Lifestyle Drugs - Österreichische Apothekerkammer

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Lifestyle Drugs
Arzneien für Gesunde
Lifestyle ist «in» - vor allem in den Medien. Wie Pilze sind Lifestylemagazine in den letzten Jahren, elektronische und gedruckte, aus dem Boden geschossen: Es gibt kaum mehr Zeitungen,
Radio- oder TV-Sender, die nicht eine entsprechende Sendung oder eine Lifestyle-Rubrik eingeführt haben. Wer diesem Party-Lifestyle nachlebt und zur persönlichen Norm macht, gleichzeitig gegen die 50 oder 60 zugeht, bekommt ein Problem: Der Waschbrettbauch verformt, die
Haare verflüchtigen sich und das Gedächtnis schwindet langsam. Kurz: Wer in die Jahre
kommt, hat Mühe, den jugendlichen Lifestyle längerfristig aufrecht zu halten. Sind diese Konsumenten die Zielgruppe unserer Sommerakademie in Pörtschach? Ist Lifestyle ausschließlich
eine Spielart eines bestimmten Konsumverhaltens?
Das amerikanische Magazin „BusinessWeek“ schätzt, dass sich der Betrag, den Konsumenten
für pharmazeutische Produkte ausgeben, innerhalb der nächsten fünf Jahre weltweit durchaus
verdoppeln könnte. Hauptzielgruppe: muntere Fünfzigjährige, die die verbleibenden dreißig Lebensjahre genießen wollen. Und die durchaus gewillt sind, sich ihre Vitalität etwas kosten zu
lassen. Mit den neuen sogenannten „Lifestyle-Medikamenten“ und den dazu passenden Lebensmitteln aus der gentechnischen Wunderkiste öffnet sich weltweit ein Milliardenmarkt, der
die gesamte Branche aufwirbelt, so das Wirtschaftsmagazin.
Der Ausdruck "Lifestyle-Medikamente" oder "Lifestyle-Drogen" hat sich in der Öffentlichkeit in
Windeseile durchgesetzt, ohne dass es dafür bislang mehr als eine sehr unscharfe Definition
gibt. Wie aus dem Namen ersichtlich handelt es sich dabei um Arzneimittel, die das Ziel haben,
den Lebensstil in Form der Lebensqualität zu ändern, zu verschönern. Ohne Zweifel entspricht
es dem Auftrag der Medizin, die Lebensqualität - so schwer diese auch zu messen ist - zu
verbessern. Dies gilt zumindest dann, wenn die Lebensqualität durch Krankheiten eingeschränkt ist. Immer häufiger tauchen aber im Rahmen der Medizin auch Verfahren auf, die dazu
geeignet sind, die Lebensqualität zu verbessern, ohne dass Krankheiten im eigentlichen Sinne
vorliegen. Die Definition von Krankheit (Mhd. "kranc" ist = schwach, kraftlos) ist also abhängig
von unserem Konzept von Gesundheit oder Gesundsein. Da existiert auf der einen Seite die
Definition der WHO, Gesundheit sei die Abwesenheit jeder denkbaren körperlichen, psychischen oder sozialen Beeinträchtigung. Auf der anderen Seite erleben wir die Entwicklung zu
einer stärkeren Selbstverantwortlichkeit des Bürgers, der in
einer immer älter werdenden Bevölkerung rechtzeitig vorsorgen muss, um nicht im harten Wettbewerb von gutem Aussehen, körperlicher und seelischer Vitalität zu unterliegen. Der moderne
Lifestyle verlangt eben vom stets aktiven und dynamischen Menschen Jugendlichkeit, Spannkraft und noch dazu gutes Aussehen. Älter und damit unattraktiv und scheinbar nutzlos zu werden, mit den dazugehörigen äußeren Anzeichen, ist out. Man gibt sich betont jugendlich, sowohl in der Kleidung als auch im Verhalten.
Auf der Suche nach dem ewigen Jungbrunnen, das Leid der Impotenz klagend, die Unförmigkeit des übergewichtigen Körpers tagtäglich im Spiegel entdeckend, sich nicht abfindend mit
immer dünner werdender Haarpracht, anfällig für Alltagsdepressionen, in ewigen Stresszuständen lebend, erobern Präparate wie ViagraÒ, XenicalÒ und ReductilÒ, ZybanÒ, ProzacÒ, SeroxatÒ oder Propecia® aber auch DHEA, Vitamin E und Melatonin den Käufermarkt.
Vom Einhorn zu Viagra
Lifestyle-Arzneien sind keine Erfindung unserer Zeit. Medizin und Pharmazie waren immer
schon auf der Suche nach lebensverlängernden Allheilmitteln, nach Mitteln, die vornehmlich die
Lebensqualität verbessern sollten. Neu ist nur der Name und neu ist, dass auf diesem Feld auf
einmal Arzneimittel auftauchen, deren Wirkung und klinische Wirksamkeit, ebenso wie ihr Risiko und ihre Qualität nach modernen Kriterien untersucht und auf dieser Basis von den Gesundheitsbehörden für den Markt zugelassen wurden. Denken wir an die heute vergessenen Mittel
wie Einhorn, Mumia, Alraune, Canthariden oder an den berühmten Theriak. Theriak, ursprünglich ein antidoton, das Andromachus, der Leibarzt Neros, entwickelte und neben Opium und
Vipernfleisch verschiedene Würzkräuter, Wurzeln, Honig und Wein enthielt, bekam im Mittelalter den Ruf eines Wundermittels, galt als Panacee (allmächtiges Heilmittel) und bestand neben 60 (manchmal bis zu 300 !) weiteren, oft wechselnden Zutaten, vor allem aus Opium sowie
aus Radix Angelicae, Radix Valerianae und aus Fructus Dauci. Einer der wichtigsten Handelsplätze für Theriak war Venedig, was nicht unwesentlich zum Reichtum der Kaufmannsstadt beitrug. Wegen der wirtschaftlichen Beziehungen zu Asien war besonders dort das Opium in reiner, nicht verlängerter Form erhältlich. Im 18. Jahrhundert begann der Ruhm des Theriak zu
verblassen. In der Pharmacopoea Germanica von 1882 wird noch ein Electuarium Theriaca
aufgeführt, das nur noch 12 Zutaten enthält. Einen letzten Nachhall hat Theriak im „Elixir ad
longam vitam“ (Tinctura Aloes composita DAB6) und als „Schwedenbitter“ gefunden.
Lifestyle-Arzneimittel in der Apotheke
Die Arzneimittelherstellung in der Apotheke erschien oft mystisch und geheimnisvoll. Überall
dunkles Holz, der Geruch, die Gefäße aus Zinn, Glas, Fayence und Porzellan mit rätselhaften
Aufschriften in den Regalen, all das hatte etwas magisches an sich. Hinzu kam, dass die Offizin
vergangener Zeiten oft durch allerhand furcht- und ehrfurchterregende Tiere und anderen
merkwürdigen Naturprodukten ausgeschmückt wurde. Unter der Decke aufgehängte ausgestopfte Krokodile, Eidechsen, Kugelfische, Schlangen, Narwalzähne, Schwerter vom Schwertfisch oder große Muschelgehäuse waren da zu sehen. Es ist daher kein Wunder, dass man daher gerade dem Apotheker Geheimwissen um Wundermittel, die man wohl heute LifestyleDrugs bezeichnen würde, zuschrieb.
