Biomarker beim KRK – was kommt als nächstes in die Klinik? Prof. Dr. Thomas Seufferlein Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Halle Nach einer aktuellen Definition des NIH sind Biomarker Faktoren, die objektiv messbar und evaluierbar sind, als Indikator für normale oder pathologische Prozesse dienen oder die pharmakologische Antwort auf eine therapeutische Intervention anzeigen. Sie können auch als Surrogatendpunkt einer klinischen Studie dienen. Biomarker werden prinzipiell ähnlich entwickelt und validiert wie therapeutische Substanzen. Idealerweise steht ein bereits in einem kleineren Testset validierter Marker zur Verfügung, bevor eine Studie zu seiner endgültigen Beurteilung beginnt. In der Realität werden die meisten Marker immer noch explorativ-retrospektiv identifiziert und analysiert. Auch beim diesjährigen ASCO nahmen Biomarker bei den gastrointestinalen Tumoren einen großen Stellenwert bei Vorträgen und Postern ein. Biomarker für die adjuvante Situation Eine wesentliche, ungeklärte Frage ist der Einfluss von genetischen Variationen in der Keimbahn auf die Prognose von Patienten mit kolorektalen Karzinomen (KRK) im Stadium II und III. Axel Walther und Mitarbeiter führten in einer genomweiten Assoziationsstudie (GWAS) eine Genotypisierung von 947 Patienten mit KRK im UICC Stadium II und III durch. Sie untersuchten 309200 Einzel- nukleotidpolymorphismen (SNPs) und identifizierten einen SNP, der in der Metaanalyse mit einer ungünstigeren Prognose assoziiert war, und zwar auf Chromosom 2p14, in der Nähe des Actin Related Protein 2 (ARP2) (Walter et al., #3514). Diese erste GWAS beim KRK im Stadium II/III legt nahe, dass Keimbahnvariationen die Prognose beim KRK in diesen Stadien mitbestimmen. Zahlreiche Untersuchungen beschäftigten sich mit Transkriptomanalysen von KRKs im Stadium II und III. Eine Analyse stellte Frage, ob es genetisch fassbare Unterschiede zwischen KRKs im Stadium II und III gibt. Hierzu wurden pathologische Marker sowie die Expression von 375 Genen mittels RT-PCR aus mikrodisseziertem 1 Gewebe von 634 Patienten mit KRK im Stadium II und 844 Patienten mit KRK im Stadium III verglichen. In der quantitativen RT-PCR zeigte sich, dass das Genexpressionsmuster bei der überwiegenden Mehrzahl der untersuchten Gene im Stadium II und III sehr ähnlich ist, so dass beide Stadien tatsächlich eher unterschiedliche Zeitpunkte in einem Kontinuum und keine genetisch unterschiedlichen Phänotypen darstellen (O´Connell et al., #3503). Eine weitere Untersuchung beschäftigte sich mit der Frage, ob durch eine Kombination aus Lymphknotenstatus und einem prognostischen Genindex sich (retrospektiv) eine Subgruppe von Patienten mit KRK im Stadium II und III identifizieren lässt, die keine Oxaliplatin-haltige adjuvante Chemotherapie benötigen. Dazu wurden 956 Tumoren aus der NSABP-C07 Studie mittels Microrarray Genexpressionsanalysen untersucht und ein prognostischer Index aus 33 Genen identifiziert und validiert. Dieser Score, in Verbindung mit dem Lymphknotenstatus (N+/N-), kann eine Niedrigrisikogruppe von einer Hochrisikogruppe trennen. In der Niedrigrisikogruppe ist der Einsatz von Oxaliplatin wahrscheinlich nicht nötig (PogueGelle et al., #3516). Die Stratifizierung von Patienten mit KRK im Stadium II und III war auch Gegenstand einer Studie, in der molekulare und klinische Risikofaktoren für ein Überleben nach Rezidiv eines KRK mit initialem Stadium II und III an Hand von Probenmaterial aus der PETACC 3 Studie untersucht wurden (Roth et al., #3504). Hierbei zeigte sich, dass eine ungünstige Prognose, d.h. ein geringeres Überleben nach Rezidiv eines KRK im Stadium II und III im wesentlichen durch 3 Faktoren determiniert wird: Die Lokalisation des Tumors im rechtsseitigen Kolon, das frühe (≤ 18 Monate) Rezidiv und eine B-raf Mutation im Tumor (V600E). Auch eine K-ras Mutation kann prognostische Bedeutung haben wie eine Analyse von Proben der Quasar 1 Studie zeigt (Hutchins et al., #3517). Hier ergab sich, dass das Rezidivrisiko bei Tumoren mit defektem mismatch repair (MMR) System geringer ist als bei Tumoren mit intaktem MMR. Bei Tumoren mit K-ras Mutation war das Risiko deutlich höher als bei K-ras Wildtyp (37% vs. 24%). Eine K-ras Mutation ist in dieser Situation also prognostisch ungünstig. Beide Parameter könnten sich zur Risikostratifizierung für die adjuvante Therapie von KRKs eignen. 