1 Eröffnungsrede anlässlich des 59. Österreichischen Städtetages in Bruck/Mur Sehr geehrte Damen und Herren! Es macht Freude, neuerlich an einem Österreichischen Städtetag – diesmal eigentlich an einem 3-Städtetag, was die Veranstaltungsorte betrifft – teilnehmen zu können und hier wiederum viele alte Bekannte zu treffen, aber auch der nachwachsenden Generation an Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zu begegnen. Man kann es nicht oft genug sagen, dass in den rund 250 Gemeinden, die dem österreichischen Städtebund angehören, mehr als die Hälfte der Bevölkerung Österreichs wohnt, so dass die Arbeit des Österreichischen Städtetages flächendeckender Bedeutung für unsere Republik ist. von 2 Die Städte sind daher auch für das politische Klima in unserem Land prägend oder zumindest mitprägend. In einer Zeit, wo der Ton in der politischen Auseinandersetzung zu bestimmten Themen härter wird, wo nach Feindbildern und Sündenböcken gesucht wird, in einer Zeit, wo die Gefahr besteht, dass das Augenmaß für das Positive und für das, was Österreich wohltuend von anderen Staaten unterscheidet, verloren geht – in einer solchen Zeit sollte der überschaubare Raum der Städte und Gemeinden mithelfen, an unserer politischen Kultur festzuhalten, Augenmaß und Dialogfähigkeit zu bewahren, Fairness zu belohnen und mit den Grundwerten unserer Gesellschaft verantwortungsbewusst umzugehen. Auch, und gerade in schwierigen Zeiten scheint mir das von großer Bedeutung zu sein. Meine sehr geehrten Damen und Herren! 3 Als Ende Mai des vergangenen Jahres der 58. Städtetag in Innsbruck eröffnet wurde, war der Konjunkturhimmel in Österreich noch vorwiegend heiter. Einige Expertinnen und Experten stutzten bei bestimmten Nachrichten aus dem Finanzsektor der Vereinigten Staaten, aber immerhin sagte die offizielle Prognose des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts vom Dezember 2007 für das Jahr 2008 ein Wirtschaftswachstum von 2,2% voraus und erwartete für 2009 ein Wachstum von 2%. Inzwischen ist manches anders geworden, und selbst die Prognose eines Minuswachstums von 2,2% für 2009, die dem Budgetentwurf des Finanzministers für das Jahr 2009 zugrunde liegt, wird inzwischen von den Experten als viel zu optimistisch bezeichnet. Die Weltwirtschaft, Europa und auch Österreich gehen durch eine Schlechtwetterfront. 4 Und wir müssen und werden beweisen, dass wir nicht nur schönwettertauglich sind, sondern auch die gravierenden Herausforderungen einer weltweiten Finanzkrise und eines dramatischen Konjunktureinbruchs mit vereinten Kräften bewältigen können. Bergsteiger und Wanderer kennen den guten Spruch, der da lautet: „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“. Das ist natürlich nicht Eins zu Eins auf Politik und Wirtschaft übertragbar, aber eines ist sicher richtig: Es hängt sehr viel davon ab, wie wir uns in dieser Schlechtwetterzone der Weltwirtschaft verhalten, wie wir reagieren, wie wir uns schützen und wie wir uns auf die nachfolgende Periode einer Wetterbesserung d. h. eine Konjunkturerholung vorbereiten. Hohes Präsidium! 5 Ich gebe jenen recht, die sagen, dass die österreichische Volkswirtschaft im europäischen Vergleich recht gut aufgestellt ist. • Wir haben ein überdurchschnittliches Pro-Kopf- Einkommen. • Wir haben eine beachtliche und stabile Sozialquote. • Wir haben qualifizierte Arbeitskräfte und tüchtige Unternehmer. • Wir haben einen günstigen Standort in Europa, wobei wir uns unser systematisch aufgebautes und weit gestreutes Engagement in Ost- und Südosteuropa nicht schlecht reden lassen. Das alles sind Fakten, die man nicht gering schätzen darf. Und dennoch wird das Jahr 2009 – und das gilt auch für die nachfolgenden Jahre – schwierig sein. Gleichzeitig gibt es aber Hinweise, dass man in absehbarer Zeit auch erste Vorzeichen für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird erkennen können. 