Lifestyle-Drugs: Meinungsumfragen
Wie denkt nun die Bevölkerung heute über diese Arzneimittel? Mehr als zwei Drittel der Deutschen halten einer Umfrage zufolge Lifestyle-Medikamente für einen Werbetrick der Industrie.
Im sogenannten DAK-Gesundheitsbarometer gaben 70 Prozent der Frauen und 69 Prozent der
Männer an, nicht an eine Wirkung dieser Medikamente zu glauben, die Abhilfe bei Übergewicht,
Haarausfall oder Impotenz versprechen . 59 Prozent der insgesamt 1000 Befragten halten diese Medikamente sogar für gefährlich und fürchten deren Nebenwirkungen. Ebensoviele lehnten
demnach eine Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse ab, weil diese Mittel reiner Luxus seien. Umgekehrt wurde in einer im vergangenen Februar veröffentlichten repräsentativen
EMNID-Umfrage erhoben, dass jeder zweite Deutsche über 50 bereit wäre, Geld für die „ewige
Jugend“ zu bezahlen. Besonders spendabel in dieser Hinsicht seien die Männer: Zehn Prozent
der deutschen Männer über 50 wären bereit, monatlich über 100 Mark für sogenannte AntiAging-Medikamente auszugeben. Und hier spielt das Internet eine wichtige Rolle: Nach Schätzungen der deutschen Apotheker werden bereits rund 50 Prozent aller Potenzmittel und ein
großer Teil so genannter Lifestyle-Medikamente wie Haarwuchsmittel, Schlank- und Fitmacher
elektronisch vertrieben. Rund zehn Prozent seien sogar gefälscht.
Internet Versand
Und auch das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) hat erst kürzlich
vor Medikamenten aus dem Internet gewarnt und Broschüren bei allen praktischen Ärzten in
Österreich und in Apotheken aufgelegt. „Am liebsten werden sogenannte Lifestyle Medikamente
über Internet bestellt“ heißt es dort „wahrscheinlich glauben die Leute, dass sie sich auf diesem
Weg niemandem rechtfertigen müssen. Die Hemmschwelle, Viagra übers Netz zu kaufen, ist
wesentlich niedriger." Meinte beispielsweise die ÖBIG Expertin Vogler.
Vogler warnte auch davor, zu glauben, dass die Internet-Arzneimittel wesentlich billiger sind:
"Viagra wird zum Beispiel über die Pages stückweise verkauft, normalerweise gibt es diese in
Packungen zu vier oder zwölf Stück. Daher sieht es so aus, als würde die Potenzpille weniger
kosten." Dabei müsse man ja noch Gebühren und Versandkosten dazu rechnen.
Rechtlich gesehen gebe es wenig Möglichkeiten, gegen die Online-Doktoren vorzugehen. "Klagen sind problematisch. Das Geld ist meistens weg, und man weiß nicht, wo die Anbieter zu
Hause sind, denn die sind meistens nicht mehr auffindbar", meinte Vogler. Deswegen: Hände
weg von Medikamenten aus dem Internet. "In Österreich gibt es ausgezeichnete professionelle
Beratung durch Ärzte und Apotheker und diese Hilfe sollte auch in Anspruch genommen werden", sagte die ÖBIG Expertin kürzlich anlässlich einer Pressekonferenz.
Wir Apotheker werden also durch die neuen Lifestyle-Medikamente herausgefordert. Ein Beipackzettel kann die komplexen Fragen, die im Interesse der Patienten beim Einsatz dieser Arzneimittel auftauchen, nicht beantworten. Seriöse Antworten kann nur geben, wer die Daten
kennt: Und deshalb hat sich der Fortbildungsbeirat der Österreichischen Apothekerkammer mit
dieser Thematik beschäftigt und dieses aktuelle Thema für die 5. Sommerakademie für Apotheker (Pörtschach, 22.bis 24.Juni 2001) ausgewählt.
Arzneien für Gesunde
Mit zunehmendem Gesundheitsbewusstsein breiter Bevölkerungskreise konzentriert sich das
Interesse immer mehr auf Möglichkeiten, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden zu erhalten. Dieses Interesse wird durch die mediale Präsenz diverser „Gesundheitsseiten“ von Zeitungen und
Journalen sowie einer unüberschaubaren Fülle von „Ratgebern“ geweckt und führt bei Laien
oftmals zu weit überzogen Erwartungen. Andererseits widmen sich aber auch immer mehr seriöse wissenschaftliche Studien den Möglichkeiten, durch Supplementierung geeigneter Wirkstoffe ein gesundes Leben bis ins hohe Alter zu ermöglichen. Vor allem für die Apotheke besteht hier die Chance, in diesem Spannungsfeld zwischen überzogenen und oftmals falschen
Erwartungen sowie wissenschaftlich fundierten Ergebnissen als kompetente Ansprechstelle eine wichtige gesundheitspolitische Funktion übernehmen zu können:
Laienpresse
Wiss. Publikationen
Apotheke
Kunde
Im Mittelpunkt von „Anti-Aging“-Strategien
steht sicherlich an erster Stelle die „antioxidative Prophylaxe“ mittels b-Carotin sowie den Vitaminen C und E, ergänzt durch
das Spurenelement Selen.
Zunehmend konzentriert sich das Interesse
auch auf die Folsäure als Gegenspieler von
Homocystein. Als weitere populäre Bausteine von „Vitalstrategien“ fungieren Q10, Melatonin, DHEA und NADH.
Die 4 wichtigsten großen Supplementierungsstudien mit b-Carotin sind widersprüchlich: Die erste chinesische Großstudie (15mg b-Carotin plus Vit. E und Selen) schien eine deutliche Reduktion der gesamten Krebsmortalität (minus 13%) zu belegen, vor allem aber wurde signifikant
weniger Magenkrebs (minus 21%) diagnostiziert. Die finnische ATBC- sowie die US-amerikanische CARET-Studie dagegen zeigten bei Rauchern überraschenderweise ein deutlich erhöhtes
Lungenkrebs auf (plus 18 bzw. 28%). Die Physician’s Health Study (5 Jahre jeden zweiten Tag
50 mg b-Carotin) ergab zunächst keinen Einfluss auf die Häufigkeit bösartiger Neoplasmen,
nachträglich fand man jedoch in einer Untergruppe mit anfangs niedrigen b-Carotin-Plasmaspiegeln eine Senkung des Prostatakrebsrisikos (minus 36%). Eine Supplementierungsempfehlung
erscheint auf Grund der widersprüchlichen Daten derzeit fragwürdig, bei Rauchern aber geradezu kontraindiziert.
Vitamin C entfaltet im menschlichen Organismus eine breite Palette biologischer Funktionen
und zeigt bei Atherosklerose und koronaren Herzkrankheiten ein günstiges Wirkprofil. Weiters
senkt es Blutdruck und Hyperlipidämie, verbessert die Endothelfunktionen und dürfte bei Krebs
ein chemoprotektives Potential ausüben. Vitamin C verbessert messbar die Lungenfunktion und
reduziert bei Erwachsenen progressive Asthmasymptome. Die prophylaktisch optimalen Dosen
dürften bei ca. 100 bis 200 mg liegen. Nach einer jüngsten englischen Studie (20 000 Personen) korrelieren hohe Plasmaspiegel nicht nur mit positiven Gesundheitseffekten sondern wirken eindeutig lebensverlängernd (Beobachtungszeitraum: 4 Jahre).
