Tagblatt Online - Das Gebet auf der Bühne

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26. Oktober 2013, 02:54 Uhr
Das Gebet auf der Bühne
Die Tänzerinnen der St. Galler Kompagnie «Troupe Élevée». (Bild:
pd)
Beten und Modern Dance – wie bekommt man
das zusammen? Cécile Müller (29) wird es
morgen abend zusammen mit ihrer
frischformierten St. Galler Tanzkompagnie
«Troupe Élevée» in der Grabenhalle zeigen.
MARCO KAMBER
Ihr Stück heisst «How to pray». Werden Sie zeigen, wie
man richtig betet?
Cécile Müller: Nein, das werden wir nicht. Wie betet man
richtig? Das weiss auch unser Choreograph Johannes Bönig
nicht. Schliesslich gibt es sehr viele verschiedene Formen von
Beten, und jede ist individuell geprägt. Aber der Gebetsakt ist
oft repetitiv, was sich im modernen Tanz interessant umsetzen
lässt und auch immer wieder zu finden ist. Zudem beten Leute
aus verschiedenen Gründen: Im religiösen Sinne strebt das
Gebet Belohnung oder gar Erlösung von Sünden an, aus
spiritueller Sicht Erkenntnis und Verwirklichung des göttlichen
Funkens, welcher religionsunabhängig ist.
Woher kommt die Idee eines Tanzstücks, das sich dem Akt
des Betens widmet?
Müller: Unser Choreograph hat sich dafür vom Musikstück
«How to pray» des amerikanischen Komponisten David Lang
inspirieren lassen. Der Titel des Musikstücks gab zugleich auch
die Thematik der Choreographie vor. Beten ist ein körperlicher
Akt, den man meistens stark in sich versunken durchführt. Weil
es beim Tanzen nicht gross anders ist, interessierte sich Bönig
schon immer für den Gebetsakt.
Je nach Religion wird auf verschiedene Weise gebetet. Gibt
es bei Ihrem Stück eine spezifische religiöse Färbung?
Müller: Nein – im Vordergrund steht der rohe Akt, quasi die
Essenz des Betens, auch als etwas Archaisches. Unsere
Choreographie wird nicht direkt an eine spezifische Form eines
Gebets, beispielsweise des christlichen, erinnern. Das war
Bönig genau gleich wichtig wie David Lang, der 2002 «How
to pray» komponierte. Lang sei nie ein religiöser Mensch
gewesen und habe keine Ahnung davon, wie man richtig betet.
Repetitionen wie beim Beten gibt es auch im Tanz an sich,
aber auch beim Üben eines Stücks. Wie lange dauert so
etwas?
Müller: Immer und immer wieder arbeitet man an den gleichen
Bewegungen und Abläufen – das hat etwas Spirituelles an sich.
Für «How to pray» haben wir das Stück zuerst zusammen mit
dem Choreographen zwei Wochen lang einstudiert. Bönig ist
ein sehr vielbeschäftigter Lehrer – er leitet seit bald 30 Jahren
verschiedene Tanzkompanien in ganz Europa. Deshalb waren
wir nach diesen zwei Wochen für die letzten drei Monate mehr
oder weniger auf uns gestellt und haben regelmässig geprobt.
Nicht nur das Stück feiert morgen in der Grabenhalle
Premiere. Auch Ihre Kompagnie «Troupe Élevée» feiert
Bühnentaufe.
Müller: Das stimmt. Wir kennen uns aber schon länger, waren
zusammen an der St. Galler Schule für Ballett und Tanz, unter
der Leitung von Angelika Haindl. Wir stehen schon viele Jahre
gemeinsam für verschiedene Produktionen auf der Bühne und
funktionieren gut miteinander. Das ist sehr wichtig, denn eine
Kompanie kann aus noch so vielen Leuten bestehen – sie muss
immer als ein Ganzes funktionieren. Nun haben wir uns für
diese und voraussichtlich weitere Choreographien
zusammengetan.
Kann sich St. Gallen also endlich auf eine aktive
Tanzkompagnie freuen?
Müller: Wir kommen aus der Ostschweiz, Zürich und Bern
regelmässig hierher in unser Probelokal in der Stadt – es
stecken eine grosse Ernsthaftigkeit und viele Ideen sowie erste
Ansätze für weitere Projekte dahinter. Es wird einiges kommen
– viel mehr kann ich allerdings noch nicht sagen. Mit «How to
pray» freuen wir uns erst mal, etwas auf die Bühne zu bringen.
Das ist ein wichtiger Schritt für eine Kompanie und spornt für
Neues an.
Morgen So, Grabenhalle, 19 Uhr
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unter:
http://www.tagblatt.ch/aktuell/kultur/tb-sk/Das-Gebet-auf-derBuehne;art188,3583010
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