Prof. Dr. Don Zagier – Schätze der Zahlentheorie Ergänzendes

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Prof. Dr. Don Zagier – Schätze der Zahlentheorie
Ergänzendes Material
Felix Boes & Anna Hermann
11 September 2013
In der zweiten Vorlesung des heutigen Tages beschäftigen wir uns mit einem Beweis
des Quadratischen Reziprozitätsgesetzes. Dies ist ein sehr wichtiges Theorem aus dem
Bereich der Zahlentheorie, das dessen Entdecker Gauß mit den Worten
Das Fundamentaltheorem, welches sicherlich zu den elegantesten Entdeckungen auf diesem Gebiete zu rechnen ist, ist in derselben einfachen Form,
in der wir es oben gegeben haben, bisher von Niemand ausgesprochen worden.
Dies ist um so mehr zu verwundern, da gewisse andere aus ihm fliessende
Sätze, von denen man leicht wieder zu jenem hätte zurückgelangen können,
schon Euler bekannt waren.
beschrieb. Legendre bewies zwar im Grunde dieselbe Aussage, doch erst Gauß zeigte
1798 im Alter von 21 Jahren das Quadratische Reziprozitätsgesetz, wie wir es heute
kennen. Wir sehen in der zweiten Vorlesung einen Beweis von Rousseau aus dem Jahr
1989, der auf wenigen elementaren zahlentheoretischen Konzepten aufbaut, zugleich aber
viele schöne Ideen enthält, die verdeutlichen, wie man in der Zahlentheorie vorgeht. Die
Grundlagen, die für das Verständnis des Beweis benötigt werden, werden im ersten Vortrag und im ersten Tutorium erarbeitet. Insbesondere dient dieses Skript ausschließlich
der Ausarbeitung der allgemein bekannten zahlentheoretischen Grundlagen, nicht aber
der Vorstellung des angestrebten Beweises.
1
Teilbarkeit und Kongruenzen
Eine essentielle Grundlage jeglicher Zahlentheorie ist der Begriff der Teilbarkeit.
Definition 1.1. Seien m, n ∈ Z, wobei m 6= 0 sei. Dann heißt m Teiler von n, falls es
eine ganze Zahl q mit
n=q·m
gibt. In diesem Fall heißt n durch m teilbar und ein Vielfaches von m. Wir notieren
dies mit m|n, sprich „m teilt n“.
1
Wir bemerken, dass für jede Zahl m ∈ Z sowohl 1|m als auch m|m gelten. Positive Zahlen, die außer diesen beiden keine weiteren positiven Teiler haben, wollen wir
gesondert betrachten:
Definition 1.2. Sei p ∈ N. Dann heißt p eine Primzahl, wenn sie genau zwei natürliche
Zahlen als Teiler hat, nämlich 1 und p selbst.
Man beachte, dass die Zahl 1 nicht unter unsere Definition einer Primzahl fällt. Dies
ist dadurch motiviert, dass wir gern die folgende Aussage über die Darstellung von natürlichen Zahlen als Produkt von Primzahlen verwenden wollen.
Satz 1.3. (Fundamentalsatz der Arithmetik) Jede natürliche Zahl außer 0 und 1
lässt sich als Produkt endlich vieler Primzahlen schreiben. Diese Darstellung, die wir auch
Primfaktorzerlegung nennen, ist bis auf die Reihenfolge der Faktoren eindeutig.
Würden wir die Zahl 1 in die Menge der Primzahlen aufnehmen, so wäre die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung nicht gewährleistet, da wir an eine gegebene Produktdarstellung einer Zahl beliebig viele Einsen anfügen können, um eine neue Produktdarstellung derselben Zahl zu erhalten.
Wir gehen davon aus, dass der Fundamentalsatz der Arithmetik allgemein bekannt
ist. Für einen gut verständlichen Beweises, der unsere Definitionen verwendet, verweisen
wir auf [1], Kapitel 1, § 1.
Definition 1.4. Seien m, n ∈ N. Wir nennen m und n teilerfremd, wenn es keine
positive Zahl außer 1 gibt, die sowohl m als auch n teilt.
Offenbar ist die Zahl 1 zu jeder Zahl teilerfremd.
Beispiel 1.5. Die Zahlen 8 und 15 sind teilerfremd. Nach Definition sind je zwei verschiedene Primzahlen teilerfremd. Ist p eine Primzahl, so sind alle natürlichen Zahlen
2, . . . , p − 1 teilerfremd zu p.
Im Folgenden werden wir zur Untersuchung des Teilbarkeitsbegriffs ein neues Hilfsmittel einführen, nämlich das Konzept der Kongruenz.
