Brückenkurs Mathematik Etwas Geschichte... Andreas Kucher [email protected] Institute for Mathematics and Scientific Computing Karl-Franzens-Universität Graz Graz, September 5, 2015 Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Hinweis zu den Folien Diese Folien sind derart konzipiert, dass sie ohne weitere Erklärungen eher schwer nachzuvollziehen sind. Sie sollen uns als roter Faden für die VU dienen. Weiters ist zu beachten, dass Genauigkeit und Wissenschaftlichkeit unter dem propädeutischen Charakter des Brückenkurses leiden müssen. An einigen Stellen sollen vordringlich Ideen und Denkweisen vermittelt werden! Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte I - Das Kerbholz Abbildung : Ein Kerbholz aus der Steinzeit. I Eine Kerbe repräsentiert ein Objekt aus der Realität. I Und was kann eine Konsequenz davon sein? Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte II - Die Ägypter Abbildung : Papyrus Rhind. I I I I Aufgabensammlung für praktische Aufgaben (Lohn, Brotbacken, “Architektur“, ...). Woher kommen die Resultate? Wie verlässlich sind sie? Es sind keine ”Beweise“ überliefert. (→ worauf sollten Beweise aufbauen?) Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte III - Die Babylonier Abbildung : Sexagesimale Näherung für √ 2. I Stellenwertsystem (im Gegensatz zu den Ägyptern). I Algorithmen zur Berechnung von Quadratwurzeln, Lösen von quadratischen Gleichungen, ... I Keine strenge Beweisführung vorhanden. I Die Algorithmen ”funktionieren“ einfach. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte IV - Die Griechen – Pythagoräer I Annahme: Die Natur lässt sich durch Verhältnisse darstellen. I I I I I ”Alles ist Zahl” Proportionenlehre und Musik. Kultischer Charakter. √ Der Schock: 2 lässt sich nicht durch ein Verhältnis von Zahlen darstellen. Satz von Pythagoras? Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte IV - Die Griechen – Aristoteles Die Philosophen mögen nun ob der im Rahmen der Lehrveranstaltung notwendigen Unschärfe nachsichtig sein: I Die Denkgesetze von Aristoteles und die Logik... I I I L1: Satz von der Identität (Fordert die Eindeutigkeit von Begriffen wenn sie “gleiche” Eigenschaften haben). L2: Satz vom Widerspruch (Fordert die Widerspruchsfreiheit von Aussagen. Eine Aussage kann nicht wahr und falsch sein). L3: Satz vom ausgeschlossenen Dritten (Aussagen sind entweder wahr oder falsch!). Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte IV - Die Griechen – Euklid I Die Elemente (15 Bücher) I I I I Stringenz I I I I I Sammlung des antiken Wissens über Mathematik. Arithmetik und Geometrie sind zusammengefasst und strukturiert. Stringenter Aufbau. Axiome Definitionen Propositionen (Sätze) Beweise Axiomatische Geometrie I I I I Axiome Definitionen Propositionen (Sätze) Beweise Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Unser erster Beweis (Euklid) Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Zur Struktur des Beweises I Allgemeines I I I I Beliebig viele und nicht “unendlich“ viele! Nutzt Aristoteles’ Logik und insbesondere L3. Baut auf Definitionen und vorhergehenden Sätzen auf. Beweisstruktur I I Beweis durch Widerspruch. Fallunterscheidungen. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Zur Struktur des Beweises Theorem Es gibt unendlich viele Primzahlen. Beweis. Angenommen, es gibt nur endlich viele Primzahlen p1 , ..., pn . Sei m = p1 · ... · pn . Wir betrachten m + 1: I Fall 1: m + 1 ist eine Primzahl. Daraus folgt ein Widerspruch zur Annahme (warum?). I Fall 2: m + 1 ist keine Primzahl. Es muss daher eine Primzahl q ∈ {p1 , ..., pn } geben, die m + 1 teilt. Weil q laut Konstruktion von m ein Teiler von m ist und auch m + 1 teilt, muss q ein Teiler von 1 sein (warum?). q ist aber prim. Ein Widerspruch. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte V - Das Mittelalter Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte VI – Frühe Neuzeit I Reconquista: ”Algebra”, ”Algorithmus”, etc. von Mauren übernommen. I Renaissance: “Wiederbesinnung” auf die Antike. Neue Ideen: I I I Descartes: Verknüpfung von Geometrie und Zahlen (z.B. Kartesisches Koordinatensystem; Euler). Pascal: Wahrscheinlichkeitstheorie (später Kolmogarov). Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Infinitesimalrechnung Motiviert durch das Interesse an kontinuierlichen Bewegungen. MECHANIK I Newton und Leibnitz I I I I I (x) “f 0 (x) = limh→0 f (x+h)−f ” h (Heutige Perspektive: Differenzierbarkeit ist eine lokale Eigenschaft) Probleme mit dem Nenner. (Was ist eine Funktion? Gibt es nicht differenzierbare Funktionen?) Es geht voran! I I I Endlich: Bolzano, Cauchy und Weierstraß. “Sicheres” Fundament eines Grenzwertbegriffes. Zahlen werden beliebig klein und nicht unendlich klein! Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte VII – 19. Jahrhundert I Riemann und nichteuklidische Geometrien Euklids 5. Axiom, das Parallelenaxiom, besagt: “In einer Ebene gibt es zu jeder Geraden g und jedem Punkt P ausserhalb von G genau eine Gerade, die zu G parallel ist und durch den Punkt P geht“. → Man beginnt stärker auf die Axiomensysteme zu achten! I Cantors Psyche: Continuum und Mengenlehre “Eine Menge ist die Zusammenfassung von Objekten unseres Dekens oder unserer Vorstellung” I Frege versucht eine logizistische Grundlegung der Mathematik. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Nichteuklidische Geometrie Abbildung : Die hyperbolische Ebene. Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte VIII – 20. Jahrhundert I GRUNDLAGENKRISE DER MATHEMATIK I I I I I Russelsche Antinomie: Frege ist gescheitert! Russel und Whitehead: Principia Mathematiker (400 Seiten für 1+1=2!). Hilbert und die Formalisten. Gödels Unvollständigkeitssatz. Und heute? Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Etwas Geschichte IX – Die Zukunft Brückenkurs Mathematik Andreas Kucher Rechenübung i) Geostationärer Satellit: FA = mE mS ·G r2 und FZ = 4π 2 mS r . T2 Ermitteln Sie eine Formel für r unter der Annahme, dass FA = FZ . ii) (− 31 )−2 = iii) iv) x 4n = x8 n+1 x x 2n−1 y 3 x 3n−2 y = v) Zeigen Sie Schritt für Schritt: a −p b Brückenkurs Mathematik p b = . a Andreas Kucher