Die präventive Wirksamkeit von Vitamin E auf koronare Herzkrankheiten (WHO-MONICAProjekt) erschöpft sich keineswegs in der antioxidativen Wirkung sondern beruht auch auch auf
der Funktion als Enzymaktivator. Weiters hemmt es darüber hinaus die Thrombozytenaggregation, hat außerdem antiproliferative Effekte und steigert die Immunabwehr. Dabei sollte Vitamin
E immer langfristig eingenommen werden, der präventive Effekt kann kaum zum Tragen kommen, wenn die Einnahme (ca. 100 bis 200 I.E.) nach kurzer Zeit schon wieder beendet wird.
Fraglich ist, ob es auch bei Hochrisikopatienten einen positiven Effekt auszuüben vermag (Se-
kundärprävention) – diesbezügliche Ergebnisse sind jedenfalls widersprüchlich (CHAOS- bzw.
HOPE-Studie).
Selen wirkt durch seinen Einbau in die Glutathionperoxidase als Antioxidans, wie auch die Vitamine A, C und E und kann dadurch auch deren Mangel kompensieren. Der Vorzug von Selen
gegenüber diesen Vitaminen ist aber, daß es praktisch nicht verbraucht wird, eine ca.1000fach
stärkere Wirkung als Antioxidans als Vitamin E hat und auch oxidiertes Vitamin C und E wieder
reduzieren und somit reaktivieren kann. Die Selenaufnahme ist in Österreich nicht bedarfsdeckend, durch Supplementation könnte wahrscheinlich Krankheiten, die auf Entstehung von Lipidperoxiden beruhen (Pankreatitis, Atherosklerose) vorgebeugt aber auch das Krebsrisiko gesenkt werden.
Folsäure kommt in sehr geringer Konzentration praktisch in jeder lebenden Zelle vor und ist für
Zellwachstums- und Zellteilungsprozesse ein unabdingbarer Faktor. Schon in der ersten Lebensphase des Embryos ist Folsäure für den Verschluss des Neuralrohrs verantwortlich – ausreichend hohe Plasmaspiegel senken eindeutig das Risiko von Neuralrohrdefekte beim Neugeborenen. Weiters spricht immer mehr für die Theorie, dass durch Folsäuresupplementierung der
Homocysteinspiegel gesenkt und somit das Atheroskleroserisiko herabgesetzt werden könnte
zumal die ausreichende Zufuhr dieses Vitamins durch die Durchschnittsernährung nicht
gewährleistet ist.
Coenzym Q10, auch als Ubichinon-10 bezeichnet, ist Teil der Atmungskette des menschlichen
Organismus. Als weitere Funktion wird ein Schutz vor der Einwirkung von Radikalen diskutiert.
Q10 wird normalerweise in ausreichenden Mengen in nahezu allen Geweben aus Phenylalanin,
das bei einer üblichen Ernährung in notwendigen Mengen zur Verfügung steht, hergestellt. Zudem kommt, dass sowohl tierische als auch pflanzliche Lebensmittel Ubichinone mit kürzerer
Seitenkette (Q6 bis Q9) liefern, die im Organismus problemlos in Q10 übergeführt werden können. Bei Herzkrankheit kann Q10 durchaus mit Erfolg eingesetzt werden, eine Supplementierung beim Gesunden erscheint nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch überflüssig.
NADH ist einer der wichtigsten Elektronen-Transporter bei der Oxidation von Nährstoffen und
als essentielles Coenzym, das aus dem Vitamin Niacin hergestellt wird, in jeder Zelle vorhanden. Eine Supplementierung zur Steigerung der „Lebensenergie“ und „um unser Gehirn um
Jahrzehnte länger jung zu erhalten“ entbehrt leider jeglicher wissenschaftlicher Grundlage.
Gleichfalls muss dessen vorbeugende Wirkung gegenüber Alzheimer als völlig aus der Luft gegriffen beurteilt werden.
Einer der populärsten Wirkstoffe als „Jungbrunnen“ stellt Dehydroepiandrosteron (DHEA) dar.
Vor allem in den USA ist es als Nahrungsergänzungsmittel selbst im Supermarkt frei erhältlich
und weckt bei den Konsumenten eine Fülle von Hoffnungen. Bislang ist es jedoch nicht gelungen all die „Anti-Aging“-Effekte beim Menschen durch Studien eindeutig zu belegen. Der anerkannte Abfall der endogenen DHEA-Spiegel mit zunehmendem Lebensalter kann zwar einfach
und wirksam durch Supplementierung einer täglichen Gabe von 20 bis 50 mg auf „jungendliches“ Niveau angeoben werden – unklar ist aber nach wie vor, ob daraus langfristig ein nachweisbarer positiver Effekt abgeleitet werden kann.
Ein weiteres „Wundermittel“ stellt das Zirbeldrüsenhormon Melatonin dar, das gleichfalls den
Alterungsprozess verzögern, ja sogar rückgängig machen soll. Auch in diesem Fall wurde sehr
rasch aus Tierversuchen auf mögliche Wirkungen beim Menschen geschlossen. Wirklich gesichert ist derzeit nur der Einfluss auf die Regulation der zirkadianen Rhythmik. Da Melatonin
wahrscheinlich ein potenter Wirkstoff ist, sollte es nicht unkritisch eingenommen bzw. supplementiert werden.
Supplementierung und Leistungssteigerung
im Breitensport
Nicht zuletzt durch die österreichweit angelegte Aktion „Leichter leben“ wurden Wellness und
Breitensport in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Die Säulen für körperliche und geistige
Fitness sind demnach eine ausgewogene, vollwertige, vor allem aber kalorisch kontrollierte Ernährung sowie Bewegung in Form von moderatem Sport.
In der Apotheke werden wir es in erster Linie mit Breitensportlern zu tun haben, also mit Personen, bei denen die Freude an aktiver Freizeitgestaltung und Bewegung im Vordergrund stehen.
Dies hindert die Hobbysportler jedoch keineswegs daran, sich zur Analyse der persönlichen
Fitness mit anderen Sportlern, z. B. der eigenen Altersklasse, im Wettkampf zu messen, womit
sie sich in die Bahnen eines Leistungssportlers einschleifen. Mit einem Mal sind Fragen der
Trainingsgestaltung aktuell, und auch der Wunsch nach leistungssteigernden Maßnahmen
könnte sich bald einstellen.
Wie der Breitensportler schöpft auch der Leistungssportler seine Basisenergie aus einem vollwertigen Speiseplan. Der Begriff „Leistungsförderung“ in Zusammenhang mit Sport umfasst jedoch alle Maßnahmen, die ein Training ausmachen, also zunächst die Belastungsgestaltung
selbst, ob Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination (Technik) oder Flexibilität (Gelenkigkeit)
trainiert werden und mit welcher Intensität dies geschieht. Dazu zählen auch die Maßnahmen
zur Regeneration nach der Belastung, z. B. physikalische Maßnahmen wie Massagen, Bäder,
Sauna, Klimawechsel, Höhenaufenthalt sowie Entspannungstechniken einschließlich der Kunst,
sich in einem guten Schlaf von Grund auf zu erholen. Eine psychologische Begleitung wird von
Vorteil sein.
Kraft unserer Ausbildung können wir Apotheker Spezialprodukte der Diätetik beim Sport bereithalten.
Substitution bedeutet im Allgemeinen das Ergänzen von Fehlendem oder Verlorengegangenem, Supplementierung im Unterschied dazu ist eine über den durchschnittlichen Normalbedarf hinausgehende Versorgung. Das Problem ist natürlich die Frage nach dem „durchschnittlichen Normalbedarf“, der je nach Standpunkt die Grenze zwischen Substitution und Supplementierung unscharf werden lässt.
