Collegium Novum Zürich Konzert 2. November 2016 Porträt Seit seiner Gründung 1993 widmet sich das Collegium Novum Zürich der Förderung und Aufführung von Musik der Gegenwart. Gleichzeitig wird das aktuelle Musikschaffen in historische Kontexte gestellt und die Geschichtlichkeit der Musik der Moderne erlebbar gemacht. Wichtiger Bestandteil der künstlerischen Arbeit des CNZ ist der direkte Kontakt mit den Komponistinnen und Komponisten sowie der Austausch mit Kooperationspartnern. Das 29 Mitglieder umfassende Solistenensemble vermag dank seiner mobilen Struktur flexibel auf Besetzungen vom Solo bis zum grossen Ensemble zurückzugreifen. So kann sich die Programmgestaltung ganz nach inhaltlichen Kriterien ausrichten. Die Mitglieder treten mit dem Ensemble auch solistisch in Erscheinung und nehmen neben ihrer Tätigkeit beim CNZ führende Rollen im Schweizer Kultur leben ein. Das Collegium Novum Zürich, das von der Stadt Zürich und vom Kanton Zürich subventioniert wird, unterhält seit Jahren eine eigene Konzertreihe in Zürich, bei der in Zusammenarbeit mit verschiedenen Veranstaltern Ensemble-Projekte in der Tonhalle und an anderen Konzertorten in der Stadt realisiert werden. Viele der Veranstaltungen suchen gezielt die spartenübergreifende Vernetzung der Künste sowie sinnfällige Verbindungen von musikalischem Programm und Konzertort. Im Laufe seiner nunmehr über 22 Jahre währenden Konzerttätigkeit brachte das CNZ zahlreiche Werke zur Uraufführung, darunter Kompositionen von Gary Berger, Ann Cleare, Xavier Dayer, Beat Furrer, Georg Friedrich Haas, Edu Haubensak, Hans Werner Henze, Michael Jarrell, Klaus Huber, Mischa Käser, Hermann Keller, Rudolf Kelterborn, Thomas Kessler, Jorge E. López, Cécile Marti, Isabel Mundry, Emmanuel Nunes, Helmut Oehring, Klaus Ospald, Michael Pelzel, Enno Poppe, Philippe Racine, Andrea Lorenzo Scartazzini, Annette Schmucki, Nadir Vassena und Stefan Wirth. Die Interpretationen des Ensembles sind auf mehr als einem Duzend Tonträgern nachzuhören. Am Pult des CNZ standen Dirigenten wie Pierre Boulez, Mark Foster, Sylvain Cambreling, Friedrich Cerha, Peter Hirsch, David Philip Hefti, Pablo Heras-Casado, Beat Furrer, Heinz Holliger, Mauricio Kagel, Roland Kluttig, Johannes Kalitzke, Susanna Mälkki, Emilio Pomarìco, Michael Wendeberg, Enno Poppe, Peter Rundel und Jürg Wyttenbach. Von 2013 bis 2016 war Jonathan Stockhammer dem Ensemble als Conductor in Residence verbunden. Das Collegium Novum Zürich tritt regelmässig im In- und Ausland auf und gastiert bei renommierten Festivals und Veranstaltern wie Kölner Philharmonie, Muziekgebouw Amsterdam, Philharmonie Luxembourg, Konzerthaus Berlin, Ultraschall Berlin, Berliner Festspiele/MaerzMusik, November Music ’s-Hertogenbosch, Bregenzer Festspiele, Klangspuren Schwaz, Lucerne Festival, WDR Köln, Schwetzinger Festspiele, Thailand International Composition Festival, Warschauer Herbst, Wittener Tage für neue Kammermusik, Wiener Konzerthaus und Tage für Neue Musik Zürich. Fremd Collegium Novum Zürich Sascha Janko Dragićević ( *1969 ) « Druga No ć » – Nocturne für elf Instrumentalisten ( 2015, Schweizer Mittwoch, 2. November 2016 20 Uhr Tonhalle Zürich, Grosser Saal Erstaufführung ) Dauer ca. 11' Vinko Globokar (*1934 ) « L’Exil » Nr. 2 für Sopran oder Tenor und dreizehn Instrumentalisten ( 2012, Uraufführung ) Dauer ca. 25' Pause Beat Furrer (*1954 ) « Xenos » für Ensemble ( 2008) Dauer ca. 10' Marko Nikodijevic (*1980) « K-hole / schwarzer horizont – drone ( with song ) » für Ensemble und electronica ( 2012 / 2014, Schweizer Erstaufführung ) Dauer ca. 18' Die Werke dieses Konzertes sind Teil des saisonübergreifenden Schwerpunkts Fokus Osten. Mit freundlicher Unterstützung von: Mäzene, Gönner und Freunde des Collegium Novum Zürich Programm Besetzung Jonathan Stockhammer, Dirigent Eva Nievergelt, Sopran Susanne Peters, Flöte Rafal Zolkos, Flöte Matthias Arter, Oboe / Englischhorn Heinrich Mätzener, Klarinette Ernesto Molinari, Klarinette Patrick Stadler, Saxophon Miguel Angel Perez Domingo, Fagott Tomás Gallart, Horn Jens Bracher, Trompete Stephen Menotti, Posaune Simon Lamothe Falardeau, Tuba Gilles Grimaître, Klavier Stefan Wirth, Klavier / E-Orgel Brian Archinal, Schlagzeug Julien Megroz, Schlagzeug Anne-Maria Hölscher, Akkordeon Estelle Costanzo, Harfe Rahel Cunz, Violine Urs Walker, Violine Patrick Jüdt, Viola Martina Schucan, Violoncello Imke Frank, Violoncello (nur Dragićević ) Johannes Nied, Kontrabass Gary Berger, Klangregie Luka Kozlovacki, Klangregie Marko Nikodijevic, Klangregie 2 Jens Schubbe Fokus Osten In den Konzerten dieser Saison und auch darüber hinaus wird das Collegium Novum Zürich einzelne Werke, aber auch manchmal komplette Programme einem als Fokus Osten gekennzeichneten programmatischen Schwerpunkt widmen. Wir möchten dabei verstärkt danach fragen, wie zeitgenössische Musik auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert. Gerade Süd- und Südosteuropa und die angrenzenden Regionen waren und sind immer wieder Schauplätze besonders