Schene Liada – Harbe Tanz Neues vom Wiener-Lied Projektarbeit zum Ausbildungslehrgang „Ensemble- und Blasorchesterleitung“ Musikum & Salzburger Blasmusikverband Referenten: LKpm. EBNER Johann WESENAUER Peter Erstellt durch GREISCHBERGER Johann, September 2009 INHALTSVERZEICHNIS: 1. VORWORT 2. VOLKSMUSIKALISCHE GESCHICHTE a. KAUFRUFE b. BÄNKELSANG / URTELWEIBER c. STRASSEN- und WIRTHAUSMUSIKANTEN 3. HÄUFIG VERWENDETE INSTRUMENTE a. DREHORGEL b. ZITHER c. KONTRAGITARRE d. GEIGE und KLARINETTE e. KNÖPFERL-HARMONIKA 4. WIENS GANZ BESONDERE MUSIK a. DUDELN b. SCHRAMMELN 5. NEUES vom WIENER LIED 6. STROTTERN-KORRESPONDENZ 1. VORWORT Österreich ist weithin als Heimatland von großen, berühmten und bedeutenden Komponisten bekannt. Als Besonderheit in Österreich empfinde ich allerdings die reichhaltige Ausprägung von regionalen, sehr typischen Volksmusikstilistiken. So lassen sich z. Bsp. Kärnter Volkslieder- und Chöre, Osttiroler Volksmusik, Tiroler Tanzlmusik, Salzburger Dreigesänge, Innviertler Landler und Gstanzl sowie Steirische Musikkultur bereits sehr gut durch die jeweils sehr unterschiedlichen Besetzungen unterscheiden. Den entsprechend unterschiedlichen Charakteren in der Spiel-/Singweise und den damit verbundenen Klangfarben wird, dabei noch gar keine Beachtung geschenkt. Eine noch nicht aufgeführte „Musikgenre“ stellt hier das gesamte Umfeld des WIENERLIED und der WIENER MUSIK dar. Als ersten bewussten Kontaktpunkt zu dieser Musik stellte sich für mich ein Konzert der Wienerlied-Interpreten „Die Strottern“ an einem trüben September- Sonntagnachmittag im Brechlbad in Seeham dar. Zeit, in der für Trübseligkeit nahezu keine Zeit war, dafür viel Platz für Energie, die bei den Zuhörern das Feuer der Begeisterung für Wiener Musik entfacht hat. In dieser Arbeit soll nun einen Überblick von den Wurzeln des Wienerliedes, über dessen Besonderheiten bis hin zu dem aktuellen Geschehen in der WienerliedLandschaft verschaffen. 2. VOLKSMUSIKALISCHE GESCHICHTE a. KAUFRUFE Abseits der Geschichte der großen österreichischen bzw. in Wien wirkenden Komponisten hat die Wiener Volksmusik einen eigenen Entstehungsprozess durchlaufen. Bereits im 18. Jahrhundert prägten Kaufrufe und „singende“ Warenhändler –innen das Geschehen auf den Wiener Straßen. Die Verkäufer, welche oftmals aus anderen Regionen Österreichs (Tirol) oder aus dem heutigen Schwaben, Böhmen-Mähren, Italien, Kroatien, Slowenien sowie aus jüdisch geprägten Gebieten stammten, machten durch Ihre Rufe auf sich aufmerksam. Die Rufe oder Gesänge waren entsprechend unterschiedlich und hielten sich jahrelang an dieselben Muster, um einen entsprechenden Wiedererkennungwert (vgl. Coporate Identity) zu erreichen. Untersuch man die überlieferten Wiener Kaufrufe aus musikalischer Sicht, so stechen folgende Merkmale heraus: 1. 2. 3. 4. 5. Bei ausgeprägter Melodie ist Dur Tonalität erkennbar. Der Ruf beginnt häufig mit einer Quart bzw. mit einem „Anlauf „ (Glissando) Die Hauptakzente liegen maust auf der 5. und 8. Stufe, mit gelegentlichen Abfallen in die Terz Häufig wird auf der 5. Stufe eingesetzt Der Schluss ist oft fallend Abb 1: Wiener Kaufrufe Manche Kaufrufe wurden von Komponisten zum Teil recht erfolgreich Franz Lehar „Der Rastelbinder“ 1920; Ferdinand Raimund „Der Bauer als Millionär“ AschenmannRuf) 1826, andere zum Teil als Flop (Johann Nestroy „Gewürzkrämerkleeblatt“ 1845) in deren Arbeiten übernommen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Verkäufer durch die zunehmende Industrialisierung mehr und mehr in Ihren Tätigkeitsmöglichkeiten eingeengt und verdrängt. b. BÄNKELSANG / URTELWEIBER Eine Besonderheit in Wien stellten die „Lieder- und Urtelsweiber“ dar. Diese kann man als eine Sonderform des Bänkelsangs einstufen. Die Bänkelsänger brachten der Bevölkerung meist auf Jahrmärkten mit einer Bank, einem Schild (Bildertafel) und einem Zeigestab ausgestattet Neuigkeiten (Naturereignisse, Morde,…) oder