Konfliktmanagement Konflikte als Chance zur Weiterentwicklung

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Konfliktmanagement
Konflikte als Chance zur
Weiterentwicklung
Impressum:
Herausgeber: Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung, Gewerkschaft der
Gemeindebediensteten
In Zusammenarbeit mit: Arbeiterkammer, Gewerkschaft der Eisenbahner - GdE
Diese E-Learning-Einheit beruht auf dem gleichnamigen Skriptum von Reinhard Böhm.
Didaktische Bearbeitung: Martin Bolkovac
Redaktion und Produktion: Verlag des ÖGB GmbH
Willkommen
Was kannst du in diesem Kurs lernen?
Mit diesem Kurs lernst du,
•
Konflikte als universelle Kraft im menschlichen Zusammenleben zu
akzeptieren;
•
den Sinn von Konflikten zu verstehen;
•
die wichtigsten Konfliktarten und deren Eskalationsstufen zu kennen;
•
die Grundmodelle der Konfliktbewältigung kennen;
•
welche professionellen Interventionen
Inte rventionen in Konfliktsituationen es gibt.
Je aktiver du im Kurs mitmachst, desto mehr wirst du das theoretische Wissen auch in
der Praxis einsetzen können.
Welchen Arbeitsaufwand erfordert dieses Lernmodul?
Eine Schätzung:
•
Rund 140 eher kurze Bildschirmseiten á fünf Minuten macht knapp 12 Stunden ohne Wiederholungen.
•
6 Infofenster mit Fallbeispielen - knapp 2 Stunden.
•
19 Fragen, deren Beantwortung zwischen einer Minute und einer halben Stunde
dauert. In Summe ca. 5 Stunden.
•
Beteiligung an den Diskussionen im Forum: pro Woche 2 Stunden, in 6 Wochen
12.
Macht in Summe etwas über dreißig Stunden. Dazu kommen - im Rahmen des Kurses noch zwei Präsenztage.
Einleitung
Konflikte sind im menschlichen Leben und Handeln allgegenwärtig und
unvermeidbar, lautet
l autet eine Hypothese. Die Praxis des Lebens lehrt uns, dass ein
konfliktfreies Leben schier unmöglich zu realisieren ist, besagt eine andere
Hypothese.
Tagtäglich erreichen uns Bilder und Berichte über Konfliktereignisse im globalen
Maßstab: militärische Konflikte in Afrika, Konflikte um knappe Ressourcen und der
Terroranschlag 2001 in den USA (Anschlag auf das World Trade Center), zeigen auch im
neuen Jahrtausend auf, dass die kriegerische Austragung von Konflikten enorme
wirtschaftliche und psychische Schäden mit sich bringt.
Solche Weltereignisse lassen nicht nur ein tiefes Gefühl der Ohnmacht aufkommen,
sondern auch die Flucht ins Schwarz-Weißdenken liegt sehr nahe. Anhand weniger
Fakten werden Schuldige ausgemacht oder eine Gruppe wird als "gut", die andere als
"böse" oder "verabscheuungswürdig" eingeordnet. Die Auseinandersetzung mit
möglichen Ursachen ist mühsam und aufwendig. Zudem wird holzschnittartig
argumentiert, dass der Mensch von Natur aus über destruktive Verhaltensweisen
verfüge, und dass die Menschheitsgeschichte eine endlose Reihe mörderischer
Kriegsereignisse ist und deshalb ein schlagender Beweis für das "sogenannte Böse" auf
der Welt.
Konflikte human bewältigen
Damit die negative Gewaltspirale in Konflikten unterbrochen wird, müssten
konsequentere Wege auf allen Ebenen der Gesellschaft nach humaner und
kooperativer Konfliktbewältigung gesucht und beschritten werden.
Jedes Konfliktereignis ist einzigartig und hängt sehr stark von den kommunikativen
Fähigkeiten und Gefühlswelten der Betroffenen - und zum anderen von allgemeinen
Umwelt- und Rahmenbedingungen ab, in denen sich die KonfliktpartnerInnen gerade
befinden. Deshalb kann auch nicht vorhergesagt werden, wie sich jemand im
konkreten Konfliktfall verhalten wird. Es kann auch nicht prognostiziert werden, ob ein
Konflikt immer zu destruktiver Eskalation neigt.
Ob eine Konfliktbewältigung gelingt oder misslingt, hängt auch nicht immer vom
guten Willen eines Konfliktpartners ab: Die Chronik- und Gerichtsseiten der
Boulevardpresse (z.B. Mann erschießt nach Scheidung seine Frau samt Kinder, Schüler
läuft nach negativer Benotung Amok und ermordet einen Teil des Lehrkörpers etc.) sind
voll mit Geschichten chaotischer, destruktiver und Menschen verachtender
Konfliktbewältigungsmuster.
Konflikte
Konflikte am Arbeitsplatz
Der Druck auf ArbeitnehmerInnen wächst kontinuierlich und damit nimmt auch
die Konflikthäufigkeit in Betrieben stark zu.
Dieser Trend wird durch permanente dynamische Veränderungen in einer zunehmend
globalisierten Welt ausgelöst. Unternehmen und Organisationen sind heute einem
immer härter werdenden Konkurrenzdruck ausgesetzt und reagieren deshalb mit
•
"Verflachung von Hierarchien,
•
Veränderungen der Führungsprinzipien sowie
•
der zunehmenden Bedeutung von Arbeitsteams und Projektgruppen".
(Visvader, 2001, S 19).
Konflikte sind normal
Überall dort, wo Menschen zusammen leben oder zusammen arbeiten, treffen
unterschiedliche
•
Interessen,
•
Vorlieben,
•
Werthaltungen,
•
Moralvorstellungen,
•
Meinungen,
•
Bedürfnisse und auch
•
Vorurteile
aufeinander. Diese Erkenntnis hat vor allem für die Arbeitswelt Bedeutung, weil immer
mehr Zeit am Arbeitsplatz verbracht wird und somit die Konflikthäufigkeit tendenziell
zunimmt.
Konflikte gehören zum Alltag von Teams, Abteilungen, Projektgruppen,
Organisationseinheiten oder öffentlichen Institutionen und können - wenn sie
konstruktiv ausgetragen werden - zu einer positiven Weiterentwicklung von
Einzelpersonen und des Gemeinwesens beitragen. In diesem Sinne dürfen Konflikte am
Arbeitsplatz als durchaus "normal" betrachtet werden.
Mobbing als gescheiterte Konfliktbewältigung
Konflikte am Arbeitsplatz, die nicht bearbeitet werden, münden schließlich in
"Mobbing". Die Opfer werden von KollegInnen oft ausgegrenzt, verleumdet oder
beschimpft. Wegschauen und Nichthandeln in diesem Bereich hat nicht nur für die
Betroffenen und das Betriebsklima negative Auswirkungen, sondern auch den
Unternehmen selbst entstehen dadurch enorme Folgekosten.
Hirigoyen (2003) versteht "unter Mobbing am Arbeitsplatz jede Verhaltensweise" (...),
"die durch das bewusste Überschreiten von Grenzen - in Benehmen, Handlungen,
Gesten, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen - die Persönlichkeit, die Würde oder
die psychische bzw. physische Unversehrtheit einer Person beeinträchtigen, deren
Anstellung gefährden oder das Arbeitsklima verschlechtern kann." (Hirigoyen, 2003, S
69).
Erste Hilfe gegen Mobbing
Das ÖGB-Beratungszentrum bzw. die Mobbingberatungsstellen der
Landesorganisationen und der Gewerkschaften bieten kompetente Beratungen an. In
einigen Betrieben ist es BetriebsrätInnen gelungen, eine Betriebsvereinbarung gegen
Mobbing durchzusetzen.
Mobbingberatungsstelle des ÖGB
ÖGB Beratungszentrum:
1010 Wien, Hohenstaufengasse 10-12
Ilse Reichart
Tel. 01/534 44-344, Fax. 01/534 44 611
E-Mail: [email protected]
Internet: www.oegb.at/beratungszentrum
Gewalt und Aggression
Normalerweise werden Konflikte ganz unspektakulär von den Beteiligten bewältigt.
Einmal gibt der eine, ein anderes Mal gibt der andere etwas nach. Spricht jedoch einer
der Beteiligten ein falsches Wort zur falschen Zeit aus, fliegen im sprichwörtlichen Sinn
die "Fetzen". Plötzlich artet die zuerst harmlose Diskussion in ein Streitgespräch, in eine
harte Debatte aus. Das Gesprächsklima wird von ungezügelten Emotionen beherrscht
und vergiftet. Es kommt entweder zu KampfKampf- oder Fluchtreaktionen.
Fluchtreaktionen
Das vorher noch Gemeinsame bricht weg, ein Abtausch von Angriff und Gegenangriff
lässt die Konfliktparteien in eine Spirale der Gewalt abgleiten. Der Konflikt eskaliert
und ein völliger Zusammen- oder Abbruch der Kommunikation erscheint in dieser
Situation die einzige Möglichkeit. Im besten Fall bleibt es bei Hass und Verachtung für
den anderen, im schlechtesten folgen Schädigungsabsichten, die bis zur realen
Vernichtung gehen können.
Die Folgen sind enorme ökonomische, körperliche und seelische Schäden und
nachhaltige Traumatisierungen nicht nur der unmittelbar Beteiligten, sondern auch
der Angehörigen. Für nachfolgende Generationen (siehe Israel-Palästinakonflikt) wird
es scheinbar unmöglich aus dieser negativen Konflikt- und Gewaltspirale
herauszutreten.
Fallbeispiel: Gewalt in Kambodscha - Leiden an einem beendeten Krieg
In Kambodscha gilt Gewalt in der Familie als normal.
Neueren Umfragen zufolge ist jede Fünfte (Frau) zu Hause Opfer. Ein Abendessen, nicht rechtzeitig auf
den Tisch gebracht, kann schon Auslöser dafür sein, dass ein Mann seine Frau mit einem Gewehrgriff
blutig schlägt.
Welchen Grausamkeiten Frauen in Kambodscha ausgesetzt sind, brachte eine Untersuchung aus dem
Jahr 1994 ans Tageslicht. Darin war die Rede von Vergewaltigungen, Auspeitschungen mit Drähten und
Fahrradschlössern, Prügeln mit Bambusrohren, Vergiftungsversuchen mit Rattengift und Schüssen aus
Waffen, von denen in Kambodscha nach den vielen Jahren Krieg und Bürgerkrieg noch zahlreiche
vorhanden sind. Auch Kinder, so ergab die Studie, sind betroffen.
Killing fields
Dass Alltagskonflikte schnell zu Gewalt führen, ist auch ein Erbe der Schreckensherrschaft der Roten
Khmer. Die Roten Khmer zerstörten auf grausamste Weise überkommene politische und
gesellschaftliche Strukturen. Stadtbewohner wurden aufs Land verschleppt, um Zwangsarbeit auf den
Reisfeldern zu leisten; viele starben infolge von Exekutionen, Hunger und Überarbeitung sowie
mangelnder medizinischer Versorgung auf diesen "killing fields". Erziehung und Bildung wurden
abgeschafft, Intellektuelle ermordet.
Kinder hatten Gewalt und gegenseitige Bestrafung als Grundwerte verinnerlicht. Erwachsene hatten
gelernt, zu töten und sich jederzeit verteidigen zu müssen. Frustration über die schwierigen
Lebensbedingungen mit bitterer Armut und hoher Arbeitslosigkeit macht viele zusätzlich aggressiv.
Nun, wo der Krieg zu Ende ist, sind die meisten mental in ganz übler Verfassung. Erschwerend kommt
hinzu, dass sie kaum eine Schulbildung oder Ausbildung haben.
Aus: der überblick. Zeitschrift für ökumenische Begegnung und internationale Zusammenarbeit 2/2003
(stark gekürzt)
Gewalt als Männerproblem
Das Phänomen Gewalt ist ohne Zweifel so
so alt wie die Menschheitsgeschichte
selbst. Faktum ist, dass gewaltförmige Auseinandersetzungen im Alltag sehr
häufig vorkommen und dass die überwiegende Zahl von Gewaltverbrechen von
Männern begangen wird.
Somit erscheint Gewalt oft als spezifisches Männerproblem oder kann auch als Versuch
gescheiterter Konfliktbewältigung gewertet werden. Gewalt ist ein hochexplosives
gesellschaftliches Thema, das jede/n von uns tagtäglich betrifft. Gewalt macht vor der
Haustüre nicht halt: Gewalt in der Familie, Gewalt im Schulhof, Gewalt gegen Frauen
und Kinder.
Hilfe für Männer
Die Konsequenzen sind vor allem für die Opfer fatal:
•
Lebenslange Traumatisierungen,
•
nachhaltige Schäden an Körper und Geist, die in psychischen und
psychosomatischen Erkrankungen ihren Ausdruck finden.
Damit dem "männlichen" Gewaltproblem präventiv begegnet werden kann, gibt es seit
einigen Jahren auch für die Gewalttäter eigene "Antigewaltprogramme
Antigewaltprogramme".
Antigewaltprogramme
Die Männerberatung bietet auf ihrer Website maenner.at Rat und Hilfe bei
psychologischen, sozialen und juristischen Fragen.
Was ist ein Konflikt?
Friedrich Glasl, einer der renommiertesten österreichischen Konfliktforscher, warnt in
seinem Standardwerk, "Konfliktmanagement", vor einem all zu weit gefassten
Konfliktbegriff. Durch inflationäre Anwendung des Begriffes kommt es eher zur "(...)
Vernebelung oder Polarisierung.
Im Umgang mit dem Begriff 'Konflikt' zeigt sich ein ähnliches Phänomen wie mit dem
Begriff 'Macht': Er wird auf alle möglichen Situationen ausgeweitet und emotional
überladen - und bewirkt eine Mythologisierung der Situation und eine
Phantombildung. Die Betroffenen fühlen sich dadurch in kurzer Zeit machtlos und
hilflos. Entweder resignieren sie - oder sie schlagen in blinder Wut um sich und
zerstören noch mehr." (Glasl, 1997, S 12)
Konfliktdefinition
Karl Berkel bringt eine sehr kurze Definition für Konflikte ins Spiel:
"In der Psychologie, aber auch in den Sozialwissenschaften allgemein, spricht man von
einem Konflikt dann, wenn zwei Elemente gleichzeitig gegensätzlich oder
ode r
unvereinbar sind." (Berkel, 1997, S 10)
Interessenkollision
Auf jeden Fall kann gesagt werden, dass unter Konflikten eine Interessenkollision
verstanden wird, die sich im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen, Fühlen oder Wollen
eines Menschen auswirkt. Konflikte werden von den Betroffenen sehr negativ und
belastend empfunden. Zudem ist der Alltag empfindlich gestört und die Gedankenund Gefühlswelt befindet sich in einer Negativspirale. Feindseliges Verhalten
gegenüber der anderen Seite ist die Folge.