Definition 1.6. Seien m, a, b ∈ Z, wobei m ≥ 2 sei. Man nennt a kongruent (zu) b
modulo m, falls a und b sich um ein ganzzahliges Vielfaches von m unterscheiden, d. h.
wenn m|(a − b) gilt. Ist a kongruent zu b modulo m, so schreiben wir auch
a ≡ b (mod m)
oder kürzer a ≡ b, wenn aus dem Zusammenhang deutlich wird, modulo welcher Zahl m
gerechnet wird.
Beispiel 1.7. Es gelten
80 ≡ 45 (mod 5),
sprich „80 ist kongruent zu 45 modulo 5“, und
7 ≡ 33 (mod 13).
2
Für eine Zahl a ∈ Z gilt die Kongruenz a ≡ 0 (mod 2) genau dann, wenn a eine gerade
Zahl ist, und a ≡ 1 (mod 2) sonst.
Aus dem Alltag kennen wir unter Anderem das „Rechnen modulo 12“, so ist beispielsweise 15 ≡ 3 mod 12 und wir verwenden im Deutschen oft die Begriffe „3 Uhr“ und „15
Uhr“ für die entsprechende Uhrzeit am Nachmittag äquivalent.
Wir sehen, dass der Kongruenzbegriff den Begriff der Gleichheit verallgemeinert, denn
für a, m ∈ Z, m ≥ 2, gilt a ≡ a (mod m). Wir können mit Kongruenzen tatsächlich
weitgehend wie mit Gleichungen rechnen, da folgende Rechenregeln gelten:
Proposition 1.8. Seien a, b, c, m ∈ Z, wobei m ≥ 2 sei.
1. Aus a ≡ b (mod m) folgt b ≡ a (mod m).
2. Sind a ≡ b (mod m) und b ≡ c (mod m), so ist auch a ≡ c (mod m).
3. Gelten a ≡ b (mod m) und c ≡ d (mod m), so auch a + c ≡ b + d (mod m).
4. Gelten a ≡ b (mod m) und c ≡ d (mod m), so auch ac ≡ bd (mod m).
Beweis. Der Beweis ist eine Übungsaufgabe.
Beispiel 1.9. Vom „Rechnen mit der Uhr“ ist uns vertraut, dass beispielsweise
10 + 6 ≡ 4
(mod 12)
gilt.
Seien m, a ∈ Z, wobei m ≥ 2 sei. Notieren wir mit r den Rest bei der Division von
a durch m, so ist r eine eindeutig bestimmte ganze Zahl mit r ∈ {0, . . . , m − 1}. Nach
Definition von r gibt es ein q ∈ Z mit
a = q · m + r,
d. h. m|(a − r), also gilt
a≡r
(mod m).
Insbesondere ist a genau dann durch m teilbar, wenn a ≡ 0 (mod m)) ist. Mit diesen
Beobachtung können wir nun folgende wichtige Definition in Angriff nehmen.
Definition 1.10. Sei m ∈ Z, m ≥ 2. Wir definieren die Menge
Z/mZ := {0, . . . , m − 1},
sprich „Z modulo m Z“. Auf dieser Menge definieren wir eine Addition und eine Multiplikation. Dazu seien a, b ∈ Z/mZ. Wir notieren mit c := a + b diejenige Zahl c ∈ Z/mZ,
die kongruent zu der ganzen Zahl a + b ist. Mit anderen Worten, c ist der Rest bei der
Division von a + b durch m. Analog meinen wir mit d := ab ∈ Z/mZ den Rest bei
der Division von ab durch m. Ist a eine ganze Zahl, so definieren wir die Multiplikation
(Addition) mit a in Z/mZ als die Multiplikation (Addition) mit dem Rest r ∈ Z/mZ bei
Division von a durch m.
3
Ist zum Beispiel m = 6, so gelten in Z/6Z = {0, 1, 2, 3, 4, 5} die Aussagen 5 + 2 = 1
und 4 · 2 = 2.
Den Abschnitt über Teilbarkeit und Kongruenzen schließen wir mit einer sehr bekannten Aussage aus der Zahlentheorie.
Proposition 1.11. (Kleiner Satz von Fermat) Sei p eine Primzahl, a ∈ Z. Dann
gilt
ap ≡ a (mod p).
Ist a nicht durch p teilbar, so gilt weiterhin
ap−1 ≡ 1
(mod p).
Wir wollen hier auf einen Beweis dieser Aussage verzichten. Er kann aber in den
Tutorien besprochen oder in [1], Kapitel 2, § 3.3 nachgelesen werden.
