WIRTSCHAFTSPRÜFUNG Pascal Portmann Änderungen im Bereich der anlagefondsgesetzlichen Prüfungen Vollständigkeitserklärungen und «Bestimmungen für die Vertriebsträger», in Richtlinie zur Abschlussprüfung Nr. 4 (RzA 4) geregelt Die Pflichten der anlagefondsgesetzlichen Revisionsstelle sind in den Art. 52 ff. AFG (Anlagefondsgesetz) und Art. 60 ff. AFV-EBK (Anlagefondsverordnung) festgehalten. In Ergänzung der gesetzlichen Vorgaben erlässt die Swiss Funds Association seit dem Jahr 2000 im Rahmen der Selbstregulierung Vorschriften, die durch Fondsleitungen und Vertreter ausländischer Anlagefonds und durch Vertriebsträger einzuhalten sind. Da es sich bei der Selbstregulierung um allgemeinverbindliche Vorschriften handelt, ist deren Einhaltung durch die Revisionsstelle zu prüfen. Der Schweizer Treuhänder 3/04 – Richtlinien für die Berechnung der Inventarwerte und die Behandlung von Bewertungsfehlern bei Wertschriftenfonds; – Richtlinie für den Fondsvertrieb; – Richtlinien für die Berechnung und Offenlegung der TER (Total Expense Ratio). In Kürze sind noch die «Richtlinie für die Berechnung und Publikation der Performance» und die «Richtlinien für Immobilienfonds» zu erwarten. Das Selbstregulierungswerk wird durch die Aufsichtsbehörde als allgemein verbindlich erklärt. Die Einhaltung der Bestimmungen ist zu prüfen und das Prüfungsergebnis im anlagefondsgesetzlichen Revisionsbericht über die Fondsleitung festzuhalten (Art. 68 Abs. 2 Bst. d AFV-EBK). 1. Einleitung Die Aufgaben der anlagefondsgesetzlichen Revisionsstelle und deren Berichterstattung ist umfassend im Anlagefondsgesetz bzw. in den entsprechenden Verordnungen geregelt. Im Jahre 2000 hat überdies die Swiss Funds Association (SFA) mit dem Erlass eines Selbstregulierungswerkes [1] begonnen, das die gesetzlichen Vorgaben in Teilgebieten näher konkretisiert. Die Selbstregulierung richtet sich an die schweizerischen Fondsleitungen, die Vertreter ausländischer Anlagefonds in der Schweiz und an die Vertriebsträger. Im Zentrum der Selbstregulierung stehen die «Verhaltensregeln für die schweizerische Fondswirtschaft» («Code of Conduct») vom 30. August 2000. Die darin enthaltenen Grundsätze werden in Richtlinien näher konkretisiert. Derzeit sind folgende Richtlinien in Kraft: Pascal Portmann, dipl. Wirtschaftsprüfer, Partner, PricewaterhouseCoopers, Präsident der Fachkommission Bankenrevision und der Gruppe Anlagefonds der Treuhand-Kammer, Zürich Der Vertrieb von Anlagefonds geschieht noch zu einem bedeutenden Teil über das Bankensystem, wobei andere Vertriebskanäle an Bedeutung gewinnen. Wer Anlagefonds in der Schweiz vertreiben will, bedarf dazu einer Bewilligung (Art. 22 AFG). Von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind bereits regulierte Unternehmen wie Banken, Effektenhändler, Fondsleitungen, Versicherungen und die schweizerische Post. Wie bereits weiter oben erwähnt, wird der Vertrieb von Anlagefonds durch eine Richtlinie der SFA näher geregelt. Danach sind die 187 WIRTSCHAFTSPRÜFUNG Pascal Portmann, Änderungen im Bereich der anlagefondsgesetzlichen Prüfungen Vertriebsträger zu verpflichten, die «Bestimmungen für die Vertriebsträger» [2] einzuhalten und die Einhaltung durch eine Revisionsstelle prüfen zu lassen. Diese Neuerungen haben die Fachkommission Bankenrevision – Gruppe Anlagefonds – bewogen, die Vollständigkeitserklärungen und den Text des Bestätigungsberichts für die Prüfung des Fondsvertriebs zu überarbeiten. und stellt einerseits ein Update der Vollständigkeitserklärungen für die Anlagefonds dar und integriert andererseits die besprochenen regulatorischen