Siehe dazu auch die Darstellung Konfliktsyndrom im Kapitel Übersichten.
Erweiterter Realitätsbegriff der konstruktivistischen
Theorie
In Konflikten sieht sich jede Seite im Recht und handelt auch dem gemäß immer
richtig, während sich die Gegenseite im Unrecht befindet und konsequenterweise
falsch handeln muss.
So ist es nicht verwunderlich, dass eine Seite die Wirklichkeit für sich reklamiert,
während die andere Seite in der Illusion zu leben scheint.
•
Die konstruktivistische Theorie geht davon aus, dass Wirklichkeit
Wirklichkeit von den
Subjekten permanent erfunden bzw. konstruiert wird.
wird
(Vgl. auch die Werke "Die erfundene Wirklichkeit" und "Wie wirklich ist die
Wirklichkeit" von Paul Watzlawik)
•
Deshalb kann vom konstruktivistischen Standpunkt aus betrachtet auch keine
bestimmte Vorstellung von einem Sachverhalt als die objektiv richtige
bezeichnet werden.
•
Weiters wird bei diesem Ansatz der/die BeobachterIn (KonfliktreglerIn oder
MediatorIn, WissenschaftlerIn, ExpertIn, TherapeutIn, SupervisorIn etc.) als Teil
des Gesamtsystems
Gesamtsystems betrachtet.
Das Fallbeispiel „Die Geschichte mit dem Hammer“ zeigt, wie die Wahrnehmung eines
Konfliktes und die Konstruktion menschlicher Vorstellungen darüber zu einer ganz
handfesten Realität werden kann.
Fallbeispiel: Die Geschichte mit dem Hammer
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen.
Also beschließt der Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was,
wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur flüchtig.
Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht hat er die Eile nur vorgetäuscht, und er hat etwas gegen mich.
Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein
Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem
Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben.
Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt
reicht's wirklich. Und so stürmt er hinaus, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er "Guten Tag"
sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie sich Ihren Hammer, Sie Rüpel!"
Aus: Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklich sein
Die 6 Grundregeln für eine positive Konflikthandhabung helfen, die Eigendynamik
von Konflikten kontrolliert zu nutzen.
Systemtheorie
Die Systemtheorie geht in ihren Annahmen davon aus, dass sich soziale Systeme
(ähnlich wie biologische Umwelten) selbst organisieren und zudem autonom
gegenüber anderen Umwelten verhalten können.
In der Praxis systemischer Intervention oder Konfliktregelung geht es deshalb
vorrangig um eine Suche nach alternativen Sichtweisen und Lösungsstrategien.
Gemeinsam mit den KonfliktpartnerInnen werden "passende Lösungen" entwickelt.
Systemische Konfliktregelung gestaltet sich als dialogischer Prozess zwischen
Konfliktparteien und KonfliktreglerInnen und möchte zu einer "positiven
Konflikthandhabung" beitragen.
Fallbeispiel
Fallbeispiel:
ispiel: Allgemeingültige Wirklichkeiten
Vorurteile
Probleme zwischen Menschen entstehen oft aus Missverständnissen. Diese entspringen Vorurteilen, die
als solche nicht mehr durchschaut werden, sondern die ohne weiteres Nachdenken für allgemeingültige
Wirklichkeiten genommen werden.
Die Ehefrau: "Du kümmerst dich nicht um deine Kinder und um unser Haus. Dein Beruf und deine
Hobbys sind dir wichtiger."
Der Ehemann: "Alle wollen etwas von mir. Immer bin ich an allem schuld. Nie fragt jemand, wie es mir
dabei geht."
Der 16-jährige Sohn: "Immer streiten die Eltern. Sobald ich kann, hau ich ab. Heiraten werde ich nie."
Die 13-jährige Tochter: "Papa tut mir leid, aber er müsste netter zu Mama sein, dann würde sie weniger
meckern."
Die Mutter des Mannes: "Seit er mit Anna zusammen ist, leidet der Junge. Seit Vaters Tod bin ich allein.
Niemand kümmert sich um mich."
Die Eltern der Frau: "Wie die Jungen sich das vorstellen, Haus, Auto, Urlaub. Wir haben uns auch
anstrengen müssen. Denen geht es zu gut."
Wünsche
(...) Je mehr sie (die Beteiligten) von ihren Wünschen äußern, umso stärker entfremden sie sich und
verlieren die Hoffnung auf eine Erfüllung ihrer Wünsche und Sehnsüchte. Sie ziehen sich enttäuscht
voneinander zurück. Dies gilt sowohl für die Herkunftsfamilien der Partner als auch für deren Ehe und
sogar für die Beziehung zu den eigenen Kindern.
Wenn die Wünsche des anderen als Vorwürfe und nicht auch als Ausdruck von Interesse, Zuneigung und
Verbundenheit erlebt werden, werden sie sich auf eine enttäuschende Weise entfremden, und
die Probleme werden zu einer Hypothek auch der nächstgeborenen Generation.
Aus: Michael Wirsching, Psychotherapie. Grundlagen und Methoden, S. 36f.
Innere, seelische Konflikte
Eine erste Einteilung von Konflikten unterscheidet innere bzw. seelische und äußere
bzw. soziale Konflikte.
Konflikte Die Ursachen von Konflikten kann zum Beispiel durch
unterschiedliche psychologische Theorien erklärt werden.
Psychoanalytischer Konfliktbegriff
Schon der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud (1856-1939), prägte einen
wichtigen Konfliktbegriff. Er untersuchte die menschlichen Triebe und entdeckte, dass
vor allem tabuisierte Erlebnisinhalte (die von schmerzlicher, gesellschaftlich
unerlaubter, sexueller oder auch aggressiver Natur sind) eine große Rolle spielen. Diese
Erlebnisse stehen im Widerspruch mit den eigenen bewussten Wertmaßstäben und
Einstellungen und werden verdrängt bzw. abgewehrt.
Die verdrängten Erlebnisse bilden durch periodisches Wiederaufleben
("Reaktualisierung") dann die Basis für unlösbare innere Konflikte. Diese äußern sich in
vielfältiger Weise psychisch (z.B. in der Ausbildung von Neurosen) und somatisch (z.B.
in vermehrter Krankheitsanfälligkeit) und können auf diesem Weg einen permanenten
Leidensdruck erzeugen.
Wo nichts bewältigt wird, sondern in erster Linie verdrängt und verleugnet wird,
entsteht eine Fülle an heiklen, ängstlich oder peinlich vermiedenen Tabus.
Verhaltenspsychologischer Konfliktbegriff
Im Gegensatz zu Freud spricht der Sozialpsychologe Kurt Lewin (1890-1947) nicht von
verdrängten psychischen Inhalten, sondern von ambivalenten Kräften, die auf eine
Person widersprüchlich einwirken und so innere Konflikte erzeugen können.
Lewin analysierte die Kräfte, die auf eine Person einwirken, um ihr Verhalten erklären
und auch vorhersagen zu können. Die Gesamtsituation erscheint dabei als ein
Kräftefeld, bei dem jeder Teil eines Feldes mit anderen interagiert.
Die "Feldtheorie" ist die bedeutendste und einflussreichste Arbeit Kurt Lewins.
Lewins. Die
Hauptannahme sagt, dass wir uns zu manchen Dingen in unserer Umwelt
hingezogen fühlen und von anderen abgestoßen.
Durch das gleichzeitige Aufeinandertreffen mehrerer positiver oder negativer
Verhaltensoptionen kommen wir in einen Zwiespalt, der schnelle Entscheidungen
nicht (mehr) zulässt.
Siehe auch Kurt Lewin Institut an der Fernuniversität Hagen.
Die Feldtheorie
Wenn man hungrig wird und das Bedürfnis hat, etwas zu essen, hat ein Hamburger
eine größere Anziehung als ein Briefkasten.
Fühlt man sich von einem Objekt (hier dem Hamburger) angezogen, spricht man von
positiver Valenz (= Anziehung), wird man dagegen abgestoßen, handelt es sich um
eine negative Valenz (= Abstoßung).
Kurt Lewin bildet auf Grund dieser Erkenntnisse drei Konflikttypen:
•
den Annäherungs-Annäherungskonflikt
•
den Vermeidungs-Vermeidungskonflikt
•
den Annäherungs-Vermeidungskonflikt
Der AnnäherungsAnnäherungs- Annäherungskonflikt
Eine Person steht zwischen zwei Zielen, die sie für gleich wertvoll hält, aber nicht
gleichzeitig erreichen kann. (z.B. Eine Arbeitnehmerin mit Karriereaussichten erhält ein
attraktives Angebot von der Konkurrenz). Solche Konflikte sind leicht lösbar. Sobald
man sich einem der beiden Ziele nähert, wird dessen Anziehung noch größer und es
kommt zur Lösung des Konfliktes.
Der VermeidungsVermeidungs- Vermeidungskonflikt
Eine Person muss sich zwischen zwei Tatsachen entscheiden, die sie beide als Übel
betrachtet (z.B. zum Zahnarzt gehen oder weiterhin Schmerzen ertragen). Dieser Konflikt ist eher stabil. Sobald man sich einem der
beiden Objekte annähert, wirkt es noch abstoßender. Man schwankt zwischen den
Alternativen und versucht unter Umständen beide Möglichkeiten zu vermeiden (in
unserem Beispiel etwa durch die Einnahme eines Schmerzmittels).
Der AnnäherungsAnnäherungs- VermeidungsVermeidungs- Konflikt
Eine Person steht vor einer Entscheidung, die ihr sowohl Positives wie Negatives bringt
(z.B. Eine Person möchte auf ein Rockkonzert gehen, die Karten sind aber sehr teuer
und sie möchte nicht so viel Geld ausgeben). Man bewegt sich zunächst auf das Ziel zu,
wird wegen der Zunahme der Annäherungs-Vermeidungstendenzen aber verunsichert.
Eine Reihe von Faktoren kann zur Lösung des Konflikts beitragen: das Konzert könnte
z.B. an Attraktivität gewinnen, wenn bekannt wird, dass die Gruppe zum letzten Mal
auf Tour ist, besonders gute Konzertkritiken bekommt oder ähnliches.
Entscheidungstheoretischer Konfliktbegriff
Nach der 1957 entwickelten Theorie des Sozialpsychologen Leon Festinger (1919-1989)
erleben Menschen nach einer wichtigen Entscheidung einen Spannungszustand, die
sogenannte "kognitive Dissonanz".
Dieser innere Konflikt tritt auf, wenn sich jemand zwischen zwei gleichwertigen
Alternativen entscheiden soll.
Ein Beispiel: Du willst dir ein neues Auto kaufen. Du hast die Wahl zwischen zwei
verschiedene Automarken, die dir die gleiche Qualität, den gleichen Komfort, die
gleiche Sicherheit bieten und auch das gleiche kosten. Für welche wirst du dich
entscheiden?
Einstellungswandel
Da dieser Zustand als sehr unangenehm empfunden wird, steigt der Druck, die
"kognitive Dissonanz" verringern zu wollen. Dies kann dadurch erreicht werden, dass
entweder neue Informationen gesucht werden (z.B. andere Automarken) oder ein
Einstellungswandel bzw. eine Handlungsänderung eintritt.
Nach der Theorie Festingers ergibt sich weiters, dass nach einer getroffenen
Entscheidung nur jenen Informationen der Vorzug gegeben wird, welche diese als
richtig erscheinen lassen. Widersprüchliche Informationen werden aus dem
Entscheidungsprozess ausgeklammert.
Fallbeispiel:
Fallbeispiel: Wenn
Wenn sich Prophezeiungen
Prophezeiungen nicht erfüllen
Für einen Außenstehenden ist es faszinierend, wie Menschen an dem Glauben an eine menschliche
Organisation, deren Regeln ihnen ewiges Heil versprechen, festhalten können. Und das alles trotz
offensichtlicher Beweise für falsche Prophezeiungen.
Der Soziologe Leon Festinger veröffentlichte 1956 einen Artikel über ein wohl einmaliges Experiment. Er
konnte sich mit seinen Mitarbeitern einer kleinen Endzeitsekte anschließen und das Verhalten der
Mitglieder vor der Prophezeiung und nach dem Fehlschlag studieren. Seine Arbeit liefert interessante
Erkenntnisse.
PROPHEZEIUNG VOM PLANETEN CLARION AN DIE STADT: FLIEHT VOR DER FLUT. SIE WIRD AM 21.
DEZEMBER ÜBER UNS HEREINBRECHEN. NACHRICHT VOM WELTRAUM AN BÜRGER/IN
Unter dieser Überschrift erfuhren die Leser der Zeitung "Lake City Herald" im September von der
Hausfrau Marian Keech, die seit neun Monaten Nachrichten von Außerirdischen bekam. Bis zum
September hatte sich um Frau Keech bereits eine Gruppe von Anhängern geschart. Als der 21. Dezember
näher kam, kündigten einige der Anhänger ihre Jobs, andere verschenkten ihre ganze Habe.
Fast alle aus der Gruppe verkündigten ihren Glauben in der Öffentlichkeit. Die Gruppe hatte aber kein
Interesse, ihre Botschaft zu verbreiten und lehnte Gespräche mit der Presse und Medien ab.
In der Woche vor dem großen Tag klingelte im Haus von Frau Keech ununterbrochen das Telefon,
Besucher kamen beständig, um Aufklärung zu erfahren oder sich sogar der Gruppe anzuschließen.
Reporter wurden kalt abgewiesen, während man Besucher freundlich umsorgte, aber nur sporadisch
versuchte, ihnen die Überzeugungen zu erklären.
Fehlschlag
Frau Keech erhielt am Abend die Nachricht, dass um Mitternacht ein Besucher käme, der die Gruppe zu
einer fliegenden Untertasse begleiten würde. Mit dieser würden sie vor der Flut in Sicherheit gebracht
werden. Die Gruppe traf dann alle Vorbereitungen für den großen Zeitpunkt, verteilte Passwörter und
entfernte alle metallenen Gegenstände von sich, da dies in dem UFO zu Gefährdungen führen könnte.
Die Zahnfüllungen allerdings blieben verschont.
In den letzten zehn Minuten versammelte sich die Gruppe im Wohnzimmer. Sie saßen rum und hatten
nichts zu tun. Sie schauten auf die Uhren, die auch noch unterschiedliche Zeiten anzeigten. Frau Keech
betonte nochmals ihre Überzeugung kurz vor Mitternacht. Die Zeit ging vorbei.
Erstaunlicherweise gab es erstmal keine Reaktion in der Gruppe. Alle schwiegen, nach und nach wurde
die Atmosphäre unbequemer, so dass Dr. Armstrong und Frau Keech ihre Überzeugung nochmals
wiederholten. Die Vorhersagen und Nachrichten wurden überprüft.