2
Permutationen
Wir beginnen diesen Abschnitt mit einem kleinen Beispiel. Betrachten wir die Menge
S = {1, 2, 3, 4, 5, 6} und ordnen ihre Elemente in einem Bild an.
1
2
3
4
5
6
Dieses Bild betrachten wir als die Grundanordnung der Elemente von S. Im Folgenden wollen Abbildungen π : S → S untersuchen, welche die Elemente 1, 2, 3, 4, 5, 6
untereinander vertauschen. Wenden wir beispielsweise die im folgenden Pfeildiagramm
angedeuteten Vertauschungen an,
1
2
3
4
5
6
so erhalten wir eine neue Anordnung unserer Zahlen wie in diesem Bild:
4
3
5
1
2
6
4
Die Zahlen 1 und 4 tauschen die Plätze, die Zahl 6 bleibt an ihrer Position und die Zahlen
2, 3 und 5 werden einmal im Kreis permutiert, wobei jede Zahl in diesem Kreis auf die
Position derjenigen Zahl geschickt wird, auf die der Pfeil im Pfeildiagramm gezeigt hat.
Dieses Konzept formalisieren wir nun.
Definition 2.1. Sei S eine endliche Menge. Wir nennen eine bijektive Abbildung
π: S → S
Permutation auf der Menge S.
Wir erinnern uns an die Definition der Bijektivität: Ist π : S → S eine Permutation,
so wird jedes Element aus S genau einmal getroffen.
In unserem Beispiel können wir die Vertauschung der Elemente von S = {1, 2, 3, 4, 5, 6}
auch in Form der Permutation
π : S → S, 1 7→ 4,
2 7→ 5,
3 7→ 2,
4 7→ 1,
5 7→ 3,
6 7→ 6
ausdrücken. Wir verwenden zwei verschiedene Möglichkeiten, Permutationen kompakter
zu notieren.
Notation 2.2. Sei π eine Permutation auf einer endlichen Menge S. Die Darstellung
von π in Zweizeilenform sei definiert durch
···
s
···
,
π=
· · · π(s) · · ·
d. h. wir schreiben die Elemente von S in eine Zeile und notieren unter jedem dieser
Elemente, auf welches Element es unter π abgebildet wird.
Eine Zweizeilenform für die Permutation aus unserem Beispiel ist also
1 2 3 4 5 6
π=
.
4 5 2 1 3 6
In der zweiten, ebenso wichtigen Notation heben wir hervor, in welcher Reihenfolge
die Elemente permutiert werden. Im obigen Beispiel haben wir
1 7→ 4 7→ 1
und
2 7→ 5 7→ 3 7→ 2
Dies notieren wir kompakter als
(14)(253)(6) .
5
und
6 7→ 6 .
Notation 2.3. Sei π eine Permutation auf einer endlichen Menge S. Wir wählen ein
beliebiges Element a ∈ S und betrachten, auf welche Elemente a nach mehrfacher Ausführung von π abgebildet wird. Den Nachfolger von a nennen wir b, den Nachfolger von b
nennen wir c usw. Da S endlich ist, kommen wir irgendwann wieder bei a an. Das letzte
Element vor a bezeichnen wir für den Moment mit x. Nun notieren wir mit
ab · · · x
den sogenannten Zykel, der a enthält. Gibt es ein Element in S, das wir noch nicht
aufgeschrieben haben, so verfahren wir für dieses analog wie mit a, und fahren so lange
damit fort, bis jede Zahl genau einmal notiert wurde. Die Zykelschreibweise von π ist:
ab · · · x . . . a0 b0 · · · x0 ,
wobei wir die einzelnen Zykel in einer beliebigen Reihenfolge hintereinander schreiben.
Dabei lassen wir allerdings einelementige Zykel (a) ganz weg, da sie keine neuen Informationen enthalten. Ein solches Element a ∈ S wollen wir Fixpunkt von π nennen.
Wir können nun zum Beispiel
π = (41)(253)
als Zykeldarstellung von π in S verwenden. Hier können wir nun unter Anderem ablesen,
dass 2 auf 5, 5 auf 3 und 3 auf 2 abgebildet wird.
Da jedes Element nur in einem Zykel vorkommt, spielt die Reihenfolge der Zykel in
unserer Notation keine Rolle. Außerdem können wir innerhalb der Zykel die Elemente
zyklisch vertauschen, also beispielsweise (532) oder (325) anstatt (253) schreiben, denn
die Notation besagt nur, dass innerhalb eines Zykels jedes Element auf das nach ihm
stehende geschickt wird, wobei das letzte Element auf das erste abgebildet wird.