6 Das wird allerdings nicht die Rückkehr zum Zustand vor der Krise bedeuten. Es kann nicht alles so bleiben, wie es war, und es wird auch nicht so bleiben. Es darf dort, wo sehr viel Geld im Spiel ist, in Zukunft keine unkontrollierten Grauzonen geben. Wir müssen eine vernünftige Balance zwischen der Rolle des Marktes und gesellschaftlicher Verantwortung finden bzw. wiederherstellen. Das gilt ganz besonders auch für den Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge mit ihren unschätzbaren Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger auf den verschiedensten Gebieten. Eine weitere zentrale Lehre aus der Krise: Es muss in einem Finanzsystem, das so viel Geld und damit auch sehr viel Macht 7 akkumuliert, in Zukunft wirksamere Regulierungen und Aufsichtsorgane geben. Darüber hinaus sind ethische und moralische Grundregeln auch im Bereich der Finanzwelt unverzichtbar. Und schließlich: Es müssen die Lasten der Krise, und die Lasten auf dem Weg aus der Krise gerecht verteilt werden. Ich habe im Vorjahr beim Städtetag in Innsbruck wörtlich gesagt, dass eine soziale Marktwirtschaft, die diesen Namen verdient, „aus einer Kombination des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs mit Faktoren des sozialen Ausgleiches“ bestehen muss. Und ich habe hinzugefügt, dass wir verhindern müssen, dass die soziale Komponente im Vergleich zur Wettbewerbskomponente an Boden verliert. An dieser Auffassung, die damals nicht aus aktuellem Anlass, sondern als Prinzip Entschiedenheit fest. formuliert wurde, halte ich mit 8 Wir können uns Ungerechtigkeit und mangelnde Fähigkeit zum sozialen Ausgleich nicht leisten und zwar sowohl aus ökonomischen als auch aus demokratiepolitischen Überlegungen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Städtetag 2009 findet wenige Wochen vor europaweiten Wahlen zum europäischen Parlament statt. Es findet ein demokratischer Wettbewerb zwischen wahlwerbenden Parteien bzw. zwischen verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten statt. Ich werde mich zu den Positionen einzelner Wahlwerber und einzelner wahlwerbenden Parteien nicht äußern. Aber auf zwei Dinge darf ich hinweisen: Erstens wäre es wertvoll und würde der Vertretung unserer Interessen auf europäischer Ebene nützen, wenn auch auf der 9 kommunalen Ebene an der Schärfung des Bewusstseins für die Wichtigkeit der europäischen Agenda gearbeitet wird. Wenn darauf hingewiesen wird, dass das Projekt eines demokratischen Europa durch die Teilnahme an Wahlen zum europäischen Parlament gestärkt wird. Und Zweitens dürfen wir nicht vergessen, dass die Idee der Europäischen Zusammenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Überzeugung entstanden ist, dass die Entwicklungen, die in Europa zu Radikalismus, zu Hass, zu Diktatur und schließlich zum Krieg geführt haben, sich nie mehr wiederholen dürfen. An dieser Grundüberzeugung müssen wir in zeitgemäßer Form festhalten. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich nochmals für die Einladung zum 59. österreichischen Städtetag. Ich bedanke Gastfreundschaft in der Obersteiermark. mich für die 10 Und ich nutze gerne die Gelegenheit, um dem österreichischen Städtebund und allen in der Kommunalpolitik tätigen Frauen und Männern für Ihre Arbeit im abgelaufenen Jahr herzlich zu danken und für die Zukunft alles Gute zu wünschen!