Um 4.00 Uhr morgens brach Frau Keech in Heulen aus. Die Gruppe verlor ihre Gelassenheit. Um 4.30
Uhr sprachen die meisten in der Gruppe offen über den Fehlschlag. Um 4.45 Uhr bat Frau Keech um die
Aufmerksamkeit der Gruppe, um ihnen eine neue Nachricht mitzuteilen.
Rettung
Sie erklärte dann mit vielen Sätzen, dass Gott unter diesen Menschen gewirkt und durch zwei der
Menschen gesprochen habe. Die Kraft und das Licht, das den Raum erfülle, werde die ganze Erde
erfüllen. Dadurch, dass Gott durch zwei Personen in dem Raum gesprochen habe, bekunde er, was er zu
tun gedenke. Ihre Erklärungen wurden enthusiastisch aufgenommen.
Die angemessene und elegante Erklärung löste das Unbehagen auf. Die Gruppe hatte durch ihren
Glauben die Welt vor der Flut gerettet. Aufgrund einer weiteren Nachricht, die Frau Keech erhielt, sollte
die Erklärung für die Rettung bekannt gemacht werden. Man suchte danach den Kontakt zu Reportern,
und versuchte mit großer Hingabe, weiter Besucher als Anhänger zu gewinnen.
Festinger und seine Mitarbeiter zeigten mit ihrer Studie, dass der Fehlschlag einer Vorhersage oft den
gegenteiligen Effekt dessen hat, was man als Beobachter normalerweise erwarten würde. Die Sekte löst
sich nicht etwa auf, sondern sucht verstärkt, neue Anhänger zu gewinnen. Einige Mitglieder scheinen
einen noch festeren Glauben an ihre Überzeugungen gewonnen zu haben.
Logik versagt
Jemanden mit Überzeugungen kann man schwer ändern.
Wenn man ihm sagt, man sei anderer Meinung, wird er sich von einem abwenden.
Wenn man ihm Fakten oder Zahlen nennt, wird er die Quelle anzweifeln.
Wenn man an seine Logik appelliert, wird er den entscheidenden Punkt nicht sehen.
Wir haben alle schon erlebt, wie fruchtlos es ist, jemandem eine starke Überzeugung auszureden,
besonders wenn der Überzeugte einiges in seinen Glauben investiert hat. Wir sind mit den
einfallsreichen Abwehrmechanismen vertraut, mit denen Menschen ihre Überzeugungen schützen und
sie durch die verheerendsten Angriffe retten.
Angenommen, jemand glaubt etwas von ganzem Herzen und er hat aufgrund seiner Überzeugung
unwiderrufliche Schritte unternommen. Man legt ihm Beweise, eindeutige und unleugbare Beweise vor,
dass seine Überzeugung falsch ist. Was wird passieren? Die Person wird oft daraus nicht nur
unerschütterlich, sondern noch mehr überzeugt von der Wahrheit ihres Glaubens hervorgehen.
Tatsächlich wird er vielleicht noch leidenschaftlicher als vorher Leute von seinen Ansichten zu
überzeugen und sie zu bekehren suchen.
Quelle: Festinger, Leon and Stanley Schlachter (1989) When Prophecy Fails. In Extending psychological
frontiers: selected works of Leon Festinger
Interpersonale oder äußere
Konflikte
Gerhard Schwarz (1997) teilt interpersonale bzw. äußere Konflikte in sechs Gruppen
ein, welche die häufigsten Konfliktthemen überblicksmäßig darstellen:
•
Paarkonflikte
•
Dreieckskonflikte
•
Gruppenkonflikte
Gruppenkonflikte
•
Organisationskonflikte
Organisationskonfl ikte
•
Systemkonflikte
•
Institutionskonflikte
Paarkonflikte
Paarkonflikte werden von G. Schwarz etwas weiter gefasst, als die Mann-FrauBeziehung. Es gibt ja auch Paarbeziehungen im beruflichen oder privaten Leben, die
nicht an die Geschlechterdifferenz gebunden sind. Konflikte resultieren aus dem
notwendigen Widerspruch zwischen Individuum und Paar.
Geht Individualität bei einem Paar völlig unter, dann besteht die Gefahr der
Zerstörung des Individuums. Besteht das Individuum auf alle seine persönlichen
persönliche n
D ifferenzen zum Paar, wird das Paar zerstört.
Identitätskonflikte
Identitätskonflikte gehören zu den unbedingt notwendigen Konflikten einer
Paarbeziehung. Die völlige Unterwerfung des einen Partners unter den anderen nimmt
diesem sehr oft die Attraktivität, so dass sich der überlegene Partner dann meist
anderen zuwendet, die Neues einbringen und damit interessanter sind.
Das Aufgeben der Identität im Rahmen einer Paarbeziehung zerstört die
Paarbeziehung genauso wie das Beharren auf der eigenen Identität. Die Identität ist
eine sehr sensibel auszulotende Qualität, die auf dem Wege der Identitätskonflikte
immer wieder neu gefunden werden muss.
Distanzkonflikte
Stimmen die Distanzwünsche zweier Partner nicht überein, entsteht oftmals ein
Konflikt. Diese Art von Paarkonflikten beschränkt sich ebenfalls nicht auf den privaten
Bereich. Wenn der bisherige Kollege, zu dem man eine große Nähe hatte, nun plötzlich
zum Chef wird, wünscht er sich mehr Distanz, um seinen Führungsanspruch geltend
machen zu können.
Entwicklungskonflikte
Entwicklungskonflikte
Der/die eine entwickelt sich weiter, der/die andere nicht oder in eine andere Richtung.
Plötzlich passen die beiden nicht mehr zusammen - sie haben sich
auseinanderentwickelt. Man kann sich ausmalen, dass viele Auseinandersetzungen
geführt werden müssen, soll die Paarbeziehung aufrechterhalten werden.
"Schwiegermutterkonflikte"
Die Schwiegermutter, die ihren Sohn noch als ihren Sohn sieht und nur Teile der
Mutterfunktion an die neue Frau abzugeben bereit ist, bekommt mit der
Schwiegertochter immer mehr Konflikte.
"Du musst zu mir halten und nicht zu deiner Mutter", verlangt die Frau vom Ehemann.
"Du musst doch verstehen, dass ich meine Mutter nicht so kränken kann", meint der
Mann.
Diese "Schwiegermutter" steht modellartig für all die Paarkonflikte, die aufgrund von
mitgebrachten Unterschieden in der Zusammenarbeit der Menschen entstehen. Z.B.
ein neuer Direktor, der zuvor bei einem anderen Konzern Direktor war, wird immer
noch als Vertreter der Herkunftsfirma gesehen.
Dreieckskonflikte
Dreieckskonfli kte
Mit einer dritten Person kommt neues Konfliktpotenzial in eine Partnerbeziehung. Im
Dreieck ist es nicht bloß die Addition von nunmehr drei Personen, die miteinander in
Aktion treten, sondern es tritt eine neue Qualität hinzu: es entwickeln sich
Beziehungen von Beziehungen.
Paar versus Dreieck
Das Hauptproblem von Koalitionen in Dreiecken bedeutet zwei gegen einen.
einen
Diese/dieser eine ist ausgeschlossen, und dieser Ausschluss führt automatisch zu
Kränkungen. Die/der eine fühlt sich gegenüber den anderen unterlegen. Die beiden,
die eine Koalition gebildet haben, fühlen sich stärker.
Eifersuchtskonflikte
Diese Konflikte treten auf, wenn Menschen, Gruppen oder Organisationen sich
weiterentwickeln müssen. Eine dritte Person stört grundsätzlich jede Zweierbeziehung,
weil sie zwingt, diese zu reflektieren. Das Eintreten einer dritten Person in eine intime
Zweierbeziehung relativiert das Paar. Zu zwei Personen kann man als Dritter nie die
gleichen oder gar identischen Beziehungen haben, sondern man muss Unterschiede
machen. Eifersucht entsteht, wenn die Beziehung zwischen drei Personen nicht
harmoniert und das Dreieck in ein Paar und ein Individuum zerfällt.
Rivalität: Zwei kämpfen um die Gunst eines/einer
Dritten
Von Rivalität kann man immer nur dann sprechen, wenn die Koalitionen nicht mehr
symmetrisch sind. Das heißt, wenn die Beziehung zwischen zwei Personen, nämlich
den RivalInnen, deutlich schlechter ist als die Beziehung der beiden zu einer/einem
Dritten.
Beispiel: Von zwei Mitarbeitern versucht jeder, ein engeres Nahverhältnis zum
Vorgesetzten zu haben als zum Kollegen, den Kollegen sogar unter Umständen beim
Vorgesetzten schlecht zu machen.
Delegationskonflikte
Diese Art von Konflikten entsteht immer dann, wenn die direkte Kommunikation
zwischen zwei Menschen unterbrochen ist und über eine dritte Person läuft. Dies kann
von Vorteil sein, wenn direkte Kommunikation aus technisch-organisatorischen oder
sonstigen Gründen nicht möglich ist. Damit kann immerhin noch eine Kooperation wenn auch auf indirekte Art und Weise - erreicht werden.
Es ist aber auch ein Nachteil, weil es über die dritte Person fast immer zu
Übermittlungsfehlern, zu Missverständnissen, zu unterschiedlichen Interpretationen
und oft zu einer Verstärkung des Konfliktes kommt. Dies gilt insbesondere dann, wenn
diese dritte Person oder Instanz ein Interesse daran hat, dass die Kommunikation über
sie läuft. Denn zum Beispiel stärken Konflikte unter MitarbeiterInnen die Position
der/des Vorgesetzten.
Gruppenkonflikte
Die Gruppe ist stammesgeschichtlich die älteste Form der Kooperation und der
Konfliktaustragung. Ab einer Gruppengröße von vier Personen tritt dieser Konflikttyp
zumeist auf.
face--toVon arbeitsfähiger oder überschaubarer Gruppe (eine face
to- faceface - Beziehung ist
noch möglich) wird ab einer Zahl von sieben bis maximal 14 Gruppenmitgliedern
gesprochen. Noch größere Gruppen haben die Tendenz, in kleinere Untergruppen
zu zerfallen und fühlen sich durch Paare oder Dreiecke bedroht.
Mögliche Themen
•
Untergruppenkonflikte
z.B. Gruppen fühlen sich durch Paare und Dreiecke bedroht
•
Territorialkonflikte
z.B. Kampf um Kompetenzen, Einflusssphären und Ressourcen
•
Rangkonflikte
z.B. Wer hat die Alphaposition, wer die Omegapostion in der Gruppe inne?
•
NormierungsNormierungs- und Bestrafungskonflikte
z.B. bei Verletzung gegen die in einer Gruppe bestehenden offiziellen oder
informellen Regeln
•
Zugehörigkeitskonflikte
z.B. Loyalität zur Gruppe oder wie werden Neue in eine bestehende Gruppe
integriert?
•
ReifungsReifungs- und Ablösungskonflikte
z.B. jüngere MitarbeiterInnen kämpfen im Unternehmen um eigene Identität
•
Substitutionskonflikte
z.B. Konfliktthemen werden nicht offen artikuliert, weil angstauslösend, deshalb
werden lieber "neutrale" Themen behandelt
Organisationskonflikte
Sicher ist, dass Gruppen oder Gruppenverbände
Gruppenve rbände sich nur durch "äußeren Zwang"
auf eine Organisationslogik einigen können.
Auf Grund der Tatsache, dass lose Gruppen von Menschen auf Dauer nicht freiwillig
kooperieren, ist, historisch betrachtet, die Hierarchie erfunden worden. Während in
Gruppen, Dreiecken und Paaren die Kommunikation noch direkt abläuft, müssen
hierarchisch aufgestellte Organisationen die Verbindung zwischen den handelnden
Personen zentral steuern.
Mögliche Themen
•
Abteilungsegoismus
z.B. Produktionsabteilung gegenüber Marketing & Verkauf
•
Herrschaftskonflikte
z.B. klassischer Konflikt zwischen "Herr und Knecht" bzw. Zentrum vs. Peripherie
•
Doppelmitgliedschaft
z.B. Konflikte, die vor allem in "Sandwichpositionen" anzutreffen sind
•
Veränderungskonflikte
z.B. Konflikte, die durch das rigide Festhalten an tradierten Normensystemen
ausgelöst werden
•
VerfassungsVerfassungs- und Legitimationskonflikte
z.B. Delegierte gegenüber dem einfachen (Partei)Mitglied der Organisation
Systemkonflikte
Darunter versteht man alle Konflikte, die auf unterschiedlichen Denksystemen
beruhen: Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Weltbildern,
Wissenschaftsanschauungen (Paradigmen), Wirtschaftssystemen oder politischen
Systemen.
Mögliche Themen
•
Interkulturelle Konflikte
z.B. Konflikte, die sich in der Kommunikation mit unterschiedlichen Kulturen
ergeben können
•
Konflikte der Qualität und Quantität
z.B. Instrumente der direkten Demokratie (Volksabstimmung) gegenüber
repräsentative Demokratie (Entscheidung durch gewählte VolksvertreterInnen)
•
Ökonomie gegen Ökologie
Ökologie
z.B. Betriebswirtschaftliches Politikparadigma vs. Politik nachhaltiger und sich
erneuernder Ressourcen
•
Religionskonflikte
z.B. verschiedene religiöse Weltbilder stehen sich unversöhnlich gegenüber
•
Nationenkonflikte
z.B. verschiedene Nationen erkennen die Existenz anderer Nationen nicht an
Institutionskonflikte
Der größte Entwicklungsschritt der Menschheit wurde vermutlich durch die
Erfindung von Organisationen und Institutionen gemacht. Die Etablierung von
Institutionen können als Versuch des Menschen
Menschen gedeutet werden, mit den
Grundwidersprüchen des Lebens besser umgehen zu können.
Vier dauernde Widersprüche
Nach Schwarz (1997) gibt es 4 wichtige Widersprüche, für welche die Menschen in allen
Kulturen und zu allen Zeiten passende Antworten finden müssen:
•
der Gegensatz zwischen Toten und Lebendigen
(z.B. Wie mit Sterblichkeit umgehen?)
•
der Gegensatz zwischen Individuen und Gruppen
(z.B. Wie mit Individualität in der Gruppe umgehen?)
•
der Gegensatz zwischen Alten und Jungen
(z.B. Wie mit dem Wissen der Älteren umgehen?) und
•
der Gegensatz zwischen Männern und Frauen
(z.B. Wie mit Geschlechterdifferenz umgehen?)
(vgl. auch Schwarz, 1997, S. 186-194).