Entwicklungen in der Selbstregulierung auf Stufe Fondsleitung. Bekanntlich müssen die Abschlusstermine der Fonds und der Fondsleitung nicht identisch sein. Der Zeitraum zwischen dem früheren Abschlussdatum bei den Fonds und dem Abschlussdatum der Fondsleitung wird im zweiten Block «Enthält der Revisionsbericht Einschränkungen zur Einhaltung der Bestimmungen für Vertriebsträger, so hat die Revisionsstelle der Aufsichtbehörde direkt ein Exemplar zuzustellen.» Die Dokumente sind in der Richtlinie zur Abschlussprüfung Nr. 4 (RzA 4) zusammengefasst und auf der Internetseite der Treuhand-Kammer [3] publiziert worden. 2. Vollständigkeitserklärungen Im Schweizer Handbuch für Wirtschaftsprüfung (HWP), 1998, Band 3, ist auf Seite 251 ein Mustertext für eine Vollständigkeitserklärung im Zusammenhang mit der Prüfung des Jahresberichts eines Anlagefonds abgedruckt. Die vorerwähnten regulatorischen Entwicklungen machten die Überarbeitung des Mustertextes notwendig. Zusätzlich wurde noch ein Mustertext für eine Vollständigkeitserklärung der Fondsleitung ausgearbeitet. Die Vollständigkeitserklärung für Anlagefonds deckt den Jahresbericht des Anlagefonds ab und beinhaltet auch die Erklärung der Fondsleitung, dass die reglementarischen und regulatorischen Vorschriften (inkl. Selbstregulierung) eingehalten worden sind. Die Vollständigkeitserklärung der Fondsleitung besteht aus zwei Blöcken. Im ersten Block bestätigt die Fondsleitung die Vollständigkeit der Jahresrechnung. Der zweite Block bezieht sich auf die Tätigkeit der Fondsleitung bei der Verwaltung der Anlagefonds 188 abgedeckt. Dies ermöglicht allenfalls offengelegte Verstösse zeitgerecht im anlagefondsgesetzlichen Bericht über die Fondsleitung zu behandeln. Die Textvorschläge sind an die jeweiligen Umstände anzupassen. Im Revisionsbericht ist der Erhalt einer Vollständigkeitserklärung zu bestätigen (Art. 67 Abs. 1 Bst. q bzw. Art. 69 Abs. 2 Bst. n AFV-EBK). 3. Bestätigungstext für die Prüfung der Einhaltung der «Bestimmungen für die Vertriebsträger» Fondsleitungen und Vertreter ausländischer Anlagefonds müssen mit den Vertriebsträgern schriftliche Vertriebsverträge abschliessen, und zwar unabhängig davon, ob diese bewilligungspflichtig sind oder nicht. Bewilligungspflichtig ist der gewerbsmässige Vertrieb, wobei dies wiederum von der öffentlichen Werbung abhängt (Art. 1a AFV). Den Begriff «öffentliche Werbung» hat die Aufsichtsbehörde im EBK-RS 03/1 vom 28. Mai 2003[4] ausgelegt. Der «Code of Conduct» enthält nähere Bestimmungen zum Fondsvertrieb und verpflichtet unter anderem die Fondsleitungen und die Vertreter ausländischer Anlagefonds, ihre Vertriebspartner sorgfältig auszuwählen. Diese Bestimmung wird wiederum in der Richtlinie über den Fondsvertrieb der SFA näher konkretisiert. Darin enthalten ist u.a. eine Regelung, wonach mit den Vertriebsträgern ein Vertriebsvertrag nach der Mustervorlage des SFA abgeschlossen werden muss. Mit Abschluss eines solchen Vertrages verpflichtet sich der Vertriebsträger einerseits zur Einhaltung der «Bestimmungen für die Vertriebsträger» und andererseits zur Beauftragung einer Revisionsstelle mit der Prüfung der Einhaltung der vorerwähnten «Bestimmungen für die Vertriebsträger». Da die Regulierung zwischen Vertrieb mit und ohne öffentliche Werbung unterscheidet, muss der Prüfer die Unterscheidungskriterien kennen und seine Prüfung beim Vertriebsträger entsprechend anpassen. 