moralisch, didaktische Belehrungen gesanglich näher. Meist wurde der Vortrag noch musikalisch begleitet. Die gedruckte Version der Geschichten wurde vor Ort den Zuhörern verkauft. Die Urtelsweiber priesen mit monotoner Stimme das auf Flugblättern zum Verkauf stehende „Urgicht“ (Geständnis des Angeklagten in einem mittelalterlichen Prozeß) an. Zusammen mit dem Urteil waren darin auch oftmals „die letzten Worte des Verbrechers auf dem Schaffott“, Predigten am Galgen oder ähnliches, meist in dichterisch schlechter Qualität, abgedruckt. Hinrichtungen glichen oftmals einem Kirtag oder Volksfest mit Getränke- und Essensständen für die Schaulustigen. Die Verfasser dieser Flugblätter erstellten weiters auch Liederblätter mit Gewalttatenerzählungen, Sensationen und lokalen Ereignissen. Durch immer strengere Reglementierung und entsprechend verhängte Strafen wurde der der Flugblattverkauf immer stärker eingeengt und hörte gegen Ende des 19. Jhd. vollkommen auf. c. STRASSEN- und WIRTHAUSMUSIKANTEN Auf Seiten der Wiener Straßen- und Wirtshausmusikantenszene gab es eine Vielfalt an verwendeten Instrumenten, Besetzungen und Gesangsformen. Bemerkenswert für mich ist, dass es bei diesen Musikern in der Regel um Menschen aus den untersten gesellschaftlichen Schichten gesprochen wird. So handelte es sich oftmals um Bettler, Invaliden, Krüppel, Blinde, Personen ohne andereweitige (finanzielle) Möglichkeiten, …. Aufgrund der enormen Anzahl an Straßenmusikanten wurde eine Ausübungsberechtigung eingeführt, welche die Zur Erlangung einer Ausübungsberechtigung hatten diese Personen Ihre Notlage, welche teilweise jedoch nur vorgetäuscht war, sogar zu bestätigen. Bis eine solche Lizenz tatsächlich ausgestellt war, konnte es passieren, dass ein langwieriger Amtsweg zu durchlaufen war. Die Lizenz, welche alle Jahre zu erneuern war, konnte jederzeit wieder entzogen werden wenn der Musiker z.Bsp. die Lizenzauflagen überschritt oder wegen einer Straftat, die in dieser „Bettlerumwelt“ schnell passieren konnte, verurteilt wurde. Deswegen war es für viele der Lizenzbesitzer äußerst wichtig, aber auch schwer, die Berechtigung entsprechend in Ihrem Besitz zu halten. Die Kritiken an der dargeboten Musikkunst hatten oftmals alles andere als lobende oder freundliche Worte für die Straßenmusiker und deren musikalische Leistungen übrig. Ein eher unscheinbares Dasein fristete der Dudelsack. Das Instrument des lange vergangenen „lieben Augustin“, um den sich einige Legenden ranken, wird meist auf Tanzveranstaltungen am Land und in Wiens Umgebung gemeinsam mit der Drehleiher gespielt. Anfang des 19. Jhd. begann der Interessensverfall an Bordunmusik. Abb. 2: Drehleier Harfenspieler hatten in Wien kein einfaches Leben. Bis auf einige Ausnahmen gehörten sie der untersten Gesellschaftsschicht an und hatten meist größte Not irgendwie über die Runden zu kommen. Das was von den Harfinisten musikalisch und gesanglich dargeboten wurde, war meist aus der Kategorie „derb, sittenwidrig und zweideutig“. Erdberger Lieder Da drunt in Erdberg Is a Wirtshaus Sitzt a Mensch d´rin Hat a Filzlaus Kummt der Wachternazl, Spirrt´s ins Arbeitshaus Z´weg´n dera Filzlaus Wenns in Erdberg zwölfe laiten, da wogelt dö Turm Und dö Menschen da drunten Dös san lauter Hurn. Wenns in Erdberg zwölfe laiten, D laiten´s z´mittag Do rennen die Maderle Da Volkskuchl nach Solche Lieder wurden auch von Harfenistinnen vorgetragen. Der Schritt in die Prostitution war meist nur ein kleiner und wurde meist hinter den „künstlerischen Darbietungen verborgen. Der Vortrag von Moritaten, welche bereits bei den Bänkelsängern oft aufgeführt wurden, erlange auch unter den Harfenisten große Verbreitung. Adalbert Stifter betonte um 1824: dem „gemeinen Mann ist der Harfenist Ersatz für Oper, Tragödie, Lustspiel und Posse; bei den Harfenisten findet er Unterhaltung Zerstreuung, Rührung und Belehrung, letztere freilich