Institutionen unter Legitimationsdruck
Erhöhte Konfliktwahrscheinlichkeit besteht dann, wenn bestimmte Lösungen oder
Antworten für die gesellschaftlichen Fragen auf Dauer nicht (mehr) haltbar sind.
Gesellschaftliche Institutionen wie Militär, Ehe, Politik, Kirche, Schule usw. werden
immer wieder in Frage gestellt und stehen deshalb unter erhöhtem Legitimationsdruck
der Öffentlichkeit.
Was bewirken Konflikte?
Schwarz (1997) zeigt mit einer "Konfliktdialektik" den tieferen Sinn von Konflikten.
Die volle Wahrheit ist nur bei gleichzeitiger Sicht auf die widersprüchlichen
Aspekte einer Konfliktgeschichte
Konfliktgeschichte ersichtlich. Konflikte können sowohl trennende
als auch vereinigende Funktionen haben.
Konflikte machen Unterschiede bewusst
Der Sinn von Konflikten kann darin bestehen, die in Teams, Gruppen oder
Organisationseinheiten vorhandenen Differenzen zu erfassen. Im Zuge einer
Konfliktaustragung am Arbeitsplatz kann es zum freiwilligen oder erzwungenen
Ausscheiden von MitarbeiterInnen kommen. Im besten Fall bekommen die Betroffenen
eine neue Rolle in der Organisation zugewiesen. Auf jeden Fall werden Fragen
aufgeworfen:
•
Wie unterscheide ich mich persönlich von allen anderen?
•
Wer ist für welche Tätigkeiten in der Firma zuständig?
•
Wer ist besser qualifiziert?
•
Wer hat mehr Durchsetzungskraft?
Konflikte steuern das Gruppenverhalten
Zum einen werden durch Konflikte die Unterschiede zwischen den Gruppenmitgliedern
aufgezeigt. Auf der anderen Seite wird gerade dadurch die Gruppeneinheit
(wieder)hergestellt.
Dies scheint auf dem ersten Blick widersprüchlich zu sein. Es passiert jedenfalls, dass
Gruppenmitgliedern, die sich bereits in exponierter Stellung befinden oder durch
abweichendes Verhalten bzw. Meinungen auffallen, die Führungs- oder
Außenseiterposition (Alphaposition bzw. Sündenbock- oder Omegaposition)
zugewiesen wird.
Im Zuge einer konstruktiven Konfliktbearbeitung können jene, die in diese Position
gelangt sind, wieder in die Gruppe integriert werden.
Mehr dazu in den Übersichten zum Rangdynamischen Positionsmodell nach Raoul
Schindler.
Konflikte erzeugen Komplexität
Durch Auseinandersetzungen, durch Streit während einer Konfliktaustragung, treten
Interessen, Vorlieben und Bedürfnisse ungeschminkt ans Tageslicht. Eine Gruppe ist
besser in der Lage, mehrere Ansichten gleichzeitig zu berücksichtigen, als dies einer
Einzelperson möglich wäre.
Vergessen wir nicht: Ohne den permanenten Streit unter den Wissenschaften gäbe es
weder wissenschaftliche Erkenntnisse noch Innovationen in Technik und Kultur.
Konflikte sorgen für Gemeinsamkeiten im
Zusammenleben
Es hört sich paradox an, aber ohne Konflikte gibt es keine Gemeinsamkeiten in der
Gesellschaft. Sicherlich möchte jede/r von uns seine/ihre Interessen durchsetzen und
wird dies auch versuchen. Individualität und Eigeninitiative stehen heute hoch im Kurs
und sind bis zu einem gewissen Grad für das Funktionieren eines demokratischen
Staates unumgänglich.
Wenn aber die genannten Prinzipien zu stark betont werden, besteht die große Gefahr,
dass andere wichtige gesellschaftliche Funktionen - wie Solidarität und Interessen im
Gemeinwesen - kontinuierlich in den Hintergrund gedrängt werden.
Konflikte sorgen für Veränderungen
Es gibt in der Geschichte der Menschheit kaum eine relevante Veränderung, die nicht
auf der Basis konfliktreicher Auseinandersetzungen gemacht worden wäre. Es zeigt
sich, dass der Sinn von Konflikten für die Weiterentwicklung von Gruppen und
Organisationen eine große Bedeutung hat. Immer dann, wenn es um Emanzipationsbzw. Ablösungsprozesse beim Einzelnen oder in Gruppen geht, treten Konflikte auf.
Das physiologische Prinzip von Spannung und Entspannung, von These und Antithese
bzw. von konstruktiver versus destruktiver Kritik an bestehenden Sichtweisen
garantiert zum einen Konflikte, aber auch Veränderung und die Erhaltung von
Lebendigkeit.
Konflikte stabilisieren das Bestehende
Ein Sinn von Konflikten liegt auch im Stabilisieren des Bestehenden. Durch das
Ausgrenzen von Personen oder durch Eliminierung neuer Ideen wird so die Einheit der
Gruppe geschaffen. Immer wieder kann festgestellt werden, wie viel destruktive
Energie gegenüber "AbweichlerInnen von der Norm" oder "Andersdenkenden"
aufgewendet wird. Das Schicksal vieler Erfinder und weit vorausblickender Genies darf
in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben.
zwischen
en
Der Sinn von Konflikten erschließt sich hier in einer Spannung zwisch
Veränderungswillen und Erhalt des Bestehenden.
Siehe auch im Kapitel Übersichten Der Sinn von Konflikten
Bewusstmachung
Ein erster Schritt zur Konfliktbewältigung
Der oft schmerzliche Prozess der Bewusstmachung steht ganz am Anfang einer
Konfliktbewältigung
Konfliktbewäl tigung und kann nur von den Konfliktparteien selbst geleistet
werden.
Damit den KonfliktpartnerInnen eine "kooperative Konfliktbewältigung" gelingt, ist es
notwendig, dass zielgerichtet und konstruktiv kommuniziert wird. Im Vorfeld hat sich
eine objektive und gründliche Konfliktanalyse bewährt. In dieser Phase können
Personen hilfreich sein, die nicht unmittelbar in die Konfliktereignisse eingebunden
sind, kein Naheverhältnis zu den Konfliktparteien aufweisen und von diesen als "nicht" bzw. "allparteilich" wahrgenommen werden.
Oberstes Ziel jeder Konfliktbewältigungsstrategie muss es sein, dass die
Konfliktparteien wieder Kommunikation aufnehmen, in Beziehung treten und sensibel
und aufgeschlossen für die Interessenslagen ihres Gegenübers werden. Nur wer sich
auf diese oft mühselige Auseinandersetzung mit sich selbst einlässt, wird mit sozialen
Konflikten produktiv umgehen und vielleicht für die Zukunft den einen oder anderen
Konflikt sogar verhindern können.
Zur Übersicht Konfliktdiagnose.
Konfliktdiagnose
Konfliktdimensionen
Konfliktdimensionen
Ein sozialer Konflikt zwischen mindestens zwei Menschen kann als ein
Aufeinanderprallen zweier unvereinbarer oder widersprüchlicher Interessen betrachtet
werden. Trotzdem sollte in einer Konfliktanalyse immer danach gefragt werden, ob
sich die Konfliktparteien bereits in einem offenen Konfliktgeschehen befinden, oder ob
sich in der Vorstellungswelt der Konfliktparteien ein solches Geschehen zukünftig
ergeben könnte. Beim letzteren müsste von einem potenziellen (latenten) Konflikt
gesprochen werden.
Jeder Konflikt beginnt im Kopf der Konfliktparteien zu wirken.
Interessengegensätze oder KommunikationsKommunikations- Störungen werden bewusster als
sonst registriert. Erst nach dieser Bewusstwerdungsphase ist es sinnvoll, mit einer
gründlichen Konfliktanalyse zu beginnen.
beginnen.
Konfliktgegenstand
Im ersten Schritt werden von den Konfliktparteien die Konfliktpunkte zur Sprache
gebracht. Das sind jene Interessengegensätze,
Interessengegensätze welche die Parteien einander
vorwerfen. Können solche Gegensätze nicht eindeutig herausgefiltert oder bezeichnet
werden, so könnte es sich um ein abgrenzbares Problem handeln, welches mit
zusätzlicher Information oder spezifischem ExpertInnenenwissen beseitigt werden
kann. Auch krisenhafte Erscheinungen werden oft als Konflikte (fehl)interpretiert.
Probleme gehen Konflikten voraus, während Krisen als Folgeerscheinung nicht oder
schwer bearbeitbarer Konflikte erscheinen. Oft beinhaltet eine Konfliktsituation nicht
nur einen, sondern gleichzeitig mehrere Konfliktauslöser.
Konfliktparteien
Die Konfliktparteien treten als Träger gegensätzlicher Interessen auf. In sozialen
Konflikten können als Parteien
•
Individuen,
•
Gruppen,
•
Organisationen,
•
Institutionen,
•
Gesellschaften oder
•
Nationen
ausgemacht werden.
Es ist auch zu fragen, ob die Parteien den Konflikt selbst austragen (primärer
primärer Konflikt),
Konflikt
oder ob der Konflikt von StellvertreterInnen, z.B. von JuristInnen oder
GewerkschaftsvertreterInnen ausgetragen wird. Im zweiten Fall wird von einem
sekundären Konflikt gesprochen. Für den Prozess einer konstruktiven
Konfliktregelung ist es jedoch immer notwendig, dass alle Konfliktparteien in jeder
Phase bis zur endgültigen Klärung eingebunden sind.
Konfliktbeziehung
Konfliktparteien stehen immer in Beziehung. Für eine Konfliktregelung ist es
unumgänglich, die Art und Weise der konkreten Beziehungsgeflechte zwischen den
Konfliktparteien zu erhellen. Es ist wichtig, dass die Parteien ihre Beziehung selbst
definieren und ihre Erwartungen gegenseitig zur Sprache bringen.
So können Konfliktparteien in einer engen oder losen, direkten oder indirekten,
hierarchischen oder kollegialen, symmetrischen oder komplementären Beziehung
stehen. Mit letzterer Unterscheidung ist das Austauschverhältnis der Konfliktparteien
zueinander gemeint:
•
Nebeneinander
Personen bzw. Gruppen haben eigene, abgegrenzte Aufgaben oder
Zielsetzungen
•
Nacheinander
Im Arbeitsablauf gehen bestimmte Bearbeitungsschritte anderen voraus
•
Miteinander
In Projektgruppen und Teams profitieren alle von den Stärken der anderen
•
Hierarchisch
Vorgesetzte und MitarbeiterInnen im Verhältnis von über- und untergeordnet
Konträre Beziehungsdefinitionen
Immer dann, wenn die Konfliktparteien ihre Beziehung zueinander konträr definieren,
erhöht sich die Konfliktbereitschaft.
Ein Beispiel: Aus einem Team wird eine Person zur Leitung des Teams bestimmt,
dadurch tritt zu der bisherigen symmetrischen Beziehung eine wichtige
komplementäre hinzu. Mit diesem Beziehungswechsel tun sich einige Teammitglieder
schwer, die in der nunmehrigen Leiterin weiterhin ihre bisherige Kollegin sehen.
Konfliktverlauf
Konflikte dürfen nicht als statische Zustände begriffen werden. Jeder Konflikt hat
vielmehr auch eine eigene Konfliktgeschichte. Konflikte nehmen im Zeitverlauf immer
eine andere Gestalt an, können sich mit Energie aufladen und eskalieren oder wieder
abnehmen. Daher ist die jeweilige Form immer nur für einen gewissen Zeitpunkt
charakteristisch.
Durch einen Konflikt werden die Parteien praktisch dazu verurteilt, sich neu zu
orientieren und nach passenden Lösungen zu suchen, um wieder
Handlungskompetenz zu erlangen. Bei der Analyse des zeitlichen Verlaufes eines
Konfliktes ist es hilfreich, auf drei zeitliche Ebenen zu fokussieren:
Siehe dazu auch im Kapitel Eskalationsdynamik Konflikteskalationsstufen
Konfliktumwelten
Konfliktumwelten umgeben die Konfliktparteien, sind aber nicht selbst Träger von
Interessen. Bei einem Konflikt zwischen zwei MitarbeiterInnen einer Abteilung sind das
z.B. die anderen Teammitglieder, die MitarbeiterInnen anderer Bereiche, Vorgesetzte
sowie mögliche KundInnen. Umwelten stellen außerdem die jeweiligen Privatsphären
der Beteiligten dar:
Vom Umweltsystem zur Konfliktpartei
Kennzeichnend für die Konfliktumwelten ist die Betroffenheit vom Konflikt ohne aktive
Beteiligung. Entwickeln diese Umweltsysteme eigene Interessen im jeweiligen Konflikt
und vertreten sie diese auch, so werden sie zu Konfliktparteien.
Konfliktparteien
Dieses Unterscheidungsmerkmal ist bei der Vermittlung von Konflikten sehr hilfreich,
da dadurch die Konfliktparteien identifiziert und gezielt angesprochen werden können.
•
Welchen Nutzen/Schaden hat der Konflikt den Parteien und der Organisation
gebracht?
•
Wie wirkt sich der Konflikt auf das Umfeld aus?
•
Überträgt sich der Konflikt auf die gesamte Organisation, auf die gesamte
Umwelt?
Einstellung
Die persönliche Einstellung der Konfliktparteien zueinander und zur Konfliktregelung
ist von großer Bedeutung, um die Phasen einer konstruktiven "Konflikthandhabung" zu
durchlaufen.
Gerade für die oder den professionellen KonfliktreglerIn ist es wichtig zu wissen, ob die
Konfliktparteien die Konfrontation als unvermeidlich betrachten oder ob sie noch
Auswege und Chancen in ihrer Situation erkennen können. Deshalb versuchen
KonfliktreglerInnen vor allem bei den Einstellungen der Konfliktparteien eine
Änderung herbeizuführen.
Die Konfliktparteien müssen im Vorfeld einer Konfliktregelung mit ihrer persönlichen
Einstellung konfrontiert werden, damit Veränderung des (erlernten) Konfliktverhaltens
überhaupt möglich wird. Grundmuster vorurteilsvollen Denkens werden damit
bewusster erlebt, Konsequenzen destruktiven Verhaltens und dessen Folgen können
besser eingeschätzt werden.
Siehe dazu das Beispiel Konflikthandhabung in Phasen im Kapitel Übersichten.
Fragen zur persönlichen Einstellung der
Konfliktparteien
•
Wie wird die Gesamtsituation von den Parteien beurteilt? Ist für sie die
Konfrontation unvermeidbar? Gibt es Möglichkeiten zur Übereinstimmung mit
dem Konfliktpartner?
•
Welche positiven und negativen Aspekte und Funktionen können die
Konfliktparteien im konkreten Konflikt erkennen?
•
Wie schätzen die Konfliktparteien die entstehenden Kosten und den Nutzen
für sich und die Gegenseite ein?