Neben der täglichen Energiebilanz ist bei der Ausübung von Sport die Wahrung der folgenden
Bilanzen wissenschaftlich und klinisch abgesichert:
- Flüssigkeits-Bilanz
- Mineralstoff-Bilanz
- Kohlenhydrat-Bilanz (ergogene Teilaspekte)
- Vitamin-Bilanz
Es handelt sich um Stoffgruppen, die unter Belastung verloren gehen (Schweiß) oder verbraucht werden (Kohlenhydrate in Form von Glykogen). Bei den Kohlenhydraten gesellt sich ein
ergogener Teilaspekt dazu, da ihre kontrollierte Zufuhr unter Belastung die körpereigenen Glykogen-Vorräte schont und so die Leistungsgrenzen weiter hinausschiebt. Der Ersatz von Kohlenhydraten unter Belastung wirkt auch stabilisierend auf den Aminosäure-Stoffwechsel. Im Allgemeinen werden wir uns im Rahmen der Substitution bewegen. Der Bedarf an bestimmten
Vitaminen des B-Komplexes ist beim Sportler erhöht; im Vergleich zu Nicht-Sportlern ist deren
Supplementierung daher begründet. Jedem Sportler muss dringend angeraten werden, bei der
Ausübung seines Sports für die ausgeglichene Bilanz der aufgezählten Stoffgruppen Sorge zu
tragen.
Bezüglich ihres leistungssteigernden (= ergogenen) Effektes wissenschaftlich untersucht und in
klinischen Studien vielfach positiv bewertet wurden folgende Wirkstoffgruppen und Einzelsubstanzen zur Supplementierung:
- Eiweiß
- Arginin, Arginin-Aspartat
- Ornithin
- Verzweigtkettige Aminosäuren (Leucin, Isoleucin, Valin)
- Glutamin (Glutaminsäure)
- Beta-hydroxy-beta-methylburyrat (HMB, von Leucin)
- Kreatin
- Koffein, Guarana
Es fehlt jedoch an der allgemeinen Akzeptanz, dass die erzielbare Leistungssteigerung die Anwendung der genannten Substanzen tatsächlich rechtfertigt und namentlich für den Breitensportler empfohlen werden soll. Die klinischen Studien werden stets mit Leistungs- und Hochleistungssportlern durchgeführt.
Folgende Mittel zur Supplementierung sind derzeit wissenschaftlich unzureichend abgedeckt:
- Karnitin
- NADH
- Koenzym Q10
- myo-Inositol
- Cholin
- Taurin
- Glukurono- -lakton
- Basenbildende Salzmischungen
- Octacosanol
- -Oryzanol
- -Liponsäure
- Nahrungsergänzungsmittel, Lebensmittel, z. B. Gelée Royal, Blütenpollen, Ginseng,
Weizenkeime, Hafer, Chitosan®, Antioxidantien (Schutz der Atemwege vor Schädigung
durch Ozon bei Outdoor-Belastungen an heißen Sommertagen)
Ihre Empfehlung und Anwendung mag im Einzelfall zum Erfolg führen, wird aber den Erfahrungen der Athleten und ihrer Trainer überlassen bleiben.
Im Vortrag werden die einzelnen Vorschläge zur Supplementierung insbesondere aus den ersten beiden genannten Rubriken im Hinblick auf die Relevanz für Empfehlungen in der Apotheke
besprochen. Als wichtige Grundlage für die praktische Arbeit wird eine Produktliste vorgestellt,
die als Orientierungshilfe für interessierte Kolleginnen und Kollegen dienen mag.
Für die Apothekerschaft bietet das Thema die Möglichkeit, ihre Betriebe für sportorientierte
Wellness-Produkte und Supplemente zu positionieren. Genaue Produktkenntnis sowie die Bereitschaft, in ein gut sortiertes Lager zu investieren, sind unabdingbar, um als Ansprechpartner
in Fragen rund um Trainingsbegleitung und Leistungsoptimierung tätig werden zu können. Das
Thema stellt auch in Aussicht, jüngere, gesunde Leute auf die Leistungen der modernen Apotheke aufmerksam zu machen und die Apotheke ein wenig dem Stigma, dass sie nur von alten
und kranken Menschen aufgesucht wird, zu entrücken.
Fitness und Doping - eine Gratwanderung
Sowohl im Fitness-, Freizeit- und Breitensportbereich als auch im Spitzensport ist die Steigerung der individuellen Leistung neben gesundheitlichen oder ästhetische Aspekten ein starker
Beweggrund für sportliche Tätigkeit. Um dieses Ziel zu erreichen gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die unter dem Begriff "ergogene Hilfen" zusammengefaßt werden.
Im Mittelpunkt des Vortrages stehen pharmakologische Hilfen (Dopingmittel im engeren Sinne)
und deren Abgrenzung zu leistungssteigernden Nahrungsmitteln (nutritional supplements). Dabei handelt es sich bei den leistungssteigernden Nahrungsmitteln vor allem um Protein- und
Aminosäurepräparate, Kreatin, Vitamine und Mineralien, aber auch um "natürliche Steroide"
oder "Prohormone", letztendlich anabole androgene Steroide. Eine oberflächlich betrachtet eindeutige Differenzierung dieser beiden leistungssteigernden Kategorien erweist sich im Detail als
schwierig, wie sich z.B. im Bereich der Supplementierung mit Prohormonen oder Kreatin zeigt.
Einseitige Informationen der Hersteller basieren nur selten auf fundierten Untersuchungen,
sondern vor allem auf Erwartungshaltungen, wodurch die Kunden zu Versuchspersonen werden. Überdosierungen nach dem Motto "Viel hilft viel!" werden empfohlen. In nie endenden Zyklen von immer neu auf den Markt geworfenen "Wundermitteln" erhofft man sich das schnelle
Geschäft mit Leichtgläubigen.
Der Markt scheint übergroß und im Wachsen begriffen zu sein. Die Mittel können in Sporternährungsgeschäften, kleineren Fitnesscentern, Sportmagazinen und vor allem über das Internet
bezogen werden. Auch der Erfahrungsaustausch über Dosierungen und Einnahmezyklen (sogenannte "stacks") erfolgt über Internet-chatrooms, sowohl im Bereich des Dopings als auch im
Bereich der nutritional supplements.
Die Qualität dieser Produkte ist sehr unterschiedlich, da deren Herstellung im allgemeinen keinen Qualitätsstandards unterliegt. Häufig sind Produkte falsch deklariert und können zusätzliche Substanzen wie z.B. anabole Steroide enthalten. Dies wurde in Studien aus Deutschland
aber auch durch unsere eigenen Untersuchungen gezeigt.
Happy pills
Biogene Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel mit psychotroper Wirkung erwecken wachsendes Interesse. Sie sind Ausdruck der steigenden Popularität alternativer und komplementärer
Heilmethoden. Der Zuspruch zu Johanniskraut, Kava-Kava, Ginkgo biloba und Baldrian spiegelt
die neuropsychiatrischen Grundprobleme im Blickpunkt der Öffentlichkeit wieder: Depression,
Alzheimer, Angst- und Schlafstörungen. Doch keine Wirkung ohne Nebenwirkung: Können heute kontollierte Studien therapeutische Effekte dieser Drogen nachweisen, kommen sie nicht
umhin, sich auch mit deren Nebenwirkungen und Interaktionen mit anderen Arzneimitteln auseinanderzusetzen. Am anderen Ende des pharmakologischen Spektrums psychotroper Substanzen unter dem Schlagwort happy pills stehen Freizeitdrogen wie Ecstasy. Hier beschäftigt
heute weniger die Frage nach der Wirksamkeit als nach möglichen Langzeitfolgen bis hin zur
Neurotoxizität.