einschneidender und dramatischer Umwälzungen. Wir rücken Komponisten ins Zentrum, die aus diesen Regionen stammen und durch deren geschichtliche und gegenwärtige Bedingungen geprägt wurden oder aber sich diesen Regionen als Aussenstehende zugewandt haben. An einige dieser Komponisten wurden Aufträge vergeben. Wir möchten dabei erkunden, wie gesellschaftlich bedeutsame Phänomene im Medium der Kunst reflektiert werden. Ein solcher Ansatz schliesst nicht aus, dass wir auch Musik in unsere Programme integrieren, die von keinerlei aussermusikalischen Vorstellungen und Intentionen beeinflusst ist, sondern die allein dank ihrer ästhetischen Qualität zu wirken vermag. Fremd «Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus», verkündet der Protagonist in Franz Schuberts « Winterreise» und benennt damit ein für die abendländische Kunst- und damit auch Musikgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte zentralen Topos. In Schuberts Liederzyklus geht es nur an der Oberfläche um ein unglückliches Liebeserlebnis, das den « reisenden Waldhornisten » umtreibt. Jenes Phänomen, das in Schuberts Werk chiffriert und gleichnishaft reflektiert wird, ist das der Entfremdung. Die vom Menschen betriebene rationale Naturbeherrschung wendet sich letztlich gegen ihn selbst und die von ihm beherrschte Welt tritt ihm als Fremdes, Feindliches gegenüber und mit ihr tendenziell auch die menschliche Gesellschaft. Goethe liess diese Erkenntnis Mephisto unvergleichlich prägnant formulieren: «Er nennts Vernunft und brauchts allein, nur tierischer als jedes Tier zu sein.» Jean Paul prägte für das Empfinden, das jene umfing, die dieses Risses inne wurden, den Begriff Weltschmerz. Noch bei Gustav Mahler hallt eine solche Gestimmtheit nach: « Ich bin der Welt abhanden gekommen », heisst es in einem seiner Lieder nach Friedrich Rückert, das knapp nach der Wende zum 20. Jahrhundert komponiert wurde. Zu Mahlers Zeit aber wurde ein anderer Aspekt des Phänomens Fremde für die Kunstmusik wichtig. Die industrielle Revolution liess die Distanzen auf dem Globus schrumpfen. Kulturen, von denen man in Europa zuvor kaum eine Ahnung hatte, waren nun hautnah zu erleben – etwa auf den Weltausstellungen in Paris um die Jahrhundertwende. Die Begegnung mit der Musik Südostasiens hat beispielsweise Claude Debussy zutiefst beeindruckt und seine Musik nachhaltig beeinflusst. 3 Ging es hier um eine bewusste Hinwendung zum Fremden, Anderen, so kann die Erfahrung von Fremdheit aber auch eine durch Vertreibung und Flucht erzwungene sein. Sie prägt die Geschichte der Menschheit seit den globalen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts wie kaum eine zweite, und es bedarf kaum des Hinweises auf die Flüchtlingsströme, die gegenwärtig nicht nur Europa durchqueren, um zu erkennen, wie unvermindert aktuell dieses Phänomen ist. All die genannten Aspekte der Erfahrung des Fremden und der Fremde werden von den vier hier in Rede stehenden Werken reflektiert. Sascha Janko Dragićević: « Druga Noć » Sascha Janko Dragićević schlägt mit « Druga Noć » (Die zweite Nacht ) einen Bogen zu jener Epoche der Romantik, in der das Nocturne im heute noch gebräuchlichen Sinne etabliert wurde, ganz im Sinne der romantischen Hinwendung zum Nächtlichen, zum Traum, zum Irrationalen als jenen Sphären, in denen noch am ehesten jener Zwiespalt von Einzelnem und Welt überwunden werden konnte: «Der Titel evoziert die Idee der Nachtmusik im Sinne der romantischen Tradition des Nocturne. Mich interessierten hier die Assoziationen, die aus unserer Wahrnehmung von Zeit resultieren, sowohl in Bezug auf nächtliche Ruhe, Langsamkeit und Weichheit, als auch auf schnelle und bizarre Wechsel von Licht und Farben, verstörenden Schleifen, die wir erleben, wenn wir halb schlafen. Lässt sich ein genuin romantisches Konzept in eine zeitgenössische Musiksprache übertragen? Die elf Instrumente sind in vier Gruppen aufgeteilt, die mehr oder weniger weit von einander entfernt platziert werden. Die Instrumente in jeder Gruppe sind gestisch und strukturell eng miteinander verknüpft. Aber es findet auch Austausch und Verknüpfung zwischen den einzelnen Gruppen statt. Die vorherrschenden Bewegungscharakteristika sind extrem gedehnte Klänge, schnell vorbei huschende Texturen, sowie identische und variierende Loops.» ( Sascha Janko Dragicevi ´ c´ ) Sucht man nach musikgeschichtlichen Bezugspunkten, so könnte man die auch bei Claude Debussy finden, etwa in einer Formbildung, die eher auf Reihung knapper Einheiten als auf Entwicklung zielt oder auch auf die Überlagerung von verschiedenen Klangschichten, die eben dadurch den Effekt der Aufhebung oder des Kreisens der Zeit hervorrufen. Der Titel «Die zweite Nacht » bezieht sich auf den Umstand, dass «Druga Noć » eine neue Version des Stücks «Noć » für acht Instrumente aus dem Jahr 2008 darstellt. « Druga Noć » wurde am 2. Juli 2015 beim IRC AMManifeste-Festival mit der Internationalen Ensemble Modern Akademie ( IEMA ) unter Leitung von Gregor A. Mayrhofer