•
Wie beurteilen die Konfliktparteien ihre bisherigen Versuche, den Konflikt
selbst zu lösen?
lösen Wie schätzen die Konfliktparteien den Wert bisheriger
Konfliktregelungsversuche- und verfahren durch Dritte (Gericht, Gewerkschaft,
Mediatoren etc.) ein?
•
Sind die Einstellungen der Konfliktparteien symmetrisch oder ungleich
verteilt?
verteilt Wird zum Beispiel der konkrete Konflikt von einer Partei verleugnet
oder der Konflikt von der anderen eher provoziert?
Grundmodelle der
Konfliktbewältigung
Die meisten Konfliktbearbeitungen sind Versuche der Konfliktparteien, mit den
entstandenen Interessengegensätzen umzugehen. Empirisch nachweisbar entstehen
charakteristische Konfliktstile und Motive des Konfliktverhaltens, die zwischen Sieg
und Niederlage hin und her pendeln können.
Siehe dazu die Übersicht Konfliktstile und
und Motive des Konfliktverhaltens
Konfliktverhaltens
Beim Umgang mit Konflikten lassen sich nach Schwarz (1997) sechs immer
wiederkehrende Grundmuster erkennen, die sich sowohl kulturgeschichtlich erklären
lassen, aber auch individuell in jedem Konfliktgeschehen zu erkennen sind. Diese
Muster werden in den folgenden Abschnitten dargestellt.
Flucht
Die Flucht wird instinkthaft fast immer zur Abwendung einer äußeren Gefahr
angewandt. Die Konfliktsituation kann mit dieser Methode nur kurzfristig bewältigt
werden, es stellt sich heraus, dass der Gegensatz in anderer Form, oder in einer
anderen Situation wieder (schärfer) zu Tage tritt.
In Konfliktsituationen zeigt die Flucht folgende Erscheinungsformen:
Erscheinungsformen Problem wird
auf lange Bank geschoben/verleugnet, davon laufen usw.
Vorteile:
Vorteile rasch, einfach, schmerzlos, kaum Schäden, keine VerliererInnen; der Konflikt
ist zwar ungelöst, aber durch Kontaktverlust geregelt.
Nachteile:
Nachteile kein Lernanreiz, keine Weiterentwicklung, das Gemeinsame geht verloren,
keine Lösung, unbefriedigend; der Konflikt taucht auf, sobald die KonfliktpartnerInnen
wieder da sind.
Vernichtung
Ist die Flucht bei einer Gefahr nicht möglich, dann kommt es zu einer aggressiven
Kampfsituation, bei der die Konfliktparteien die Vernichtung der Gegnerin oder des
Gegners anstreben.
Erscheinungsformen:
Erscheinungsformen Gesellschaftliche Ausgrenzung und Ausschluss, Mobbing,
Kündigung, Krieg zwischen Nationen, Mord usw.
Vorteile:
Vorteile unkompliziert, geistig anspruchslos, einmalig, dauerhaft, gründlich.
Nachteile:
Nachteile unkorrigierbar, inhuman, verbreitet Schrecken, nur eine Konfliktpartei
überlebt, Weiterentwicklung gefährdet, positive Aspekte der GegnerInnen werden
eliminiert.
Unterwerfung
Die Unterwerfung oder Unterordnung wird dann als Mittel der Konfliktbewältigung
gewählt, wenn die oder der mit weniger Ressourcen oder Machtmitteln ausgestattete
KonfliktpartnerIn zum Schluss kommt, dass Nachgeben oder Unterordnen unter die
stärkere Position Vorteile bringt. In hierarchisch organisierten Unternehmen hat die
Unterordnung System. Die oder der Unterworfene verliert zwar ein Stück seiner
Selbstbestimmung, aber er gewinnt auch an Sicherheit, die er vom Unterwerfer
(Vorgesetzter, Chef etc.) bekommen kann.
Erscheinungsformen:
Erscheinungsformen Drohung, Erpressung, Krieg, Putsch, Bestechung, Hierarchie,
Verzicht, Resignation, rasche Mehrheitsentscheidung.
Vorteile:
Vorteile Überleben, Umkehrbarkeit, relativ schnell, wiederholbar, Unterworfener
weiter verwendbar, Arbeitsteiligkeit, Hierarchie.
Nachteile:
Nachteile Umkehrbarkeit, permanente Autorität bzw. Kontrolle notwendig, Elend und
Angst, willenlos und nicht regierbar, starre Rollenverteilung, Gefahr eines Aufstandes.
Delegation
"Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte". Das könnte auf besondere
Schadenfreude hindeuten. Vielmehr aber zeigt dieses alte Sprichwort die wichtige
Funktion von nicht am Konflikt beteiligten Personen auf. Bei der Delegation
entscheidet eine dritte Instanz (Recht, Gesetz, (Schieds-)RichterIn,) zwischen zwei
Gegensätzen.
Es muss sichergestellt sein, dass die höhere Instanz nicht am Konfliktgeschehen direkt
beteiligt ist und keine eigenen Interessen vertritt. Nur so ist eine objektive
Entscheidungsfindung und die Akzeptanz durch beide Konfliktparteien möglich.
Neuere Formen der Delegation (z.B. Mediation, Organisationsberatung) versuchen den
KonfliktpartnerInnen ihre Konfliktbewältigungskompetenz durch Hilfe zur Selbsthilfe
wieder zurückzugeben.
Delegation
Z.B. geht es bei einer außergerichtlichen Scheidung darum, dass beide Ehepartner
gemeinsam eine passende Lösung für ihre Probleme im Rahmen eines
Mediationsprozesses erarbeiten.
Erscheinungsformen:
Erscheinungsformen Weisenrat, Autoritäten, RichterInnen, Gerichte, Kommissionen,
Schiedsgericht.
Vorteile:
Vorteile energiesparend, anonym, Emotionen werden vermieden, kein
Gesichtsverlust, Teileinigung, keine volle Verantwortung der Betroffenen für die
Entscheidung.
Nachteile:
Nachteile Konfliktparteien erarbeiten Entscheidung nicht selbstständig, beide
Konfliktparteien müssen Letztentscheidung der dritten Instanz akzeptieren, Instanzen
müssen anerkannt und anonym sein.
Kompromiss
Wenn die Konfliktparteien einen Kompromiss erzielen wollen, müssen sie in
bestimmten Bereichen des Konfliktes zu einer Teileinigung finden und aufeinander
zugehen. Ein großer Vorteil des Kompromisses besteht darin, dass die Konfliktparteien
in jeder Phase der Verhandlungen ihre Bewältigungskompetenz beibehalten. Bei guten
Kompromissen werden wichtige Teile ausverhandelt. Bei sogenannten "faulen"
Kompromissen werden gerade diese Teile nicht besprochen und ein
Wiederaufflammen des ursprünglichen Konfliktes ist sehr wahrscheinlich.
In vielen politischen und gesellschaftlichen Bereichen ist die Kompromissfindung Teil
der Arbeit. (z.B. Kollektivvertragsverhandlungen zwischen ArbeitgeberInnen und
ArbeitnehmerInnen, Koalitionsverhandlungen zwischen Parteien,
Budgetverhandlungen in Organisationen usw.)
Erscheinungsformen:
Erscheinungsformen In politischen Bereichen gehört der Kompromiss quasi zum
Handwerkszeug der AkteurInnen, aber auch im wirtschaftlichen und privaten Sektor
weite Verbreitung.
Vorteile:
Vorteile Selbsterarbeitung des Ergebnisses, Kontrolle der Regelung durch die Parteien
selbst, Teileinigung kann unter Prestigewahrung erzielt werden, Teilverantwortung der
Betroffenen gegeben.
Nachteile:
Nachteile Neuverhandlungen bei Verschiebung der Interessen oder
Machtverhältnisse notwendig, Zufriedenheit nur bis zu einem gewissem Grad
gegeben.
Konsens
Es werden alle Konfliktpunkte und Teilaspekte in die Konsenssuche hineingenommen.
Aus den früher gegensätzlichen Positionen entwickeln die Konfliktparteien eine völlig
neue Sicht ihrer Problemlage, die von beiden PartnerInnen sowohl inhaltlich als auch
auf der Beziehungsebene getragen wird. Somit behält beim Zustandekommen eines
Konsenses jede/r Recht und gewinnt am Ende noch ein Stück Freiheit dazu.
Ein Konsens wird zumeist dann angestrebt, wenn die Konfliktparteien beginnen
einzusehen, dass sich der Aufwand, die Kosten und das Risiko anderer
Konfliktbewältigungsmöglichkeiten (Flucht, Vernichtung, Unterordnung und
Delegation) nicht rechnen.
Erscheinungsformen:
Erscheinungsformen Firmenfusionen, Integrationsprozesse innerhalb der EU,
selbstverwaltete Betriebe.
Vorteile:
Vorteile Konflikt ist vollständig bewältigt, intensiver Interessenaustausch,
Konfliktbewältigung, intensive Auseinandersetzung mit den Interessen der/des
Konfliktgegners/-in.
Nachteile:
Nachteile langwierige Prozedur, Gefahr des Rückfalls auf frühere Stufen der
Konfliktregelung - insbesondere Kampf, zeitaufwendig, anstrengend.
Anleitungen zur positiven Konfliktbewältigung gibt es im Kapitel "Übersichten":
Kooperative Konfliktbewältigung
Sechs Schritte
Schritte zur Konfliktbewältigung
Konfliktbewältigung
Eskalationsdynamik
Konflikte haben fast immer eine Tendenz zur Steigerung ihres destruktiven
Energiepotenzials. Die Eskalationsdynamik führt bei den Konfliktparteien zur
Anwendung immer härter werdender Mittel, um auf der Gewinnerseite zu bleiben.
Die Konfliktparteien sind Gefangene ihrer negativen Verhaltensmuster geworden
und befinden sich in einem Teufelskreis, der sie immer tiefer in ein
unkontrollierbares
unkontrollierbares Konfliktgeschehen hineintreiben lässt.
•
Konfliktparteien projizieren alles Negative auf die Gegenseite und frustrieren
sich damit selbst am meisten.
•
Konfliktparteien bringen immer mehr Streitfragen in den Konflikt ein, müssen
aber gleichzeitig die Situation stark vereinfachend darstellen, um sie noch
überblicken zu können.
•
Konfliktparteien vermischen subjektive Beobachtungen und objektive
Tatsachen,
Tatsachen können aber immer weniger schlüssige UrsacheWirkungszusammenhänge artikulieren.
•
Konfliktparteien involvieren
invol vieren zur eigenen Unterstützung einen immer größeren
Personenkreis in den Konflikt, während der direkte Kontakt mit der/dem
konkreten KonfliktpartnerIn abnimmt.
•
Konfliktparteien erhöhen gegenseitig die Gewaltandrohung,
Gewaltandrohung um die
Gegenseite zur Aufgabe zu bewegen, was wiederum die/den GegnerIn
provoziert und zur Verstärkung der Gewalt herausfordert.
"Neun Eskalationsstufen zur Unmenschlichkeit"
Friedrich Glasl definiert "Neun Eskalationsstufen zur Unmenschlichkeit". Diese werden
auf den folgenden Seiten dargestellt.
Eskalationsstufe 1: Verhärtung
Erstmals werden sich die Konfliktparteien ihrer Differenzen und Widersprüche
bewusst. Standpunkte verhärten sich und prallen in Diskussionen aufeinander.
Trotzdem herrscht bei den Konfliktparteien die Überzeugung vor, dass die Spannungen
noch durch Gespräche lösbar sind. Es gibt noch keine starren Parteien oder
Lagerbildungen.
Eskalationsstufe 2: Debatte, Polemik
Menütitel: Debatte, Polemik
Seitentyp: Einspalter
Erstellung: 11.09.2003 11:01
Letzte Änderung: Horvath, Christian 15.03.2006 10:29
Die Konfliktparteien sprechen nicht mehr ungezwungen miteinander, sondern
Kommunikation findet in Form von Debatten und Polemiken statt. Die
Interessensgegensätze werden als offene Konkurrenz erlebt und verhärten sich.
Schwarz-Weiß-Denken hat sich in den Argumentationen der Konfliktparteien breit
gemacht und zu einer Polarisierung im Denken, Fühlen und Wollen geführt.
Mit quasi-logischer Argumentation versucht die eine Seite die gegnerische Partei
strategisch in die Enge zu treiben. Prestigefragen stehen im Vordergrund und die
Konfliktparteien vermeiden lockere Gesprächssituationen. Harte
Auseinandersetzungen werden in diesem Stadium nicht mehr vermieden, sondern
haben das erklärte Ziel die/den GegnerIn weiter zu verunsichern.
Eskalationsstufe 3: Taten statt Worte
Die Konfliktparteien gelangen zur Überzeugung, dass Gespräche bzw. Debatten nichts
mehr fruchten, Taten müssen folgen.
folgen In diesem Stadium sind sich die GegnerInnen
bewusst, dass sie voneinander abhängig sind.
Die Konfliktparteien setzen in diesem Stadium unumkehrbare Aktionen und schaffen
damit Tatsachen. Mit aggressivem Verhalten soll Selbstsicherheit und Stärke
demonstrativ zur Schau gestellt und die/der GegnerIn damit eingeschüchtert werden.
Das Einfühlungsvermögen für die Gegenseite geht rasch verloren und es gibt
Kränkungen. Innerhalb der Parteien wächst der Gruppenzusammenhalt, der Konflikt
dehnt sich auf einen breiteren sozialen Rahmen aus.
Eskalationsstufe 4: Sorge um Image und Koalitionen
Die Einstellung der Parteien wird immer rigoroser und nimmt autistisch-feindselige
Züge an. Sie drängen einander in stereotype Rollenmuster.
Rollenmuster Die GegnerInnen sprechen
sich wechselseitig jegliche Entwicklungsmöglichkeiten ab.
Schließlich verkörpert die/der andere nur mehr eine Anhäufung negativer und
verabscheuungswürdiger Eigenschaften. Die/der GegnerIn soll (vor allem in den Augen
von ZuschauerInnen) rasch an Glaubwürdigkeit verlieren, während die eigene
Reputation im Vordergrund steht. Mittels ImageImage - Werbung versuchen die GegnerInnen
AnhängerInnen für strategische Koalitionen um sich zu scharen. Unentschlossene
werden in diesem Stadium gezwungen, für die eine oder für die andere Seite Stellung
zu beziehen, wodurch sich die Konfliktarena immer mehr ausweitet.
Eskalationsstufe
Eskalationsstufe 5: Gesichtsverlust
Eine der Konfliktparteien provoziert einen öffentlichen Gesichtsverlust
(Demaskierung) der anderen Partei. Diese Handlung wirkt als "point
point of no return",
return
dem eine weitere Beschleunigung der Konfliktereignisse folgt. Die moralische
Integrität der/des Gegners/-in geht zunehmend verloren. In manchen Organisationen
kommt es zur Inszenierung von Degradierungen oder Absetzungen. Außenstehende
wenden sich ab.
