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Media | Zeitungsallianzen
Druck sorgt für
kreative Unruhe
Umbruch Statt im schrumpfenden Markt an einem Strang zu
ziehen, entwickeln Zeitungsverlage immer neue Vermarktungsangebote. Das Vermarktungsmodell der Riesenkombi Nielsen
Ballungsraum Zeitungen (NBRZ) gerät zunehmend unter Druck.
Kaum ein Deal hat die Branche so gerockt
wie der, als Axel Springer im Sommer
wesentliche Print-Assets an die FunkeGruppe verkaufte. Gleichzeitig sollen mit
dem Käufer als Minderheitsbeteiligtem
mächtige gemeinsame Vertriebs- und
Vermarktungsfirmen entstehen – wenn
das Kartellamt mitmacht.
Zeitungsverlage rätseln, was Springer
mit dem neuen Vermarkter vorhat. Eine
Frage treibt alle um: „Wie wird der Deal
die Zeitungslandschaft verändern?“ Klar
ist: Die Millionenauflage der Funke-Titel,
die in den neuen Vermarkter eingebracht
werden, wirkt als Auflageninfusion für
Springers Zeitungsportfolio. Die abschmelzende Bild wird ergänzt durch die
Funke-Titel in NRW und Ostdeutschland.
Mit Abendblatt und Morgenpost in Hamburg und Berlin, deren nationale Vermarktung auch nach dem Deal noch bei
ASMI liegt, ist das ein gutes Argument
Hat sich das
Modell NBRZ als
flächendeckende
Ballungsraumkombi
bald überholt? Die
einen halten neue
flexiblere Zeitungspakete mit höheren
Grundrabatten für
einen kreativen Prozess. Die anderen
befürchten Spaltung
der Branche und
eineVerramschung
der Medialeistung.
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im Bemühen um nationale Handelskunden wie Aldi und Lidl, aber auch Markenartikler. Es liegt auf der Hand, dass
Springer mittelfristig versuchen wird, das
Mandantengeschäft in der nationalen
Zeitungsvermarktung auszubauen und
weitere Ballungsräume dazuzugewinnen.
Welche Rolle wird dabei Medienhaus
Deutschland spielen? Wird deren Kombi
TZ Premium Select als schlagkräftige
Konkurrenz zu Bild entwickelt, jetzt, wo
Springer als Gesellschafter ausscheidet?
Oder werden sich die MedienhausGesellschafter Madsack, Funke (mit den
Neuzugängen Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost),
Verlagsgruppe Rhein-Main,
DuMont Schauberg, Stuttgarter Zeitung, Rheinische Post,
Verlagsgruppe Pressedruck –
die allesamt auch Teil der Bal-
lungsraumkombi NBRZ sind – im Gegenteil enger an den entstehenden Springer-Funke-Vermarkter binden? Dies
jedenfalls würde die bisherige Tektonik
in der Zeitungsvermarktung verschieben.
„Die NBRZ würde eventuell auseinanderbrechen“, sagt ein Marktteilnehmer.
Angesichts dieser Ungewissheiten
wächst die Unruhe in der Zeitungsbranche. Vor allem Verlage in der Region
fürchten, ihnen könnten bei einer Neuordnung des Marktes die Felle davonschwimmen. Und sie werden aktiv.
Hans Kary, Anzeigengeschäftsführer
der Koblenzer Rheinzeitung und Vorstandschef des Vereins Abopresse e.V., hat
gerade mit 37 Regionalverlagen zwischen
Kassel, Freiburg und Passau ein neues
nationales Vermarktungsbündnis geformt,
dessen Angebot bereits ab 1. Oktober von
den Verlagsvertretungen in den NielsenGebieten vermarktet werden soll. Die
sogenannte „Kombi Nation“ mit dem
Untertitel „Tageszeitungen flexibel kombinieren“ soll bislang zeitungsabstinente
Kunden zum Buchen animieren.
Im Gegensatz zu geschlossenen Kombis wie den flächendeckenden Angeboten
der NBRZ und von Medienhaus Deutschland verspricht die Kombi Nation dem
Sven Holsten (l.), Boss der traditionellen
Flächenkombi Nielsen Ballungsraum Zeitungen NBRZ muss sich mit immer mehr
Vermarktungsideen herumschlagen, die
parallel zur NBRZ nach Kunden fischen.
Matthias Schönwandt, Chef von Medienhaus
Deutschland, hat mit der Kaufkraft-Kombi
jenseits der NBRZ erste Kampagnen mit der
Telekom, Seat, Nissan und CDU realisiert –
vermutlich zu Lasten überregionaler Bätter.
Fotos: Fotolia/Zerbor; Bettina Theisinger; Unternehmen
Hans Kary (r.), Vorstandschef der Abo­presse
und Anzeigenchef der „Rheinzeitung“,
prescht mit einem neuen Vermarktungsangebot vor, das Kunden größtmögliche
Flxibilität bei Belegungswünschen bietet.