Es sei eine weitere Permutation
1 2 3 4 5 6
σ=
2 1 6 5 4 3
auf S = {1, 2, 3, 4, 5, 6} in Zweizeilenform gegeben. Die beiden Permutationen π und σ
können wir nun hintereinander ausführen (auch verketten oder verknüpfen): Wir
starten mit der ursprünglichen Anordnung
1
2
3
4
5
6
6
und wenden dann die Permutation π an. Anschließend zeichnen wir (bezüglich der Grundanordnung!) die Pfeile ein, die von der Permutation σ induziert werden:
4
3
5
1
2
6
Nach Anwendung dieser eingezeichneten Permutation erhalten wir folgende Anordnung:
3
4
6
2
1
5
Daran können wir ablesen, dass wir diese Anordnung auch direkt aus der Grundanordnung hätten erhalten können, indem wir entlang der Pfeile in
1
2
3
4
5
6
vertauscht hätten. Die zugehörige Permutation notieren wir mit σ ◦ π (man liest zum
Beispiel „σ nach π“, es wird erst π ausgeführt, dann σ). In der Zweizeilenform können
wir die Verkettung von π mit σ ganz einfach ablesen: In der Zweizeilenform von π sehen
wir, dass die 1 auf die 4 geschickt wird, in der zu σ verfolgen wir weiter, dass die 4 (wir
lesen in der ersten Zeile) auf die 5 geschickt wird. Verfahren wir mir den anderen Zahlen
analog, erhalten wir insgesamt die Darstellung
1 2 3 4 5 6
σ◦π =
,
5 4 1 2 6 3
die erfreulicherweise mit unserem Pfeildiagramm zu σ ◦ π übereinstimmt.
Die folgende Proposition dient als wichtiges Argument in vielen Beweisen.
Proposition 2.4. Sei S eine endliche Menge. Ist π : S → S eine injektive Abbildung, so
ist π bereits eine Permutation.
Beweis. Da π injektiv ist, wird jedes Element aus S von π höchstens einmal getroffen,
mit anderen Worten, die Elemente von S werden unter π alle auf verschiedene Elemente
7
von S abgebildet. Also werden |S| verschiedene Elemente von S von π getroffen, dies sind
aber bereits alle Elemente von S, sodass π auch surjektiv und damit eine Permutation
ist.
Wir wollen ein weiteres Beispiel betrachten. Auf Z/mZ haben wir ein Produkt erklärt.
Kann man zu jeder Zahl a immer ein b finden, sodass in Z/mZ die Gleichungen ab = 1
gilt? Die Frage kann man schnell mit „Nein“ beantworten, falls a = 0 ist, doch dieser Fall
ist so uninteressant, dass wir a = 0 ausschließen wollen. Im Folgenden beantworten wir
die Frage für den Spezialfall, dass m = p eine Primzahl ist.
Korollar 2.5. Sei p ∈ N eine Primzahl, a ∈ Z zu p teilerfremd. Dann ist die Multiplikation mit a in Z/pZ eine Permutation.
Beweis. Nach der vorhergehenden Proposition reicht es, zu zeigen, dass die Multiplikation
mit a injektiv ist. Betrachten wir also x, y ∈ Z/pZ mit ax ≡ ay mod p. Dann teilt p
die Zahl a(x − y). Da p eine Primzahl ist, gilt entweder p|a oder p|(x − y). Aber a ist
teilerfremd zu p, also gilt p|(x − y), d. h. x und y sind modulo p schon gleich, was wir
zeigen wollen.
Die Zahlen 1, . . . , p − 1 sind alle zu p teilerfremd, denn p ist prim. Aber dann ist die
Multiplikation mit einem a ∈ {1, . . . , p − 1} eine Permutation. Insbesondere gibt es ein
b, welches auf 1 = a · b abgebildet wird.
3
Besondere Permutationen
Es gibt zwei besonders wichtige Typen von Permutationen, die in gewisser Weise die
Grundbausteine aller Permutation sind.
Definition 3.1. Sei π eine Permutation auf einer endlichen Menge S. Ist π eine Permutation, deren Zykeldarstellung aus genau einem Zykel besteht und keinen Fixpunkt
besitzt, so heißt π auch zyklische Permutation. Besteht π aus einer zyklischen Permutation einer t-elementigen Teilmenge T ⊂ S und sonst nur aus Fixpunkten, so nennen
wir π einen t-Zykel. Der 2-Zykel erhält den speziellen Namen Transposition.