Der Vortrag präsentiert eine neuropharmakologische Bewertung verschiedener happy pills in
diesem Spannungsfeld von life style und Psyche an Hand neuester präklinischer und klinischer
wissenschaftlicher Daten.
Duftstoffe - fürs Wohlbefinden?
Beschäftigt man sich als Pharmazeut oder Mediziner mit Riechstoffen, so gelangt man unweigerlich
zu den Fragen: „Besitzen Duftstoffe auch therapeutische Eigenschaften?“ oder „Können Riechstoffe
auch noch mehr als nur gut duften?“, oder „Dienen Duftstoffe nur fürs Wohlbefinden?“.
Dass Duftstoffe bzw. ihre Mischungen, die ätherischen Öle, schon seit uralten Zeiten zu Heilzwecken verwendet werden, belegen zahlreiche Zeugnisse, doch ein klare Unterscheidung zwischen
der psychischen und/oder physiologischen Wirkung ist bis in unsere Tage nicht erfolgt. Duftstoffe wenn man einmal nur Einzelmoleküle betrachtet - können auf zweifache Weise auf den menschlichen Körper einwirken: Zum einen wird der älteste Sinn angesprochen, nämlich der Geruchssinn,
und dies führt zu einer Sinneswahrnehmung mit all den damit verbundenen Nebeneffekten, wie Gefühlseindruck, Erinnerung, reflektorische Beeinflussung verschiedener Körperfunktionen, etc.. Zum
anderen werden die eingeatmeten Moleküle durch die Nasenschleimhaut und/oder Bronchienschleimhaut resorbiert und gelangen so mit dem Blutstrom zu den Effektororganen. Vor allem wegen der hohen Lipophilie dieser kleinen Moleküle und der damit verbundenen leichteren Blut-HirnSchranken-Passage, besteht eine hohe Affinität zum ZNS. Im Gehirn findet schließlich eine direkte
Wechselwirkung zwischen Duftstoffmolekül und Rezeptor statt. Die Erforschung dieser Wirkweise
von Riechstoffen (= Aromatherapie im wissenschaftlichen Sinn) steckt z.Z. aber noch in den Kinderschuhen, wohl auch durch die erst in den letzten Jahrzehnten erfolgte Entwicklung der entsprechenden Geräte und Techniken.
Dass via "sich Wohlfühlen" nach Einatmen von Duftstoffen sehr viele "Heilerfolge" erklärt werden,
versteht sich in der heutigen Zeit mit dem Trend "weg von der Chemie, zurück zur Natur" und mit
der Betonung von Esoterik und Ästhetik, von selbst. Daher auch die beinahe schon unüberblickbare
Vielfalt von Büchern und Artikeln in der Laienpresse, im Rundfunk und im Fernsehen zu diesem
Thema. Ein Buchautor schreibt vom anderen ab, und vor allem einzelne "Krankengeschichten" werden als Beweis für die Nützlichkeit dieser „sanften Heilmethode“ ins Treffen geführt. Dass sich dann
solche Sätze, wie z.B.: "...das ätherische Öl stellt gewissermaßen den Geist oder die Persönlichkeit
der Pflanze dar...", "... ätherische Öle haben eher die Konsistenz von Wasser als von Öl", "...Wasser
und ätherische Öle verbinden sich ..... nur in diesem hochenergetisch "geistigen" Zustand...., sie
wirken als ektohormonelle Stimulantien" in der Regenbogenpresse, im esoterischen Schriftgut und
in den entsprechenden Büchern wiederfinden, wundert dann nicht mehr und gibt ein treffendes Bild
von der Unwissenschaftlichkeit der Autoren.
Die Aufgabe der Naturwissenschaft besteht nun darin, den mit dieser Materie nicht vertrauten
Medizinern und den Offizinapothekern wissenschaftliche Tatsachen zu liefern, nicht nur um sie
den Duftstoffen gegenüber aufgeschlossener zu machen sondern auch Argumentationsmaterial
anzubieten, die eine Abgrenzung gegenüber esoterischen Behauptungen erleichtert. Duftstoffe
sind also keine „esoterischen Mirakel“ oder „böse Chemie“, sondern kleine, lipophile, organische Moleküle mit all jenen Eigenschaften, die üblicherweise solche Moleküle besitzen (z.B.
sterische Beschaffenheit, Oberflächenaktivität, Polarität, elektrostatisches Potential, Chiralität),
vorwiegend terpenoiden Ursprungs und mit dem gemeinsamen Merkmal der Flüchtigkeit. Neben ihrer sensorischen Aktivität besitzen Riechstoffe deutlich physiologische und pharmakologische Eigenschaften. Diese können mit naturwissenschaftlichen Methoden, sei es im Tierversuch oder im Humanexperiment, nachgewiesen werden. Dass sich die Duftstoffe je nach ihren
chiralen Eigenschaften unterschiedlich, z.B. bezüglich Resorption und Elimination verhalten, ist
nur ein Beweis dafür, dass man sie – sobald man sie zu therapeutischen Zwecken verwendet –
auch wie Arzneistoffmoleküle betrachten sollte. Beispiele für solche Einsätze werden angeführt
und dabei sowohl auf eigene Untersuchungen, wie auf Arbeiten anderer Teams eingegangen.
Studien zur Pharmakokinetik und zum Metabolismus von chiralen Duftstoffen nach unterschiedlicher Applikation bei Tier und Mensch werden vorgestellt. Auch negative Eigenschaften der
Duftstoffe, z.B. als Verursacher von Allergien, werden erwähnt.
Wellness aus der Pflanze?
Bewusstes „Wohlbefinden“ wird in der Gesellschaft momentan als ein wichtiges und absolut
erstrebenswertes Ziel stark propagiert. Nicht das Fehlen von Krankheit alleine reicht für ein erfülltes Leben aus. Mehr Freizeit und gestiegene finanzielle Resourcen ermöglichen es einer
immer größer werdenden Zahl von Personen, der Verbesserung der Lebensqualität und auch
der Vorbeugung von Erkrankungen Beachtung zu schenken. Neben Tendenzen, den Lebensstil
in eine positive Richtung zu verändern (z.B. Bewegung, bewusste Ernährung), werden auch
arzneimittelähnliche Produkte beworben, die häufig Komponenten aus dem Pflanzenreich beinhalten.
Während die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit registrierter Arzneispezialitäten außer Diskussion stehen, werden auch Nahrungsergänzungsmittel nicht selten mit gesundheitsbezogenen
Angaben in den Handel gebracht. Dem Konsumenten wird suggeriert, dass Produkte aus Pflanzen prinzipiell als harmlos in Bezug auf unerwünschte Wirkungen einzustufen sind. Die beanspruchten Wirkungen benötigen nicht unbedingt eine reale Basis, alleine die Tatsache, daß das
Produkt aus einer (vornehmlich nicht einheimischen) Pflanze stammt, reicht zur Vertrauensbildung beim potentiellen Kunden aus.
