Holzhandel Freitag, 3. Juni 2016 Nummer 22 · Holz-Zentralblatt · Seite 575 Vertrieb im Zeichen der digitalen Transformation »Holzring-Symposium 2016« – Auf relevante Märkte fokussieren – Glaubwürdigkeit ist existentiell für den Unternehmenserfolg Veränderungen, das wusste schon der französische Chemiker und Mikrobiologe Louis Pasteur, begünstigen nur den, der darauf vorbereitet ist. Die Veränderungsprozesse, die aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung von Produkten, Prozessen und Geschäftsmodellen auf die Holzwirtschaft zukommen, standen daher im Mittelpunkt des offenen „HolzringSymposiums“, das am 12. Mai in Frankfurt-Gravenbruch stattfand und für das die Großhandelskooperation wieder hochkarätige Referenten aus Holzhandel und Holzindustrie gewinnen konnte. 220 Teilnehmer kamen zu der Veranstaltung, 130 trafen sich bereits am Vorabend zum gemeinsamen Abendessen – die erneute Rekordbeteiligung und die hohe Qualität der Vorträge unterstrich einmal mehr die Bedeutung des Symposiums als wichtigen Treffpunkt für Führungskräfte aus der Holzwirtschaft. Hinterm Horizont geht’s weiter Auch wenn wir mit bloßem Auge nur bis zum Horizont schauen können, also bis dort, wo Himmel und Meer sich berühren, geht es hinter dem Horizont weiter. Immer weiter, wie Udo Lindenberg so richtig festgestellt hat. Und weil der Wandel im Vertrieb von Holzprodukten im Mittelpunkt des HolzringSymposiums stand, wurden die Teilnehmer zu Beginn der Veranstaltung mit dem legendären Song der deutschen Rock-Ikone darauf eingestimmt, ihren Blick über den Horizont hinaus zu richten – in eine digitalisierte Welt, die längst schon keine Zukunftsmusik mehr ist und auch die Holzwirtschaft mit rasantem Tempo verändern wird. Wettbewerb zwischen Wertschöpfungsketten Remote Services, Rapid Prototyping, 3D-Druck, Open Innovation, Industrie 4.0, das Internet der Dinge, Soziale Netzwerke und neue Arbeitswelten – welchen Herausforderungen sich die Holzhandelsbranche wird stellen müssen, das machte Holzring-Geschäftsführer Olaf Rützel in seinem einführenden Referat zum Unternehmertum 4.0 deutlich. Mit der Digitalisierung der Wirtschaft verändern sich die Wettbewerbsbedingungen. Der zukünftige Wettbewerb findet nicht zwischen den unterschiedlichen Unternehmen statt, sondern zwischen den unterschiedlichen Wertschöpfungsketten! Und statt einander zu verdrängen, kooperieren die Wettbewerber im Sinne strategischer Allianzen, um die Wünsche der Kunden zuverlässig und gewinnbringend bedienen zu können. „Für ihn und für uns“, so Rützel. Dabei gelte es, den Kunden elektronisch anzubinden. Denn bis zum Jahr 2030 werde sich nach Experten-Prognose der E-Commerce über alle Vertriebsstufen hinweg zu einem wesentlichen Absatzkanal entwickeln. Zwar ordern nach einer Umfrage heute erst 21 % der Handwerker ihre Waren online, aber mit dem Generationenwechsel werden die Handwerker aller Gewerke in der digitalen Geschäftswelt angekommen sein. Dabei genießt der Großhandel gegenüber den großen OnlineKaufhäusern einen Wettbewerbsvorteil, betonte Rützel. Denn, wenn die Handwerker heute online kaufen, dann nutzen sie vor allem die Online-Plattformen des Großhandels. Hier haben sie einen persönlichen Ansprechpartner, kompetente Beratung, Regionalität und erprobte Lager- und Logistikleistungen. Zur Tradition des Holzring-Symposiums gehört es, angehende Führungskräfte des Holzgroßhandels aufs Podium zu bitten, um praxisbezogene Projekte vorstellen, die sie im Rahmen ihres berufsbegleitenden Studiums erarbeitet haben. In diesem Jahr präsentierte Florian Gimplinger von der Passauer Holz Mayrhofer GmbH das Abschlussprojekt „Layout zur Optimierung des Versand- möglichst schnell und vorrangig gefunden