3.1 Öffentliche Werbung Gemäss dem erwähnten EBK-Rundschreiben gilt die Verwendung von Werbemitteln jeder Art, welche dazu dienen, direkt oder indirekt Anlagefonds anzubieten oder zu vertreiben, als Werbung. Wird ein Werbemittel verwendet, wird das Vorliegen öffentlicher Werbung vermutet (Rz 6). Art und Form der Werbemittel sind grundsätzlich nicht von Bedeutung. Das Rundschreiben führt in Rz 7 als Beispiele auf: Print und elektronische Medien jeder Art wie Zeitungen und Zeitschriften, Streusendungen (Direct Mail), Prospekte, Fact Sheets, Publikation von Kursen und Inventarwerten, Empfehlungslisten und Informationsschreiben an die Kunden einer Bank oder eines anderen Finanzintermediärs, Offerten zur Weiterleitung an ihre Kundschaft, Angaben über die Zeichnungsmöglichkeiten von Anlagefonds (z.B. Valorennummer, Zeichnungsstelle), Pressekonferenzen, Telefonmarketing, ungebetene Telefonanrufe (Cold Calling), Road-Shows (Präsentationen), Finanzmessen, gesponserte Reportagen über Anlagefonds, Hausbesuche von Finanzintermediären jeder Art, Internet-Webseiten und andere Formen des E-Commerce, Zeichnungsscheine und Online-ZeichnungsmögDer Schweizer Treuhänder 3/04 WIRTSCHAFTSPRÜFUNG Pascal Portmann, Änderungen im Bereich der anlagefondsgesetzlichen Prüfungen lichkeiten, E-Mails. Als öffentlich gilt die Werbung, wenn sie sich während des Geschäftsjahres an mehr als 20 Personen richtet. Ob die Werbung Erfolg hat oder nicht, ist unerheblich (Rz 9). 3.2 Ausnahmen von der öffentlichen Werbung Im Rundschreiben werden aber auch zwei Ausnahmen festgehalten (Rz 12– 15). Keine öffentliche Werbung liegt vor, wenn der Vertrieb – an institutionelle Investoren mit professioneller Tresorerie oder – im Rahmen eines entgeltlichen und schriftlichen Vermögensverwaltungsvertrages erfolgt. die «Bestimmungen für die Vertriebsträger» anwendbar sind auf den Vertrieb mit öffentlicher Werbung. Die beauftragte Revisionsstelle prüft hier deren Einhaltung. Erfolgt gleichzeitig oder allenfalls ausschliesslich eine Vertriebstätigkeit ohne öffentliche Werbung, so hat die beauftragte Revisionsstelle zu prüfen, ob die Bedingungen für die Ausnahmen gemäss Rz 12–15 des EBK-RS 03/1 erfüllt sind. Die Aufgaben der beauftragten Revisionsstelle wurden bereits im ST 8/2002, Seite 655, ausführlich beschrieben. Diese Ausführungen gelten weiterhin für die Prüfung im Falle des Vertriebs mit öffentlicher Werbung. Aufgrund der vorbeschriebenen Entwicklungen ist der Bestätigungstext überarbeitet worden. Der überarbeitete Text ist verbindlich und in Anhang 3 von RzA 4 enthalten. 3.3 Auswirkungen auf die Prüfung Unter einem Vertriebsvertrag gemäss SFA-Muster kann der Vertrieb mit oder ohne öffentliche Werbung erfolgen. Dabei besteht die Meinung, dass Der Schweizer Treuhänder 3/04 Die Revisionsberichte sind dem Vertriebsträger zuzustellen. Dieser reicht davon ein Exemplar der Fondsleitung oder dem Vertreter ausländischer Anlagefonds ein. Enthält der Revisions- bericht Einschränkungen zur Einhaltung der Bestimmungen für Vertriebsträger, so hat die Revisionsstelle der Aufsichtbehörde direkt ein Exemplar zuzustellen. Da die Revisionsstelle der Fondsleitung bzw. des Vertreters ausländischer Anlagefonds (sofern Banken oder Effektenhändler) die Einhaltung der Richtlinie für den Fondsvertrieb bestätigen muss, was auch den Erhalt der Revisionsberichte über die Vertriebsträger umfasst, sollten die Revisionsberichte über den Fondsvertrieb bis spätestens Ende April erstattet und bei den Vertragspartnern sein. Anmerkungen 1 www.sfa.ch/Selbstregulierung 2 Die «Bestimmungen für die Vertriebsträger» sind Bestandteil der «Richtlinien für den Fondsvertrieb» (www.sfa.ch/Selbstregulierung/ Fondsvertrieb). 3 www.treuhand-kammer.ch 4 www.ebk.admin.ch/Publikationen/Rundschreiben 189