nicht immer in der edleren Bedeutung des Wortes“ 3. HÄUFIG VERWENDETE INSTRUMENTE a. DREHORGEL Die Harfenisten mit ihren „Lamentiergattern“ wurden zusehends von Drehorgelspielern verdrängt. Die Drehorgeln wurden in mehreren Bauweisen gefertigt. So gab es z.Bsp die „Karusell- bzw. Jahrmarktsorgel“ die durch ihre lauttönende Bauweise und durch bewegliche Figuren sowie ein kunstvolles Prospekt besonders im Schaustellergewerbe gern verwendet wurde. Die Tonerzeugung erfolge durch Pfeifen, zu denen der Luftweg durch eine drehende Stiftwalze geöffnet bzw. geschossen wurde. Die Lufterzeugung sowie die Mechanik zur Bewegung der Musikträger wurden durch das Drehen einer Handkurbel, bedient vom Drehorgelspieler, in Gang gesetzt. Durch die begrenzte Anzahl der Kompositionen die auf der Stiftwalze untergebracht werden konnte, entwickelten sich die großen schrankartigen „Polyphone“ bei denen die musikalischen Informationen auf metallischen Lochscheiben gespeichert waren. Die Drehorgeln der Straßenmusikanten waren vorerst in der Größe eines Unter dem Volk wurden durch die „Werkelmänner“ viele beliebte Melodien aus der Operettenwelt, sowie Walzer Ländler und Wienerlieder populär gemacht. b. ZITHER Die Zither war in Wien bereits seit Mitte des 18. Jhd. bei den sogenannten „Harfinisten“ (u. a. ein Sammelbegriff für Zither-, Fidel-, und Hackbrettspieler) zu finden. Bereits um 1773 gab es Meldungen über Zitherbauer in Wien. So genannte Alpensänger, Volksmusiker aus der Tirol und Steiermark bei denen die Zither meist als Begleitinstrument eingesetzt wurde, förderten ab den 1820er Jahren den Boom der Zither. Gespielt wurde die Zither vorerst hauptsächlich in Pratergasthäusern, wobei zu der Musik auch getanzt und gesungen wurde. Im Laufe der Zeit erreichte die Zither auch die höheren Gesellschaftsschichten. Viele Persönlichkeiten der alten österreichischen Aristokratie, darunter auch Kaiserin Elisabeth, ließen sich im Zitherspiel unterrichten. Zahlreiche Zithervirtuosen stellten Ihr Können bei Konzerten oder bei „Zither PreisWettkämpfen“ unter Beweis. Durch die große Beliebtheit dieses Instrumentes konnten auch in der Stadt ansässige Zitherfabrikanten (u. a. Joseph Leopold Pick) ihr Geschäft entsprechend betreiben. Durch die musikalische Kombination von Geige und Zither konnte man mit nur 2 Personen eine ausdrucksfähige und klangvolle Besetzung erreichen. Dabei übernahm die Geige die 1. Melodiestimme und die Zither die 2. (und zum Teil auch die 3. Stimme). Die Begleitakkorde wurden auf der Zither gespielt. Solche Duos können durch ihr 5-stimmiges Spiel als Vorgänger der „Schrammelmusik“ angesehen werden und waren Mitte des 19. Jhd. in vielen Wiener Gaststätten verbreitet. Das wohl bekannteste musikalische Thema auf der Zither ist die Filmmusik zu „Der dritte Mann“ (Premiere 3.9.1949, London). Der Wiener Anton Karas wurde vom englischen Regisseur, aufgrund eines Heurigenbesuches, mit der Komposition der Filmmusik beauftragt. Sein „Harry-Lime-Thema“ wurde zum Welterfolg. Orchester nahmen sich dieses Stückes an und es gehört bis heute zum Standart-Repertoire eines jeden Zitherspielers. c. KONTRAGITARRE Ein Instrument der besonderen Art stellt die „Kontra-Gitarre“. Bei dieser Gitarre wurden zu den 6 üblichen Gitarrensaiten noch zusätzliche Bass-Saiten auf einem zweiten Hals verbaut. Auf dem 2. Hals ist jedoch kein Griffbrett nötig, da die Saiten leer angeschlagen werden. Diese Gitarren waren üblicherweise 13-saitig. Ab dem 1900 wurden auch zum Teil 15-saitige Kontragitarren auf. Die Stimmung der Basssaiten war bei den Gitarren mit bis zu elf Saiten meist diatonisch, je mehr Saiten, desto mehr Halbtöne waren möglich. Bei 13 Saiten geht es normalerweise chromatisch von Es bis A. Manche Musikanten verwenden individuelle Stimmungen, je nach Notwendigkeit der Tonarten. Die tiefen, trockenen Bässe und der brilliante Diskant für den kräftigen Nachschlag („Kontra“ bezeichnet eben diesen Nachschlag) zeichnen die Wiener Kontragitarre aus und machen sie zu einem wichtigen Instrument in der Wiener Musik. Typische Baumerkmale dieser Kontragitarren sind der stark gewölbte und massive (mindestens 5mm starke) und in der Regel aus einen Stück Ahorn gefertigte Boden sowie ein schlanker, verstellbarer Hals. Als Stimmvorrichtung dienen meist Holzwirbel, aber auch Mechaniken werden gelegentlich verwendet. Die Kontragitarre fand nicht nur in Wien Verwendung. Auch aus Tirol gibt es Belege für den volksmusikalischen Einsatz der Kontragitarre. d. GEIGE und KLARINETTE Weniger kuriose Instrumente findet man im Einsatz von Klarinetten und Geigen. Diese Instrumente werden häufig in verschiedenen Ensembles verwendet und übernehmen dabei meist die Aufgabe der Stimmführung. Doch auch hier gibt es eine Besonderheit. Man findet Klarinetten in der heutzutage sehr ungewohnten, hohen G-Stimmung. Diese unter der der Bezeichnung „Picksüsses Hölzl“ bekannten Klarinetten wurden hauptsächlich in den Besetzungen der „Schrammel-Quartette“ eingesetzt. Sie fordern Ihrem Klarinettisten einiges an sauberer Spieltechnik ab, um nicht durch ihren hohen, schrillen Klang als „Störfaktor“ empfunden zu werden. e. KNÖPFERL-HARMONIKA Akkordeons und Harmonikas werden zwar in vielen Bereichen der Musik verwendet, doch hat sich in der Wiener Musik hier wiederum eine Form entwickelt, die es nur in Wien in dieser Ausführung gibt. Es handelt sich hierbei um das „chromatische Wiener Knopfgriffakkordeon“, besser bekannt unter dem Namen „Schrammelharmonika“ Bereits bei äußerlicher Betrachtung des Instruments fällt auf der „Diskantseite“ (rechte Handseite des Harmonikaspielers, Melodieseite) auf, dass es keine, bei einem Akkordeon sonst übliche Klaviatur gibt. Stattdessen wurde eine 3-reihige Knopfreihe, äußerlich den in unserer Volksmusik heute weit verbreiteten „Steirischen“ bzw. „Diatonischen“ Harmoniken ähnlichen verbaut. Die Tonverteilung innerhalb einer jeden Reihe entspricht einem ganzverminderten SeptAkkord. Die drei Reihen zueinander sind jeweils um einen Halbton verschoben. wodurch sich eine chromatische Tonleiter im „B“- Griffsystem ergibt. Anders als bei den gebräuchlichen Akkordeontypen sind die Ventilklappen nicht am Gehäuse außen aufliegend, sondern in einer Vertiefung des Gehäuses untergebracht. Weiters sind selbige Ventilklappen nicht aus Metall sondern aus Buchenholz gefertigt. Diese Konstruktion, die vom Harmonikamacher Johann Klein als Resonanzfalle bezeichnet wurde, kommt dem Ideal eines gedämpften, weichen Klanges entgegen. Die Tonerzeugung erfolgt durch Messing-Stimmplatten mit Metallzungen welche auf Ziegenleder gelegt sind. Auf der Bass-Seite wurde ursprünglich ein 12-Knopf diatonisches Bass-System verwendet. Dabei gab es 6 Knöpfe mit Basstönen welche in Oktaven gestimmt sind und 6 Knöpfe mit zweistimmigen Begleitakkorden (Grundton, kleine Terz, Oktave). Dadurch war eine Begleitung in allen Dur- und Moll Tonarten möglich. Durch die träge Tonansprache dieses Bass-Systems, ist dieses auch unter dem Begriff „Schlapfen-Bass“ bekannt. Durch die steigenden Anforderungen an das Bass-System wurde dieses System vorerst durch ein chromatisches Bass-System mit 43 Tasten ersetzt. Später ging die Entwicklung zu Akkordeon-Systemen mit bis zu 120 Basstasten und mechanischer Kopplung. Gespielt wurde die Schramml-Harmonika zum Teil als Mitglied eines Quartetts aber auch im sogenannten „Packl“. Dahinter verbirgt sich die Kombination von Harmonika und Kontragitarre. Hierbei übernahm die Gitarre die komplette Begleitung und auf der Harmonika wurde lediglich auf der Diskant-Seite gespielt. 