Kunden mehr Selbstbestimmung: Er kann
frei wählen, welche Teilausgaben in welchen Ortsgrößen und Regionen er belegen
möchte. „Damit können wir präzise kundenorientierte Belegungen anbieten, um
die Streuverluste so gering wie möglich
zu halten“, sagt Kary. Einzige Bedingung:
Eine Mindestbelegung von 2,5 Millionen
Auflage bei einem Mindestformat von
etwa einer Viertelseite. Je nach Auflagenhöhe gibt es dafür bis zu 40 Prozent Abschlag auf den Listenpreis.
Kary will das neue Angebot als „Gattungsinitiative“ verstanden wissen, der
sich auch andere Verlage anschließen
können. Doch die Gattung wird auch andernorts von kreativer Unruhe erfasst. So
haben Verlagsvertretungen für den traditionell verkaufsschwachen Dienstag das
hochrabattierte Vermarktungsmodell
„Super Tuesday“ entwickelt.
Es lockt Neukunden damit, dass sie
nicht die Gesamtmedialeistung einer Zeitung bezahlen müssen, sondern nur noch
den Reichweitenanteil in der von ihnen
definierten Zielgruppe. Beispiel: Erreicht
der Kunde über die Zeitungen nur 45
Prozent Unterhaltungselektronik-Interessierte, zahlt er nur 45 Prozent des Listenpreises. Das Angebot ist bei einem
Höchstrabatt von 70 Prozent gedeckelt.
Über 40 Titel haben beim SuperTuesday-Vorstoß im vergangenen Jahr
mitgemacht. Sie haben den Kunden Bosch
und Siemens Hausgeräte an Land gezogen,
der seitdem regelmäßig Kampagnen in
der Zeitung schaltet. Das Argument für
die Bosch-Agentur: „Extrem hoher Kostenvorteil, regional frei austeuerbar, aus
einer Hand“, sagt Maria Voigt, Account
Manager Division Planning der OmnicomAgentur PHD Germany. Voigt hat auch
die Kombi des Medienhauses Deutschland
geprüft und sie als zu teuer empfunden.
Doch die neuen Angebote setzen wohl
vor allem die NBRZ unter Druck. Die hat
nach W&V-Informationen in einigen
Fällen ebenfalls bereits mit zielgruppenanteiligen Preisen experimentiert.
Offenbar will nun auch die ZMG
Zeitungs Marketing Gesellschaft ihre bisherigen Marktforschungsangebote in die
Vermarktung geben – angeblich mit Billigung vieler Verlage, heißt es. So sollen
die Verlagsvertretungen nun das sogenannte Regioflex vermarkten – eine regional aussteuerbare Eckfeldanzeige mit
Mafo-Begleitung, die zentral bei der ZMG
gebucht werden kann. Inklusive der Agenturprovision ist das Angebot mit 55 Prozent des Listenpreises rabattiert. Dazu
kommt das Angebot „Occupied Page“ mit
sechs über eine Doppelseite verteilten
Mini-Textteilanzeigen.
Viele sehen den neuen Aktionismus
mit Skepsis: „In einem schrumpfenden
Markt sollte man eher konsolidieren als
fragmentieren“, heißt eine oft geäußerte
Meinung. Gebe es immer neue Wettbewerbsangebote, nütze dies vor allem den
Einkäufern in den Agenturen. Immer
höhere Einstiegsrabatte setzten eine preisliche Abwärtsspirale in Gang. „Je schlechter die Regionalpresse organisiert ist,
desto besser für Bild“, kommentiert ein
Agenturmann trocken, der für Harmonisierung der Angebote plädiert.
Doch was dem einen als Spaltung
und Herabminderung der Medialeistung
von Zeitungen gilt, bewertet der andere
als „extrem produktiven Prozess“, bei dem
man herausfinde, wie Kundenbedürfnisse besser befriedigt werden können.
Matthias Schönwandt hat nicht vor,
sich auf Preiswettbewerbe einzulassen:
„Reine Preisdiskussionen sind am Ende“,
glaubt der neue Medienhaus-Deutschland-Chef. Dass Werbekunden angesichts
der sinkenden Effizienz ihrer Marketing­
aufwendungen ihre Mediastrategien
hinterfragen, hält Schönwandt für „ein
klares Signal zurück zu qualitätsdifferenzierten Mediastrategien“.
Seine These kann er schon im Herbst
unter Beweis stellen, wenn Medienhaus
Deutschland mit einem neuen Angebot
in den Markt geht, das Print, Online,
Mobile und Social-Kanäle verknüpft.
Judith Pfannenmüller | [email protected]
mehr in W&V 39/13
Was Medienhaus
Deutschland
vorhat, erzählt
Geschäftsführer
Matthias Schönwandt im W&V-Interview in Heft 39.
Der Startschuss für
die MedienhausRoadshow fällt am
16. September in
Düsseldorf. Weitere
Termine: 17. September München,
24. September
Hamburg, 25. September Frankfurt.
Werben & Verkaufen 38/2013 | 75
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