uraufgeführt. des CNZ krankheitsbedingt nicht rechtzeitig fertig stellen. Wir werden diese Aufführung in der kommenden Saison nachholen. Vinko Globokar: « L’Exil Nr. 2 » Vinko Globokar ist seit den 1960er Jahren eine der prägenden Gestalten der zeitgenössischen Musik – als Posaunist und als Komponist. Seine Kunst ist stets welthaltig, reagiert auf die Wirklichkeit, positioniert sich. Oft ist seine Musik ungemein gestisch, verschmilzt sie instrumentale, vokale und szenische Aktion und schleift sie Gattungsgrenzen. Dafür stehen auch die drei Kompositionen zum Thema Exil, die Globokar seit 2012 vorgelegt hat: «L’Exil Nr. 1» ist ein Werk für Stimme und fünf Instrumentalisten. «L’Exil Nr. 2» ist an diese Konzeption angelehnt, bezieht allerdings ein grösseres Ensemble ein. «L’Exil Nr. 3» ist als grossformatiges Oratorium konzipiert. Der «L’Exil Nr. 2 » zugrunde liegende Text ist aus 37 Textfragmenten montiert, die Globokar der Sammlung « Cent poèmes sur l’exil » entnommen hat und die aus dem Französischen (in das sie zumeist übersetzt waren) teilweise in sechs weitere Sprachen übertragen wurden: Slowenisch, Deutsch, Spanisch, Englisch, Russisch, Italienisch. In den einzelnen Sätzen blitzen schlaglichtartig das Exil bezeichnende Erfahrungen, Bilder, Situationen und Emotionen auf. Sie werden aber nicht vorgeführt, sondern in einer Weise exponiert, die den Hörenden selbst in die Rolle des Exilanten drängt: Vor allem durch die Transformation der Texte in verschiedene Sprachen wird ein babylonisches Sprachgewirr erzeugt, wie es dem von Land zu Land Flüchtenden begegnet. Die Solo-Stimme wird zunächst von einzelnen Instrumentalstimmen sekundiert, die sich gleichsam in ihrer je eigenen Sprache artikulieren. Allmählich wird Textur dichter, verschmelzen die Einzelstimmen zu Chören. Gleichzeitig wird die Grenze von instrumentalem und vokalem Klang durchlässiger und mischen sich immer mehr per formative, theatrale Elemente in das Geschehen, die am Ende ganz dominieren. Die extremen Formen der Artikulation lassen Verwirrung, Angst, Verunsicherung und Verzweiflung assoziieren. Dazu kommen aber auch Momente der Klarheit, Erlösung, kleine Zwiegespräche, die vielleicht erste Schritte in Richtung einer Verständigung in einer neuen Sprache sind. Anmerkung 1: Eigentlich war geplant, in diesem Konzert « Ausschlag – Musik für 17 Instrumente und Live-Elektronik » von Sascha Janko Dragicevi ´ c´ uraufzuführen. Der Komponist konnte dieses Auftragswerk Anmerkung 2: Es kommt im Bereich der zeitgenössischen Musik gelegentlich vor, dass eine Uraufführung abgesagt werden muss, etwa weil ein Werk nicht rechtzeitig fertiggestellt werden konnte. Selten dürfte allerdings der Fall eintreten, dass ein Werk aufgeführt wird und die Beteiligten nicht ahnen, dass es eine Uraufführung ist. So wäre es um ein Haar mit Vinko Globokars «L’Exil 2 » geschehen. Das Werk wird im Katalog des Verlags Ricordi seit geraumer Zeit angeboten und auch wir sind auf diese Weise darauf gestossen. In der Partitur findet sich der 4 5 Hinweis, «L’Exil 2 » sei 2013 in Strasbourg uraufgeführt worden, auf der Website wird die Uraufführung nach Ljubljana verlegt. Erst als das CNZ den Komponisten zur Aufführung eingeladen hatte und er in seiner Antwort von einer Uraufführung des Werkes sprach, stellte sich heraus, dass er von den geplanten Aufführungen 2013 weder Kenntnis hatte, noch dass diese überhaupt stattgefunden hatten. So hat das CNZ unverhofft die Ehre, «L’Exil 2 » aus der Taufe zu heben. Hinausgekrönt, ausgespien in die Nacht. Ich flocht, ich zerflocht, ich flechte, zerflechte Paul Celan Französisch Auf der Durchreise sein, immer auf der Durchreise. Die Erde als Herberge haben. Miguel Asturias Französisch Du wirst aufwachen und dich wieder aufrichten am Tag, an dem das Exil endet. Anonym Englisch Das Exil ist ein Ort der Finsternis und der Nostalgie. Victor Hugo Deutsche Übertragungen der Texte Anmerkung: Die Texte sind hier in der Reihenfolge ihres Erscheinens aufgeführt. Es handelt sich zumeist um sinngemässe Übertragungen. Dorthin zurückkehren? Man erwartet mich nicht mehr. Anonym Slowenisch Wozu ein reicher Wohnsitz unter Fremden und fern von den Eltern? Englisch Wie sollen wir des Herren Lied in einem fremden Land singen? Deutsch Wozu noch einen Baum pflanzen. Psalm 137 Bertolt Brecht Russisch Nehmt die Schmach des Exils von mir. Ovid Englisch Ich weiss immer noch nicht, wo ich diesen Abend schlafen werde. Homer So war unser Schicksal: Wir sind gegangen, ohne Brot und Salz mit unseren Freunden zu teilen. Anonymer armenischer Dichter Und jetzt bin ich der Ausgestossene, der Ausgewiesene, der Verbannte, der Gejagte, und der Himmel sagt mir: «Ich bin die Freiheit ». Victor Hugo In der Nacht des Exils mit den Erinnerungen, die bluten ohne einen Schrei. Claude Vigie Du hast nicht mehr geantwortet, du fliehst und du ziehst dich zurück. Anonymer armenischer Dichter Der Mensch ohne Vaterland, ein Mensch ohne Namen, ein Mensch ohne Mensch. Michel Auge England und sogar Amerika würden dem