Fremdbild und Selbstbild der Parteien haben sich grundlegend modifiziert. Bei den
Konfliktparteien kommt es zum Verlust der Außenwahrnehmung.
Außenwahrnehmung Ein Gefühl des
Ekels macht sich bei physischer Anwesenheit der/des Gegners/-in oder beim Gedanken
an sie/ihn breit. Der gegnerischen Seite werden negative Moral- und
Wertorientierungen unterstellt, die den eigenen weit unterlegen sind.
Eskalationsstufe 6: Drohstrategien
Zumindest eine Konfliktpartei versucht, die Gegenseite mit Drohstrategien oder mit
der Androhung von Vernichtungsschlägen einzuschüchtern bzw. gefügig zu machen.
Bei Nichterfüllung der Forderungen sind schwere Sanktionen zu befürchten.
Drohungen aktivieren das Angstpotenzial der/des Bedrohten. Außerdem legt sich
die/der Drohende mit dem Aussprechen der Drohung ultimativ fest und ist de facto
gezwungen, diese wahr zu machen. Allerdings provozieren Drohungen oft nur
Gegendrohungen,
Gegendrohungen die den Konflikt weiter beschleunigen. Durch gegenseitige
Drohgebärden verringern sich die Handlungs- und Entscheidungsspielräume der
Konfliktparteien und es erhöht sich der Stresspegel auf beiden Seiten.
Eskalationsstufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge
Durch gezielte Gewaltaktionen - begrenzte Vernichtungsschläge - wird das
Sicherheitsgefühl der im Vorfeld bedrohten Partei grundlegend erschüttert. Der/die
GegnerIn wird als hinderlicher Faktor auf dem Weg zur Problemlösung betrachtet,
deshalb muss er/sie aus dem Weg geräumt werden.
Die Wahrnehmung ist auf die eigenen Ziele beschränkt und die Kommunikation mit
der Außenwelt wird immer schwieriger. Die Konfliktparteien trauen sich ab jetzt alles
zu.
Die
Di e Feindbilder verfestigen sich.
sich Ab dieser Stufe sind sich die Parteien voll bewusst,
dass es nicht mehr viel zu gewinnen gibt. Die GegnerInnen nehmen sich nicht mehr als
Menschen wahr. Eindeutige Schädigungsabsicht steht nunmehr im Vordergrund.
Durch die Ankündigung von Sanktionen haben sich die GegnerInnen zu begrenzten
Gewaltaktionen hinreißen lassen. Es geht um die selektive Zerstörung strategisch
wichtiger Güter.
In dieser Phase beziehen die Konfliktparteien ihr Selbstwertgefühl aus einer bewussten
Zerstörungslust. Jeder Gewaltakt der einen Seite wird sofort mit einem
Vergeltungsschlag der Gegenseite beantwortet. Dadurch erhöht sich der Zeitdruck für
die Konfliktparteien enorm, was wiederum eine weitere Beschleunigung der
Eskalation zur Folge hat.
Eskalationsstufe
Eskalationsstufe 8: Zersplitterung
Mit dem Erklimmen dieser Stufe ist eine eklatante Steigerung der gegenseitigen
Vernichtungsaktionen verbunden. Die Zerstörung des zentralen Nervensystems der
gegnerischen Partei wird essentiell. Mit der Vernichtung der strategisch wichtigen
Nachschub-, Schalt- und Machtzentren soll eine irreparable Zersplitterung des
feindlichen Systems bewirkt werden. Es soll dadurch unsteuerbar werden.
Die Zersplitterungsstrategie beinhaltet auch eine strategische Isolierung der
HauptakteurInnen (FrontkämpferInnen) von der Zentrale (Hinterland), um einen
weiteren Keil in die GegnerInnen hineinzutreiben. Trotz enormer Schäden für jede Seite
ist die Gewaltanwendung noch berechenbar, vielleicht, weil der Überlebenswille der
Parteien noch stärker ist.
Eskalationsstufe 9: Gemeinsam in den Abgrund
Die Konfliktparteien sehen die totale Konfrontation, den totalen Krieg als letzten
Ausweg. Die Vernichtung des Feindes auch um den Preis der Selbstvernichtung
steht im Mittelpunkt aller Handlungen.
Bedenkenlos werden alle zur Verfügung stehenden Ressourcen und Gewaltmittel
eingesetzt, um im bevorstehenden Untergang noch den Feind mit in den Tod zu reißen
(gemeinsam in den Abgrund) und nachhaltige Schäden an Umgebung und
Nachkommen anzurichten.
In gewisser Hinsicht können die Konfliktparteien im wechselseitigen Selbstmord noch
ein letztes Mal über den/die GegnerIn triumphieren.
Interventionen
Wenn von zielgerichteten Interventionen (z.B. Moderation, Prozessbegleitung,
Vermittlung usw.) in Konfliktsituationen die Rede ist, sind zumeist Strategiemodelle
gemeint, die vor allem von Drittparteien ((Schieds-)richterInnen, Führungskräfte,
ProzessberaterInnen, MediatorInnen, Vertrauenspersonen usw.) angewandt werden.
Anhand der oben beschriebenen Eskalationsstufen ergeben sich für die
Intervenierenden unterschiedliche Formen von Rollenmodellen:
•
Moderation
•
Prozessbegleitung
•
Vermittlung
•
Mediation
•
Schiedsverfahren
•
Machteingriff
Moderation
Bewegt sich ein Konflikt innerhalb der Eskalationsstufen 1 (Verhärtung) bis 3 (Taten
statt Worte), sind die Konfliktparteien grundsätzlich noch in der Lage, ihren Konflikt
selbst zu lösen.
In diesem Fall genügt es, wenn eine Drittpartei die "Selbstheilungskräfte" der
Konfliktparteien unterstützt. Es findet zwischen den Konfliktparteien noch direkte
Kommunikation statt, der Eskalationsgrad des Konflikts ist niedrig.
Der/die ModeratorIn nimmt eine neutrale Rolle ein, die sich konstruktiv auf die
Gesprächskultur der Konfliktparteien auswirkt.
Methodisch betrachtet
•
sorgt sie/er für einen strukturierten Ablauf des Konfliktgesprächs,
•
stellt höchstens KlärungsKlärungs- und Verständnisfragen und
•
ist für die Sicherung der Ergebnisse am Schluss der Sitzung verantwortlich.
Auch eine Vorsitzende/ein Vorsitzender ("Chairman") bzw. Konferenz- und
VerhandlungsleiterIn üben moderierende Rollen aus. Sie enthalten sich jeglicher
inhaltlicher Beeinflussung und verwalten ausschließlich das Procedere und die
Tagesordnungspunkte der Sitzung.
Der Übergang von der Eskalationsstufe 3 zur Stufe 4 (Images/Koalitionen) markiert
auch die Grenze zur Selbsthilfe. In dieser Phase sind die Konfliktparteien auf
Interventionen von Drittparteien angewiesen.
Prozessbegleitung
Hat der Konflikt bereits einen Eskalationsgrad bis zur Stufe 5 (Gesichtsverlust) erreicht,
sind die Konfliktparteien vermutlich nicht mehr in der Lage, den Konflikt selbst zu
lösen.
In diesem Falle bietet sich prozessorientierte Beratung an. Die Konfliktdynamik hat
dazu geführt, dass sich die Konfliktparteien gegenseitig abwerten und destruktive
Kommunikationsmuster vorherrschen. Ohne fremde Hilfe ist ein befriedigendes
Ergebnis für beide Konfliktparteien nicht mehr zu erzielen.
Prozessbegleitung
Die/der ProzessbegleiterIn oder ProzessberaterIn versucht, in ihrer/seiner Rolle neben
der Thematisierung von Sachfragen verstärkt Beziehungsfragen in den Mittelpunkt
des Konfliktklärungsprozesses zu rücken.
Die Konfliktparteien sollen dabei unterstützt werden, ihre bisherigen destruktiven
Kommunikationsformen zu erkennen und zu akzeptieren. Für die Zukunft sollen
zielorientierte Kommunikationsregeln ausgehandelt werden.
Dadurch werden starre Selbst- und Fremdbilder aufgeweicht und eine realistische Sicht
auf die eigene Situation ermöglicht. Letztlich soll durch die Prozessbegleitung ein
beiderseitiges Einverständnis über die gemeinsam erreichten Ziele hergestellt werden.
Fallbeispiel:
Fallbeispiel: Jugendarbeit
Ausgangslage
Schon seit einigen Jahren wird im Gemeinderat einer Großstadt über Jugendschutzprogramme,
Drogenhandel und Kinderprostitution sehr kontrovers und emotional diskutiert.
Durch mehrmalige Berichte einer Bezirkszeitung über Gewalthandlungen von Jugendlichen gegenüber
PassantInnen in bestimmten Bezirken und Drogenkonsum auf öffentlichen Plätzen kommen die
Wohlfahrtseinrichtungen der Stadt unter Zugzwang. Es wird eine außerordentliche Sitzung im
Gemeinderat einberufen, die mit knapper Mehrheit ein innovatives Konzept zur Verbesserung der
Jugendarbeit in der Stadt beschließt.
Projekt
Die Stadt beauftragt eine private Wohlfahrtseinrichtung, dieses Konzept in Form eines Projekts in drei
Monaten umzusetzen. Geeignetes Personal wird auf dem freien Arbeitsmarkt rekrutiert.
Zwei SozialpädagogInnen - ein Mann und eine Frau - werden als gleichberechtigte ProjektleiterInnen
eingestellt, um in einem Stadtteil mit einer Wohnbevölkerung von mehr als Hunderttausend
EinwohnerInnen mit der Umsetzung des Konzepts zu beginnen.
Der männliche Sozialpädagoge kann auf viele Jahre Erfahrung mit gewalttätigen Jugendlichen
zurückblicken, während sich die weibliche Sozialpädagogin in der Mädchenarbeit einen Namen
gemacht hat. Beide sind ausgewiesene ExpertInnen ihres Faches und starke Persönlichkeiten, die das
Jugendprojekt sehr strukturiert vorantreiben.
Konflikt
Nach einigen Wochen Projektarbeit wird beiden klar, dass das hohe Arbeitspensum zu zweit nicht mehr
bewältigt werden kann. Nach Rücksprache mit dem Wohlfahrtsträger (Projektauftraggeber) wird eine
zusätzliche Stelle für das Projekt ausgeschrieben.
Ein männlicher Sozialarbeiter, türkischer Abstammung, wird das Paar ergänzen. Aufgrund seiner
türkischen Sprachkenntnisse ist er für die Betreuung türkischer Jugendlicher aus der zweiten Generation
zuständig.
Beim Auswahlverfahren hatten die beiden ProjektleiterInnen jedoch kein Mitspracherecht, weil dies vom
Wohlfahrtsträger im Vorfeld entschieden wurde.
Nach einigen Wochen kommt es während einer Strategiebesprechung zu Meinungsverschiedenheiten
zwischen den MitarbeiterInnen. Der Sozialpädagoge möchte mehr Aktionen für die gewaltbereiten
Jugendlichen im Stadtteil auf die Beine stellen, während sich der neue türkische Sozialarbeiter nur mehr
für "seine Leute" zuständig fühlt.
Eskalation
Da die Ressourcen begrenzt vorhanden sind, fühlt sich die Sozialpädagogin mit ihren Anliegen bezüglich
Mädchenarbeit zunehmend benachteiligt.
Eine rein sachliche Besprechung mutiert zu einer offenen Debatte über "richtige" bzw. "falsche"
Vorgangsweisen in der Jugendarbeit. Gegenseitige Beschuldigungen und Unterstellungen vergiften sehr
rasch das Klima im Projektteam. Die Strategiesitzung wird frühzeitig abgebrochen und vertagt, weil es
zu keiner Einigung über die weiteren Schritte kommt.
Beim nächsten Meeting wird wenig gesprochen, es herrscht eine angespannte Atmosphäre. In den
Pausen wird über private Themen nicht mehr geredet, sondern immer wieder am Handy telefoniert. Die
Sozialpädagogin verlässt die Besprechung früher als üblich.
Ein Gefühl der Niedergeschlagenheit breitet sich über die zurückgebliebenen Teammitglieder aus. In
knapp zwei Wochen soll das Jugendprojekt öffentlich präsentiert werden.
Strategie
Soziale Projekte stehen oft vor einem Dilemma: Einerseits müssen sie mit knappen Ressourcen sowie
überzogenen Erwartungen von Trägervereinen und gesellschaftlichen Gruppierungen umgehen können.
Zum anderen sind die eigenen Grenzen im Arbeitsfeld immer wieder neu auszuloten und die
Kooperationsfähigkeit der KlientInnengruppen muss realistisch eingeschätzt werden.
Um diesen Tatsachen gerecht zu werden, ist ein hohes Maß an offener Kommunikation im Team
notwendig. Dazu kommt, dass MitarbeiterInnen in Sozialberufen eher flache Hierarchien bevorzugen
bzw. diese kategorisch ablehnen.
Analyse
Im Beispiel setzt der Trägerverein zwei gleichberechtigte ProjektleiterInnen ein, ohne dass im Vorfeld
geklärt wird, wer welche Kompetenzen und Verantwortlichkeiten inne hat.
Einer der häufigsten Konfliktauslöser in sozialen Projekten ist eine unausgewogene Geschlechterparität.
In unserem Fall tritt ein weiterer männlicher Sozialarbeiter in das Jugendprojekt ein, der dieses
Gleichgewicht stört.
Hinzu kommt, dass sich das Gründerpaar vom Wohlfahrtsträger bei der Personalauswahl übervorteilt
fühlt.
Die Spannungen bei der Strategiesitzung können auch als Ausdruck dieser unausgesprochenen
Tatsachen interpretiert werden. Der Wohlfahrtsträger, gleichzeitig Projektauftraggeber, hat mit seinen
Handlungen (z.B. Personalauswahl) die Kommunikationsstrukturen im Jugendprojektteam gewollt oder
ungewollt stark vorgezeichnet.
Prozessbegleitung
Der beschriebene Konflikt weist noch einen relativ niederen Eskalationsgrad (Stufe 1 bis 3) auf. Die
Konfliktparteien sind noch in der Lage, den Konflikt selbst zu lösen. Da die schwelenden Konflikte im
Jugendprojektteam dem Auftraggeber nicht verborgen blieben, wurde eine verpflichtende TeamSupervision (Prozessbegleitung) vereinbart.