2 Biomarker in der palliativen Situation Hier wurde die gepoolte Analyse der Opus und der Crystal Studie mit der weitergehenden Auswertung des K-ras und B-raf Mutationsstatus der Tumoren vorgestellt (Bokemeyer at al., #3506). In dieser Auswertung zeigte sich kein prädiktiver Effekt einer B-raf Mutation für das Tumoransprechen auf eine Cetuximabtherapie, bei allerdings nur 70 B-raf mutierten Tumoren im Gesamtkollektiv. Auffallend war, dass eine B-raf Mutation mit einer erheblich schlechteren Prognose der Patienten assoziiert ist und dass konventionelle Chemotherapie bei diesen Tumoren schlechter wirksam zu sein scheint (mOS -/ + Cetuximab in Monaten: K-ras Wildtyp+B-raf WT: 21,1/24,8; K-ras WT+B-raf mut: 9,9/14,1). Nachdem die B-raf Mutation nicht prädiktiv für eine Cetuximabtherapie zu sein scheint, ist die Bestimmung dieses Parameters aus Tumorgewebe mangels therapeutischer Konsequenz aktuell nicht weiterführend. Eventuell lohnt sich die Bestimmung des B-raf Mutationsstatus aber, wenn eine neoadjuvante Chemotherapie resektabler Lebermetastasen geplant ist, da bei diesen Tumoren die Chemotherapie wenig effektiv ist (s.o.) und resektable Patienten daher eher primär operiert werden sollten. Studienevidenz zu dieser Frage fehlt allerdings. T. Maughan stellte die britische COIN Studie vor, in der unter anderem ebenfalls die Addition von Cetuximab zu einer Oxaliplatin-haltigen Erstlinienchemotherapie untersucht wurde (Maughan et al., #3502). An dieser Stelle soll nur auf den Biomarkerteil der Studie eingegangen werden. Wesentlicher Verdienst der Studie ist, dass die Analyse des Überlebens in Abhängigkeit vom K-ras, N-ras und B-raf Mutationsstatus im Tumor als sekundärer Endpunkt bereits vorab definiert war und prospektiv untersucht wurde. Die Studie zeigt, dass K-ras- und B-raf-Mutation im Tumor in der Erstlinientherapie des mKRK prognostische Biomarker sind und mit einer ungünstigeren Prognose für die Patienten korrelieren. Während diese Beobachtung für B-raf konsistent ist, gibt es zum prognostischen Wert der K-ras Mutation unterschiedliche Daten. Im KRK Stadium II und III und bei nicht vorbehandelten metastasierten KRKs scheint K-ras eine prognostische Bedeutung zu besitzen. Dies zeigt die COIN Studie, die größte Studie zu dieser Fragestellung, die Untersuchung von Kabbinavar zur Studie IFL plus Bevacizumab, die FOCUS und die RASCAL Studie. Es gibt allerdings auch Studien wie die CAIRO3 2 Studie, in der für K-ras kein prognostischer Effekt gezeigt werden konnte. In fortgeschrittenen Tumorstadien ist die K-ras Mutation offenbar nicht (mehr) prognostisch, zumindest wenn man die Daten aus den Studien zum Vergleich von Cetuximab vs. BSC oder Panitumumab vs. BSC heranzieht. Grund hierfür könnte eine „Evolution“ der Tumoren unter Therapie sein, so dass in chemotherapierefraktären Tumoren die K-ras Mutation prognostisch eine eher untergeordnete Rolle spielt. Weitere Biomarker – Hauttoxizität Eine Zweitlinienstudie zur Therapie des mKRK mit Folfiri oder Folfiri plus Panitumumab zeigte, dass der Antikörper nur im Kollektiv der Patienten mit K-ras Wildtyp im Tumor eine signifikante Verbesserung des Überlebens bedingt. Interessanterweise hatten Patienten, die eine deutliche Hautreaktion (definiert als Grad 2-4) auf die Panitumumabgabe entwickelten, unabhängig vom K-ras Status des Tumors ein besseres Gesamtüberleben (WT K-ras -/+ Hautreaktion: 15,5 vs. 9 Monate; mut K-ras -/+ Hautreaktion: 13,7 vs. 7,3 Monate). Damit scheint es sich bei dieser Subgruppe von Patienten um eine Gruppe mit deutlich günstigerer Biologie zu handeln. Die genetischen Grundlagen für diesen Unterschied, die wahrscheinlich auf Patientenseite liegen, sind aktuell unklar. Daten aus der Adjuvans (s.o.) legen aber nahe, dass es genetische Keimbahnvarianten gibt, die die Prognose des KRK bestimmen. Fazit: Dieses Jahr wurden zahlreiche neue Ansätze zu prognostischen und prädiktiven Biomarkern vorgestellt. Insbesondere Genexpressionsanalysen werden zunehmend „reif“ für die Praxis und wir werden in den nächsten 2-5 Jahren die ersten Testsets sehen, die Gensignaturen für die Therapiestratifizierung – zumindest in Studien – einsetzen. Die B-raf Mutation etabliert sich als negativer prognostischer Faktor im KRK, während die K-ras Mutation prädiktiv für eine Therapie mit anti-EGFR Antikörpern und prognostisch ist, letzteres wahrscheinlich aber v.a. in nicht vorbehandelten Tumoren. Etliche dieser Parameter werden als Strata in künftige Studienkonzepte einfließen. 4 Korrespondenz: Prof. Dr. Thomas Seufferlein Klinik für Innere Medizin I Universitätsklinikum Halle Ernst-Grube-Strasse 40 06120 Halle (Saale) [email protected] 5