Emigranten sagen: Geh weg! Wir haben Angst! Victor Hugo Deutsch Ah! Verbannen wir niemanden. Ah! Verbannung ist gottlos. Victor Hugo Ich bin ein Mensch ohne Heimat. Rachel Korn Deutsch Fremd unter Fremden – Ich hebe den Spiegel – Auf der Suche nach meinem Gesicht Emil Breisach Französisch Wenn das Exil kein Gefängnis ist, so zerstört es allmählich seinen Verstand und verwandelt den Menschen in einen Rohling. Octavian Goga Als Junger verliess ich mein Heim, als Alter kehre ich zurück. Anonym Wir müssen in der weiten Verbannung der Welt leben. Stefan Zweig Ho Chechang Italienisch Mutter, gib mir hundert Lire, damit ich nach Amerika gehen kann! Hundert Lire gebe ich dir, aber nach Amerika nicht, nein, nein! Französisch Es ist ein hartes Handwerk, das Exil. Nazim Hikmet Ich habe mich so voll Bitterkeit gefühlt, ohne Nachrichten von dir seit so langer Zeit. Du Fu Verbannung ist unaussprechbar, schrecklich und heilig. Victor Hugo Die Ausfuhr der Sklaven, mit Koffern auf den Schultern, die Verbannten kommen. Jose Herrera Petere Sondern wir flohen. Vertriebene sind wir, Verbannte. Bertolt Brecht 6 Wir Wandernde, An jeder Wegkreuzung erwartet uns eine Tür Nelly Sachs Italienisches Emigrationslied Slowenisch Raus hier! An diesem Ort hast du nichts verloren. Erich Fried Russisch Nehmt die Schmach des Exils von mir. Ovid Im Exil und im Gefängnis, wer wird da mit Freude lossingen? Mein Brot, hingeworfen von fremden Menschen. Die Sorge ist mein Kleid, die Einsamkeit ist mein Gut. Dora Teitelboim Wozu noch einen Baum pflanzen. Bertolt Brecht Englisch Sie wissen nicht, dass sie die Obstgärten des Exils nicht mehr sehen werden. Georges Shehade 7 An der Schwelle des Exils läutet traurig eine Glocke. Fernando Almeida Also weine um deine Koffer. Samih El Qassim Französisch Dorthin zurückkehren? Man erwartet mich nicht mehr. Anonym Ich habe die Schuhe eines anderen an meinen Füssen. Ach, ich habe mein Selbst verloren. Djalali Sahar Und jetzt bin ich der Ausgestossene, der Ausgewiesene, der Verbannte, der Gejagte, und der Himmel sagt mir: «Ich bin die Freiheit ». Victor Hugo Filter meiner Wahrnehmung. Ich denke, dass das Fremde nicht konservierbar ist. Es wäre eine kompositorische Aufgabe, das Fremde in seiner Fremdheit zu erhalten. Alles andere ist in vielen Fällen Maskerade und Tod.» ( Beat Furrer ) Beat Furrer: «Xenos» Beat Furrers « Xenos » entstand 2008 im Rahmen des vom Ensemble Modern und dem Siemens Arts Programm initiierten Projektes «into...». Sechzehn Komponistinnen und Komponisten wurde für einige Wochen ein Aufenthalt in einer der grossen Metropolregionen der Welt ermöglicht, der jeweils in einem Werk reflektiert werden sollte. Das CNZ hatte in der vergangenen Saison bereits zwei der in diesem Kontext entstandenen Werke vorgestellt: « Gougalon » von Unsuk Chin und « üg » von Mark Andre. Wie das Werk des letztgenannten Komponisten bezieht sich auch «Xenos» auf Istanbul: «Gereizt hat mich vor allem die musikalische Auseinandersetzung mit Istanbul, dieser monströsen zivilisatorischen Wucherung am Bosporus – über Jahrtausende Grenze zwischen Ost und West. Wie viele Kulturen haben hier ihre Spuren hinterlassen und sind heute noch wahrnehmbar!», meinte Beat Furrer in einem Interview und äusserte zu «Xenos »: «Ich möchte eine kleine flüchtige Erinnerung setzen: Eine wunderbar fremde arabische Melodie, die ich während des Gebets in der Sultan Ahmet Moschee gehört und aus dem Gedächtnis rekonstruiert habe, bildet die Grundlage des Stücks für das Ensemble Modern. Fasziniert vom klanglichen Reichtum dieser einstimmigen, vom Imam der Moschee meisterhaft dargebotenen Melodie habe ich versucht, die ständig variierenden Körperresonanzen – Ergebnis des ständig variierenden Stimmsitzes – durch verschiedene spektrale Filter nachzuahmen. Jedem Ton der Melodie ist ein anderer Filter zugeordnet – es entsteht eine kontinuierliche Filter-Bewegung.» Die Formulierung « spektraler Filter » verweist darauf, dass die Harmonik des Stückes sich auf die Obertonspektren der einzelnen Töne der zugrundeliegenden Melodie bezieht, deren Teiltöne in unterschiedlicher Weise Präsenz erhalten. « Xenos » ist überaus klar und sinnfällig geformt: Zweimal begegnet eine homorhythmische Deklamation in bläserdominiertem Ensembleklang und greller Klanglichkeit. Ihr folgen jeweils konträre Partien mit schattenhaften, perkussiv akzentuierte Klängen. Innerhalb des letzten Teils erscheint der dem Werk zugrundeliegende Gesang, intoniert von Bassflöten, Kontrabassklarinette und Kontrabass: «Die Instrumentierung entspricht der Veränderung des Fremden durch den Marko Nikodijevic: « K-hole / schwarzer horizont – drone ( with song ) » Auch Marko Nikodijevics « K-hole / schwarzer horizont – drone ( with song ) » liegt ein musikalisches Fundstück aus der Fremde zugrunde. Während eines Aufenthaltes in der Mongolei hat Gary Berger, Komponist und Klangregisseur des CNZ, in einer Jurte in der Wüste Gobi mit Hilfe seines Mobilphones den Gesang zweier mongolischer Musiker