Gängige „Indikationsgebiete“ sind etwa Gewichtsreduktion, „Entschlackung“, Potenzprobleme,
Allergien, Stärkung des Immunsystems und Geriatrie. Aktuelle Pflanzenbeispiele wären Algenpräparate, Noni-Frucht, Rotbuschtee, Schizandra, Pu-Erh-Tee, Reishi-Pilz und der immer moderne Knoblauch. Auch traditionelle Arzneimittel anderer Kulturen (z. B. China, Indien, Tibet)
besitzen den Ruf, gut und nebenwirkungsfrei zu helfen, sogar dann, wenn sie losgelöst aus
dem gedanklichen Kontext, in dem sie entstanden sind, angewendet werden.
Während bei „modernen“ Nahrungsergänzungsmitteln der positive Effekt auf den Organismus
aus wissenschaftlicher Sicht oft zweifelhaft erscheint, können registrierte pflanzliche Arzneimittel hingegen vielfach Wohlbefinden schaffen, auch bei Beschwerden, die nicht als echte Krankheit einzustufen sind (z. B. bei Befindensstörungen, zur Prävention von Erkrankungen, etc., siehe auch „Der Apothekenkatalog“). Die eingesetzten Arzneipflanzen sind meist lange traditionell
bewährt, die Zahl derer, deren Wirkungen auch klinisch-pharmakologisch belegt sind, steigt
ständig.
Da zu den meisten „Mode-Pflanzen“ keine Angaben in der gängigen pharmazeutischen Literatur zu finden sind, ist es für den Apotheker oft schwer, den Konsumenten zu einem Produkt
fundiert zu beraten. Aufgabe der Universitäten ist es daher, rasch auf Marktentwicklungen zu
reagieren und den Stand der Wissenschaft objektiv darzulegen.
Wellness aus der Pflanze? Mit Nahrungsergänzungsmitteln fraglich, mit registrierten pflanzlichen Arzneimitteln bei bestimmten Indikationen wissenschaftlich belegt.
Funktionelle Lebensmittel –
Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden
Die Qualität von Lebensmitteln wird in Abhängigkeit vom sozialen und wirtschaftlichen Umfeld
des Konsumenten sehr unterschiedlich bewertet. Heute wird dem Gesundheitsaspekt beim
Kauf von Lebensmitteln ein hoher Wert zugemessen. Er bestimmt die Einschätzung der Qualität
zunehmend stärker. Am besten sieht man das im Bereich der „Funktionellen Lebensmitteln“,
aber auch der Phytochemicals und Nutraceuticals, denen ein Einfluss auf die Gesundheit nachgesagt wird. Definitionen und Unterschiede werden erläutert. Die gesetzliche Lage in der EU
wird anhand des Consensus Berichtes aus 2000 dargestellt. Dieser zeigt klar auf, wo die Grenzen zwischen Funktionellen Lebensmitteln und Arzneimitteln verläuft.
Unter den sekundären Metaboliten sind die große Gruppe der Antioxidantien in der Öffentlichkeit und der Wissenschaft von vorrangigem Interesse. Ein Paradigmenwechsel ist zu erkennen :
Lebensmittel werden nicht wie früher lediglich zur Deckung energetischer oder sensorischer
Bedürfnisse sondern zunehmen auch als Beitrag zu Gesundheit und Wohlbefinden konsumiert.
Damit zeigt sich aber auch, wie sehr wissenschaftlicher Fortschritt die Sicht der Qualität von
Lebensmittel verändert. Die Wissenschaft von den Funktionellen Lebensmitteln bietet neue Einsichten in die Wechselbeziehung von Lebensmittel und Gesundheit. Der Nachweis einer Wirkung eines Lebensmittels oder eines Bestandteiles wird in Humanstudien überprüft. Einige Beispiele aus dem Bereich der Antioxidantien und deren Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden werden angeführt. Neue Entwicklungen bei der Herstellung von Funktionellen Lebensmitteln und deren wissenschaftliche Hintergrund werden besprochen.
Gesundheitsbezogene Angaben spielen am Markt eine große Rolle. Dafür werden Beispiele
gebracht und die Dosis – Wirkungsbeziehung im Hinblick auf eine mögliche Überdosierung behandelt.
Der langwierige Weg von der wissenschaftlichen Erkenntnis zur Information der Öffentlichkeit
wird dargelegt.
In jedem Fall ist Lebensmittelqualität – die ebenso gesundheitliche Wirkungen und Beeinflussung des Wohlbefindens beinhaltet – ein dynamisches Konzept, das den gesellschaftlichen
Veränderungen und der Aufnahme neuer Erkenntnisse unterliegt. Lebensmittelqualität wird immer nach einer subjektiven Rangordnung definiert.
Die Behandlung gesunder Frauen
mit Hormonen
Nach vorsichtigen Schätzungen werden in den westeuropäischen Ländern zur Zeit 80 – 90 %
aller Frauen mindestens einmal während ihres Lebens über längere Zeit mit Sexualhormonen
behandelt. Die Indikationen für die Durchführung einer Hormonbehandlung sind – neben endokrinen Funktionsstörungen im weiteren Sinne – der Wunsch nach sicheren kontrazeptiven
Maßnahmen, Sterilität sowie Prophylaxe und Therapie von Ausfallserscheinungen bei Frauen
im Klimakterium und in der Postmenopause sowie bei jüngeren Frauen mit Gonadendysgenesien oder Zyklusstörungen. Dabei werden neben den natürlichen Sexualsteroiden - Östriol,
Östradiol 17b und Progesteron - vor allem Ethinylöstradiol und verschiedene synthetische Gestagene verabreicht. Darüber hinaus werden seit einigen Jahren mit dem Ziel, die natürlichen
Alterungsvorgänge des Organismus zu verlangsamen, eine ganze Palette von Hormonen der
Nebennierenrinde, des Hypophysenvorderlappens und der Epiphyse- unter anderem DHEA,
Pregnenolon, Wachstumshormon und Melatonin unter der Indikation „Anti-aging“ eingesetzt.
Über die Langzeit- Folgen dieser Behandlung mit hochwirksamen Arzneimitteln für die betroffenen Frauen liegen nur wenige gesicherte Daten vor. Über die vorhandenen Daten, und die mit
der Verabreichung von Hormonen an „gesunde“ Frauen verbundenen grundsätzlichen Probleme soll in diesem Beitrag eine kurze Übersicht gegeben werden. Darüber hinaus soll auf mögliche Folgen der Ausscheidung der entsprechenden Metabolite auf die Umwelt eingegangen
werden.
1. Orale Kontrazeptiva
Als Östrogenanteil enthalten die meisten oralen Kontrazeptiva Ethinylöstradiol, ein synthetisch
hergestelltes Steroid, welches oral verabreicht werden kann und länger und stärker wirksam ist
als das natürliche Östradiol-17beta. Die in einem Monat verabreichte Dosis beträgt 4 – 10 mg.
Als Gestagen enthalten die OC Abkömmlinge von Progesteron oder von Testosteron; die neueren Gestagene besitzen im Vergleich zu den ursprünglich verwendeten Pharmaka eine geringe
androgen Partialwirkung. Die kontrazeptive Wirkung beruht auf einem pharmakologischen Effekt, der Bremsung der hypophysären LH und FSH Sekretion. Die Problematik der Behandlung
mit OC besteht in 1.) der oralen Applikation mit Aufnahme im Gastrointestinaltrakt und first pass
Effekt bei der Leberpassage. Die Leberzellen werden unphysiologisch hohen Östrogenstimuli
ausgesetzt 2.) Der Wirkung von EE2 und der Gestagene auf die Parameter der Blutgerinnung
und des Lipidstoffwechsel.