4. WIENS GANZ BESONDERE MUSIK a. DUDELN Eine spezielle Gesangstechnik ist hinter dem Begriff des „Dudlers“ zu finden. Als eine Sonderform des Jodlers wurden beim „dudeln“ oftmals die gleichen Melodien wie bei Ländlertänzen verwendet. Im Gegensatz zu den Jodlern, die eine klar strukturierte Tonfolge aufweisen, werden die Melodietöne des Wiener Dudlers mit zahlreichen Verzierungen umgeben und umspielt. Vorschläge und Nebennoten sind ebenso charakteristisch wie Triolen in Funktion eines ornamentalen Beiwerks und chromatische Tonschritte. Die rhythmische Gestaltung ist im Vergleich zum Jodler freier. An den melodischen Höhepunkten werden markante Zieltöne gerne verlängert, in nebengeordneten Passagen gerne auch verkürzt, wodurch unterschiedliche Taktlängen entstehen und im Extremfall das Metrum nahezu aufgehoben erscheint. Die Gesangsstimme kann je nach persönlichem Stil gegenüber dem Grundschlag vorauseilen oder nachhinken. Während die Jodler meist sehr langsam gehalten sind, und ein Tempowechsel dabei eher stufenförmig eintritt, ist das Zeitmaß des Dudlers äußerst variabel, Tempoveränderungen finden fließend statt. b. SCHRAMMELN Die wohl bekanntesten Interpreten vergangener Tage im Bereich der Wiener Musik sind die Brüder Johann und Josef Schramml mit Ihrem berühmten SchrammlQuartett. Ihr Vater, ein Volksmusikant, erkannte deren Begabung und förderte diese durch den Besuch des Konservatoriums. Beiden schlugen dementsprechend auch den Weg des Berufsmusikers ein. Johann wirkte als Orchestermusiker in diversen Orchestern. Joseph hingegen war als Volksmusikant in den Heurigenlokalen aktiv. Nach dem Börsenkrach 1873 gab es als Orchestermusiker keine ordentliche Verdienstmöglichkeit mehr und Johann ging 1878 auf den Vorschlag seines Bruders ein, ein Terzett zu gründen. Der Gitarrist aus der Gründungsformation wurde nach ca. 1 Jahr durch Anton Strohmayer, dem damals besten Gitarristen ersetzt. Dieses Terzett, welches unter dem Namen „d´Nußdorfer“, benannt nach Ihrem hauptsächlichen Wirkensort auftritt ist zu diesem Zeitpunkt bereits sehr erfolgreich. Auszug aus einem Extrablatt vom 7 Oktober 1883: Der große, weite Saal ist bumvoll... Ein Surren und Brummen geht durch den weiten Raum... Der Lärm wird immer größer, man versteht sein eigenes Wort nicht mehr... Da wird mit einem Fiedelbogen auf den Resonanzboden einer Geige dreimal geklopft. Drei Zauberschläge. In einem Nu ist der Lärm verstummt, eine heilige Ruhe herrscht in dem Saal, der plötzlich in eine Kirche umgewandelt zu sein scheint und aller Augen sind nach dem Podium gerichtet, auf welchem drei Männer sitzen. Zwei legen den Bogen auf die Saiten, der dritte hat die Finger auf den dicken Leib der Gitarre gelegt, das sind die Schrammeln. Da gibt es keine Claque, keine bezahlten Applaus-Fabrikanten, keine befreundeten Stimmungs-Erzeuger, da gibt es nur Verehrer und - Fanatiker, die ernstlich bös werden können, wenn jemand während der Produktion mit dem Sessel rückt oder ein lautes Wort spricht. Und wir begreifen es. So süß, so innig, so rein im Ton spielt niemand die lieben Volksmelodien als diese drei Leute, es ist der anheimelnde Wiener Dialekt der in Noten gesetzt aus den 'Winseln' der Schrammel'schen Brüder und der 'Klampfen' Strohmayers zu uns spricht Georg Dänzer erweiterte im Oktober 1884 mit seinem „picksüßen Hölzl“ die Besetzung zu einem Quartett, welches weiter erfolgreich blieb. So wurden die Schrammeln alsbald auch vor die österreichische Aristokratie geladen, um für die Adeligen zu konzertieren. Auch außerhalb der österreichischen Grenzen blieben die vier Wiener Volksmusikanten nicht unbekannt und so führten Sie mehrere Auslandsreisen in die Nachbarländer, in denen Sie auch große Erfolge verbuchen konnten. Die Münchner Neuesten Nachrichten schrieben unter dem Titel: „Bei den "Schrammeln" in Kil's Kolosseum“: Mit vier Instrumenten wissen die Wiener Künstler einen Klang zu erzeugen, welcher die weiten Räume des Kolosseums aufs Vollkommendste ausfüllte, einen Klang von so volltönender Kraft und so eigenartigem Timbre, daß die Zuhörer schon nach dem ersten Takt verwundert aufhorchen unter dem Eindruck des Ungewöhnlichen. Und es ist alles ungewöhnlich