aufgezeichnet, Obertongesänge, die in zentraleuropäischen Ohren gleichermassen fremdartig und faszinierend tönen: «Erschütternd, als ob sie die Wüste selber singen würde.» ( Marko Nikodijevic ) Für die Komposition wurden sie vielfach manipuliert, gedehnt und gestaucht, fraktalisiert, gebrochen und ineinander verschachtelt. In diese Musik sind bestimmte Erfahrungen eingeflossen: «Die Einnahme grosser Mengen eines dissoziativen Anästhetikums wie Ketamin verursacht OBE- (out of body experience) und NDE- (near death experience) ähnliche Zustände, begleitet von Gefühlen starker Derealisierung, Depersonalisierung und Halluzinationen. Der Benutzer ist gefangen im Zustand der Loslösung von seiner physischen Präsenz. Die Sinne sind verzerrt, Objekte scheinen sich näher oder weiter weg zu bewegen, weshalb die Benutzer ihre Augen auf einen Punkt fixieren, ängstlich ihren Blick abzuwenden versuchen, da die Verzerrungen extrem desorientierend wirken. Die Kombination dieser Effekte ruft das Gefühl hervor, sich in einem gefrorenen Zustand zu befinden – gefangen in einem Loch, dem sogenannten K-hole. Das vorliegende Stück ist die Dokumentation einer Erfahrung, gefertigt nach bestem Wissen und Gewissen.» (Marko Nikodijevic ) Dass, wer solche Erfahrungen sucht, dazu wenigstens ansatzweise durch den Druck einer durch und durch entfremdeten Gesellschaft genötigt wird, sei wenigstens als Vermutung angemerkt. Was sich in diesem Stück ereignet, ist vor allem ein Aufheben der Zeit, ihre Dissoziation in Klangräumen oder in kreisenden bzw. spiralartigen Bewegungen. Ihre geschichtlichen Wurzeln hat eine solche Vorstellung übrigens beim eingangs zitierten Franz Schubert: In manchen von dessen Werken gibt es Passagen, manchmal ganze Sätze, die das Verströmen der Zeit, das Prozessuale der Zeitkunst Musik vergessen machen wollen. Ein erster Abschnitt – nennen wir ihn Introduktion – gewährt gleichsam Blicke in jene Klangräume, die anschliessend durchschritten werden. Nach gänzlich amorphem Beginn wird ein bordunartiger Zentralton (drone) wahrnehmbar, das gravitative Zentrum des Stücks, um das sich die spiralartigen Klangstrudel bewegen werden. Ein Feld, 8 9 Mit gierigen Händen suche ich im Nichts Jules Supervielle Biographien das von dunkelsten Klangfarben dominiert wird, weicht einem phantastischen Geglitzer und Gewisper. Im ersten Hauptteil wird die mongolische Melodie hörbar: Wie ein zarter cantus firmus wandert sie von der Oboe zu einem Hyperinstrument aus Bassflöte, Trompete sowie Kontrabass und schliesslich zum Cello. «Meine Komposition umschreibt die Ränder der akustischen Wirklichkeit dieser Musik, ahmt die gleichen physischen Prozesse der Klangerzeugung nach. Statt ein Kontrapunkt zu werden, errichtet sie sich wie eine Schutzmauer um die originale und bearbeitete Aufnahme der beiden Gesänge. Zwei Räume greifen ineinander, sich ins Endlose ausdehnend.» Dabei gerät die mongolische Melodie im nächsten Klangraum in den Sog live-elektronisch umgeformter Klänge und ist dabei kaum mehr wahrnehmbar. Der finale Abschnitt erscheint als dessen Gegenbild, eine Phantasmagorie, durchhallt von Möwenschrei-Glissandi. Die Klänge scheinen sich auf einen Fluchtpunkt voll gleissenden Lichtes zuzustreben, um kurz vor dessen Erreichen in Nichts zu zergehen. «Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.» – jene Worte Friedrich Nietzsches stehen der Partitur als Motto voran. Eine erste Version des Stücks mit dem Titel « ketamin / schwarz » entstand 201 2 und wurde im selben Jahr während der Donaueschinger Musiktage durch das ensemble ascolta unter Johannes Kalitzke uraufgeführt. «K-hole» ist eine überarbeitete und erweiterte Fassung dieser Komposition und kam 2014 mit dem Ensemble Intercontemporain unter Paul Fitzsimon zur Premiere. Sascha Janko Dragićević Sascha Janko Dragicevi ´ c´ wurde 1969 in Bonn geboren. Er studierte an der Musikhochschule Köln Komposition bei Krzysztof Meyer und York Höller, elektronische Komposition bei Hans Ulrich Humpert sowie Klavier und Kammermusik bei Klaus Oldemeyer, darüber hinaus zeitgenössische Kammermusik bei Christoph Caskel, Improvisation bei Paulo Álvares und belegte Kompositionskurse bei Klaus Huber, György Ligeti, Helmut Lachenmann, Karlheinz Stockhausen, Mauricio Kagel und Georg Katzer. Sascha Dragicevi ´ cs ´ Musik wurde international von namhaften Interpreten aufgeführt, im Rundfunk, Fernsehen und Internet-TV übertragen sowie auf CDs und bei Verlagen veröffentlicht. Seine Werke wurden auf renommierten Festivals und Reihen gespielt, wie z. B. Wien Modern, Internationales Beethovenfest Bonn, Impuls Festival für Neue Musik Sachsen-Anhalt, Sommerliche Musiktage Hitzacker, Reihe Unerhörte Musik (BKA Berlin), Reihe Generator Zürich, Forum Neue Musik Luzern, Reihe Festival «Piano+» am Karlsruher ZKM, «25 Jahre Ensemble Modern» in Frankfurt a. M., Posener Frühling. Kompositionsaufträge erhielt er u. a. mehrfach von der Kunststiftung NRW, der Hochschule für Musik «Franz Liszt » Weimar, dem Europäischen Zentrum der Künste Dresden, dem