Der Frage der Umweltbelastung durch die verordneten Hormone selbst und deren Metabolite ist
bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Ethinylestradiol wird zu einem erheblichen
Teil unverändert mit dem Urin ausgeschieden und gelangt auf diese Weise über das Abwasser
in die Umwelt. In mehreren Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die in Abwasser vorhandenen Konzentrationen ausreichend sind, um Störungen in der Geschlechstsdifferenzierung
bei Fischen und anderen im Wasser lebenden Tieren auszulösen. Über mögliche Auswirkungen
auf den Menschen selbst liegen bisher nur vereinzelte Untersuchungen vor.
Diesen eher problematischen Aspekten der Gabe von OC stehen positive Wirkungen der OC
auf die Gesundheit und das Allgemeinbefinden der Frau gegenüber: Orale Kontrazeptiva haben
günstige Auswirkungen auf 1.) die primäre Dysmenorrhoe 2.) Prophylaxe und Therapie der
Endometriose 3.) Prophylaxe des Endometriums- des Ovarial-Carcinoms.
2. Postmenopause
Während mit den OC eine pharmakologische Wirkung angestrebt wird (die Hemmung der Ovulation) ist das Ziel der Hormon-Ersatztherapie in der Peri- und Postmenopause die Substitution
von fehlenden bzw. in ungenügendem Umfang gebildeter Hormone. Obwohl diese Indikation
der HRT überzeugend ist, wird die Einnahme von Hormonen durch Frauen in der Postmenopause immer wieder in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert. Dabei werden folgende Fragen aufgeworfen:
1.) Ist die Postmenopause tatsächlich als Zustand des hormonalen Defizits aufzufassen oder stellt sie einen natürlichen Vorgang dar?
2.) Stellen klimakterische Ausfallserscheinungen eine behandlungsbedürftige Erkrankung
dar oder handelt es sich um eine Befindlichkeitsstörung?
3.) Sind die behaupteten positiven Effekte der HRT (Osteoporoseprophylaxe, Prävention
kardiovaskulärer und neurodegenerativer Erkrankungen und der Behebung des klimakterischen Syndroms,) tatsächlich gesichert ?
4.) Führt die HRT zur Zunahme des Risikos an einem Mamma-Ca zu erkranken?
Die erste Frage kann mit rein medizinisch-naturwissenschaftlichen Argumenten alleine nicht
beantwortet werden. Ich werde in meinem Beitrag darzustellen versuchen, dass klimakterische
ausfallserscheinungen in ihrer Bedeutung meist unterschätzt werden und tatsächlich eine behandlungsbedürftige Erkrankung darstellen. Zur eindeutigen Beantwortung der weiteren Fragen
fehlen immer noch kontrollierte Studien, wobei bezweifelt werden darf, ob diese Studien je in
der erwünschten Form als placebo-kontrollierte Doppelblind-Studien durchgeführt werden können.
Nur selten wird in diesem Zusammenhang diskutiert, welche Bedeutung die Qualität der HRT
im Zusammenhang mit unerwünschten Nebenwirkungen hat. Die meisten der bisher durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass die bei der HRT erzielten Plasmaspiegel von Östrogenen
weit über dem Niveau des normalen menstruellen Zyklus liegen. In welchem Umfang die Nebenwirkungen der HRT auf die supraphysiologischen Plasmaspiegel der Östrogene zurückzuführen sind ist nicht bekannt. Die Notwendigkeit weiterer kontrollierter Studien und der Entwicklung von Methoden der HRT, die eine genaue Einstellung der Plasmaspiegel erlauben wird
durch diesen Sachverhalt unterstrichen.
3. Anti-Aging
Unter dem Schlagwort „Anti-aging“ werden eine ganze Reihe von Therapien zusammengefasst,
die den natürlichen Alterungsprozess, vor allem der Haut, verlangsamen sollen. Dazu werden
Wachstumshormon, DHEA und andere Steroide sowie Melatonin eingesetzt. Bis auf wenige
Ausnahmen existieren keine kontrollierten Studien zu diesen Therapien. Dennoch scheint es
nicht gerechtfertigt, die Anti-Aging Therapie grundsätzlich abzulehnen. Der Mangel an Daten
sollte vielmehr dazu motivieren, entsprechende Studien durchzuführen und mögliche Risiken
durch enge Überwachung der Patientinnen rechtzeitig zu erkennen.
Pille für den Mann – ein neues Konzept?
Wie die 40-jährige Geschichte der hormonellen Kontrazeption zeigt, konzentrierten sich wissenschaftliche Forschungen hauptsächlich in Richtung Weiterentwicklung der Pille für die Frau. Die
Unterdrückung eines einzigen Eisprunges im Monat erschien einfacher, als die Unterdrückung
der täglichen Produktion von Millionen Spermien. Trotzdem hat die Suche nach einer sicheren
und akzeptablen Methode für den Mann nicht nur die Öffentlichkeit sondern auch die Mediziner
seit langem interessiert und herausgefordert. Diese Herausforderung hat auch die WHO immer
beschäftigt und es wurden in der Vergangenheit einige Studien mit männlichen Hormonen (Testosteron) durchgeführt. Die Verabreichung von relativ hohen Dosen von Testosteron unterdrückt
die Spermien-Produktion und macht Männer unfruchtbar. In diesen hohen Dosierungen hat
Testosteron aber eine Reihe von höchst ungünstigen Nebenwirkungen, nicht nur was die Psyche betrifft, sondern auch Auswirkungen beispielsweise auf die Prostata und Leber.
Spätere Versuche kombinierten Testosteron mit einem Progestagen, der zweiten Komponente
neben den Östrogenen in den Pillen für die Frau. Mit Progestagenen kann man das reproduktive Hormonsystem auch beim Mann unterdrücken und damit die Spermien Produktion ausschalten. Allerdings unterdrückt das Progestagen auch die Freisetzung von Testosteron und ein zu
niedriger Testosteron Spiegel im Blut führt zu Libido Störungen oder auch zur Osteoporose.
Die gegenwärtige Strategie, die man in Studien nun eingeschlagen hat, ist die Verabreichung
eines modernen Progestagens (z.B. Desogestrel) zur Unterdrückung der Spermien Produktion
und gleichzeitig die Verabreichung von Testosteron als „Add back“ Therapie. Das Ziel ist dabei,
einen physiologischen Testosteron Spiegel zu erreichen. Idealerweise sollten beide Hormone in
Form einer kombinierten Pille verabreicht werden, doch derartige Prototypen gibt es derzeit
noch nicht. Deshalb wurde in Studien eine orale Tablette Desogestrel mit einem Testosteron
Implantat oder einer Injektion kombiniert.
Wann die Pille für den Mann generell verfügbar sein wird, ist davon abhängig, wie rasch die anstehenden Phase III Studien mit dem genannten Schema durchgeführt werden. Die wichtigsten
Komponenten einer neuen kontrazeptiven Methode sind Sicherheit, Verlässlichkeit, Reversibilität und Akzeptanz und diese Kriterien müssen unbedingt von jeder neuen, für weite Teile der
Bevölkerung bestimmten Methode erfüllt werden. Es bleiben eine Reihe von Fragen wie beispielsweise die optimale Dosierung oder der Applikationsweg noch offen und man rechnet damit, dass die Pille für den Mann generell erst in etwa 3-5 Jahren für jedermann verfügbar sein
wird.
