vorher/nachher report zimmer mit aussicht Eine Wohnraumerweiterung im Erdgeschoss verleiht einem Einfamilienhaus von 1927 eine nie da gewesene Grosszügigkeit. Die Architekten Daniel Tigges und Oliver Brandenberger erzeugen mit dem polygonalen Anbau ein vielschichtiges Wohnerlebnis. 2 vorher Text: Britta Limper / Fotos: Basile Bornand 1 Der Anbau besticht mit seiner extravaganten, polygonalen Form und mit seiner dunklen Fassade. Es konnten 53 Quadratmeter Wohnfläche hinzugewonnen werden. Noch hat die Fassade des Altbaus ihre Patina, doch bald schon soll sie neu gedämmt und saniert werden. 2 Ein kleiner Vorbau und eine Gartenhütte mussten dem neuen Anbau weichen. Das lang gestreckte Grundstück bot ausreichend Fläche für einen Anbau in sinnvoller Grösse. 1 Nachher Umbauen+Renovieren 4 | 2009 71 vorher/nachher report 3 vorher 3 + 4 Vor dem Umbau wurde das Haus von 1927 von der Strassenseite aus betreten. Der ehemalige Eingang ist in der Fassade belassen und mit einer schwarzen Glasscheibe geschlossen worden, «zugunsten der Ehrlichkeit der Substanz», wie Architekt Oliver Brandenberger sagt. Der neue Eingang befindet sich an der Fassade des Altbaus, die in den Anbau übergeht. Zudem ist durch die neue Gebäudekomposition ein grossflächiger Vorplatz entstanden. 5 5 Auch vom Altbau aus, hier die Küche, kann man den Blick durch den Anbau hindurch in den grünen Garten schweifen lassen. 6 Die Küche ist in schlichtem Weiss gehalten. Das Fenster musste aufgrund der Höhe der Arbeitsfläche nach oben versetzt werden; aussen entstand durch diesen Eingriff eine praktische Nische für Gewürzpflanzen. 6 4 Nachher «Das vormals introvertierte Gebäude erhält durch den abgestuften Anbau mit seinen Ausblicken eine neue Offenheit.» Daniel Tigges, Architekt Umbauen+Renovieren 4 | 2009 73 vorher/nachher report Erdgeschoss wohnen essen WC eingang zimmer küche 0 5 N 8 «Die Stirnfassade zeigt ein Abbild der Umgebung, ähnlich der Projektionsfläche einer begehbaren Lochkamera.» Daniel Tigges, Architekt A 7 74 Umbauen+Renovieren 4 | 2009 us- und Einblicke, neu und alt, gross und klein, hell und dunkel – ein Haus voller Kon­traste. Doch so gegensätzlich der Altbau und der Anbau sich zunächst auch präsentieren mögen, so harmonisch und selbstverständlich verschmelzen sie doch miteinander. Das Einfamilienhaus von 1927, das in der Nähe von Basel steht, hat durch den ausgeklügelten Umbau nicht nur an Wohn­fläche, sondern auch an Ausstrahlung und Einzigartigkeit gewonnen und behauptet sich selbstbewusst in dem gewachsenen Wohnquartier. Für den Umbau zeichnen die Basler Architekten Oliver Brandenberger und Daniel Tigges verantwortlich. Die Bauherrschaft, eine junge Familie, wünschte sich mehr Platz in ihrem neu erworbenen Haus, vor allem im Wohnbereich. Der besondere Charme des Altbaus sollte dabei möglichst erhalten bleiben. Die Zimmer im Altbau wurden daher nur einer dezenten Sanierung unterzogen, so etwa die Holzböden und Türen aufgearbeitet und die Nasszellen erneuert. Der Schmetterling | Da ein Anbau aufgrund der Lage des Hauses auf dem lang gestreckten Grundstück und aufgrund der Bauvorschriften nur an der Gartenfassade und mit Flachdach nur eingeschossig möglich war, ergab sich für den Anbau eine ungewöhnliche, polygonale Form. Er wächst aus der Nordwest-Fassade des Altbaus und bewegt sich, abgestuft und dank grosser Fensterflächen lichtdurchflutet, in den Garten hinein. Der private Aussenraum wird völlig neu definiert und bietet ungeahnte Möglichkeiten der Gestaltung. «Der Anbau erinnert in seiner Form an einen Schmetterling», sagt Brandenberger. › 7 Die Abtreppung des Volumens im Anbau, die sich durch das Gefälle im Gelände ergibt, unterstützt die fliessende Raumabfolge. 