Impuls Festival für Neue Musik Sachsen-Anhalt und der Kunststiftung Sachsen-Anhalt sowie der Kulturverwaltung des Berliner Senats. Im Bereich elektroakustischer Musik arbeitete er am Institut für Musik und Akustik des ZKM in Karlsruhe, dem Studio für elektroakustische Musik der Hochschule für Musik «Franz Liszt » Weimar sowie dem elektronischen Studio der Hochschule für Musik Köln. 2012 arbeitete er als Artist in Residency am Institute for Computermusic and Sound Technology (ICST ) in Zürich. Als Pianist konzertiert Sascha Dragicevi ´ c´ vor allem mit eigenen Werken und Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Er spielte in verschiedenen Kammermusik- und Ensemble-Besetzungen und arbeitete zusammen mit Sängern. Seit seiner Jugend ist er als Pianist auch im Bereich des Jazz und der Improvisierten Musik tätig. Ihn verbinden langjährige Zusammenarbeiten mit Jazzmusikern vor allem der Kölner und Berliner Szene. Regelmässig tritt er als Pianist und Performer der freien Improvisationsmusik auf. Häufig arbeitet er als Klangregisseur und live-Elektroniker bei Aufführungen der eigenen Werke. Beat Furrer Beat Furrer wurde 1954 in Schaffhausen geboren und erhielt an der dortigen Musikschule seine erste Ausbildung (Klavier). Nach seiner Übersiedlung nach Wien im Jahr 1975 studierte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Dirigieren bei Otmar Suitner sowie Komposition 10 11 bei Roman Haubenstock Ramati. Im Jahr 1985 gründete er das Klangforum Wien, das er bis 1992 leitete und dem er seitdem als Dirigent verbunden ist. Im Auftrag der Wiener Staatsoper schrieb er seine erste Oper «Die Blinden », «Narcissus » wurde 1994 beim steirischen herbst an der Oper Graz uraufgeführt. 1996 war er « Composer in residence» bei den Musikfestwochen Luzern. 2001 wurde das Musiktheater «Begehren» in Graz uraufgeführt, 2003 die Oper «invocation» in Zürich und 2005 das Hörtheater « FAMA » in Donaueschingen. Seit Herbst 1991 ist Furrer Ordentlicher Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz. Eine Gastprofessur für Komposition nahm er 2006 bis 2009 an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt wahr. 2004 erhielt er den Musikpreis der Stadt Wien, seit 2005 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. 2006 wurde er für «FAMA » mit dem Goldenen Löwen bei der Biennale Venedig ausgezeichnet. 2010 wurde sein Musiktheater « Wüstenbuch » am Theater Basel uraufgeführt. Ende der 1990er Jahre gründete er gemeinsam mit Ernst Kovacic «impuls » als internationale Ensemble- und KomponistInnenakademie für zeitgenössische Musik in Graz. 2014 erhielt er den Grossen Österreichischen Staatspreis. 2015 wurde seine Oper «la bianca notte / die helle nacht » an der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführt. In der Saison 2016 / 2017 wurde «intorno al bianco » für Klarinette und Streichquartett durch das Klangforum Wien in Florenz uraufgeführt, gefolgt von den britischen und estnischen Erstaufführungen in Tallinn und Huddersfield. Das Hörtheater «FAMA » erlebt seine Britische Erstaufführung in London mit der London Sinfonietta unter Leitung des Komponisten. Abteilung Instrumental- und Vokalforschung am Institut de Recherche et de Coordination Acoustique / Musique ( IRCAM ) in Paris. Von 1983 bis 1999 arbeitete er als Lehrer und Dirigent für Musik des 20. Jahrhunderts mit dem Orchestra Giovanile Italiana di Fiesole (Florenz). Im Jahr 2003 wurde er zum Ehrenmitglied der ISCM ( IGNM ) ernannt. Vinko Globokar lebt in Paris. Marko Nikodijevic Marko Nikodijevic wurde 1980 in Subotica, Serbien, geboren und studierte zwischen 1995 und 2003 in Belgrad Komposition bei Zoran Erić und Srdjan Hofman. Zusätzlich besuchte er Kurse und Vorlesungen in nonlinearer Mathematik und Physik. Nach seiner Ausbildung in der serbischen Hauptstadt führte ihn 2003 ein Kompositionsaufbaustudium bei Marco Stroppa an die Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart. Nikodijevic liess sich in Stuttgart nieder, von wo aus er Stipendien, Meisterkurse und Kompositionsseminare in Apeldoorn, Visby, Weimar, Amsterdam, Salzwedel und Baden-Baden wahrnahm. Sein kompositorisches Schaffen wurde mit Preisen bzw. Auszeichnungen im Rahmen vom International Young Composers Meeting Apeldoorn, Gaudeamus Music Week Amsterdam, der 3. Brandenburger Biennale und des UNESCO Rostrum of Composers honoriert. Von 2012 bis 2013 hielt sich Nikodijevic als Stipendiat an der Cité internationale des Arts in Paris auf. 2013 erhielt er einen der drei KomponistenFörderpreise der Ernst von Siemens Musikstiftung und 2014 wurde er mit dem Deutschen Musikautorenpreis in der Kategorie Nachwuchsförderung ausgezeichnet. Vinko Globokar Geboren 1934 in Anderny in Frankreich, lebte Globokar vom 13. bis zum 21. Lebensjahr in Ljubljana (Slowenien), wo er als Jazzmusiker debütierte. Danach studierte er Posaune am Conservatoire in Paris ( Diplom in den Fächern Posaune und Kammermusik ), Komposition und Dirigieren bei René Leibowitz und Kontrapunkt bei André Hodeir. Er war