Weiters wurde die öffentliche Präsentation des Jugendprojekts um zwei Monate verschoben und die
zusätzliche Aufnahme einer weiblichen Sozialarbeiterin in Aussicht gestellt. Allein durch diese
Maßnahmen konnten einige Konfliktherde beseitigt und die Arbeitsfähigkeit der Projektgruppe wieder
hergestellt werden.
Vermittlung
Für alle Konflikte, die sich zwischen Eskalationsstufe 5 (Gesichtsverlust) und Stufe 7
(Begrenzte Vernichtungsschläge) bewegen, ist die klassische Vermittlung als
Interventionsmöglichkeit angezeigt. Durch den Zusammenbruch der Gesprächsbasis
zwischen den Konfliktparteien sind persönliche Kontakte unmöglich geworden.
Die/der von den Konfliktparteien kraft ihrer/seiner Kompetenz akzeptierte
VermittlerIn führt getrennte Gespräche mit beiden Parteien. Dabei versucht sie/er,
behandelbare Konfliktpunkte herauszufiltern, um sie von vorerst unlösbaren Themen
zu trennen. Aus den getrennt erhobenen Informationen fokussiert die/der VermittlerIn
jene Punkte, die von beiden Konfliktparteien für verhandelbar gehalten werden.
Ist es bereits im Vorfeld zu einer Einigung über die Tagesordnungspunkte, die
TeilnehmerInnen und die Spielregeln gekommen, dann setzt die/der VermittlerIn ein
erstes Meeting an. Bei diesem Vorgespräch kann sie/er ihre/seine Einschätzung über
die Erfolgsaussichten mitteilen.
In dieser Phase kann unter Umständen auch die Zurücklegung der Mittlertätigkeit
angedroht werden, wenn die Fortschritte der Intervention behindert oder gefährdet
erscheinen.
Auch während der Verhandlungsrunden ist die/der VermittlerIn für die
Rahmenbedingungen und die strikte Einhaltung der vereinbarten Spielregeln
verantwortlich. Außerdem fungiert die/der VermittlerIn zwischen angesetzten
Verhandlungsterminen als AnsprechpartnerIn für beide Konfliktparteien.
Mediation als Sonderform der Vermittlung
Mediation hat vor allem bei außergerichtlichen Scheidungsverfahren große
Bedeutung erlangt. Im Bereich der Jugendgerichtsbarkeit
Jugendgerichtsbarkeit wird Mediation angewandt,
um bereits im Vorfeld eines Strafprozesses einen Ausgleich zwischen Täter und Opfer
herzustellen. Seit einigen Jahren wird Mediation auch im Wirtschaftsbereich als
effiziente Konfliktbewältigungsmethode erfolgreich praktiziert.
Mediation ist ein Verfahren der Konfliktlösung, bei der ein/e neutrale/r,
unparteiische/r VermittlerIn (MediatorIn) den Konfliktparteien hilft, selbständig
Lösungen für ihre Probleme zu finden. Der/die MediatorIn unterbricht den Prozess der
Eskalation und stellt die Kommunikation zwischen den Streitparteien wieder her.
Damit schafft sie/er die Grundlage für eine konstruktive Konfliktlösung. Die Parteien
haben die Chance, ihren Konfliktfall zu klären und Lösungen zu finden, die beide Seiten
voll unterstützen und akzeptieren können.
Nicht die Vergangenheit, Verfehlungen und Schuldfragen stehen im Mittelpunkt,
sondern die Zukunft der Konfliktparteien. Sie sind die ExpertInnen und wissen am
besten, welche Regelungen zum Ziel führen werden, welche Lösungen die optimalen
für alle Beteiligten sind. Dabei gibt es keine VerliererInnen.
Fallbeispiel:
Fallbeispiel: Lärmbelästigung
Ausgangslage
Nachbar A und Nachbar B besitzen beide ein Häuschen. Zwischen ihnen hat es in der Vergangenheit
immer ein ungetrübtes nachbarschaftliches Verhältnis gegeben. A hat sich vor kurzem auf seinem
Grundstück ein Schwimmbecken errichten lassen. Um Geld zu sparen hat er dafür eine gebrauchte
Umwälzpumpe erworben. Diese hat jedoch einen Nachteil: sie erzeugt mehr Lärm als neue
handelsübliche Pumpen.
Konflikt
Mit Beginn des Sommers nimmt A sein Schwimmbad und auch die Umwälzpumpe in Betrieb. Dadurch
fühlt sich B, der sein Anwesen nur im Sommer und am Wochenende nutzt, in seiner Gartenruhe
empfindlich gestört. Nach einigen Wochen stiller Duldung steigt der Groll bei B und er ersucht sein
Gegenüber, die Pumpe leiser zu stellen.
A weist die Bitte mit der Begründung zurück, dass eine Lärmreduktion aus technischen Gründen nicht
möglich sei. Durch diese Zurückweisung fühlt sich B unverstanden und in seinen Interessen missachtet.
Erstmals wird den Nachbarn bewusst, dass sie sich in einer angespannten Konfliktsituation befinden.
Eskalation
Nach einigen Sommerwochen kommt es zwischen den Nachbarn zum offenen Konflikt. Als B nach einer
harten Arbeitswoche im Garten Ruhe finden möchte, fühlt er sich dermaßen gestört, dass er zum
Telefonhörer greift und A zur sofortigen Einstellung der Lärmbelästigung auffordert. A fühlt sich weiter
im Recht und lässt B wissen, dass er keinesfalls am derzeitigen Zustand der Pumpe etwas ändern werde.
Der Konflikt eskaliert, als A einige Freunde zu einem Gartenfest einlädt und prompt von seinem
Nachbarn wegen Lärmbelästigung angezeigt wird. Am nächsten Tag kommt es auf offener Straße
zwischen den beiden zum Streit, der von PassantInnen beobachtet und kommentiert wird.
Gegenseitige Beschuldigungen und Beschimpfungen führen dazu, dass A schließlich mit einer
zivilrechtlichen Klage droht. Die öffentliche Auseinandersetzung führt auch dazu, dass weitere
NachbarInnen gewollt oder ungewollt in das Konfliktgeschehen involviert werden.
Strategie
Nachbarschaftskonflikte sind eine der häufigsten Konfliktsituationen. B möchte absolute Ruhe, A
möchte uneingeschränkt sein Schwimmbecken nutzen. Der Konflikt befindet sich bereits auf hohen
Eskalationsstufen (Stufe 4 bis 6). Die Parteien beharren auf ihren Standpunkten und wollen diese mit
aller Macht durchsetzen.
Ein sachliches Gespräch erscheint kaum möglich und die Konfliktparteien sind wahrscheinlich nicht
mehr in der Lage, den Konflikt in Eigenregie zu lösen. In diesem Fall wäre Delegation an eine/einen
unabhängigen VermittlerIn angezeigt.
Schlichtung
Bei Nachbarschaftskonflikten wird in ländlichen Gebieten immer noch der Bürgermeister als
Streitschlichter eingeschaltet. Allein diese Intervention reicht manchmal aus, um den Eskalationsgrad
des Konflikts zu vermindern. Wichtig ist, dass die Konfliktparteien wieder ins Gespräch kommen und
gemeinsam Lösungen entwickeln, die für beide annehmbar und auch umsetzbar sind.
Um zivilrechtliche Klagen zu vermeiden, versuchen manche BezirksrichterInnen, einen Vergleich
zwischen den Konfliktparteien zu erzielen. Erst nachdem alle Schlichtungsversuche ausgeschöpft sind,
sollte der normale Rechtsweg beschritten werden.
Aber Vorsicht: Erstens entstehen durch Gerichtsverfahren fast immer hohe finanzielle Kosten und zum
anderen ist ein gewonnenes zivilrechtliches Verfahren nicht immer ein Garant dafür, dass der Konflikt
nicht wieder aufflammt.
Schiedsverfahren
Richterliche
Ri chterliche Entscheidungen bedürfen als Basis einer unabhängigen, neutralen und
unparteilichen Entscheidungsgewalt, die unter objektiven und transparenten
Rahmenbedingungen vollzogen wird.
Das Schiedsgericht ist einer strikten Interessensneutralität verpflichtet und muss die
Regeln des Verfahrens unbefangen und ohne Zwang ausüben können. Richterliche
Entscheidungen werden zumeist dann notwendig, wenn vorgelagerte
Interventionsmöglichkeiten (z.B. Vermittlung) bereits gescheitert sind oder nicht mehr
möglich erscheinen.
Schiedsverfahren werden vor allem für Konflikte der Eskalationsstufe 6
(Drohstrategien) bis zur Stufe 8 (Zersplitterung) angewandt. Sie ermöglichen den
Konfliktparteien die Annahme einer verbindlichen Entscheidung,
Entscheidung die zur
Versachlichung der Konfliktthemen und zum Einstellen destruktiver
Konflikthandlungen führt.
Gerichtsurteile haben für die Konfliktparteien oft präventive Wirkung, weil in ihnen für
zukünftige oder ähnliche Konfliktfälle klare Verhaltensregeln zum Ausdruck kommen.
Machteingriff
Machteingriff
Ein Machteingriff ist angezeigt, wenn alle Konfliktregulationsverfahren fehlgeschlagen
sind. Konflikte auf der Eskalationsstufe 7 (Begrenzte Vernichtungsschläge) bis zur Stufe
9 (Gemeinsam in den Abgrund) können auch zwangsweise durch Machteingriff
beigelegt werden.
Ein Machteingriff ist aber nur dann erfolgreich, wenn die Interventionspartei mehr
Sanktionspotenzial in der Hand hat, als alle anderen im Konfliktgeschehen involvierten
Parteien. Auch nach dem Eingriff muss die intervenierende Stelle volle Kontrolle über
die Konfliktsituation aufrecht halten können.
In Unternehmen und Organisationen können Machteingriffe von Führungskräften
oder Aufsichtorganen aufgrund ihrer besonderen Befugnisse vollzogen werden. Oft
wird der Machteingriff als letzte Möglichkeit ergriffen, um noch größere Schäden für
die involvierten Konfliktparteien (physische und psychische Beeinträchtigung) oder für
die Organisation (Imageschaden) abzuwenden.
Z.B. kann eine Vorgesetzte/ein Vorgesetzter mittels gezieltem Machteingriff einen
Mobbingprozess unter MitarbeiterInnen beenden, um davon Betroffene am
Arbeitsplatz vor destruktiver Gewalt zu schützen.
Machteingriffe werden in eskalierenden Konfliktsituationen angewandt, um die
Konfliktparteien via höherer Gewalt wieder an den Verhandlungstisch zu bringen.
Übersichten
Das Konfliktsyndrom (nach Berkel, 1977)
Der Sinn von Konflikten
1. Konflikte machen Probleme bewusst.
bewusst.
Die Beteiligten erfahren, wo die Brennpunkte liegen und was sie selbst tun müssen, um
sie zu entschärfen.
2. Konflikte stärken den Willen zur Veränderung.
Sie signalisieren, dass etwas verändert werden muss. Z.B.: Eine alte Gewohnheit
aufgeben, eine andere Einstellung aneignen, neue Fähigkeiten erwerben
3. Konflikte erzeugen den notwendigen Druck.
Einen Druck, Probleme aktiv anzugehen. Ohne diesen Druck fehlt häufig die Kraft und
Entschiedenheit, brisante Themen anzupacken.
4. Konflikte vertiefen zwischenmenschliche
zwischenmenschliche Beziehungen.
Die Parteien lernen sich besser verstehen; wissen, was ihnen wechselseitig wichtig ist;
kennen ihre verletzliche Seite; finden heraus, wie sie auch unter Druck konstruktiv
zusammen arbeiten können.
5. Konflikte festigen den Zusammenhalt.
Zusammenhalt.
Die in der täglichen Zusammenarbeit unvermeidlichen Reibereien werden
entdramatisiert und versachlicht.
6. Konflikte machen das Leben interessanter.
Sie durchbrechen die Routine des Alltags, machen Beziehungen lebendig, Gespräche
lebhaft und spannend.
7. Konflikte geben Anstoß, Fähigkeiten und Kenntnisse zu vertiefen.
Die zunächst schwer verständlichen Ansichten der anderen Seite machen neugierig,
dem Thema auf den Grund zu gehen und neue Einsichten zu gewinnen.
8. Konflikte fördern Kreativität.
Ein Problem kann verschieden gesehen und bewertet werden. Die Betrachtung aus
einem anderen Blickwinkel vertieft das Problemverständnis der Beteiligten und erhöht
die Chance, eine neue und kreative Lösung zu finden.
9. Konflikte lassen uns und andere besser
besse r kennen lernen.
Im Konflikt erfahren wir, was uns ärgert, verletzt, zu schaffen macht, was uns wichtig
ist und wie wir reagieren, wenn andere mit uns konkurrieren oder uns behindern.
10. Konflikte führen zu besseren Entscheidungen.
Meinungsverschiedenheiten und Kontroversen zwingen uns dazu, eine Entscheidung
sorgfältig zu durchdenken, widersprüchliche Alternativen durchzuspielen und erst
dann für eine Lösung zu votieren.
11. Konflikte fördern die Persönlichkeitsentwicklung.
Um einen Konflikt konstruktiv zu bewältigen, muss eine Partei ihre egozentrische
Sichtweise überwinden und sich in die andere hineinversetzen, was ein höheres Maß
an Gemeinsamkeit und moralischer Verantwortung stiftet.
12. Konflikte können auch Spaß machen.
Wenn die Parteien die Konfliktsituation mit der nötigen Distanz betrachten und nicht
überdramatisieren, dann können Konflikte auch Spaß - im Sinne einer sportlichen
Herausforderung - machen.
nach Berkel, 1997
Das rangdynamische Positionsmodell nach Raoul
Schindler
Jede Gruppe bildet parallel zur formellen Struktur (äußerer Rahmen, z.B. Hierarchie)
eine innere, informelle Struktur aus. Dabei übernehmen unterschiedliche Personen die
verschiedenen Rangpositionen, d.h. sie übernehmen für den Aufbau und den Erhalt der
Gruppe, sowie für die Erreichung eines gemeinsamen Zieles wichtige Funktionen.
Die Gruppe ist nach Schindler erst dann eine Gruppe, wenn sie eine Identität hat.
Die Identität entsteht durch die Entwicklung der Struktur und der Rangpositionen.
Leute, die irgendwo im Raum (z.B. Wartezimmer eines Arztes) zusammensitzen,
sind noch keine Gruppe, sondern eine Menge.
Die 4 Positionen
Schindler unterscheidet 4 Rangpositionen und bezeichnet diese mit den griechischen
Buchstaben:
In einer Gruppe sind, mit Ausnahme der BetaBeta- Position, immer alle Positionen
besetzt (oder zumindest gerade umkämpft). Die Rollenzuteilung ist aber
keineswegs statisch, daher auch der Name "Rangdynamik".