Ein Beispiel für eine zyklische Permutation der Menge Z/mZ ist gegeben durch
x 7→ x + 1 .
Wir zeigen nun, weshalb die Transpositionen unter den Permutationen eine besondere
Rolle spielen.
Proposition 3.2. Sei S eine m-elementige Menge und π eine zyklische Permutation auf
S. Dann ist π als Verkettung von m − 1 Transpositionen darstellbar.
8
Beweis. Ist π = (a1 , . . . , am ) so sieht ein, dass π auch als
π = (a1 , a2 )(a2 , a3 ) · · · (am−1 , am )
geschrieben werden kann.
Sei nun die Zykelzerlegung einer Permutation π auf einer endlichen Menge S gegeben. Wir halten einen einzelnen Zykel z fest, der die Elemente einer Teilmenge T ⊂ S
permutiere. Dann können wir z auch als Permutation auf S auffassen, die eingeschränkt
auf T eine zyklische Permutation ist, und alle Elemente von S\T als Fixpunkte hat. Da
die Zykel in der Zykelzerlegung von π disjunkt sind, ist die Zykelzerlegung also nichts
Anderes als eine Darstellung von π als Verkettung solcher spezieller Permutationen. Aus
der vorangehenden Proposition ergibt sich
Korollar 3.3. Sei S eine endliche Menge. Jede Permutation auf S kann als Verkettung
endlich vieler Transpositionen dargestellt werden.
4
Das Vorzeichen einer Permutation
Wir definieren mithilfe der Zweizeilenform-Schreibweise nun ein „Maß für die Unordnung“,
die eine gegebene Permutation hervorruft. Unerwarteterweise wird dieses uns helfen, das
Quadratische Reziprozitätsgesetz zu beweisen.
Definition 4.1. Sei π eine Permutation auf einer endlichen Menge S, welche durch die
Zweizeilenform
···
s
···
π=
· · · π(s) · · ·
gegeben sei. Wir definieren das Vorzeichen von π als die Zahl
sgn(π) := (−1)fehl(π) ∈ {1, −1},
wobei fehl(π) die Anzahl der Fehlstände von π sei, d. h. die Anzahl der ungeordneten
Paare {a, b} ∈ S × S, sodass a und b in der ersten Zeile der Zweizeilenform in einer
anderen Reihenfolge vorkommen als in der zweiten. Davon ausgehend heißt π gerade
Permutation, wenn sgn(π) = 1, und ungerade Permutation, wenn sgn(π) = −1.
Man beachte, dass die Definition des Fehlstands und somit auch die des Vorzeichens
von der Reihenfolge der Elemente in der Zweizeilenform unabhängig ist.
Das Vorzeichnen ist eine wichtige Kennzahl von Permutationen, denn wir werden sehen, dass sie sich unter Verknüpfung von Permutationen multiplikativ verhält. Zunächst
wollen wir aber üben, die Zahl der Fehlstände – und damit das Vorzeichen – einer Permutation an der Zweizeilenform abzulesen. Wir gehen die Permutation
1 2 3 4 5 6
4 5 2 1 3 6
9
aus unserem Beispiel von links nach rechts durch und prüfen für jede Zahl in der zweiten
Zeile, wie viele Fehlstände sie erzeugt. Für die 4 erhalten wir drei Fehlstände, denn
die Zahlen 1, 2, 3, die in der zweiten Zeile nach der 4 vorkommen, sind kleiner als 4.
Analog erhalten wir durch die 5 drei Fehlstände, durch die 2 einen, und durch die 1, 3, 6
keinen weiteren mehr. Insgesamt hat π somit sieben Fehlstände und ist eine ungerade
Permutation.
Beispiel 4.2. Sei m ≥ 2 eine natürliche Zahl. Sei π : Z/mZ → Z/mZ die Permutation
a 7→ a + 1, d. h.
0 1 ··· m − 2 m − 1
π=
.
1 2 ··· m − 1
0
Dann gilt sgn(π) = (−1)m−1 , denn jede der Zahlen 1, . . . m − 1 bildet genau einen Fehlstand, nämlich mit der 0.
Wir wollen nun sehen, wie sich das Vorzeichen unter der Verkettung von Permutationen verhält.
Proposition 4.3. Seien S eine endliche Menge, π und σ zwei Permutationen auf S.
Dann gilt
sgn(σ ◦ π) = sgn(σ) · sgn(π).