bei diesem Wiener Quartett: Die Klangfarbe, der seelische Ausdruck der Musik, die Klarheit und Reinheit des Vortrags, die oft wundersame Exaktheit des Zusammenspiels und vor allem die rhythmischen Eigentümlichkeiten. Ein ewiger Wechsel von Zurückhalten und wieder Forteilen, ein fortwährender Wechsel der Tempi, der es geradezu rätselhaft erscheinen läßt, daß diese vier Künstler, ohne daß jemand den Taktstock führt, ja ohne daß einer zum andern nur aufsähe, so genau und glockenrein zusammenspielen. Sie geben Volksweisen zum besten, die zum Teil jeder schon gehört, ohne daß nur ein Ton empfindsamer an sein Ohr geschlagen - sie aber machen feine, herzergreifende Weisen daraus und das klingt und jauchzt und zittert und weint und trillert aus ihren Instrumenten heraus, daß man nur lauschen mag und immer lauschen. Welcher Wohlklang und welche Empfindung in ihrem "Piano" und welche Kraft und Tonfülle, wenn sie heiter Melodien spielen! Und wie sie so einen Walzer zu schattieren wissen! Sie zerlegen die Weise förmlich, jeder Ton, jeder kleinste Reiz kommt zur Geltung und das Ganze behält doch seinen Charakter. Die Präzision und virtuose Sicherheit, mit welcher die beiden Geigen, Brüder Schrammel, spielen, kann nicht zu viel gerühmt werden, vollendet ist aber auch die Kunst der Klarinette. Herr Dänzer weiß sie so zu spielen, daß sie kaum schärfer klingt als die Geige, sein "Piano" ist geradezu wunderschön... Nach dem Ausscheiden von Georg Dänzer wurde die Klarinette durch eine Harmonika ersetzt, wodurch der dem Quartett eigene Klangstil verloren ging. Dieser eigene Klang ergibt sich neben der außergewöhnlichen Begabung der Musiker auch durch die Stimmführung der Klarinette parallel zur 1. Geige die Johann Schramml in seinen Kompositionen verfolgte. Nach dem Tod Johann Schramml´s, führte sein Bruder die Besetzung noch bis zu seinem eigen Tod fort. Die Gebrüder Schramml komponierten über 250 Werke. Ein großer Teil der Märsche, Walzer, Polkas aller Art, Couplets und Lieder wurden Ihren Freunden und Gönnern gewidmet Als Nebeneffekt der meisterhaften Darbietungen der Schrammeln ist sicher zu erwähnen, dass sich auch das Publikum an diese Qualität gewöhnte. Dadurch waren Volksmusikanten die durch die Nähe zu den Schrammeln profitieren wollten gezwungen bei deren Darbietungen entsprechende Qualität zu achten. Als Verdienst der Schrammeln hat das „… Volksvergnügen bessere, feinere Formen angenommen, es hat sich abgeschliffen und manche Rohheit ist verschwunden, ohne daß die Herzlichkeit, die Gemüthlichkeit und die Urwüchsigkeit gelitten hat. …“ schrieb Julius von Als im WIENER EXTRABLATT vom 18. August 1886. 5. NEUES vom WIENER LIED Auch wenn dass traditionelle, althergebrachte Wiener Lied bzw. die Wiener Volksmusik heute an Bedeutung in der Bevölkerung verloren hat, ist es noch lange nicht tot. Immer mehr junge Musiker, die ihre Wurzeln nicht zwangsweise in Wien haben müssen, greifen die Wiener Lied Thematik auf. Sie beschäftigen sich mit den Liedern, den Namen, den Instrumenten und deren Besonderheiten sowie der grundlegenden Einstellung und Mentalität. Inwieweit sie diese „Vorgaben“ in Ihr persönliches Wirken übernehmen, oder Sie damit experimentieren und Neues schaffen liegt natürlich in Ihrem eigenen Ermessen. Mittlerweile wird seit dem Wintersemester 08/09 auch am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien die Lehrveranstaltung „Wienerlied und Schrammelmusik“ angeboten und erfreut sich größter Beliebtheit. Und das ist auch gut so. Eine hervorragende Plattform zur Repräsentierung der Neuen Wiener Musik ist das Wiener-Musik-Festival WEAN HEAN. Diese Veranstaltungsreihe, die heuer bereits ihr 10-Jahres Jubiläum feiert, bringt jedes Jahr wieder einige Aspekte sowie herausragende Künstler und Ensembles hervor. Die Organisatoren verstehen es, mit den von Ihnen erstellten Rahmenprogrammenverlauf, den Besuchern und Musikern an den wechselnden