Über die Manneskraft
Vor drei Jahren erregte ein neues Medikament die Gemüter, das den sogenannten "LifestyleMedikamenten" zugerechnet wird: Viagraâ. Kaum ein anderes Medikament der letzten Jahre
hat bei seiner Markteinführung weltweit soviel öffentliche Reaktionen hervorgerufen wie Viagraâ
mit dem Wirkstoff Sildenafil, das Ende März 1998 zunächst in den USA und im Anschluss daran
auch in Europa zur Behandlung der Erektilen Dysfunktion (ED) zugelassen wurde.
Erektile Dysfunktion ist definiert als die Unfähigkeit, eine Erektion zu erreichen und/oder aufrechtzuerhalten, die für ein befriedigendes Sexualleben ausreicht (NIH Consensus Development Panel on Impotence, 1993). Der Begriff „Erektile Dysfunktion“ beschreibt diese Art sexueller Funktionsstörung präziser als der Begriff „Impotenz“.
Die Tatsache, dass mit Sildenafil erstmals eine suffiziente orale Therapieform zur Verfügung
steht, die bei einem nicht geringen Anteil der Patienten eine Besserung bzw. Verschwinden der
Symptomatik verspricht, hat auch unmittelbar sozioökonomische Konsequenzen. Nach Jahrzenten der Tabuisierung scheint mit der Einführung von Sildenafil die Erektile Dysfunktion zu
einer Volkskrankheit der männlichen Bevölkerung der Industriegesellschaften zu werden, deren
Prävalenz deutlich über der anderer Zivilisationskrankheiten liegt. Diese Entwicklung wird durch
exaktes Datenmaterial aus den USA und anderen west-europäischen Ländern bestätigt. Überträgt man diese Zahlen auf hiesige Verhältnisse, so müsste man in Österreich mit ca. fünfhunderttausend betroffenen Männern rechnen.
Nachdem es jetzt etwas ruhiger um Viagraâ geworden ist, erscheint die Zeit gekommen, die
Diskussion auf eine sachliche Basis zu stellen: Was ist Sildenafil für ein Wirkstoff? Was ist das
für eine Indikation, für die Sildenafil zugelassen wurde? Welche Probleme können bei der Anwendung von PDE-5-Inhibitoren und anderen Wirkstoffen zur Behandlung der ED auftreten?
Was muss die/der Apothekerin/Apotheker beachten? Welche Neueinführungen können in
nächster Zukunft erwartet werden?
Zur Therapie der Erektilen Dysfunktion stehen heute folgende Therapieoptionen zur Verfügung:
· Psycho- und Sexualtherapie
· Erektionshilfesysteme
· Operative Therapien einschließlich Protheseimplantation
· Medikamentöse Therapien, die intrakavernös, intraurethral, topisch und oral appliziert
werden.
Neben den anderen Therapieformen nimmt die Pharmakotherapie von Erektionsstörungen
heutzutage eine zentrale Stellung in der Therapie ein. Nach einem taxonomischen Konzept von
Heaton lassen sich Wirkstoffe zur Behandlung der Erektilen Dysfunktion in vier Klassen einteilen: Erektogene Substanzen (Initiatoren) initiieren eine Erektion zentral oder peripher (Wirkstoffe der Klasse I und II), während konditionierende Substanzen lediglich die Voraussetzungen für
das Entstehen der Erek-tion zentral oder peripher verbessern oder verstärken, aber an sich
nicht erektionsauslösend wirken können (Wirkstoffe der Klasse III und IV).
Sildenafil erwies sich bei einem breiten Spektrum von Patienten mit ED in Dosierungen zwischen 25 und 100 mg als wirksam und zeigte je nach Ätiologie Erfolgsraten von 50-80% bei
Ondemand-Einnahme. Sildenafil ermöglicht eine natürliche Erektionsreaktion auf sexuelle Stimulation, indem es die relaxierende Wirkung von NO auf die Schwellkörper verstärkt. Im Zuge
einer Erektion kommt es zur Freisetzung von NO aus Nerven und Endothelzellen der Schwellkörper. NO aktiviert die Guanylatcyclase, was zur gesteigerten Synthese von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP) führt, das die Relaxation der glatten Schwellkörpermuskulatur und
damit einen verstärkten Blut-fluss zum Penis, einen erhöhten intrakavernösen Druck und eine
Erektion induziert. Sildenafil ist ein potenter Hemmstoff der cGMP-spezifischen Phosphodiesterase (PDE) vom Typ 5, also jenes Enzyms, das für den Abbau von cGMP im Corpus cavernosum verantwortlich ist. Wenn die NO/cGMP-Signalkaskade durch einen sexuellen Stimulus aktiviert ist, führt die Hemmung der PDE-5 zu erhöhten Konzentrationen von cGMP im Corpus cavernosum, wodurch es zu einer Verstärkung und Verlängerung einer durch erotische Stimuli
induzierten Erektion kommt.
Alle Daten aus den bisher durchgeführten doppelblinden, plazebokontrollierten Studien belegen, dass Sildenafil bei indikationsgemäßer Verordnung und Abgabe und Berücksichtigung der
Risikofaktoren ein gut verträglicher Wirkstoff mit einem sehr guten Sicherheitsprofil ist.
Mit Interesse kann auch der Einführung von Bay 38-9456 (Vardenafil, Bayer), IC351 (Lilly ICOS) und Apomorphin (Ixenseâ, Takeda) entgegengesehen werden. Für die beiden neuen
PDE-5-Inhibitoren wurden kürzlich positive Ergebnisse der Phase II-Studien vorgestellt. Inzwischen sind weltweit die klinischen Studien der Phase III angelaufen. Mit einer Zulassung ist
nicht vor 2002 zu rechnen. Apomorphin fand bisher als Emetikum und daneben auch als zentral
wirkender Dopaminer-satz bei Parkinsonismus Verwendung. Erst später wurde die erektionsauslösende Wirkung entdeckt. Apomorphin ist ein D2-Dopaminrezeptor-Agonist und wirkt zentral erektogen. Anders als bei den PDE-5-Inhibitoren tritt die erektionsauslösende Wirkung des
"Erektionsinitiators" Apomorphin bereits nach wenigen Minuten ein. Die Zulassung in Deutschland steht unmittelbar bevor.
Nach Expertenmeinung sind etwa 50 % aller Formen der Erektilen Dysfunktion zukünftig mit
den modernen oralen Pharmaka therapierbar. 30% bis 40 % der Patienten können von der
Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT) mit vasoaktiven Substanzen profitieren. Für die
übrigen Betroffenen stehen ne-ben MUSE (Medicated Urethral System for Erection, transurethrale Applikation von PGE1) und chirurgischen Verfahren vor allem auch psycho- und sexualtherapeutischen Maßnahmen zur Verfügung. Topische Anwendungen, mit Ausnahme der seltenen Testosteron-Substitutionstherapie, spielen hingegen zur Zeit keine Rolle.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass durch die deutlich gestiegene Lebenserwartung
sowie durch eine zunehmende Anspruchshaltung von Mann und Frau an einen erfüllten
Lebensabend, in welchem auch eine erfüllte Sexualität von großer Bedeutung ist, in den
nächsten Jahren mit einer steigenden Zahl von Hilfesuchenden in Arztpraxen und Apotheken zu rechnen ist.
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