wird. Außerdem müsse der Online-Shop gut strukturiert und auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sein. Geschäftskunden sind meist wesentlich besser über Produkte oder Dienstleistungen informiert. Fakten, Produktpräsentati(Von links) Achim Heck, Leiter Zentraler Einkauf der Zech on, technische DeBau, Prüm-Garant-Geschäftsführer Detlev Schröder, Dirk tails und ProduktBeyer, Pfleiderer Holzwerkstoffe, Martin von Torklus, Leiter beschreibungen Marketing und E-Commerce der Carl Götz, Maximilian Zum- müssen dementsteg, Geschäftsführender Gesellschafter der Carl Götz, Prof. sprechend aufbeh.c. Manfred Maus, Gründer der Obi Bau- und Heimwerker- reitet werden. „Emärkte, und Bart Dekkers, Geschäftsführer von Baars & Blo- Commerce ist zwar emhoff, Jörg L. Jordan, Vorsitzender des Holzring-Beirats, Chefsache“, ohne und Holzring-Geschäftsführer Olaf Rützel. qualifizierte Mitarbeiter, die für die und Wareneingangsbereiches“, das er Online-Aktivitäten freigestellt oder eingemeinsam mit anderen Studienkolle- gestellt werden, geht es jedoch nicht. gen aus der gemeinsam mit der Coba Das habe inzwischen auch der HanOsnabrück betriebenen Weiterbil- delsverband Deutschland (HDE) erdungsinitiative IQ (Innovation durch kannt und ein Konzept für den neuen Qualifikation) im Auftrag des Holzring- Ausbildungsberuf des E-CommerceMitgliedes Otto Höttcke GmbH & Co. Kaufmann oder der E-Commerce-Kauffrau vorgelegt. Er soll insbesondere die KG erarbeitet hat. Kompetenzen fördern, die durch die Mehr als nur Produkte verkaufen Möglichkeiten des Internets und der Digitalisierung im Onlinevertrieb von WaZu den Herausforderungen der Digi- ren gefragt sind. talisierung gehört die klare Fokussierung auf relevante Märkte und Kunden: „Digital oder Qual?“ 70 % der Produkte, die das niederländische Kooperationsmitglied Baars & Auch die Unternehmen der HolzinBloemhoff vertreibt, werden von den dustrie digitalisieren und vernetzen die Architekten vorgeschrieben. „Wir ha- Funktionen entlang der vertikalen ben deshalb Lösungen gesucht, wie wir Wertschöpfungskette – vom digitalen die Architekten täglich treffen können,“ Bestellprozess, kundenindividuellen sagte Bart Dekkers, Geschäftsführer Produktentwicklungen und dem autovon Baars & Bloemhoff in seinem Vor- matisierten Transfer der Produktdaten trag „You have to choose to be chosen“. in eine vernetzte Planung und Fertigung Und so entstand die Idee des „Broei- bis hin zum integrierten Kundenservice. nest“. Das „Broeinest“ oder zu deutsch Welche Konsequenzen die daraus folBrutstätte ist ein einzigartiges Konzept gende digitale Transformation des Verder direkten Kundenansprache und die triebs für alle Beteiligten hat, erläuterte Benchmark für professionelles Ausstel- Detlev Schröder, Geschäftsführer lungsdesign. Denn „wir wollen mehr als Prüm-Garant Holding GmbH, in seinur Werkstoffe verkaufen, sondern In- nem Vortrag „Digital oder Qual? Channenarchitekten, Architekten und Inte- cen und Herausforderungen für den rieurdesigner mit den aktuellsten Mate- Vertrieb 4.0“. rialentwicklungen zu attraktiven GeZur Steigerung der Vertriebseffizienz staltungslösungen anregen.“ in der digitalen Welt gilt es vier HerausDie Zahlen und Fakten sprechen für forderungen zu meistern: Die Analyse das innovative Ausstellungszentrum im der relevanten Märkte und Kunden, die Strijp-S, dem kreativen Stadtteil von differenzierte Bearbeitung der verschieEindhoven, wo Baars & Bloemhoff ge- denen Kundengruppen, die Optimiemeinsam mit namhaften Partnern auf rung der Preis- und Rabattstruktur sorund 700 m² über 2 000 Produkte für den wie die Steuerung der Komplexität. modernen Innenausbau – von Dekor- Hierbei könne man der Digitalisierung platten über Fliesen und verschiedene nicht mehr ausweichen. „Unternehandere Fußbodenbeläge bis hin zu men, die langfristig erfolgreich bleiben Lichtlösungen und Designmöbel für den wollen, müssen sich den HerausfordePrivat- und Objektbereich – präsentiert. rungen der Digitalisierung stellen. Ende Januar 2015 eröffnet, zählte das Dabei steht der Baustoff- und HolzBroeinest bis heute über 6 000 Besucher handel noch ganz am Anfang!