Beweis. Um die Anzahl der Fehlstände von σ ◦π zu zählen, schauen wir uns nacheinander
alle Paare {a, b} ∈ S × S an und testen jeweils, ob {a, b} ein Fehlstand von σ ◦ π oder von
π ist und ob {π(a), π(b)} ein Fehlstand von σ ist, und zeigen dabei, dass die Gleichung
(−1)|bereits gezählte Fehlstände von σ◦π|
= (−1)|bereits gezählte Fehlstände von σ| · (−1)|bereits gezählte Fehlstände von π|
immer erhalten bleibt. Da wir am Ende so für jede Permutation alle Fehlstände genau
einmal gezählt haben, zeigt das die Aussage.
Zu Beginn haben wir noch nichts gezählt, beide Seiten der Gleichung sind also 1.
Betrachten wir nun ein Paar {a, b} ∈ S × S. Zu zeigen ist, dass obige Gleichung erhalten
bleibt, wenn wir {a, b} untersucht haben. Nehmen wir zunächst an, dass {a, b} ein Fehlstand von σ ◦ π ist. Dann sehen wir mithilfe der Zweizeilenform von π, σ, π ◦ σ ein, dass
entweder {a, b} ein Fehlstand von π ist, aber {π(a), π(b)} keiner von σ, oder {a, b} kein
Fehlstand von π ist, aber {π(a), π(b)} einer von σ. Ist {a, b} kein Fehlstand von σ ◦ π, so
ist {a, b} entweder ein Fehlstand von beiden Permutationen π und σ oder von keiner der
beiden.
Es gibt noch viele andere Arten, das Vorzeichen einer Permutation zu beschreiben,
von denen wir hier zwei weitere erwähnen wollen. Dazu benötigen wir
Bemerkung 4.4. Das Vorzeichen einer Transposition ist immer ungerade. Betrachten
wir nämlich eine Transposition π auf einer endlichen Menge S, die die Elemente a und
10
b vertauscht, so erzeugen a und b zusammen einen Fehlstand, außerdem erzeugen beide
jeweils einen Fehlstand mit jedem Element, das zwischen ihnen in der ersten Zeile der
Zweizeilenform von π steht. Insgesamt ergibt sich eine ungerade Anzahl von Fehlständen
und ein ungerades Vorzeichen von π.
Wir wissen nach Korollar 3.3, dass jede Permutation als Verkettung endlich vieler
Transpositionen darstellbar ist. Proposition 4.3 und Bemerkung 4.4 liefern uns also folgende alternative Beschreibung des Vorzeichens einer Permutation:
Korollar 4.5. Sei π eine Permutation auf einer endlichen Menge S, die durch
π = τ1 ◦ · · · ◦ τk
als Verkettung von Transpositionen τ1 , . . . τk geschrieben werden kann. Dann gilt
sgn(π) = (−1)k .
Insbesondere ist das Vorzeichen einer Permutation von der gewählten Zerlegung in
Transpositionen unabhängig.
Bemerkung 4.6. Korollar 4.5 liefert uns einen Grund, warum wir Permutationen mit
Vorzeichen 1 als gerade und die übrigen als ungerade bezeichnen. Eine Permutation
ist nämlich genau dann gerade, wenn sie sich als Verkettung einer geraden Anzahl von
Transpositionen schreiben lässt.
Eine dritte Charakterisierung des Signums, für welche wir die gegebene Permutation nicht in Transpositionen zerlegen müssen, erhalten wir mithilfe von Proposition
3.2, welche besagt, dass jede zyklische Permutation auf einer m-elementigen Menge als
Verkettung von genau m − 1 Transpositionen geschrieben werden kann. Zusammen mit
Proposition 4.3 erhalten wir
Korollar 4.7. Sei π eine Permutation auf einer endlichen Menge S. Die Zykeldarstellung
von π bestehe aus l Zykeln der Längen k1 , . . . , kl . Dann gilt
sgn(π) =
l
Y
(−1)(ki −1) = (−1)k1 +···kl −l .
i=1
5
Das Legendre-Symbol
Das Quadratische Reziprozitätsgesetz, auf dessen Beweis wir uns vorbereiten, ist eine
Aussage über das Legendre-Symbol. Zu dessen Einführung benötigen wir
Definition 5.1. Seien a, m ∈ Z teilerfremde Zahlen, wobei m ≥ 2 sei. Wir nennen a
einen quadratischen Rest modulo m, wenn es eine ganze Zahl c gibt, sodass die
Kongruenz
c2 ≡ a (mod m)
erfüllt ist. Gibt es kein solches c, so heißt a als quadratischer Nichtrest modulo m.
