aufnehmen und versuchen, die Informationen gemeinsam
koordiniert zu veröffentlichen“, sagt
Goepfert.
Kohlhammer
Das Internet befindet sich im stetigen
Wandel. Twitter gibt es mittlerweile
seit März 2006. Wenn sich schließlich
eine Marketingabteilung für diese
Maßnahmen entschieden hat, sind sie
vielleicht bald schon nicht mehr
angesagt. So hat Facebook Twitter
beim Klinikum Essen-Mitte schon
innerhalb weniger Monate abgelöst.
Marketingleiter Kasper sieht für Twitter keine Zukunft und glaubt, dass in
den nächsten Jahren keiner mehr davon sprechen wird. Was wird dann
kommen? An der FOM bearbeiten
Studenten bereits intensiv in studienbegleitenden Ausarbeitungen das
Thema WEPP – eine Zusammensetzung von Webangeboten und mobilen
Applikationen (Web & App). „Schon
heute ist der Zugriff auf die webba-
sierten Zuweiserportale mit speziell
entwickelten Applikationen möglich
und sinnvoll“, berichtet Jäschke. „So
stehen Ärzten auch bei Hausbesuchen
blitzschnell die letzten Informationen
aus dem gerade zu Ende gegangen
Krankenhausaufenthalt zur Verfügung.“
Der Kommunikationsmix aus klassischer Pressearbeit und den neuen
Instrumenten des Web 2.0 bringt einige Vorteile mit sich, braucht aber
auch ein ausgereiftes Konzept und
Manpower zur kontinuierlichen Umsetzung. Aufwand und Nutzen müssen gründlich gegeneinander abgewägt werden. Einige Kliniken haben
sich bereits dafür entschieden und
wollen wie die KEM vorbereitet sein
auf ein neues Kommunikationszeitalter mit dem Wandel der Zielgruppen.
Für andere, darunter auch große Player wie die Helios Kliniken mit über
60 Häusern, stellen die Web-2.0Instrumente keine etablierte Methode
dar. Noch werde dabei zu viel ausprobiert, sagt Tobias Meixner, Abtei-
lungsleiter Unternehmenskommunikation und Marketing von Helios.
„Klassische Unternehmensmeldungen laufen ins Leere. Da muss es
schon eine gute Idee sein, die auch
tatsächlich zum Medium passt.“ So
hat Helios ein Video zur Selbstuntersuchung der Brust für die Krebsvorsorge bei YouTube eingestellt und
damit schon über 28 300 Aufrufe
erzielt. Generell müsse bei InternetMarketingmaßnahmen jedoch die
Spreizung der Zielgruppen bedacht
werden: „Viele unserer Patienten und
Angehörigen greifen lieber zum Telefonhörer oder suchen das persönliche
Gespräch, wenn sie konkrete Informationen wollen. Auch informieren
sie sich eher in Printmedien über
Helios und Behandlungsmöglichkeiten, statt gezwitscherte Meldungen zu
erhalten oder über Kommentarfunktionen im Blog zu kommunizieren.“
Alexandra Schramm ist Geschäftsführerin des
Medienbüros Medizin (MbMed) in Hamburg.
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