auch Schüler von Luciano Berio. Globokar war der Solist zahlreicher Uraufführungen von Werken für Posaune von Luciano Berio, Mauricio Kagel, Karlheinz Stockhausen, René Leibowitz, Louis Andriessen, Toru Takemitsu, Jürg Wyttenbach und anderen. Eigene Werke wurden unter seiner Leitung unter anderem vom Orchester des Westdeutschen Rundfunks, den Orchestern von Radio France, Radio Helsinki und Radio Ljubljana sowie den Philharmonischen Orchestern Warschau und Jerusalem aufgeführt. Von 1967 bis 1976 war Vinko Globokar Professor an der Musikhochschule Köln. Er gehörte zu den Gründern der 1969 entstandenen Gruppe für Improvisation « New Phonic Art » und war 1973 bis 1979 Leiter der Eva Nievergelt Eva Nievergelt studierte Gesang bei Kathrin Graf am Konservatorium Zürich. Gleichzeitig folgte sie einer zweijährigen Ausbildung in der Meisterklasse für Liedgestaltung von Irwin Gage und Esther de Bros und studierte während drei Jahren Klavier bei Christoph Lieske am Winterthurer Konservatorium. Gesanglich bildete sie sich weiter aus bei Barbara Martig-Tüller in Bern, Margreet Honig in Amsterdam, Vera Rozsa in London und Judy Natalucci in New York. Meisterkurse bei Brigitte Fassbänder, Irwin Gage, Peter Elkus, Julia Hamari und Kurt Widmer. Stimmlich-schauspielerische Arbeit mit Paul Silber und Clara Harris vom Roy Hart Theatre, France. Opernarbeit mit Federico Davia, London und Carlos Harmuch, Basel. In ihrer künstlerischen Tätigkeit pflegt sie ein breites Repertoire; sie bewegt sich in der traditionellen Oper wie auch im Neuzeitlichen Musiktheater, im klassisch-romantischen wie im zeitgenössischen Lied, in barocker wie in zeitgenössischer Kammermusik. Im Bereich Oratorium 12 13 ist sie Solistin in einer farbig-vielfältigen Anzahl von Oratorien vom Barock bis ins 20. Jahrhundert. Sie musiziert mit verschiedenen Ensembles (Collegium Novum Zürich, ensemble aisthesis Heidelberg, notabu.ensemble Düsseldorf, ensemble courage Dresden, MELA-Quartett, Basler Madrigalisten, GNOM Gruppe für Neue Musik Baden, camerata variabile Basel u. a. m. ). Mit dem Schlagzeuger Christoph Brunner zusammen gründete sie das Duo canto battuto, das mit Kompositionsaufträgen ein ansonsten kaum existentes Repertoire für Stimme und Schlagzeug aufbaut und pflegt. Wichtig sind ihr Liederabende, denen eine unsere Zeit und unser Sein betreffende Musik oder Thematik zugrunde liegt. Eine intensive Zusammenarbeit pflegt sie mit den PianistInnen Tomas Bächli, Claudia Rüegg, Paul Suits, Elisabeth Bachmann und Gertrud Schneider. Sie arbeitet als Gesangs- und Stimmpädagogin in Baden, Schweiz, unterrichtete an der Kantonsschule Küsnacht und war Lehrbeauftragte an der Abteilung für Musik und Bewegung, Hochschule für Musik und Theater Zürich. Seit 2010 unterrichtet sie Methodik Gesang an der Musikhochschule Basel. Mit der Pianistin Elisabeth Bachmann zusammen bietet sie in Baden einen Liedkurs für SängerInnen und PianistInnen an, der auf grosses Interesse stösst. 2006 erhielt sie vom Aargauer Kuratorium einen Beitrag an das künstlerische Schaffen zugesprochen. Jonathan Stockhammer Jonathan Stockhammer hat sich innerhalb weniger Jahre in der Welt der Oper, der klassischen Symphonik und der zeitgenössischen Musik einen Namen gemacht. Inzwischen ist er weltweit als Dirigent gefragt: Er arbeitete unter anderem mit dem Los Angeles Philharmonic, dem Oslo Philharmonic Orchestra, dem NDR Sinfonieorchester Hamburg, der Tschechischen Philharmonie und dem Sydney Symphony Orchestra zusammen und war auf Festivals wie den Salzburger Festspielen, den Donaueschinger Musiktagen und Wien Modern zu Gast. Den Auftakt zur Saison 2012 / 2013 bildete Jonathan Stockhammers Debütkonzert mit den Bamberger Symphonikern, die er in Werken von Mozart und Rihm leitete. Mit der Jungen Deutschen Philharmonie hat er in der Alten Oper Frankfurt sein Debüt gegeben. Weitere Höhepunkte der Saison sind Wiedereinladungen zum Oslo Philharmonic, zur Radio Kamer Filharmonie, zur Biennale Salzburg, zum Remix Ensemble Porto und zu den Schwetzinger Festpielen sowie sein Debüt an der New York City Opera in Thomas Adès’ Powder Her Face. Die Oper spielt eine zentrale Rolle in Jonathan Stockhammers musikalischen Aktivitäten. Die Liste seiner Operndirigate, darunter « Die Dreigroschenoper », Zemlinskys «Eine florentinische Tragödie», Sciarrinos 14 « Luci mie traditrici » und « Monkey: Journey to the West » von Damon Albarn, weist ihn als Dirigenten aus, der sowohl komplexe Partituren als auch besondere, spartenübergreifende Produktionen als willkommene Herausforderung begreift und meistert. Regelmässiger Gast ist er seit 1998 an der Opéra de Lyon, wo er unter anderem die erfolgreiche französische Erstaufführung von Dusapins «Faustus, The Last Night » leitete. In der Saison 2010 / 2011 gab er mit diesem Werk im Concertgebouw Amsterdam höchst erfolgreich sein Debüt mit der Radio Kamer Filharmonie. Nachdem er mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart im Mai 2009 Rihms «Proserpina» zur Uraufführung gebracht