Die AlphaAlpha- Position
Die Alphas werden dadurch Alphas, dass sie eine Idee haben, die ankommt. Der Alpha
repräsentiert die Gruppe in ihrer Dynamik nach außen. Mit ihm identifiziert sich die
Mehrheit der Mitglieder. Seine Ziele sind die Ziele der Gruppe.
Er hat nur eine wirkliche Verpflichtung: er muss schicksalsanteilig mit der Gruppe
verbunden sein, er muss einer von ihnen sein. Bestehen darüber Zweifel, kommt unter
den Mitgliedern Angst und Unsicherheit auf, die sich im schlimmeren Fall in
revolutionärer Aggression ausleben kann.
Die BetaBeta- Position
Wer die Beta-Position einnimmt, muss Sachkenntnis haben, die im Interesse der
Gruppe liegt. Beta berät die Gruppe mit überzeugenden Argumenten. Seine Autorität
bleibt unangefochten, er ist Spezialist. Er muss - im Gegensatz zu Alpha - etwas leisten
und vorweisen können. Er legitimiert sich nicht aus sich, sondern durch sein Werk.
Die Beta-Position muss von Alpha anerkannt sein, dieser übernimmt die
Verantwortung für ihre Vorschläge. Beta wird beim Sturz eines Alpha relativ leicht
mitgerissen oder auch von diesem als Sündenbock für einen Misserfolg der Gruppe
geopfert.
Andererseits ist ihm aufgrund seiner Selbständigkeit, aber auch durch seine guten
Kontakte nach außen, eine nicht ungünstige Voraussetzung gegeben, einmal selbst
Alpha zu sein und innerhalb der Gruppe Gegengruppierungen anzuführen.
Die Beta-Position ist die einzige der Rangpositionen, die in einer Gruppe auch
unbesetzt bleiben kann.
Die GammaGamma- Position
Die Gamma-Position ermöglicht eine anonyme Mitgliedschaft, eine das Persönliche
verdeckende Kollektivität. Es ist die am wenigsten exponierte der Rangpositionen. Man
ist in ihr ohne eigene Verantwortung. Die Gammas übernehmen den Willen des Alpha
und identifizieren sich mit ihm.
Tritt Überforderung auf, dann macht sie sich als erstes durch oppositionelle Gedanken
gegen die Gruppe bemerkbar, Austritt wird angedacht.
Die Gammas der Gruppe wenden sich affektiv gegen den Omega mit den gleichen
Affekten, mit denen sie wünschen, dass sich ihr Alpha gegen den Feind wendet.
Die OmegaOmega- Position
Gruppenneulinge wie auch Unterbegabte oder Ängstlich-Unsichere sind für die
Omega-Position wahrscheinlich. Omega bildet die negative Identität der Gruppe. Er
widersetzt sich dem gemeinsamen Weg und zieht in die Gegenrichtung. Er ist aber zu
wenig kraftvoll und selbstsicher, um der Gruppe eine andere Richtung zu geben. Er
geht zögerlich hinter ihr her.
Omega identifiziert sich mit dem Gegner und wendet sich mit seinen Affekten gegen
Alpha, von dem er die Aggression gegen sich ausgehen fühlt.
Die Gruppenmitglieder bekämpfen eigene verdrängten Anteile stellvertretend in
Omega. Die Gruppe gibt sich der Illusion hin, dass sie, wenn sie es schafft, Omega
hinauszudrängen, rascher vorankommt ("Sündenbock-Prinzip"). Das erweist sich als
Fehlschluss.
Die GG- Position
Die Rangdynamik enthält noch eine fünfte Position, die sich allerdings außerhalb der
Gruppe befindet. Der Anschaulichkeit halber setzte Schindler für diese Position den
Buchstaben "G" wie "Gegner" ein. Als Gegner steht er für alle anderen Gruppierungen
oder Inhalte, denen die Gruppe begegnen kann.
Das SündenbockSündenbock- Prinzip am Beispiel einer
Bergsteigergruppe
Beim Bergsteigen gibt es einen Müdesten,
der zurückbleibt. Die anderen machen sich permanent über ihn lustig und sagen:
"Walter ist eben ein Versager und hätte gar nicht mitgenommen
werden sollen. Der passt da nicht rein."
Dann reden alle nicht von der eigenen Müdigkeit, sondern nur von der Walters, aber
alle sind und bleiben müde. Ihre Kraft kehrt durch das Ausscheiden des Letzten nicht
wieder zurück.
Die Reife der Gruppe drückt sich dadurch aus, dass jede/r einzelne für sich die
verdrängten Anteile wahrnimmt und sie zulässt. Die Bergsteigergruppe könnte z.B.
sagen: "Wir sind alle müde, machen wir doch eine Pause."
Ein einfühlsamer Alpha wird sagen: "Machen wir eine Pause, ich bin müde", ein
uneinfühlsamer wird sagen: "Wir müssen eine Pause machen, der Walter kommt uns
nicht nach."
Vom Alpha zum Omega
Problematisch kann es werden, wenn jemand repräsentative Funktionen übernimmt
bzw. Identitätsbildner wird, aber aus einer Minderheitsposition kommt. Die Mehrheit
fühlt sich dann nicht gut repräsentiert.
Schindler führt als Beispiel den osteuropäischen Kommunismus an. Die
repräsentierenden Funktionäre stammten meist aus der Intelligenz und blieben im
Grunde der Mehrheit verdächtig. Sie mussten sich äußerlich der Mehrheit anpassen,
z.B. einen besonderen Dialekt reden. Das wird unterschiedlich angenommen, zum Teil
wird ihr Handeln als Rolle empfunden, dann fallen sie durch und werden Omegas. Sie
müssen, wenn sie in dieser Situation an der Spitze bleiben wollen, ihre Macht
einsetzen, um durchhalten zu können.
Ouellen:
Schindler Raoul: "Grundprinzipien der Psychodynamik in der Gruppe", in: Psyche 11, Heft
5; 1957 (a)
ders.: "Die Soziodynamik in der therapeutischen Gruppe", 1967, in: Psychoanalyse und
Gruppe; Hrsg. HEIGL-EVERS; Vandenhoeck & Ruprecht; Göttingen 1971
Die Konfliktdiagnose
In der Konfliktdiagnose sind die richtigen Fragestellungen ausschlaggebend für die
Bearbeitung eines Konflikts. Durch die kritische Auseinandersetzung mit
verschiedenen Aspekten eines Konfliktes wird ein einseitiges Urteil vermieden.
Zugleich ergeben sich bei der Konfliktdiagnose bereits Ansätze, die für eine
konstruktive Bearbeitung und Lösung ausschlaggebend sind. Folgende fünf Punkte
sind zu bearbeiten:
Konfliktdiagnose - 5 Punkte
1. Die Streitpunkte
Oder: Worum geht es wirklich?
2. Die beteiligten Parteien
Oder: Wer steht im Konflikt gegeneinander?
3. Die sichtbare Form
Oder: Wie äußert sich der Konflikt?
4. Der Verlauf
Oder: Wie hat sich der Konflikt entwickelt?
5. Das (bisherige) Ergebnis
Oder: Was hat der Konflikt (bisher) gebracht?
nach Berkel, 1997
Konfliktstile und Motive des Konfliktverhaltens
Grundsätzlich können zwei verschiedene Stile unterschieden werden, wie Betroffene
mit einer Konfliktsituation umgehen:
•
Die Konfliktparteien wollen absoluten Frieden haben
•
Die Konfliktparteien wollen Recht behalten und sich voll durchsetzen
Konfliktstile und Motive des Konfliktverhaltens
Zwischen den Extremhaltungen "Frieden" (völliges Nachgeben) und "Siegen" (völlige
Durchsetzung) ergeben sich jedoch mehrere Möglichkeiten einer Konfliktbewältigung:
•
Die Konfliktparteien können den Konflikt verdrängen oder eine Flucht
antreten
•
Die Konfliktparteien können sich ein Stück entgegenkommen und einen
Kompromiss aushandeln oder
•
Die Konfliktparteien können versuchen, eine gemeinsame Lösung auszuhandeln
und erreichen damit einen Konsens.
Konsens
nach Berkel, 1997
Konflikthandhabung in Phasen
Im Konfliktfall zeigt die Praxis, dass allen konstruktiven Lösungsmethoden ein Ablauf
in drei Phasen gemeinsam ist.
Phase 1: Erkennen des Konflikts durch die Konfliktparteien.
Konfliktparteien
•
Bewusstmachung der unterschiedlichen Sichtweisen.
•
Aufzeigen und Diagnostizieren der verschiedenen Interpretationen der
Konfliktparteien.
Phase 2: Erkennen der verschiedenen Einstellungen und Denkstrukturen.
•
Einsicht in die personen- und situationsbezogenen Faktoren und deren
Zusammenhänge gewinnen.
•
Problemformulierung und neue Orientierung durch die Wahrnehmung anderer
Sichtweisen.
•
Aufbau von wechselseitigem Verständnis und Vertrauen.
Phase 3: Kooperatives Problemlösen, Festlegen von Regelungen, Klärung
zukünftiger
zukünftiger Erwartungen.
•
Setzen von Präventivmaßnahmen.
•
Überlegungen, wie mit zukünftigen Differenzen umgegangen werden könnte.
nach Königswieser, 1987
Sechs Grundregeln für eine positive
Konflikthandhabung
1. Vermeiden Sie, dass Ihr/e GegnerIn "das Gesicht
Gesicht verliert".
Bleiben Sie immer beim aktuellen Thema. Wärmen Sie nicht alte Fehler der/des
anderen auf. Beleidigen Sie die/den anderen niemals persönlich.
2. Wahren Sie Ihre Selbstachtung.
Ziehen Sie sich rechtzeitig aus einer Auseinandersetzung zurück, wenn Sie spüren, dass
Sie die Selbstbeherrschung verlieren. Antworten Sie konsequent nicht auf persönliche
Beleidigungen.
3. Versetzen Sie sich immer in die Lage des/der anderen.
Versuchen Sie zu verstehen, was in der/dem anderen gedanklich und emotional
vorgeht. Lassen Sie der/dem anderen mehr Redezeit. Hören Sie zu und beobachten Sie.
4. Verzichten Sie darauf, andere Menschen ändern zu wollen.
Nehmen Sie die/den anderen, wie sie/er ist. Sie/er wird ganz sicher so bleiben und sich
nicht von Ihnen umerziehen lassen. Sagen Sie der/dem anderen nicht, wie er denken
oder fühlen müsste.
5. Vertreten Sie Ihren Standpunkt konsequent und strategisch klug.
Sagen Sie ohne Umschweife, was Sie wollen. Versuchen Sie immer zu überzeugen.
Überreden, moralische Erpressung oder sonstiger Druck geben nur kurzfristige Erfolge.
6. Reduzieren Sie die Gefahr von Folgekonflikten.
Legen Sie einen geklärten Konflikt zu den Akten. Kommen Sie möglichst nicht mehr
zum Thema zurück. Ziehen Sie möglichst keine Unbeteiligten hinein.
nach Kellner, 1999
Kooperative Konfliktbewältigung
Das Modell der kooperativen Konfliktbewältigung kann in Form eines Kreislaufes
dargestellt werden. Wichtig dabei ist, dass die persönliche Verarbeitung den Anfangsund Schlusspunkt der Konfliktbewältigung darstellt. Der Kreis schließt sich erst, wenn
die Beteiligten den Konflikt verarbeiten konnten.
Ziel des kooperativen Konfliktgesprächs ist, dass die Parteien einen Konflikt zwischen
sich so in den Griff bekommen, dass sie (wieder) situationsbezogen erleben und
zielorientiert handeln können.
nach Berkel, 1997
Das kooperative Konfliktgespräch in sechs Phasen
Menütitel: Kooperation II
Seitentyp: Einspalter
Erstellung: 11.09.2003 14:30
Letzte Änderung: Helms, Verena 09.01.2005 16:23
Seite: Kooperative Konfliktbewältigung
1. Erregung kontrollieren.
o
Eigene körperliche Warnsignale beachten.
o
Vorwürfe bewusst übergehen und nicht aus dem Gleichgewicht bringen
lassen.
o
Zwischen eigener Rolle und fremder Rolle unterscheiden.
o
Vertrauen bilden.
2. Eigene Vorstellungen und Gefühle mitteilen
o
Realistische Vorstellungen formulieren.
o
Eigene Motive und Absichten offen aussprechen.
3. Offen kommunizieren.
o
Sorgfältiges Zuhören und Nachfragen.
o
Ergebnisse immer wieder zusammenfassen.
o
Lockerer Gesprächsstil mit Humor.
4. Problem lösen.
o
Nutzen und Vorteile für jede Seite herausstreichen.
o
Risiken bei Nichteinigung ansprechen.
o
In Tausch und Gegentausch eintreten.
5. V ereinbarung treffen.
o
Erfolg auch bei kleinen Ergebnissen betonen.
o
Keine vorschnellen Entscheidungen akzeptieren.
o
Erzielte Vereinbarung klar und verständlich formulieren.
6. Persönlich verarbeiten.
o
Rachegefühle verbannen.
o
Enttäuschungen innerlich verarbeiten.
o
Erzielte Vereinbarung innerlich bejahen.
Sechs Schritte zur Konfliktbewältigung (nach Berkel,
1997)
1. Erkennen und Definieren des Konflikts
Die Konfliktparteien konfrontieren sich selbst mit dem Konfliktgeschehen.
Dadurch ist ein Anerkennen des Konflikts bzw. des Konfliktauslösers besser
möglich. Erst wenn der Konflikt allen Parteien klar und verständlich ist, kann
fortgesetzt werden.
2. Konfliktbewältigungsstrategien gemeinsam entwickeln
Die Konfliktparteien sind gemeinsam in den Prozess einer Konfliktbewältigung
involviert. Sie erarbeiten ihre eigenen Verhaltensmuster, die
Rahmenbedingungen, die zum Konflikt geführt haben und mehrere
Bewältigungsmöglichkeiten.
3. Bewertung der verschiedenen Bewältigungsmöglichkeiten
4. Entscheidung treffen
Die Konfliktparteien wählen eine Bewältigungsstrategie, die sie umsetzen
möchten und legen fest, wer was bis wann zu tun hat.
5. Entscheidung ausführen
Die Bewältigungsstrategie wird ausgeführt. Nach einem vereinbarten Zeitraum
sollte die Entscheidung und die daraus resultierenden Folgen für die
Konfliktparteien überprüft werden.
6. Ergebnisse evaluieren
Nach geraumer Zeit sollten die Konfliktparteien das Ergebnis überprüfen:
o
Was oder welche Faktoren haben zum Erfolg geführt?
o
Ist der Konflikt wieder aufgeflammt?
o
Sind die Konfliktparteien mit dem Ergebnis zufrieden?
o
Gibt es Veränderungen in der Beziehung?
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