Veranstaltungsorten ein besonderes Ambiente zu schaffen, bei dem nur noch der Glanz der heimatlichen Musik fehlt. WEAN HEAN: Ein Festival mit viel Gespür für Altbewährtes und Neues, für Traditionelles und noch Originalverpacktes! Einen enorm wichtigen Platz für die Aufbereitung der Wiener Lied Geschichte nimmt das Wiener VolksLiedWerk (WVLW) ein. Die Mitarbeiter des WVLW sind es, die durch ihre Arbeit historische Dokumente und Informationen verwahren und kompetente Auskunft auf die entsprechenden Anfragen geben können. In „HERZAUSREISSER“, einem Film von Karin Berger, gibt es eine Vielzahl an Perspektiven, aus denen das Wiener Lied uns sein Umfeld betrachtet, hinterfragt und beleuchtet wird. Einzigartige Bilder dazu, was das Wiener Lied so einzigartig macht. 6. STROTTERN-KORRESPONDENZ Für besonders interessant erachtete ich es, die Gedanken, Meinungen und Beweggründe von Menschen aus dem Kernbereich der aktuellen Wiener-Lied-Szene zu erfahren. Aus diesem Grund habe ich mit KLEMENS LENDL, einem der beiden STROTTERN Kontakt aufgenommen und ihm ein paar Fragen gestellt. Welche Wiener-Lied Interpreten sind für euch persönlich die bedeutendsten bzw. prägendsten im Bereich der Wiener Lieder bzw. Volksmusik? Historisch gesehen die Interpreten und Musiker die uns geprägt haben bzw. am Besten gefallen und ein Grund waren, dass wir mit Wienerliedern begonnen haben (was nicht heißt, dass sie für das Wienerlied die bedeutendsten sind, die Frage danach müssen die Wissenschaftler beantworten): • Kurt Sowinetz • Maly Nagl • Helmut Qualtinger • Franz Mika Die Frage überlappt sich für mich ein bisschen mit der nächsten, denn am allermeisten prägen uns die heutigen Interpreten, die etwas bewegen. Also bitte auch siehe unten... Wer sind im Moment die Personen/Gruppen, welche die Wiener-Lied Szene maßgeblich mitgestalten und beeinflussen? Worin bestehen die Veränderungen? Die Wichtigsten für uns: Kollegium Kalksburg: Vincenz Wizlsperger ist für mich der genialste Texter und musikalisch und inhaltlich haben die Kalksburger die Anarchie (die es vorher auch immer wieder ein bissl gegeben hat) und viele Freiheiten ins Wienerlied gebracht. Vincenz schafft es, dass seine Texte genial frisch und neu sind und gleichzeitig aber den historischen Vorgängern am nächsten kommen von allen heutigen Texten. Peter Ahorner: Ich bleib noch beim Text, weil ich den so wesentlich finde. Mit Peter arbeiten wir seit vielen Jahren zusammen und vertonen seine Texte. Er ist der Grund, warum wir letztendlich "hauptberuflich" beim Wienerlied gelandet sind, durch seine Texte haben wir Lust bekommen, zeitgenössische Wienerlieder zu machen. Ich liebe seine Sprache, die Poesie und den tiefgründigen Wortwitz. Walther Soyka: Genialer Harmonikaspieler, der die Wiener Instrumentalmusik spielt wie kein anderer. Mit ihm werden alte Weana Tanz' so erotisch wie argentinischer Tango. Karl Stirner möcht ich auch nennen, kongenialer Partner von Walther an der Zither. Die beiden gemeinsam sind ein Erlebnis und immer wieder ein Wunder. Hannes Löschel: Versucht mit seiner Stadtkapelle (von der ich der Sänger bin), Wiener Musik von Franz Schubert bis zu aktuellen Texten und Neukompositionen an den Grenzen zwischen Jazz und Tradition, E- und U-Musik zu verarbeiten. In seiner Band treffen Musiker der Wiener Szene (Soyka, Stirner, ich) auf junge Improvisations- und Jazzmusiker aus Wien (Thomas Berghammer, Bernd Satzinger, Michael Bruckner, Mathias Koch, Hannes Löschel) Andere, mit denen wir nicht soviel zu tun haben: Zwei Herren spielen natürlich eine große Rolle: Karl Hodina und Roland Neuwirth Ernst Molden (Texte!), 5 Achterl in Ehren (da taugt uns die Idee, Wienerlied und Soul zu verschmelzen) Und es gibt natürlich einen Haufen junger Traditionalisten, die wir aber nicht so spannend finden. Wie würdet Ihr euren Zugang bzw. eurer Verhältnis zum Wiener-Lied darstellen? Wir kommen aus einem distanzierten