“, so und bescherte dem niederländischen Schröder. Allerdings könne die DigitaliHolzring-Mitglied einen Umsatzzu- sierung nicht Führungs- und Managewachs von 15 %. Darüber hinaus ver- mentaufgaben in einem Unternehmen zeichnete die Website des Unterneh- ersetzen. Denn Mehrwert entsteht nicht mens Baars & Bloemhoff in diesem Zeit- allein durch die vierte industrielle Revoraum ein Plus von 15 000 Besuchern. lution, sondern durch professionelles Management der Geschäftsprozesse. Das gilt auch für den Vertrieb! Entdecke die Möglichkeiten Eng verbunden mit klaren wirtschaftlichen Zielen und Nutzenpotenzialen lässt die Industrie 4.0 nach Aussage von Dirk Beyer, Leiter der Werke Region Westeuropa der Pfleiderer Holzwerkstoffe, erhebliche Verbesserungen bei der Wettbewerbsfähigkeit, Kostenreduktion, Effizienz, Produktivität und Kundenzufriedenheit erwarten. Mehr Wissen über den eingesetzten und aufbereiteten Rohstoff kann zu mehr Effizienz, Kostenreduktion sowie erhöhter Produktivität in der Holzwerkstoffindustrie beitragen. Dieses Wissen, so Beyer, kann aus dem Internet der Dinge in Form von integrierten „WissensChips der Holzlieferanten mit Infos über Feuchte, Rohdichte und pH-Wert sowie vom Leimlieferanten mit Infos über Feststoffgehalt, pH-Wert und aus dem Intranet der Dinge bezogen werden. Es ermöglicht die Entwicklung von optimalen Produktionsvorgaben bei den vorliegenden Rohstoffqualitäten und das Ordern von Rohstoffen, die auf den Produktionsprozess optimal abgestimmt sind. Die nächsten Vernetzungsschritte bei Pfleiderer sind die automatische Lagerbestückung des Kunden durch den Lieferanten via Datenaustausch, der Online-Zugriff auf die Warenverfügbarkeit und auf Lieferzeitinfos für die Auftragsfertigungen, die Übernahme und direkte Umwandlung von Muster-Bestell-Daten in einen Bestell- / Produktionsauftrag sowie die Auftragsverfolgung innerhalb des Werkes. Noch eine Vision, aber nicht undenkbar, ist die Optimierung des Produktes durch den Kunden, sind kundeneigene Dekorkreationen, die dem Auftrag mitgegeben und im Digitaldruck umgesetzt werden sowie die Herstellung von Rohplattenqualitäten nach technischen oder sonstigen Vorgaben oder die selbständige Ermittlung von Rezepturen. Wertschöpfen statt verschwenden Welchen Marktanforderungen sich der Holzhandel als Partner eines Bauunternehmers oder eines Bauträgers zu stellen hat, darüber berichtete Armin Heck, Leiter zentraler Einkauf bei der Zech Bau Holding GmbH in Bremen. Die Herausforderungen in der Bauindustrie sind gestiegen: Zum einen nehme die Komplexität in den Projekten beständig zu, zum anderem sinkt die Qualität der Planung. Zugleich herrscht ein extremer Preisdruck auf dem deutschen Baumarkt, insbesondere bei mittleren und großen Projekten. Darüber hinaus müssen sich die Partner auf die zunehmende Digitalisierung im Bauwesen einstellen. Diesen wachsenden Herausforderungen bei der Projektrealisierung müssten sich die Partner gemeinsam stellen, forderte Heck. Hierzu gelte es tragfähige Konzepte zu erarbeiten, in denen die Risiken und Chancen für alle Beteiligten abgebildet und fair verteilt werden. Solche Lösungsansätze sind Partnerschaftsmodelle wie der Partnerring, die auf Kooperation zwischen Bauherrn, Planer und Bauunternehmen sowie auf innovative Organisations- und