hatte, leitete er das Orchester im September 2009 beim Strassburger Festival Musica erneut in einem Werk des Komponisten («Deus Passus »). Im Théâtre du Châtelet Paris begeisterte er 2010 in Sondheims « Little Night Music » mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France. Im Herbst 2011 brachte er Zwickers «Der Tod und das Mädchen» am Theater St. Gallen zur Schweizer Erstaufführung. Neben Dirigaten der grossen Orchesterliteratur der Klassik und Romantik sowie neuer Musik leitete er auch Produktionen, die sich den gängigen Kategorisierungen entziehen. Dazu gehören « Greggery Peccary & Other Persuasions », eine CD mit Werken von Frank Zappa mit dem Ensemble Modern, die 2003 bei RCA erschien und mit einem ECHO Klassik ausgezeichnet wurde, sowie Konzerte und eine Einspielung des neuen Soundtracks zu Sergei Eisensteins Film «Panzerkreuzer Potemkin » von und mit den Pet Shop Boys. Die von ihm dirigierte Liveauf nahme «The New Crystal Silence» mit Chick Corea, Gary Burton und dem Sydney Symphony Orchestra erhielt 2009 einen Grammy. Sehr erfolgreich war auch seine Zusammenarbeit mit dem Rapper Saul Williams für « Said the Shotgun to the Head », eine Komposition von Thomas Kessler, die unter seiner Leitung seit 2005 unter anderem vom WDR und SWR Sinfonieorchester und Oslo Philharmonic zur Aufführung gebracht wurde. Im März 2012 dirigierte er Heiner Goebbels’ «Surrogate Cities» am Londoner South Bank Centre. Jonathan Stockhammer studierte zunächst Chinesisch und Politologie, ehe er sein Studium in Komposition und Dirigieren in Los Angeles, seiner Heimatstadt, aufnahm. Noch während des Studiums sprang er für eine Reihe von Konzerten beim Los Angeles Philharmonic Orchestra ein und wurde in der Folge eingeladen, dem Chefdirigenten Esa-Pekka Salonen zu assistieren. Mit Abschluss seiner Studien zog er nach Deutschland um und entwickelte enge künstlerische Beziehungen zu bekannten europäischen Ensembles wie Ensemble Modern, MusikFabrik und Ensemble Resonanz. Von 2013 bis 2016 war er dem CNZ als Conductor in Residence verbunden. 15 Tage für Neue Musik Zürich Und nach dem Konzert: atonhall er Käse, Foyer Wir wollen, dass Sie sich vor, während und nach unseren Konzerten willkommen fühlen und wir möchten Räume für einen lebendigen Diskurs über das Gehörte schaffen. Daher laden wir Sie auch nach diesem Konzert ein, noch im Foyer zu verweilen und atonh al l en Käse zu kosten. Wir freuen uns auf Ihre Gesellschaft! Konzertvorschau Samstag, 19. November 2016 19.30 Uhr Toni-Areal, Konzertsaal 3 Pfingstweidstrasse 96 8031 Zürich Collegium Novum Zürich Jacqueline Ott Marimbaphon Boglárka Pecze Bassetthorn Mats Scheidegger E-Gitarre Jonathan Stockhammer Dirigent Veranstalter Stadt Zürich Kultur Tickets CHF 40 / 20 (ermässigt ) Stadt Zürich Kultur T +41 44 412 34 23 Impressum Herausgeber: Collegium Novum Zürich Programmverantwortung: Jens Schubbe Redaktion: Jens Schubbe Visuelles Konzept, Gestaltung: Klauser Design GmbH, Zürich Änderungen vorbehalten 16 Walter Feldmann (*1965 ) Esquisse : « le froid » für Marimbaphon solo und 14 Instrumente nach dem gleichnamigen Text von Anne-Marie Albiach ( Uraufführung ) Nadir Vassena ( *1970 ) « vox vocis » – ein stimmenkatalog, vol. 1 für E-Gitarre und Ensemble ( Uraufführung ) Sebastian Gottschick (*1959 ) Notturni für Bassetthorn und Kammerorchester ( Uraufführung ) Liza Lim ( *1966 ) «Street of crocodiles» für Ensemble ( 1995 ) Die Tage für Neue Musik feiern 2016 ihr dreissigjähriges Bestehen. Ein Wunsch der Veranstalter ist es, deshalb all diejenigen, die bislang als Künstlerische Leiter des Festivals agierten, in das Festivalprogramm zu integrieren: Walter Feldman und Nadir Vassena sind deshalb als Komponisten mit neuen Werken präsent, Mats Scheidegger wird als Solist zu erleben sein. Hans-Peter Frehner war ein Mitbegründer des Festivals und zeichnet für das diesjährige Programm verantwortlich. Auf seine Anregung hin wird Sebastian Gottschick ein Konzert für Bassetthorn und Ensemble komponieren und wird Liza Lim als Composer in Residence in allen Veranstaltungen des Festivals präsent sein. Sie unterlegt ihrer « Street of Crocodiles » ein Szenario aus einem Werk der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts und führt uns mit ihrer Musik und der Erzählung des sprachgewaltigen Bruno Schulz ( aus seinem Band «Die Zimtläden » ) in die fantastische Welt einer Strasse seiner kleinen polnischen Heimatstadt. In der «Krokodilstrasse» gibt es Dinge, die glaubt man nicht: Droschken ohne Fahrer, Eisenbahnen ohne Schienen und ohne Fahrplan oder -strecke, Teile von Menschen, die darin irgendwie agieren ... alles ist verrückt. Ebenso die Besetzung in Lims Werk – neben dem erwartbaren Instrumentarium zeitgenössischer Kompositionen sucht ein Barock-Cello den Anschluss an die klangliche Welt des Ensembles. Über das Werk von Liza Lim ist dieses Konzert mit dem Fokus Osten des CNZ verbunden. Collegium Novum Zürich Nordstrasse 378 8037 Zürich T +41 44 251 60 44 F +41 44 291 60 44 [email protected] cnz.ch