Verhältnis, reiben uns oft am Wienerlied und seinen Interpreten, finden viele Lieder (vor allem auch viele der berühmten und oft gesungenen) unsingbar blöd (textlich) oder einfach antiquiert und finden viele Interpretationen scheußlich und kitschig. Und dann verlieben wir uns in andere alte Wienerlieder, die in uns etwas zum Klingen bringen, das offenbar schon vorher da war, bevor wir begonnen haben, diese Musik zu spielen. Die guten Wiener Interpreten sind Naturereignisse. Qualtinger, Sowinetz, Nagl, Wizlsperger, Ahorner, Soyka, Stirner: Denen schau ich gerne zu, egal, ob sie einen Kaffee trinken oder auf der Bühne stehen. Wir lieben die Reichhaltigkeit der Musik und wie gut man im Wienerlied Mischkulanzen der unterschiedlichsten Art herstellen kann. (Auch wenn das gefährlich ist und auch in die Hose gehen kann). Wir lieben den Umgang mit unserer eigenen Sprache, die Möglichkeiten, die die Wiener Mundart bietet. Wir haben viele Jahre auf Englisch gesungen. Beides probiert, kein Vergleich. Ganz spannend ist, wie viel man anhand der alten Texte über Wien und die eigene Herkunft, über die Mentalität dieser Stadt und die Gründe dafür erfahren kann. Ich habe Wien erst durch diese Lieder kennen gelernt. Wie kam es zur Gründung der Strottern? Was möchtet Ihr mit eurer Musik genau erreichen? Durch Zufall. Wir haben zum 70er meines Großvaters (ein Wiener, der in die Steiermark emigriert ist) ein paar Lieder einstudiert. Hat uns sofort gefallen. Dann haben wir viele Jahre lang nur so nebenbei ein paar alte Lieder gespielt, bei Geburtstagen und Festen als Einlage (gutes Trinkgeld!), hatten aber nur ein sehr begrenztes Repertoire. Wir haben uns mit ganz anderer Musik beschäftigt (Pop, Jazz). Dann haben wir Peter Ahorner kennen gelernt und Lust bekommen, neue Lieder zu machen, zunächst mit seinen Texten, später auch mit unseren eigenen. Diese Lieder sind sehr gut angekommen und alles weiter hat sich ergeben, so dass wir heute fast ausschließlich Wienerlieder machen und nahezu davon leben können. Genau wollen wir gar nix erreichen. Menschen wollen wir erreichen. Aber ein paar Dinge sind uns wichtig: Wir wollen Spaß haben, erfüllt sein von der Musik, die wir machen. Das ist das wichtigste. Wir lieben die Bühne, wir unterhalten gerne Menschen. Wir freuen uns, wenn wir bei jungen Menschen das Interesse für diese Musik wecken können und sie sich ein bisschen mit ihrer eigenen Sprache und Geschichte beschäftigen. Wir lieben die große Amplitude, die Hochschaubahn der Gefühle. Am Schönsten ist es für uns, wenn in unseren Programmen gelacht und geweint wird und alles dazwischen. Welchen musikalischen Lebensweg habt Ihr bestritten? Wie seid Ihr auf die von euch angewandten Spieltechniken gekommen? Wir hatten ein bisschen Instrumentalunterricht als Kinder (David allerdings nur am Klavier und an der Geige). Haben früh damit aufgehört (mit 14 oder so) und uns dann autodidaktisch mit unseren Instrumenten beschäftigt. Dementsprechend sind die Spieltechniken mehr oder weniger passiert. Trial and Error. So lang bis das rauskommt, was man selber hören möchte. Wir haben früher viele Hochzeiten und Feste gespielt (mit einem Jazzquartett) und dann hatten wir von 1997 bis 2002 eine Popband, in die wir viel Zeit investiert haben. Mit dem Wienerlied ist es eigentlich erst nachher so richtig losgegangen. Auf welche kulturellen und sozialen Tätigkeiten legt Ihr eurerseits besonderen Wert? Da weiß ich jetzt nicht genau, was diese Frage bedeutet. Wir hören viel Musik, live ist leider oft schwierig, wenn man selber als Musiker unterwegs ist. Und wir sind leidenschaftliche Familienmenschen, haben kleine Kinder (David eine Tochter, ich vier Söhne) und damit ist der Tag eh schon voll. Hätten wir mehr Zeit, würden wir mehr Basketball spielen und viele gute Dinge tun :-) Wer erstellt die Musik zu den Texten? Die Musik ist immer von uns, die Texte sind auch von anderen Autoren.