Ablaufformen setzen, statt auf Konfrontation. Solche Partnerschaftsmodelle, die sich sowohl für Großunternehmen als auch für mittelständische Unternehmen eignen, können in Verbindung mit digitalen Managementsystem wie BIM oder Lean Construction dazu beitragen, die aktuellen Probleme im Bauprozess wie Qualitätsprobleme in Ausführung und Planung, Kostenüberschreitungen, Terminabweichungen, unkoordinierte Abläufe, fehlende Wertschätzung der Leistung anderer, Verschwendung in den Beständen und bei Wegezeiten sowie Konflikte zwischen den am Bau Beteiligten zu minimieren und die Qualität, Sicherheit und Wertschöpfung am Bau erhöhen und der Kundenzufriedenheit signifikant verbessern. Jede Veränderung zieht Konsequenzen nach sich Der Einflusss der Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft wächst und als „Nestbauer der Familie“ sind sie beim Bauen und Wohnen die Entscheidungsträger. Ihre Ansprüche an Produkte und Dienstleistungen gilt es in Zukunft mehr denn je zu erkennen und in entsprechende Marketing- und Ausstellungskonzepte umzusetzen. Auch haben die jungen Menschen, die demnächst in die Unternehmen kommen werden, andere Vorstellungen von Beruf und Familie. Bei der Frage des digitalen Wandels geht es nicht nur um technische Entwicklungen, sondern auch um kulturelle Aspekte. Und diese beleuchtete Prof. h.c. Manfred Maus, Gründer der Obi Bauund Heimwerkermärkte in einem mitreißenden Vortrag „Die Welt verändert sich – Sie auch?“ Wenn sich die Welt verändert, kann das für den Unternehmer zu einer Riesenchance werden – wenn er diese rechtzeitig erkennt und umsetzt. Was hierzulande nicht immer ganz einfach sei, denn häufig bekomme man heftigen Gegenwind von den Bedenkenträgern. „Daher brauchen wir in den Unternehmen Köpfe, die anders denken. Wir müssen Manager heranbilden, die die nächsten 20 Jahre gestalten können – nicht nur fachlich, sondern auch sozial.“ Die ihre Mitarbeiter mit in die Veränderungsprozesse einbeziehen, ihre Talente herausfinden und fördern. Denn nur zufriedene und gut geschulte Mitarbeiter können die Kunden wirklich begeistern und binden. Wichtig sei überdies, dass das Unternehmen für gewisse Werte stehe und diese auch nach außen hin vertrete. Die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens sei existenziell für seinen Erfolg. „Denn heute im digitalen Zeitalter gibt es nichts, was wir nicht wissen. Irgendwann wird der Kunde es merken!“ Der schwungvolle und in jeder Hinsicht lehrreiche Vortrag, für den Maus vom Publikum mit Standing Ovations belohnt wurde, bildete den perfekten Abschluss einer erneut sehr informativen und anregenden Veranstaltung mit wesentlichen Ausblicken auf künftige Entwicklungen in der Holzbranche. Keine Qual, sondern Chance E-Commerce – Chance oder Bedrohung? Diese Frage stellt sich heute nicht mehr, unterstrich Maximilian Zumsteg, geschäftsführender Gesellschafter der Carl Götz GmbH, der auf dem Holzring-Symposium gemeinsam mit Martin von Torklus, Leiter Marketing und E-Commerce des Großhandelsunternehmens, über den „Holzhandel 4.0 und den Vertrieb von morgen“ sprach. Der Erfolg liege in der sinnvollen Vernetzung von Online- und Offlinehandel. Und für den die richtigen systemischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen. „Mit Weitblick, Besonnenheit und dem richtigen Gespür dafür, wie die Kunden online begeistert, erreicht und als Stammkunden gewonnen werden.“ Dazu gehört die Suchmaschinenoptimierung, um sicherzustellen, dass das Unternehmen im Internet Mit 220 Teilnehmern verzeichnete das „Holzring-Symposium“ eine Rekordbeteiligung. Diese und die hohe Qualität der Vorträge unterstrich einmal mehr die Bedeutung der Veranstaltung als wichtigen Branchentreff.