11
Bemerkung 5.2. Für den Fall 0 < a < m ist obige Bedingung gleichbedeutend damit,
dass a der Rest einer Quadratzahl (nach Proposition 1.8 sogar Rest des Quadrats einer
Zahl aus Z/mZ) bei Division durch m ist.
Sind a, b beide teilerfremd zu m und gilt a ≡ b (mod m), so ist b genau dann ein
quadratischer Rest (Nichtrest) modulo m, wenn a ein quadratischer Rest (Nichtrest)
modulo m ist.
Betrachten wir m = 5. Wir wollen quadratische Reste und Nichtreste modulo 5
bestimmen und beschränken uns wegen der vorangehenden Bemerkung auf die Untersuchung der Zahlen aus Z/5Z. Da m eine Primzahl ist, sind all diese Zahlen außer der 0
teilerfremd zu m = 5. Wir fertigen eine Tabelle an, anhand derer wir ablesen können,
welche Zahlen überhaupt als Quadrate modulo 5 vorkommen können:
x
0
1
2
3
4
x2
0
1
4
9
16
x2
mod 5
0
1
4
4
1
Wir sehen, dass 1 ≡ 12 ≡ 42 mod 5 und 4 ≡ 22 ≡ 32 gilt, dass aber die Zahlen 2 und 3
nicht als Quadrate modulo 5 auftauchen. Somit sind 1 und 4 quadratische Reste modulo
5, 2 und 3 quadratische Nichtreste modulo 5.
Definition
5.3. Seien p > 2 eine Primzahl, a ∈ Z. Wir definieren das LegendreSymbol ap als

1
wenn a quadratischer Rest modulo p ist,

a
:= −1 wenn a quadratischer Nichtrest modulo p ist,

p

0
wenn a durch p teilbar ist.
Schreibweise
können wir modulo 5 nun verkürzt schreiben:
Mit dieser
2
3
0
5 = 5 = −1, 5 = 0.
Wir formulieren nun das Quadratische Reziprozitätsgesetz.
1
5
=
4
5
= 1,
Satz 5.4 (Quadratische Reziprozitätsgesetz). Für zwei verschiedene ungerade Primzahlen p und q ist das Produkt der Legendre-Symbole
(
−1 wenn p ≡ q ≡ 3 (mod 4)
q
p
=
.
q
p
1
sonst
Einen Beweis und spannende Anwendungen werden wir im zweiten Teil der Vorlesung
sehen.
12
6
Multiplikativität des Legendre-Symbols
Wir beschäftigen uns nun mit einer weiteren wichtigen Eigentschaften des LegendreSymbols. Es ist multiplikativ, d. h. dass für a, b ∈ Z, die von der ungeraden Primzahl p
nicht geteilt werden gilt
ab
a
b
=
.
p
p
p
Um uns von der Richtigkeit des Ausdrucks zu überzeugen, bedarf es einiger Vorbereitung.
Zunächst sehen wir ein: Ist p eine Primzahl und erfüllt a ∈ Z/pZ die Gleichung a2 = c,
so gibt es außer −a keine weitere Zahl b ∈ Z/pZ, die auch b2 = c erfüllt.
Proposition 6.1. Es sei p eine Primzahl.
1. Jedes a ∈ Z/pZ mit a2 ≡ 1 ist bereits ±1.
2. Falls es a und b ∈ Z/pZ mit a2 ≡ b2 gibt, so ist a ≡ ±b.
Beweis.
1. Wir formen die Gleichung um zu
a2 − 1 ≡ 0 ,
was wiederum gleichbedeutend ist mit
(a − 1)(a + 1) ≡ 0 .
Wir hatten uns in Proposition 2.4 bereits davon überzeugt, dass die Multiplikation
mit einer Zahl z 6= 0 injektiv ist. Weil z · 0 ≡ 0 immer gilt, muss schon a − 1 ≡ 0
oder a + 1 ≡ 0 erfüllt sein.
2. Wir benutzen wieder die Injektivität der Multiplikation mit einer Zahl z 6= 0. Ist
a2 ≡ 0, so muss a (und ebenso b) schon 0 sein. Ist a2 ≡ b2 verschieden von Null,
können wir nach Korollar 2.5 in Z/pZ durch b2 teilen. Es folgt
a 2
b
≡
a2
≡ 1.
b2
Mit dem ersten Teil der Proposition sehen wir ein, dass deshalb
a ≡ ±b gelten muss.
Diese Proposition ist ein Spezialfall von
Proposition 6.2. Es sei p eine Primzahl. Ein Ausdruck der Form
k
X
ai xi ≡ 0
(mod p)
mit
i=0
besitzt höchstens k Lösungen in Z/mZ.