8 Im Anbau fühlt man sich wie in einem grossen Gartenzimmer. Die Stimmung wird massgeblich durch die Ausblicke in den Garten bestimmt. Umbauen+Renovieren 4 | 2009 75 vorher/nachher report 9 Der neue Eingangsbereich, der im Altbau liegt, ist grüngolden gestaltet. Er übernimmt die Vermittlung zwischen dem neuen und dem alten Gebäudeteil. 10 76 › Tigges ergänzt: «Die Stirnfassade, eine ein- Raumstimmungen | Betritt man das Haus, zige Glasfläche, zeigt ein Abbild der Umgebung ähnlich der Projektionsfläche einer begehbaren Lochkamera.» Der eigene Garten und derjenige der Nachbarn wird inszeniert. «Wie bei einem japanischen Garten mit einem sogenannten ‹borrowed view›, einem entliehenen Blick», so Brandenberger. Die Vermittlung zwischen Alt und Neu war die grösste Herausforderung. Da sich im Anbau die öffentlichen Räume, also Wohnund Esszimmer, befinden, erwies sich der alte Eingang von der Strassenseite her als unpraktisch. Brandenberger und Tigges verlegten den Eingang daher in das Zentrum des Gebäudes. Diese einschneidende Veränderung ist auf den ersten Blick von aussen kaum wahrnehmbar: Der ehemalige Eingang wurde in der Fassade belassen und mit einer schwarzen, reflektierenden Glasscheibe versehen. Im Inneren jedoch ergab sich eine leicht veränderte Raumabfolge. Neu wird das Haus über einen grosszügigen Vorplatz durch die ehemalige Küche erschlossen. Und wo früher der Eingangsbereich war, ist heute das vergrösserte Gäste-WC. wird man von einem grüngoldenen, mystisch wirkenden Flur empfangen. Links blickt man in das alte Treppenhaus, das seit der Renovation hell gestaltet ist, rechts gleitet der Blick durch den insgesamt 53 Quadratmeter grossen Anbau hindurch in den Garten. Zwei unterschiedliche Welten, die dennoch durch eine ruhige, lichte und elegante Grundstimmung miteinander verbunden sind. «Das vormals introvertierte Gebäude erhält durch den zum Garten abgestuften Anbau mit seinen Ausblicken eine neue Offenheit», sagt Daniel Tigges. Eine Offenheit und Leichtigkeit, die sich nicht nur im Anbau, sondern auch im Erdgeschoss des Altbaus zeigt, so etwa in der Küche, die neben der Eingangshalle einen zweiten direkten Zugang zum Anbau bietet. Sie profitiert von den grossflächigen Fenstern im Essbereich. Und obwohl zwischen Alt- und Neubau atmosphärisch eine Annäherung stattfindet, verleugnet keiner von beiden seine Entstehungszeit. Sie akzeptieren und respektieren einander, und dennoch gelingt es ihnen, voneinander zu profitieren. ‹ Umbauen+Renovieren 4 | 2009 Konzept und Architektur Oliver Brandenberger und Daniel Tigges Hochstrasse 111, 4053 Basel T 061 331 66 77 www.oliverbrandenberger.com www.tiggesarchitekt.ch Kontaktadressen Baumeister: Schlump & Imhof, T 061 411 36 77 Bauphysik: Moritz Zimmermann, Bauphysiker SIA, T 032 661 00 32, [email protected] Elektriker: Elektro Degen AG, T 061 935 35 35, www.elektro-degen.ch Fassadenputze: Knauf AG, T 061 716 10 10, www.knauf.ch Fenster/Küche/Schreiner: Weber AG, T 061 911 01 74, www.schreinerei-weber.ch Heizung: Amsler U. AG, T 061 821 81 31 Ingenieur: ZPF Ingenieure AG, T 061 386 99 88, www.zpfing.ch Kunst am Bau: Leif Bennet, T 061 681 58 71, [email protected] Malerarbeiten: Siegrist Malerteam GmbH, T 061 382 91 90, www.wowiwa.ch Plattenarbeiten: Mösch AG, T 061 332 00 60, [email protected] Spengler/Sanitär: Meister Sanitär + Spenglerei AG, T 061 461 30 67 Leserdienst 125 Oliver Brandenberger, Architekt infos zum bau Leserdienst 126 9 «Der dunkle Anbau erinnert mit seiner polygonalen Form an einen Schmetterling.» oliver brandenberger (links) und DAniel tigges betreiben beide ein eigenes Architekturbüro in Basel und Barcelona. Sie bearbeiten unabhängig voneinander Neu- und Umbauprojekte und arbeiten gemeinsam an verschiedenen Projekten. Leserdienst 124 10 Die Räume des Altbaus wurden sanft saniert. Die Kleinteiligkeit des alten Hauses ist hier noch deutlich zu spüren. Sie setzt einen Kontrast zur räumlichen Grosszügigkeit des Anbaus.