13
ai ∈ Z/pZ
a
b
≡ ±1, also
Den Beweis wollen wir hier nicht vorführen. Die Hauptzutat ist wieder die Injektivität
der Multiplikation mit einer Zahl z 6= 0.
Proposition 6.3. Es sei p > 2 eine Primzahl. Dann besteht sowohl die Menge der
quadratischen Reste als auch die Menge der quadratischen Nichtreste modulo p aus genau
p−1
2 Elementen.
Beweis. Die Menge der quadratischen Reste besteht aus allen Elementen a ∈ Z/pZ,
welche die Gleichung a ≡ c2 für irgendein c erfüllen. Jedes c ∈ {1, . . . , p − 1} definiert
durch die Vorschrift c 7→ c2 genau einen quadratischen Rest. Nach Proposition 6.1 gibt
es für jeden quadratischen Rest a genau zwei c ∈ {1, . . . , p − 1}, die a ≡ c2 erfüllen. Wir
haben deshalb genau p−1
2 quadratische Reste.
Wir haben gesehen, dass die Hälfte der Elemente von {1, . . . , p − 1} quadratische
Reste sind. Die andere Hälfte bildet die Menge der quadratischen Nichtreste, welche
somit ebenfalls die Größe p−1
2 hat.
Satz 6.4 (Eulerkriterium). Es sei p > 2 eine Primzahl, a ∈ Z mit p - a. Dann ist das
Legendre-Symbol
p−1
a
≡a 2
(mod p).
p
Beweis. Der kleine Satz von Fermat aus Proposition 1.11 besagt
ap−1 − 1 ≡ 0
(mod p) .
Da p ungerade ist, können wir diese Gleichung umformulieren zu
(a
p−1
2
− 1)(a
p−1
2
+ 1) ≡ 0 ,
was, wieder wegen der Injektivität der Multiplikation in Z/pZ, genau dann der Fall ist,
wenn eine der Kongruenzen
(a
p−1
2
− 1) ≡ 0
und
(a
p−1
2
+ 1) ≡ 0
erfüllt ist. Ist a ≡ x2 ein quadratischer Rest, so ist a eine Lösung für die linke Gleichung,
denn
p−1
p−1
a 2 ≡ x2 2 ≡ xp−1 ≡ 1 ,
wobei die letzte Gleichheit wieder mit dem kleinen Satz von Fermat folgt. Also erfült
jeder quadratische Rest a die Kongruenz
p−1
a
≡1≡a 2 .
p
Wir müssen noch zeigen, dass alle quadratischen Nichtreste die rechte Gleichung
(a
+ 1) ≡ 0 lösen. Nach Proposition 6.3 gibt es genau p−1
2 quadratischen Reste und
alle erfüllen die linke Gleichung. Proposition 6.2 besagt, dass die linke Gleichung dann
p−1
2
14
nicht noch weitere Lösungen besitzen kann. Also muss jeder quadratische Nichtrest die
a rechte Gleichung lösen und es gilt
p−1
a
≡ −1 ≡ a 2 .
p
Satz 6.5. Für p > 2 prim ist das Legendre-Symbol multiplikativ, d. h. für a, b ∈ Z gilt
ab
a
b
=
.
p
p
p
Beweis. Falls p | a, so ist die Aussage klar. Es gelte also p - a. Mit dem Eulerkriterium
6.4 folgt
ab
a
b
≡ (ab)(p−1)/2 ≡ a(p−1)/2 b(p−1)/2 ≡
(mod p) .
p
p
p
a
b
Die Gleichheit folgt, denn ab
∈ {±1}, und mit p > 2 sind 1 und −1 in
p , p , p
Z/pZ verschiedene Elemente.
7
Ergänzungssätze
Im zweiten Teil der Vorlesung werden wir die sogenannten Ergänzungssätze zum Quadratischen Reziprozitätsgesetz beweisen und deren Anwendungen besprechen.
Satz 7.1 (Ergänzungssatz 1). Sei p > 2 eine Primzahl. Dann ist das Legendre-Symbol
(
1
falls p ≡ 1 (mod 4)
−1
=
.
p
−1 falls p ≡ −1 (mod 4)
Satz 7.2 (Ergänzungssatz 2). Sei p > 2 eine Primzahl. Dann ist das Legendre-Symbol
(
1
falls p ≡ ±1 (mod 8)
2
=
.
p
−1 falls p ≡ ±3 (mod 8)
Literatur
[1] Peter Bundschuh: Einführung in die Zahlentheorie
Springer, 2008
15
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